Das Bündnis Sahra Wagenknecht verabschiedet ein rechtes Europawahlprogramm

Die politischen Konturen der neuen Wagenknecht-Partei zeichnen sich immer deutlicher ab. Nach der Gründung eines Vereins im September und der offiziellen Parteigründung am 8. Januar hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am 27. Januar seinen ersten Bundesparteitag abgehalten und ein 20-seitiges Programm für die Europawahl vorgelegt.

Oskar Lafontaine spricht auf dem BSW-Parteitag [Photo by BSW youtube (screenshot)]

Der Parteitag fand vor dem Hintergrund der tiefsten internationalen Krise der kapitalistischen Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. Die deutsche Regierung bereitet sich auf einen dritten imperialistischen Weltkrieg vor und rüstet auf wie seit Hitler nicht mehr. Sie führt Krieg gegen Russland, unterstützt den Genozid an den Palästinensern in Gaza und unterstützt die USA dabei, einen Flächenbrand im Nahen Osten zu entfachen und eine nukleare Konfrontation mit China vorzubereiten.

Die neue Partei verfolgt das Ziel, den wachsenden Widerstand gegen diese irrsinnige Kriegspolitik einzudämmen und den Klassenkampf zu unterdrücken, der den Kriegsplänen der herrschenden Klasse im Wege steht. Sie verbreitet einige pazifistische Phrasen und faselt von „sozialer Gerechtigkeit“, doch ihr wirkliches Programm ist militaristisch und arbeiterfeindlich.

Sie richtet sich an den „leistungsbereiten Mittelstand“, an Gewerkschaftsfunktionäre und an Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparats. In ihrer Parteitagsrede sprach Wagenknecht über die unterschiedlichen sozialen Milieus, aus denen die 450 Delegierten stammen, die die Parteiführung sorgfältig ausgewählt hatte, um Kontroversen zu vermeiden. Als Erste nannte sie „Gewerkschafter, Betriebsräte und erfolgreiche Unternehmer, Krankenpfleger und Polizisten“. Man achte auf die Reihenfolge!

Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte dienen seit Jahren als gutbezahlte Betriebspolizisten, auf die sich die Konzerne stützen, um Lohnsenkungen und Entlassungen reibungslos über die Bühne zu bringen. Polizisten verkörpern den bewaffneten Arm des Staatsapparats, der eingesetzt wird, um gesellschaftlichen Widerstand zu unterdrücken.

Die Krankenpfleger dienen dagegen lediglich als Alibi. Wagenknechts Partei ist eine strikte Gegnerin von Corona-Schutzmaßnahmen, unter deren Fehlen Arbeiter und insbesondere Krankenpflegerinnen und -pfleger besonders zu leiden haben. Selbst die völlig unzureichenden Maßnahmen der Regierung in der Anfangsphase der Pandemie denunziert das BSW rückwirkend als „politischen Autoritarismus“.

Das Europawahlprogramm des BSW ist ein rechtes, pro-kapitalistisches Programm. Es findet sich darin nichts, was so oder in ähnlicher Form nicht auch in Programmen der CDU, der SPD, der FDP, der Grünen oder der AfD stehen könnte. Soweit es die Europäische Union kritisiert, tut es dies nicht von links, vom Standpunkt der gemeinsamen Interessen der europäischen Arbeiterklasse, sondern von rechts, vom Standpunkt der nationalen Interessen der Konzerne und Banken.

Das BSW will die EU beibehalten, um den europäischen Imperialismus gegen seine internationalen Rivalen, einschließlich der USA, zu verteidigen. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Europäische Union sich auf ihre politische, wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Eigenständigkeit besinnt,“ heißt es dazu im Programm. „Europa muss eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden, statt Spielball im Konflikt der Großmächte zu sein und sich den Interessen der USA unterzuordnen.“

Es versteht sich von selbst, dass eine solche „sicherheitspolitische Eigenständigkeit“ Europas in einer Welt, die zunehmend durch Krieg und Handelskrieg geprägt ist, eine starke Armee erfordert. Das Programm warnt ausdrücklich davor, dass Europa „aufgrund seiner geographischen Lage und seiner Abhängigkeit von Rohstoffen, Energieträgern und Exportmärkten zum Verlierer“ werde. Das Bekenntnis zu einem „friedlichen Europa in einer multipolaren Welt“ und Floskeln über Abrüstung, Entspannung, friedliche Konfliktlösung und Diplomatie, die sich im Programm ebenfalls finden, sind lediglich schmückendes Beiwerk.

Es ist bezeichnend, dass die Nato mit keiner Silbe erwähnt, geschweige denn die Auflösung des aggressivsten Militärbündnisses der Welt gefordert wird. Auch an der gemeinsamen europäischen Außen- und Verteidigungspolitik (GASP und GSVP) hält das Programm ausdrücklich fest. Es verlangt lediglich, dass bei internationalen europäischen Militäreinsätzen am Einstimmigkeitsprinzip und am deutschen Parlamentsvorbehalt festgehalten wird.

