IStGH bereitet Anklagen wegen Kriegsverbrechen vor – Israelische Regierungsvertreter rufen zur Bombardierung von Rafah auf

Am Dienstag hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angekündigt, seine Truppen würden die Stadt Rafah angreifen, in der mittlerweile 1,5 Millionen wehrlose palästinensische Zivilisten in Flüchtlingslagern leben. Er fügte hinzu, er würde Rafah unter keinen Umständen verschonen, egal ob ein Abkommen über den Austausch von Geiseln, die von der israelischen Regierung und den Hamas-Behörden in Gaza festgehalten werden, zustande kommt oder nicht.

Netanjahu erklärte: „Die Vorstellung, dass wir den Krieg beenden werden, bevor wir alle unsere Ziele erreicht haben, ist keine Option. ... Wir werden in Rafah einmarschieren, und wir werden die dortigen Hamas-Bataillone eliminieren, um einen vollständigen Sieg zu erringen – ob es ein Abkommen gibt oder nicht.“

Der Krieg gegen Gaza hat einen schrecklichen Blutzoll gefordert. Mindestens 34.535 Palästinenser wurden nachweislich getötet, über 10.000 starben unter den Trümmern zerbombter Häuser, und 77.704 wurden verwundet. Mehr als eine Million Palästinenser sind von einer extremen Hungersnot betroffen, da die israelischen Streitkräfte den Zugang zu Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Gütern für Gaza abgeschnitten haben. Dennoch erklärte Netanjahu, er werde unter keinen Umständen auf die Appelle der Hamas eingehen, den völkermörderischen Angriff auf Gaza zu einzustellen.

Netanjahu erklärte: „Die Hamas besteht auf einer Sache – dem Ende des Kriegs. Aber das wird sie nicht bekommen. Ich bin nicht bereit, dem nachzugeben. Wenn die Situation so aussieht – und so sieht es momentan aus, wird es also nicht dazu [einem Abkommen] kommen. Es mag Leute geben, die bereit sind, den Krieg zu beenden und die Hamas zurückkehren zu lassen. Das werde ich nicht akzeptieren.“

Netanjahus Versprechen, den Krieg fortzusetzen und mehr als eine Million wehrloser Zivilisten in Rafah zu bombardieren, war die Reaktion seiner Regierung auf Berichte, laut denen der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehle gegen israelische Regierungsvertreter wegen Kriegsverbrechen vorbereitet. In der Gewissheit, dass die Nato-Großmächte ihre Verbrechen im Gazastreifen unterstützen, verkünden sie dreist ihre Absicht, völkermörderische Kriegsverbrechen zu begehen.

Vertreter des IStGH haben seit Monaten gewarnt, sie würden gegen israelische Regierungsvertreter wegen deren Kriegsführung und vor allem wegen ihrer Drohungen mit der Zerstörung von Rafah ermitteln. Der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, schrieb auf X/Twitter: „Ich bin zutiefst besorgt über die Berichte über die Bombenangriffe und eine potenzielle Bodenoffensive israelischer Truppen in Rafah. ... Wie ich mehrfach betont habe, sollten diejenigen, die sich nicht an das Gesetz halten, sich später nicht darüber beschweren, wenn meine Behörde gemäß ihrem Mandat Maßnahmen ergreift.“

Tatsächlich geben sogar Vertreter der Nato zu, dass ein Angriff auf Rafah ein Kriegsverbrechen gegen das palästinensische Volk bedeuten würde. Der britische stellvertretende Außenminister, Andrew Mitchell, erklärte am Dienstag vor dem britischen Parlament: „Angesichts der zahlreichen Zivilisten, die in Rafah Zuflucht gefunden haben, ist nicht ersichtlich, wie eine solche Offensive unter den derzeitigen Umständen mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein könnte.“

Vertreter der Vereinten Nationen verurteilten Netanjahus Äußerungen. Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte: „Die Welt appelliert seit Wochen an die israelischen Vertreter, Rafah zu verschonen, aber trotzdem steht eine Bodenoffensive unmittelbar bevor. ... Die einfachste Wahrheit ist, dass eine Bodenoffensive in Rafah eine unbeschreibliche Tragödie wäre. Kein humanitärer Plan kann daran etwas ändern. Der Rest sind Einzelheiten.“

Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Sonntag unter Berufung auf Quellen in Den Haag, die Ankläger des IStGH hätten die Unterschriften von drei Richtern für Haftbefehle gegen israelische Regierungsvertreter erhalten. Das ist der letzte Schritt, um die Haftbefehle, deren Veröffentlichung laut den Informanten von Le Monde „unmittelbar bevorsteht“, rechtswirksam zu machen. Israelische Medien berichteten, dass die Haftbefehle u.a. die Namen von Netanjahu, des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant und des Generalstabschefs der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) Herzi Halevi enthalten.

Die USA erkennen den IStGH zwar nicht an, doch die anderen 124 Staaten, die es tun – darunter die meisten europäischen Staaten, Japan und Australien – wären damit rechtlich verpflichtet, die per Haftbefehl gesuchten israelischen Regierungsvertreter zu verhaften, sobald sie ihr Staatsgebiet betreten. Dies entlarvt nicht nur die Rolle Israels, sondern auch die der Nato-Mächte. Ihre Unterstützung für die israelische Regierung im Ausland und ihre Niederschlagung der Proteste gegen den Völkermord im eigenen Land sind politisch kriminell.

