Perspektive

Vor Sturm auf Rafah: Scholz stellt sich hinter Israels Genozid

Die Nahostreise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Jordanien und Israel am Wochenende hat einmal mehr die zentrale Rolle unterstrichen, die der deutsche Imperialismus beim Völkermord an den Palästinensern in Gaza spielt. Nach einem ausführlichen Gespräch und einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz am Sonntag bekräftigte der rechtsextreme israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass Israel seine Pläne für einen Angriff auf Rafah umsetzen werde.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (links) und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz geben sich nach ihren Reden am Sonntag, 17. März 2024, in Jerusalem die Hand. [AP Photo/Leo Correa]

„Kein internationaler Druck wird Israel aufhalten“, erklärte er während einer Sitzung des israelischen Kabinetts und drohte: „Wenn wir den Krieg jetzt beenden, bevor wir alle seine Ziele erreicht haben, bedeutet das, dass Israel den Krieg verloren hat, und das werden wir nicht zulassen.“

Man werde „in Rafah operieren“, wiederholte Netanjahu. „Das wird einige Wochen dauern, aber es wird geschehen.“

Ein Angriff auf Rafah würde den Massenmord im Gazastreifen auf die Spitze treiben. In der südlichen Stadt sind aktuell etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge zusammengepfercht, nachdem der nördliche Teil nahezu komplett zerbombt wurde und die Opferzahlen bereits in die Zehntausende gehen.

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums hat die israelische Armee in den ersten fünf Monaten des Völkermords bereits über 31.000 Palästinenser getötet – darunter mehr als 13.000 Kinder. Laut Angaben der Vereinten Nationen leidet die „gesamte Bevölkerung“ des Gazastreifens – etwa 2,3 Millionen Menschen – infolge der israelischen Blockade unter einem hohen Maß an „akuter“ Ernährungsunsicherheit. Darunter sind 1,11 Millionen, die unter „katastrophaler“ Ernährungsunsicherheit leiden.

Die Krokodilstränen von Scholz und anderen führenden deutschen Politikern über das Leid der Zivilbevölkerung und die „extrem hohen Opferzahlen“ (Scholz) in Gaza können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die herrschende Klasse Deutschlands den Völkermord an den Palästinensern voll unterstützt. Vor Ort solidarisierte sich der Bundeskanzler immer wieder mit Israel und den Kriegszielen des rechtsextremen Netanjahu-Regimes.

„Israel hat das Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen“, erklärte er in einem Pressestatement in Jerusalem. „Der furchtbare Angriff am 7. Oktober hat schreckliches Leid erzeugt. Die Hamas darf nicht mehr in der Lage sein, solche Aktivitäten wieder anzufangen. Deshalb muss sie erfolgreich bekämpft werden können.“

Ähnlich äußerte er sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu: „In diesen dunklen Stunden“ stehe Deutschland „an der Seite des israelischen Volkes“, versicherte er. „Vom ersten Tag an war unsere Botschaft klar: Israel hat das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, und alle Geiseln müssen freigelassen werden und dieses grausame Verbrechen muss ein Ende haben“.

Netanjahu bedankte sich bei Scholz für die „Freundschaft und die Unterstützung, die Deutschland Israel in diesen schwierigen Zeiten gegeben hat“. Und auch er ließ keinen Zweifel daran, dass Scholz und die Bundesregierung die Fortsetzung des Völkermords unterstützen. Im gemeinsamen Gespräch sei man sich darüber einig gewesen, „dass die Hamas eliminiert werden muss“. Man könne „keine Zukunft für den Gazastreifen haben, keine Zukunft für den Frieden, keine Zukunft für Israel, wenn die Hamas, eine Terrororganisation, die sich unserem Völkermord verschrieben hat, intakt bleibt“.

