Der Kahlschlag bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) geht weiter. In der dritten Insolvenz in dreieinhalb Jahren stehen mehr als tausend Verkäuferinnen und Verkäufer und 450 Beschäftigte der Essener Konzernzentrale vor dem Aus. Auf die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi können sie nicht bauen: Diese hat hinter dem Rücken der Beschäftigten den Entlassungen bereits zugestimmt. Zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Filialen ist jetzt der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees notwendig.
Bis Ende August sollen von den heute noch 92 Filialen nicht weniger als 16 die Tore schließen. Diese sind: Augsburg, Berlin Ringcenter, Berlin Spandau, Berlin Tempelhof, Chemnitz, Essen, Köln Breite Straße, Leonberg, Mainz, Mannheim, Oldenburg, Potsdam, Regensburg, Trier. Wesel und Würzburg. Damit beschleunigt sich nicht zuletzt die Verödung der Innenstädte.
Nur noch rund 11.000 Vollzeitstellen werden nach dem neuen Kahlschlag übrigbleiben – vor sechs Jahren waren es mit 32.000 noch fast dreimal so viel. Laut den Zahlen, die Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus am Samstag publizierte, sind 1.400 der noch 12.500 Vollzeitstellen akut bedroht. Nur noch maximal 76 Filialen sollen offen bleiben. Im Jahr 2018 gab es in Deutschland noch 243 GKK-Filialen.
An den Schließungen und Entlassungen sind die Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi aktiv beteiligt. Hinter dem Rücken der Belegschaften hat der Gesamtbetriebsrat in den letzten Monaten zusammen mit dem Insolvenzverwalter und den Kaufinteressenten Sozialpläne ausgeheckt und den Modus der Entlassungen entwickelt. Die gekündigten Mitarbeiter sollen für acht Monate in eine Auffanggesellschaft wechseln, die jedoch nichts anderes sein wird als ein Verschiebebahnhof in die Arbeitslosigkeit.
Anfang April wurde bekannt, dass die Warenhauskette verkauft werden soll, und dass zwei Käufer sie gemeinsam erwerben: der kanadische Investor Richard Baker, bzw. seine US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners, sowie der Mannheimer Unternehmer Bernd Beetz. Beide sind den GKK-Beschäftigten nicht unbekannt. Sie haben die Kaufhof-Filialen schon früher geplündert und heruntergewirtschaftet. Baker war zwischen 2015 und 2019 Eigentümer von Galeria Kaufhof, ehe er sie an René Benko übergab. Bernd Beetz war in den Jahren 2018 und 2019 Kaufhof-Aufsichtsratsvorsitzender.
Wie das manager magazin schreibt, „bekommen Baker und Co. den Zuschlag praktisch gratis, nämlich für einen symbolischen Euro“, nur aufgrund einer vagen Zusage, in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro in die Warenhauskette zu stecken. Ähnlich war es bereits bei Benkos Übernahme: Auch er versprach das Blaue vom Himmel und bekam dafür die Kette für einen einzigen symbolischen Euro geschenkt.
Wie damals hat Verdi auch jetzt begeistert auf die neuen Investoren reagiert. „Wir begrüßen, dass offensichtlich ein finanzstarker Investor gefunden wurde...“, so beginnt die schriftliche Stellungnahme von Silke Zimmer, im Verdi-Vorstand zuständig für den Handel. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl behauptete, nun sei das „Szenario einer Abwicklung von Galeria“ vom Tisch und es gebe „nochmals eine Chance für das Warenhaus“.
Auf dieselbe Weise hat Verdi bisher noch jeden Investoren als angeblichen „Retter“ begrüßt, von Thomas Middelhof über Heinz Berggruen und Richard Baker bis hin zu René Benko, und damit den Beschäftigten die Hände gebunden.
Dank dieser Unterstützung durch Verdi konnte René Benko sich an GKK maßlos bereichern. Er legte Karstadt und Kaufhof zu Galeria zusammen, trennte das Warenhausgeschäft von den wertvollen Immobilien in Innenstadtlage, verkaufte einen Teil der Häuser und kassierte für den Rest überteuerte Mieten von GKK. Dank Verdis guten Beziehungen zur SPD-geführten Ampel kassierte Benko darüber hinaus 680 Millionen Euro an Corona-Beihilfen, also Steuergelder.
Er ließ Dutzende Filialen schließen und konnte mit Verdis Hilfe die Beschäftigten erpressen, um ihre Löhne zu senken. Die Haustarif- und Sanierungsverträge, die allesamt die Unterschrift von Verdi tragen, sorgen dafür, dass bis heute die Monatslöhne der GKK-Verkäuferinnen und Verkäufer rund 500 Euro unter dem Flächentarif liegen.