Der Krieg und der Völkermord lassen sich nicht mit moralischen Appellen an die Nato-Mächte aufhalten, sie mögen eine aufgeklärtere Politik verfolgen. Tatsächlich reagieren sie auf die Berichte über eine potenzielle Anklage wegen Kriegsverbrechen vor dem IStGH, indem sie ihre Unterstützung für Netanjahu verstärken. Am Dienstag reiste der französische Außenminister Stéphane Séjourné zu Gesprächen mit israelischen Regierungsvertretern in Jerusalem, und US-Außenminister Antony Blinken traf anschließend zu Gesprächen mit der jordanischen Monarchie in Amman ein.

Séjourné versicherte seinem israelischen Amtskollegen Israel Katz, dass Frankreich Netanjahu weiterhin unterstützen wird. Trotz seiner Behauptung, er gäbe nicht näher bezeichnete „Unstimmigkeiten“ wegen der geplanten Luftangriffe auf Rafah, betonte Séjourné seine „Unterstützung“ für Israel und diskutierte über eine geplante UN-Friedensresolution zum Gazastreifen. Französische Diplomaten erklärten gegenüber der Agentur AFP, der Plan „unterstützt Israels eindrückliche Forderungen, wie z. B. den Anschlag am 7. Oktober als terroristisch zu bezeichnen, betont die an diesem Tag begangene sexuelle Gewalt, nennt aber auch Parameter für eine politische Lösung des Konflikts.“

In Amman behauptete Blinken, Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas sowie ein Geiselaustausch seien ein Weg zur UN-Friedensresolution, und verurteilte die Hamas als Hindernis für den Frieden, weil sie die Resolution ablehnt: „Jetzt liegt es an der Hamas. Keine weiteren Verzögerungen und keine weiteren Ausreden.“

Als Reporter Blinken darauf hinwiesen, dass Netanjahu angekündigt hat, Rafah zu bombardieren, selbst wenn der von Blinken vorgeschlagene Geiselaustausch stattfinden sollte, ignorierte Blinken sie. Er wiederholte, ein Waffenstillstand sei „der beste, wirkungsvollste Weg, das Leid zu lindern und Bedingungen zu schaffen, in denen wir hoffentlich zu etwas kommen können, das wirklich nachhaltig ist und einen dauerhaften Frieden für die Menschen schafft, die ihn so dringend brauchen.“

Die Äußerungen von Blinken und Séjourné kommen einer Unterstützung der israelischen Kriegsziele gleich, die zynisch als Friedensplan ausgegeben werden. Die Hamas hat die geplante UN-Friedensresolution letzten Monat abgelehnt, weil sie Bedingungen schafft, unter denen Israel den Gazastreifen völkerrechtswidrig dauerhaft besetzen kann. Sie hätte nicht garantiert, dass die israelischen Truppen Gaza verlassen, Zivilisten in die Überreste ihrer Häuser zurückkehren oder Lebensmittel in den Gazastreifen gelangen können.

Wie Netanjahus Aufruf zur Bombardierung von Rafah und zur Fortsetzung des Kriegs unbestreitbar verdeutlicht, liegt die Verantwortung für den Krieg nicht bei der Hamas, sondern beim israelischen Regime und seinen Nato-Verbündeten. Die Nato-Mächte geben Milliarden Dollar und Euro aus, um Israel für den Völkermord in Gaza zu bewaffnen. Sie greifen die Proteste gegen den Völkermord hysterisch und gewaltsam an, weil sie den massiven Widerstand der Bevölkerung fürchten – nicht nur gegen ihre Komplizenschaft mit der Politik Israels, sondern auch gegen alle imperialistischen Kriege, die sie in Osteuropa und dem ölreichen Nahen Osten in den letzten Jahrzehnten geführt haben.

Diese Furcht wurde deutlich, als der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, am Montag die Untersuchungen des IStGH gegen Israel anprangerte. Er warnte, „das Vorgehen des IStGH würde die nationalen Sicherheitsinteressen der USA direkt untergraben... Wenn die Biden-Regierung nichts dagegen unternimmt, könnte der IStGH beispiellose Befugnisse zur Ausstellung von Haftbefehlen gegen führende amerikanische Politiker, Diplomaten und Militärs erlangen und damit die hoheitliche Gewalt unseres Landes gefährden.“

Johnson forderte die Biden-Regierung auf, „den IStGH sofort und unmissverständlich zur Zurückhaltung aufzurufen“ und „jedes verfügbare Werkzeug zu nutzen“, um den IStGH an der Ausstellung der Haftbefehle zu hindern. Kurze Zeit später attackierte die Biden-Regierung den IStGH tatsächlich, und ihre Sprecherin Karine Jean-Pierre erklärte: „Wir unterstützen ihn nicht. Wir glauben nicht, dass sie die Zuständigkeit dafür haben.“

Diese Ereignisse verdeutlichen die Kriminalität des Imperialismus; er bedeutet Reaktion auf ganzer Linie. Um den Völkermord in Gaza zu stoppen, muss die ganze Kraft der Arbeiterklasse in den USA, Europa und dem ganzen Nahen Osten in einer internationalen sozialistischen Antikriegsbewegung mobilisiert werden. Diese muss die Bewaffnung des israelischen Staats für seinen Völkermord beenden und sich den daran beteiligten Regierungen entgegenstellen.

Loading