„Israelism“: Ein sensibler Dokumentarfilm, der Israels Unterstützer erzürnt

In den letzten zwei Monaten haben sich verschiedene Universitäten in den USA bemüht, die Vorführung des preisgekrönten Dokumentarfilms „Israelism“ zu unterdrücken. Sie haben die Vorführung verzögert oder abgesagt und Studierende, die den Film zeigten, mit Disziplinarmaßnahmen bedroht. Warum eine so feindselige Reaktion?

Die Bemühungen sind Teil der McCarthy-ähnlichen Kampagne zur Unterstützung des Tel Aviver Regimes, das Tag und Nacht in Gaza mordet. Der Film ist für Israel-Befürworter alarmierend, weil er unter anderem die Behauptung als Lüge entlarvt, eine antizionistische Haltung sei „antisemitisch“. Bemerkenswert ist, dass „Israelism“ bei jüdischem wie nichtjüdischem Publikum gleich gut ankommt. Der Film erhielt unter anderem den Publikumspreis auf dem kürzlich stattgefundenen San Francisco Jewish Film Festival und den Preis für den besten Dokumentarfilm auf dem Arizona International Film Festival.

„Israelism“, produziert von den Dokumentarfilmemachern Erin Axelman und Sam Eilertsen, ist einfühlsam und nachdenklich. Er wird in erster Linie aus der Perspektive zweier jüdisch-amerikanischer junger Erwachsener erzählt. Sie sind mit einer starken Pro-Israel-Affinität aufgewachsen, doch ihre Ansichten ändern sich, als sie mit der Realität der brutalen Behandlung der Palästinenser durch Israel konfrontiert werden.

Dass ein solches Werk entstanden ist, hat eine objektive Bedeutung. Es zeugt von wichtigen Veränderungen in der politischen Einstellung und der gesellschaftlichen Orientierung. Die alten Unwahrheiten und Mythen sind einfach nicht mehr wirksam.

Der Dokumentarfilm ist zwar nicht ohne Schwächen, entlarvt aber Israel - die angeblich „einzige Demokratie im Nahen Osten“ - als diktatorischen Garnisonsstaat. Lügen und Gewalt sind allgegenwärtig. Ebenso ist für die Palästinenser das Militär allgegenwärtig: Kontrollpunkte, Straßensperren, Soldaten auf Patrouille. Sie sind eingezäunt und können nirgendwo hingehen.

Anhand von Videoclips, Interviews und Gesprächen mit den beiden Hauptdarstellern von „Israelism“ (Simone Zimmerman und einem jungen Mann namens Eitan), sowie mit Palästinensern aus dem Westjordanland erleben wir hautnah die täglichen Demütigungen und Grausamkeiten, denen die Palästinenser durch eine Regierung ausgesetzt sind, die sie hasst, ihr Existenzrecht ablehnt und sie zu einem staatenlosen Volk gemacht hat. Israel agiert mit faschistischen Methoden, und die Filmemacher stellen dies objektiv und sachlich dar.

Ein palästinensischer Händler erzählt von der täglichen stundenlangen Reise, die er auf sich nehmen muss, um seine Waren in Jerusalem zu verkaufen, und er weist auf die Risiken hin, die mit der Überquerung der militärischen Kontrollpunkte verbunden sind. Zwei Einwohner von Bethlehem, Baha Hilo und Sami Awad, erinnern sich der 750.000 Palästinenser, die während der Nakba („Katastrophe“) im Jahr 1948 vertrieben wurden. Ihre Familien können nicht in ihre Heimat zurückkehren. Eine palästinensische Familie sagt einem jüdischen Siedler, dass er ihr Land stiehlt, woraufhin dieser antwortet, das sei ihm egal: Wenn er es sich nicht nimmt, wird es ein anderer tun. Es gibt keinen Ausweg.

Einige besonders bewegende Momente in „Israelism“ sind diejenigen, die zeigen, wie Kinder verprügelt werden und selbst mit ansehen müssen, wie ihre Eltern, Familien und andere Erwachsene verprügelt werden. Eine Gesellschaft, die die zartesten und wehrlosesten Geschöpfe solchen Taten aussetzt, hat etwas fatal Krankhaftes an sich.

Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte von Zimmerman und Eitan (jüdischen Amerikanern, die ihre prägenden Jahre in jüdischen Privatschulen, Jugendgruppen und Sommerlagern verbrachten), die mit diesen Realitäten konfrontiert werden. Von klein auf wurde ihnen die bedingungslose Liebe zu Israel beigebracht. Ihre Erziehung schloss entweder jede Erwähnung der Palästinenser aus – Israel war das „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ – oder, wenn sie doch vorkamen, wurden sie als Feinde behandelt, deren Ziel es war, die Juden ihrer hart erkämpften und lang verdienten Zuflucht zu berauben.

Simone Zimmerman

Der Cutter des Films, der Emmy-Preisträger Tony Hale, stellt diese frühkindlichen Erfahrungen gekonnt in ihren Kontext mit Aufnahmen von Kindern, die singen, skandieren und ihre Unterstützung für Israel herausschreien. Zimmerman hält Bilder der Pro-Israel-Kunstwerke hoch, die sie in ihrer Jugend gemalt hat. Wir sehen Sommerreisen nach Israel mit Waffentraining und Kriegssimulation, komplett in Uniform. Eitan erzählt, wie er nach all diesen Jahren nach Abschluss der High School begeistert den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) beitrat.

In einem Interview erklären die Filmemacher Axelman und Eilertsen, dass sie mit 80 Personen gesprochen haben, bevor sie sich für diese beiden Personen entschieden. Ihr Lebensweg spiegelt die Hauptziele der Pro-Israel-Indoktrinationskampagne wider: zionistische Aktivisten und Führungspersönlichkeiten in den USA auszubilden und neue Soldaten und Einwanderer für Israel zu rekrutieren. Das Leben von Zimmerman und Eitan ist ein besonderes Beispiel für ein breiteres soziopolitisches Phänomen.

„Israelism“ lenkt den Blick des Zuschauers auf die Pro-Israel-Lobby. Es gibt Diskussionen mit Mitgliedern der Hillel-Gruppen auf dem Campus, die ihren Zionismus selbstgefällig und selbstsicher zur Schau tragen, und Universitätsveranstaltungen, für die den pro-zionistischen Studenten im Vorfeld schriftliche Argumentationsunterhilfe ausgehändigt wird. Sie werden angewiesen, auf Versammlungen, bei denen angeblich anti-israelische Resolutionen verabschiedet werden, zu weinen und emotional hysterisch aufzutreten. Interviewausschnitte mit Abe Foxman, dem ehemaligen Chef der Anti-Defamation League, machen deutlich, dass jeder Jude, der Israel in Frage stellt, als Feind betrachtet wird.

Um aufzuzeigen, wie der zionistische Staat in den USA agiert, werfen die Dokumentaristen einen Blick auf die Birthright Foundation, eine Organisation, die mehrtägige Reisen für jüdisch-amerikanische Jugendliche finanziert, um ihr „Geburtsrecht-Heimatland“ zu besuchen. Zu Beginn des Films sehen wir eine Kundgebung für diese Reisenden, wenn sie in Israel ankommen. Die Kundgebung wird von ohrenbetäubender Partymusik, rockkonzertartigem Geschrei und Israel-Fetischismus beherrscht. Kritisches Denken ist bei dieser finanziell extrem gut gepolsterten Veranstaltung, gelinde gesagt, weder gewünscht noch naheliegend. Sie ist eine von vielen Ausgangspunkten für die weit verbreitete Rekrutierung jüdischer Amerikaner in die IDF, die ihre Soldaten als „heiß und super“ beschreibt.

Eitan fällt auf diesen nationalchauvinistischen Rummel herein und tritt dem israelischen Militär bei. Die Folgen wirken sich letztlich radikalisierend auf seine Einstellung aus. Als er einen festgenommenen Palästinenser aus dem Westjordanland in eine Haftanstalt eskortiert, wird er Zeuge, wie andere Soldaten den Mann zu Boden wirft und ihn unter den schweigenden Blicken des Kommandanten und der Militärpolizei gnadenlos schlägt. Eitan empört sich über seinen Status als Besatzer.