Innerhalb der EU will die Wagenknecht-Partei die Nationalstaaten stärken. Sie ist für den EU-Binnenmarkt, will aber die Arbeitnehmerfreizügigkeit einschränken, also das Recht von Arbeitern, im Land ihrer Wahl zu arbeiten, das sie für schlechte Löhne, prekäre Beschäftigung und Armut verantwortlich macht. Anstatt die europäischen Arbeiter im Kampf gegen Lohn- und Sozialabbau zu vereinen, versucht die Wagenknecht-Partei so, sie zu spalten, indem sie die Konkurrenz der europäischen Kollegen – und nicht das Profitstreben der Konzerne – für den sinkenden Lebensstandard verantwortlich macht.

Am deutlichsten zeigt die Haltung des BSW zu Flüchtlingen und Migranten den reaktionären Kern ihrer Politik. Sie unterscheidet sich nicht von der Haltung der AfD und anderer faschistischer Parteien. Im Wahlprogramm heißt es, „durch eine völlig verfehlte Einwanderungspolitik“ seien „islamistisch geprägte Parallelgesellschaften entstanden, in denen Recht und Gesetz nur noch eingeschränkt gelten, die Scharia gepredigt wird und Kinder im Hass auf die westliche Kultur aufwachsen“. Es fordert „eine grundlegende Reform der Flüchtlings- und Migrationspolitik“ und befürwortet „Asylverfahren an den Außengrenzen und in Drittstaaten“.

Das Wirtschaftsprogramm des BSW orientiert sich auf den Mittelstand, auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die es als „Motor der europäischen und besonders der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet und für die es Fördergelder und Schutzzollmaßnahmen verlangt. Es schimpft auf einen „angelsächsisch geprägten Blackrock-Kapitalismus“, der die „einst starken europäischen Sozialstaaten“ abgelöst habe, tut dies aber ausschließlich aus dem Blickwinkel des kleinen Kapitals, das sich vom großen erdrückt fühlt.

Ernsthafte Maßnahmen gegen die Macht der Hedge-Fonds und Banken finden sich in dem Programm nicht, geschweige denn die Forderung nach ihrer Enteignung. Selbst die Steuern auf Unternehmensprofite und Vermögen will das BSW nur minimal erhöhen. So beklagt das Programm, dass „die Unternehmenssteuersätze seit den 1980er Jahren um mehr als die Hälfte auf aktuell 24 Prozent gesunken“ sind, um dann drei Absätze später „einen Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne von 25 Prozent“ – also ein Prozent mehr – zu verlangen.

Das Europawahlprogramm des BSW ist derart rechts und abstoßend, dass die Parteitagsregie den mittlerweile 80-jährigen Oskar Lafontaine bat, die Abschlussrede zu halten. Lafontaine gab sich große Mühe. Er wetterte gegen Aufrüstung, den Krieg gegen Russland, die soziale Ungerechtigkeit und die Politik der Bundesregierung.

Er versuchte seinem Publikum einzureden, Deutschland könne in ein blühendes kapitalistisches Paradies verwandelt werden, wenn nur die „Vernunft“ in der Politik Einzug halte. Hätten die Regierungspolitiker nicht den „Verstand verloren“, wären sie nicht „wahnsinnig“ geworden, führte nicht die „dümmste Regierung der Geschichte“ das Land in den Abgrund, wäre alles in bester Ordnung.

Auf eine Erklärung der Ursachen der gesellschaftlichen Krise wartet man bei Lafontaine vergeblich. Er weist die Vorstellung weit von sich, dass sie etwas mit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem zu tun hat, das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bankrott ist. Wie ein Gebrauchtwagenhändler, der seinen Kunden einen heruntergefahrenen Unfallwagen als einwandfreies Topmodell andreht, recycelt er endlos alte politische Rezepte, die längst gescheitert sind: Man muss nur zur Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards (CDU) und zur Außenpolitik Willy Brandts (SPD) zurückkehren – und Deutschland wird zu einer Insel der Glückseligkeit.

Lafontaine ist Experte darin, die rechteste Politik mit linken Phrasen zu verkaufen. Bevor er 2007 gemeinsam mit Gregor Gysi Die Linke gründete, hatte er 40 Jahre lang in der SPD höchste Partei- und Regierungsämter ausgeübt. Als Bürgermeister von Saarbrücken hatte er Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger eingeführt, als saarländischer Ministerpräsident den Kohlebergbau und die Stahlindustrie geräuschlos abgewickelt, als SPD-Vorsitzender Gerhard Schröder zur Kanzlerschaft verholfen. Mit der Linkspartei setzte er die Politik des Sozialabbaus unter pseudolinkem Deckmantel fort – mit katastrophalen sozialen Folgen.

Nun gründet Lafontaine, der 2014 Sahra Wagenknecht heiratete, seine dritte Partei. Doch diesmal wird ihm der Trick nicht gelingen. Die Lügen und Illusionen, die er verbreitet, platzen schneller als Seifenblasen.

Wer der Kriegsgefahr und dem Militarismus entgegentreten und den sozialen Niedergang stoppen will, muss für den Sturz des Kapitalismus kämpfen. Und es gibt nur einen Weg, dies zu tun: Die Mobilisierung und Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dafür tritt die Sozialistische Gleichheitspartei ein. Sie tritt zur Europawahl an, um gemeinsam mit ihren Schwesterparteien in der Vierten Internationale in ganz Europa Arbeiter und Jugendliche für diese Perspektive zu gewinnen. Sie kämpft für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa.

Loading