Benko war in der Lage, in kürzester Zeit Milliarden anzuhäufen, weil er in einem System agierte, das die Bereicherung der Reichen von allen Einschränkungen befreit. Der Kapitalismus hat einen Punkt erreicht, an dem eine dünne Oberschicht märchenhafte Gewinne an den Börsen, Immobilien- und IT-Märkten scheffelt, während die Politiker ihre Steuern absenken, die Sozialsysteme plündern, die Ausbeutung verschärfen und militärisch aufrüsten.
Eine ganze Zeitlang konnte Benko die niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienpreise nutzen, um ein Milliarden-Vermögen aufzuhäufen, was ihm in den Augen der Investoren und Bankiers unbeschränkte Kreditwürdigkeit verlieh. Ihm gehörten bis vor kurzem Luxushäuser wie das New Yorker Chrysler Building, das Londoner Selfridges, das Berliner KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus und das Münchner Oberpollinger.
Illustre Geldgeber und Politiker, darunter der Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, die österreichischen Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Sebastian Kurz und der Grüne Joschka Fischer, verschafften ihm Kredite und Zugang zu jedem gewünschten Projekt, sei es der Elbtower in Hamburg (heute eine Bauruine) oder Berliner Glanzprojekte am Hermannplatz und am Kurfürstendamm (beides inzwischen gestoppt).
Im letzten Jahr begannen die Zinsen wieder zu steigen, die Immobilien verloren an Wert und das Schneeballsystem der Signa-Holding brach zusammen. Ende November 2023 musste Benko Bankrott anmelden. Die Forbes-Liste, die ihn mit einem Vermögen von über fünf Milliarden führte, gibt sein Vermögen heute mit Null Euro an.
GKK musste den dritten Insolvenzantrag stellen, nachdem die Signa-Holding ihre Filialen durch überteuerte Mieten ausgepresst hatte und alle finanziellen Zusagen zur Sanierung der Warenhäuser schuldig geblieben war. Damit steht der letzte große Warenhauskonzern Deutschlands, der zweitgrößte Europas, wieder vor dem Aus, und auch eine neue Investorengruppe wird daran nichts Wesentliches ändern.
Während Benko genügen beiseitegeschafft hat, um sein Luxusleben weiterzuführen, sollen die GKK-Beschäftigten, Verkäuferinnen und Verkäufer, Lageristen, Fahrer und Sachbearbeiterinnen dafür bezahlen. Sie werden unter dem Regime von Baker/Beetz entweder die Entlassungspapiere bekommen oder zu weiterem Lohnverzicht und immer größerem Arbeitsstress erpresst werden.
Sie sollten die Konsequenzen ziehen. Mit den Verdi-Bürokraten gibt es keine Lösung. Sie vertreten nicht die Interessen der Beschäftigten und Gewerkschaftsmitglieder, sondern die des Kapitals, und dafür werden sie von diesem fürstlich entlohnt.
Einen Ausweg gibt es nur, wenn die GKK-Beschäftigten ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und sich unabhängig von Verdi in Aktionskomitees zusammenschließen, die den Kampf um jeden Arbeitsplatz aufnehmen. Sie müssen für folgende Prinzipien kämpfen: Keine weiteren Entlassungen! Kein neuer „Sanierungsplan“! Die Bedürfnisse der Beschäftigten, ihrer Familien sowie auch der GKK-Kunden stehen höher als die Profitinteressen und das Privateigentum des Kapitals.
Verbündete werden sie unter den hunderttausenden Beschäftigten anderer Konzerne wie Ikea, Amazon, Rewe, Aldi und Lidl etc. finden, die seit Monaten erbittert gegen Lohndumping kämpfen. Im Einzelhandel sind die Löhne so gering, dass fast alle Beschäftigten mit Altersarmut rechnen müssen. Mehr als 40 Prozent von ihnen beziehen einen Niedriglohn.
Verbündete werden sie darüber hinaus in der gesamten internationalen Arbeiterklasse finden, die gegen Reallohnsenkungen und Arbeitsstress – die Folgen der Kriegswirtschaft – kämpft. Verbündete werden sie auch unter den Studierenden und Jugendlichen finden, die den Kampf gegen den Gaza-Genozid trotz Repression nicht aufgeben.
Notwendig ist das internationale und sozialistische Programm, für das im Europawahlkampf nur die Sozialistische Gleichheitspartei kämpft. Dieser Kampf wird den anwachsenden sozialen Widerstand in eine mächtige, europaweite und internationale Bewegung gegen die eigentliche Triebkraft von Ausbeutung und Krieg verwandeln: das kapitalistische Profitsystem.
Um ein Aktionskomitee zu gründen und mit aufzubauen, meldet euch über das untenstehende Formular.