Zimmermans Wandlung von einer Pro-Zionistin zu einer eindringlichen Kritikerin Israels wird durch eine Reihe von Ereignissen vorangetrieben. Es beunruhigt sie, dass ihre Fragen über Palästina und das, was sich hinter den Gaza umgebenden Mauern befindet, nicht beantwortet werden. „Warum kann ich es nicht sehen?“ fragt sie. Als sie es schließlich sieht, versteht sie, warum es verschleiert wird.

„Israelism“ ist in seiner Darstellung antizionistischer Juden eindringlich: Sie wehren sich gegen Völkermord und antipalästinensischen Hass. Der Dokumentarfilm wurde über einen Zeitraum von sieben Jahren produziert, nicht als Reaktion auf die Ereignisse des 7. Oktober. Aber die Protestszenen wirken so, als seien sie bei den jüngsten Anti-Kriegs-Aktionen auf dem College-Campus in Washington D.C. oder bei den Sitzstreiks an der Grand Central Station in New York City gedreht worden. Es sind allesamt Demonstrationen, an denen antizionistische Juden maßgeblich beteiligt waren, aber heute sind sie um ein Vielfaches größer.

"Israelism" (2023)

Allerdings bietet „Israelism“, dieser intelligent und einfühlsam aufgebaute Film, insgesamt wenig Einblick in die Hintergründe der Ereignisse, die er dokumentiert. Die Filmemacher, wie auch Zimmerman und Eitan, vermeiden es, die Geschichte der Entstehung des Staates Israel und seine Beziehung zu den imperialistischen Mächten zu diskutieren. Sie scheuen sogar vor dem Begriff Zionismus zurück und bevorzugen das von ihnen erfundene Wort „Israelismus“.

So erklärt Zimmerman die Bösartigkeit des israelischen Staates als eine Art missratenes Produkt des „ererbten Traumas“, das die Juden heute als Folge des Holocausts erleiden. Doch diese sozialpsychologische Terminologie kann nicht erklären, warum die industrielle Ausrottung der Juden durch die Nazis zu einem neuen jüdischen Völkermord geführt hat - diesmal mit den Juden als Täter. Warum sollte die Vernichtung des eigenen Volkes dazu führen, dass dieses Volk ein anderes vernichtet? Der Völkermord an den Juden und der Völkermord an den Palästinensern sind nicht von Natur aus kausal miteinander verbunden.

Die Verbindung der beiden Phänomene besteht vielmehr über den Imperialismus. Die zionistische Bewegung, die von Anfang an den Vorrang der „Rasse“ vor der Klasse vertrat, feierte die Tugenden des Nationalstaates. Sie stand einer Assimilation des jüdischen Volkes an die europäische Kultur und Gesellschaft zutiefst pessimistisch gegenüber und glaubte, dass ein jüdischer Staat in Palästina nur durch die Unterstützung der einen oder anderen Großmacht entstehen könne. Der Zionismus war antisozialistisch und lehnte die Idee ab, dass die Freiheit und Sicherheit des jüdischen Volkes erreicht werden könne, indem die internationale Arbeiterklasse im Kampf gegen jede Form der Unterdrückung den Kapitalismus stürzen werde.

Ze’ev Jabotinsky, der Anführer des faschistischen Flügels des Zionismus, schrieb 1934, dass die allgegenwärtige Feindseligkeit zwischen Juden und Arabern „fast wie eine Vorsehung“ sei, da sie ein Bündnis zwischen Israel und einem starken Imperialismus erzwingen werde:

Ein überwiegend jüdisches Palästina, Palästina als jüdischer Staat, der von allen Seiten von arabischen Ländern umgeben ist, wird im Interesse seiner eigenen Erhaltung immer versuchen, sich auf ein mächtiges Reich zu stützen, das nicht arabisch und nicht mohammedanisch ist.