Auf Scholz’ zynische Bemerkung, dass es beim geplanten Sturm auf Rafah neben der „militärischen Logik“ auch eine „humanitäre Logik“ gebe, erwiderte Netanjahu nicht minder zynisch: Er habe dem Kanzler versichert, dass das Ziel, „die verbliebenen terroristischen Bataillone in Rafah zu eliminieren, Hand in Hand damit“ gehe, „der Zivilbevölkerung zu ermöglichen, Rafah zu verlassen“. Wenn es um „den Schutz der Zivilbevölkerung“ und die „Bereitstellung von humanitärer Hilfe“ gehe, stimme er mit Scholz’ „Besorgnis“ überein. Aber die israelische Armee tue mehr, „um zivile Opfer zu minimieren als jede andere Armee“.

Tatsächlich führt die israelische Armee mit der vollen Unterstützung der imperialistischen Mächte einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser. Führende israelische Politiker und Militärs machten nie einen Hehl daraus, dass es sich dabei um eine gezielte Politik handelt. Netanjahu selbst erklärte am 28. Oktober: „Ihr müsst euch daran erinnern, was Amalek euch angetan hat.“ Er bezog sich damit auf eine Bibelstelle im Alten Testament, die fordert: „Nun zieh hin und schlage Amalek ... verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge.“

Schon am 7. Oktober hatte Nissim Vaturi, stellvertretender Sprecher der Knesset und Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit, dazu aufgerufen, „den Gazastreifen von der Erde zu tilgen“. Und am 9. Oktober verkündete Verteidigungsminister Yoav Gallant, Israel stelle Gaza unter „vollständige Belagerung. Kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff.“ Man kämpfe gegen „menschliche Tiere“ und handle entsprechend.

Anfang der Woche erklärte die WSWS in einer Perspektive: „Es ist Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen: Die Netanjahu-Regierung setzt die ‚Endlösung des palästinensischen Problems‘ um. Ungeachtet der gelegentlichen zynischen Ermahnungen Washingtons verübt Israel diese Verbrechen mit Unterstützung der Biden-Regierung und beider US-Parteien.“

Das gleiche gilt für die herrschende Klasse Deutschlands, die im vergangenen Jahrhundert mit der Ermordung von sechs Millionen Juden und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion den größten Völkermord in der Geschichte beging. Nun knüpft sie nahtlos an ihre völkermörderischen Traditionen an. Seit Kriegsbeginn hat sie sich nicht nur politisch hinter das israelische Vorgehen gestellt und die weitverbreitete Opposition dagegen kriminalisiert, sondern auch die Waffenlieferungen nach Israel mehr als verzehnfacht und ein eigenes Kriegsschiff zur Unterstützung der israelischen Kriegspolitik ins Rote Meer entsandt.

Die wirklichen Kriegsziele gehen dabei weit über die Zerstörung Gazas hinaus. Für Berlin und die anderen imperialistischen Mächte fungiert Israel als verlängerter Arm, um ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen im Nahen Osten und weltweit militärisch durchzusetzen. Die Entfesselung der israelischen Kriegsmaschinerie ist Bestandteil des größeren Plans, auch die libanesische Hisbollah, die Huthis im Jemen und den Iran zu eliminieren, die Kriegsoffensive gegen Russland und China auszuweiten und die Welt unter den imperialistischen Mächten neu aufzuteilen.

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, den Völkermord und die Gefahr eines dritten Weltkriegs zu stoppen: den Aufbau einer internationalen Massenbewegung der Arbeiterklasse gegen Faschismus und Krieg und ihre Wurzel im Kapitalismus. In ihrem Aufruf zu den Europawahlen betont die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP):

Millionen Menschen auf der ganzen Welt haben in den letzten Wochen trotz der Propaganda in Politik und Medien gegen den Völkermord in Gaza demonstriert und gezeigt, wie stark und global vernetzt die Arbeiterklasse heute ist. Diese Bewegung muss ausgeweitet und mit einer sozialistischen Perspektive bewaffnet werden. Wir fordern:

• Sofortiger Stopp der Belagerung Gazas und vollständige Demobilisierung der israelischen Armee!

• Netanjahu, Biden, Scholz und alle anderen Kriegsverbrecher müssen für ihre Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden!

• Für die Einheit der palästinensischen und israelischen Arbeiter im Kampf für einen gemeinsamen, säkularen und sozialistischen Staat!

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