Perspektive

Ein „Krieg gegen die Menschlichkeit“: Sechs Monate Völkermord in Gaza

Am 7. April sind sechs Monate vergangen, seit der von den USA unterstützte Völkermord Israels in Gaza begann.

In nur einem halben Jahr hat Israel 1,9 Millionen der 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens vertrieben, der gesamten Bevölkerung den Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung verwehrt und täglich systematische Massaker verübt, bei denen zehntausende Menschen ums Leben kamen.

Ashraf Abu Draz betrauert die Leichname seiner beiden Töchter, die bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens getötet wurden, in einer Leichenhalle eines Krankenhauses in Rafah. Gaza, 4. April 2024 [AP Photo/Fatima Shbair]

Die Zahl der Todesopfer liegt derzeit bei 33.137. Rechnet man die Vermissten hinzu, liegt die tatsächliche Zahl wahrscheinlich bei über 44.000. Weitere 75.815 Menschen wurden verwundet.

Im Laufe von nur sechs Monaten wurden 5,45 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens getötet, verwundet oder werden vermisst. Ein vergleichbarer Prozentsatz der amerikanischen Bevölkerung würde mehr als 18 Millionen Menschen ausmachen. In Deutschland entspräche dies rund 4,6 Millionen Menschen.

Dies ist eine Intensität des Massensterbens, die in der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Beispiel ist. Am schockierendsten ist jedoch die Tatsache, dass zwei Drittel der Getöteten Frauen und Kinder sind. Israel hat gezielt medizinisches Personal, humanitäre Helfer, Journalisten und Künstler ins Visier genommen. Es führt, wie der Gründer der World Central Kitchen, Jose Andres, am Sonntag sagte, einen „Krieg gegen die Menschlichkeit“.

Im Laufe der letzten sechs Monate wurden sämtliche Behauptungen, mit denen die USA und Israel die Bombardierung, Invasion und Blockade des Gazastreifens rechtfertigten, als Lüge entlarvt.

Anfang des Jahres wurde aufgedeckt, dass Israel im Besitz des gesamten Operationsplans der Hamas für den Angriff vom 7. Oktober war, der als Vorwand für den Krieg diente. Trotz dieses Wissens erhielten der israelische Geheimdienst und das israelische Militär den Befehl, sich zurückzuziehen und sich unmittelbar vor dem Angriff von der Grenze zum Gazastreifen zurückzuziehen.

Innerhalb weniger Tage setzte das israelische Militär lang gehegte Pläne für einen völkermörderischen Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza in die Tat um. „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend“, erklärte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant am 9. Oktober. „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben.“

Nur vier Tage später erklärte der israelische Staatspräsident Isaac Herzog: „Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist. Es ist nicht wahr, dass die Zivilbevölkerung nichts weiß und nicht involviert ist... wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen.“ Landwirtschaftsminister Avi Dichter erklärte: „Wir setzen die Gaza-Nakba um.“

Nachdem die Netanjahu-Regierung diese völkermörderischen Absichten geäußert hatte, nahm sie systematisch alle Aspekte des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im Gazastreifen ins Visier und arbeitete daran, jedes Krankenhaus, jede Schule und jedes Haus dem Erdboden gleichzumachen und so viele Männer, Frauen und Kinder wie möglich zu töten.

Der Völkermord hat unbestreitbar gezeigt, dass die Perspektive des Zionismus bankrott und reaktionär ist. Israel wird für immer mit Massenmord in Verbindung gebracht werden. Er ist das Endprodukt jahrzehntelanger brutaler Unterdrückung der Palästinenser und der falschen Gleichsetzung der Interessen der gesamten jüdischen Bevölkerung mit dem israelischen Staat.

Über Israel hinaus hat der Völkermord ein vernichtendes Urteil über die gesamte imperialistische Ordnung verhängt. Die kapitalistischen Mächte der Nato-Achse haben eines der größten Verbrechen der Neuzeit unterstützt, mit Waffen versorgt, finanziert und politisch gerechtfertigt.

Während die israelische Regierung öffentlich ihre Absicht bekundete, die Bevölkerung des Gazastreifens zu massakrieren und zu vertreiben, sprach sich die Biden-Regierung immer wieder gegen eine Verhandlungslösung des Konflikts aus. Es gebe „keine Möglichkeit“ für einen Waffenstillstand, sagte Biden am 9. November.

Nur wenige Tage später hielt der Mehrheitsführer im Senat, Charles Schumer, eine Rede auf einer Pro-Genozid-Kundgebung in Washington, bei der er brüllte: „Wir stehen zu euch... Wir werden nicht ruhen, bis ihr die Hilfe bekommt, die ihr braucht.“

Im Laufe von sechs Monaten hat die Biden-Regierung mehr als 100 separate Waffenlieferungen an Israel getätigt und damit deutlich gemacht, dass die Netanjahu-Regierung grünes Licht hat, die Bevölkerung von Gaza nach Belieben auszuhungern, zu töten und zu foltern.

Die Behauptung der Biden-Regierung und der US-Medien, das Weiße Haus habe versucht, die Netanjahu-Regierung „unter Druck zu setzen“, um die Zivilbevölkerung zu schützen, werden durch diese Tatsachen eindeutig widerlegt.

Tatsächlich lief die Politik der Regierung auf einen riesigen Blankoscheck für Israel hinaus – eine Politik, die trotz der rein verbalen Kritik des Weißen Hauses an Netanjahu bis heute anhält.

Die kategorische Unterstützung der Biden-Regierung für Israels Genozid ist Teil einer Eruption des US-Militarismus im gesamten Nahen Osten, einschließlich des Irans, als Teil einer umfassenden Kampagne um die Weltherrschaft, die sich gegen Russland und China richtet.

Der Völkermord in Gaza wird weitreichende soziale und politische Folgen haben. Schon jetzt hat der Massenmord in Gaza die größten weltweiten Massendemonstrationen seit dem Irakkrieg ausgelöst. Er hat die imperialistischen Mächte, die sich zur Rechtfertigung ihrer Kriege immer wieder auf die „Menschenrechte“ berufen, als Wegbereiter und Komplizen des Völkermords entlarvt.

Vor allem aber ist der Genozid in Gaza ein Verbrechen des Kapitalismus. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung legitimiert jede Form der gesellschaftlichen Barbarei: von Atomkrieg über das endlose Massensterben in einer vermeidbaren Pandemie bis hin zum Völkermord. Künftige Generationen werden den Genozid in Gaza als einen Wendepunkt sehen, der das Wachstum einer mächtigen Widerstandsbewegung gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung angetrieben hat.

Wie David North, der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, in Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza schreibt:

Der anhaltende Krieg hat trotz all seiner Schrecken einen wichtigen politischen Beitrag geleistet. Er hat die Jugend wachgerüttelt. Er hat der Welt die Augen geöffnet. Er hat das zionistische Regime und seine imperialistischen Komplizen als die Verbrecher entlarvt, die sie sind. Er hat eine Flutwelle der Empörung in Bewegung gesetzt, die sich weltweit ausbreitet. Sie wird auch die Verantwortlichen für diesen Völkermord überschwemmen.

Die Aufgabe besteht darin, diese wachsende Opposition, die noch einen politisch amorphen Charakter hat, in eine bewusste Bewegung zu verwandeln, die sich auf die Arbeiterklasse orientiert und auf eine sozialistische Perspektive stützt.

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