Dies erforderte zwei Dinge: Erstens musste ein imperialistischer Gönner gefunden werden, den die zionistische Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten fand; Israel ist Washingtons Stellvertreter im Nahen Osten. Zweitens führte es zur ethnischen Säuberung Palästinas, die Israel ebenfalls durchgeführt hat und heute fortsetzt. Jabotinskys Schützlinge in der Herut-Bewegung, angeführt vom späteren Likud-Gründer und israelischen Premierminister Menachem Begin, verübten während der Nakba einige der schlimmsten Gräueltaten.

„Israelism“ geht all dem aus dem Weg und stolpert dann in den Versuch, sein Publikum auf einen Mischmasch aus Wahlrecht, der Demokratischen Partei, pseudolinker Politik und progressivem jüdischen Spiritualismus zu lenken.

Zimmerman selbst nahm zunächst eine Stelle bei der Bernie-Sanders-Kampagne als jüdische Outreach-Koordinatorin an. Zwei Tage später wurde sie auf Druck unter anderem von Foxman, dem ehemaligen Präsidenten der Anti-Defamation League, kurzerhand entlassen. Man muss ihr zugutehalten, dass sie vor der Pro-Israel-Lobby nicht kapituliert hat und in keiner Form zu Kreuze kroch. Aber sie und die Filmemacher schieben die Schuld auf Foxman. Was dabei mit keinem Wort erwähnt wird, ist Sanders‘ klägliches Einknicken oder, noch wichtiger, seine jahrzehntelange Unterstützung des amerikanischen Imperialismus und Israels.

Der Film zeigt ominöse Aufnahmen von Donald Trump, sagt aber nichts über die Demokratische Partei. Cornel West und Noam Chomsky treten in dem Dokumentarfilm auf: Das sind zwei Pseudolinke, die mit ihrer Kapitalismuskritik Karriere gemacht haben - um die Menschen wieder unter die Fittiche der Demokraten zu führen. Nichts wird über Barack Obama oder Joe Biden gesagt, wobei letzterer der Topverbrecher ist, wenn es um die Geschehnisse in Gaza geht.

„Israelism“ schließt mit einem Appell für ein anderes Judentum, das fortschrittlich und friedlich ist und sich gegen Hass und Unterdrückung wendet. Zweifellos ist der gewalttätige, faschistische zionistische Staat nicht aus der Geschichte des Judentums hervorgegangen. Noch weniger repräsentiert er die Gesamtheit des jüdischen Volkes, aus dem einige der größten Revolutionäre der Geschichte hervorgegangen sind, und das zur kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung der Menschheit beigetragen hat.

Viele Zehntausende jüdische Menschen hassen die entsetzlichen Verbrechen, die derzeit in Gaza und im Westjordanland verübt werden, und protestieren dagegen. Seit Jahren wächst die jüdisch-amerikanische Kritik an der zionistischen Politik. Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass 57 Prozent der Juden die US-Militärhilfe für Israel an ein Verbot der Verwendung von Geldern für die „Annexion des Westjordanlandes“ geknüpft sehen möchten. Und eine Umfrage aus dem Jahr 2021 ergab, dass ein Viertel der amerikanischen Juden Israel für einen Apartheidstaat hält, wobei die Zahlen unter jüngeren Geburtsjahrgängen steigen. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Hälfte der jungen jüdischen Amerikaner die israelische Politik ablehnt.

Menschen wie Zimmerman und Eitan haben Prinzipien und eine nicht geringe Portion Mut. Sie haben ihren Arbeitsplatz verloren, mussten ihre Beziehung zu Familie und Freunden abbrechen und sind jeder Art von Beschimpfungen ausgesetzt.

Das anti-zionistische Judentum allein wird jedoch die Katastrophe des Staates Israel weder für das jüdische Volk noch für die Palästinenser oder irgendjemanden anderen lösen. Dazu ist eine Mobilisierung breiter Massen der weltweiten Arbeiterklasse gegen Kapitalismus und Imperialismus erforderlich, die den Schrecken hervorgerufen haben, der sich heute abspielt.

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