Der Chiphersteller Intel hat den Bau seiner 30 Milliarden Euro teuren Fabrik im Südwesten von Magdeburg auf Eis gelegt und den Baubeginn um zwei Jahre verschoben. Das teilte Firmenchef Patrick Paul Gelsinger mit. Was in zwei Jahren sein wird, weiß niemand. Ob die ursprünglich sogar zwei in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt geplanten Chipfabriken von Intel realisiert werden, ist mehr als fraglich. Auch der Bau des Intel-Werks im polnischen Breslau wird ausgesetzt.
Insgesamt sollten durch die beiden Chipfabriken 3000 Arbeitsplätze entstehen. Der Bau der ersten Fabrik sollte noch in diesem Jahr starten. Die Investition für das Projekt beläuft sich momentan auf 30 Milliarden Euro, wobei die Bundesregierung den Bau der Chipfabriken mit 9,9 Milliarden Euro staatlichen Subventionen fördern wollte. Diese Fördermittel sind durch die Europäische Union (EU) noch nicht freigegeben.
Magdeburg war in der DDR ein bedeutender Industrie-Standort, insbesondere in der Energiewirtschaft, dem Schwermaschinenbau, der Kali-Produktion und der Baustoffindustrie. Zu den größten Betrieben in Magdeburg zählten das Schwermaschinen-Kombinat „Ernst Thälmann“ (SKET) mit mehr als 29.000 Arbeitern, der Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht“ mit etwa 9.000 und das Armaturenwerk „Karl Marx“ mit ungefähr 7.000 Beschäftigten.
Im Zuge der Wiedereinführung des Kapitalismus wurden diese Arbeitsplätze vernichtet. Die am 1. März 1990 gegründete Treuhandanstalt privatisierte die sogenannten „Volkseigenen Betriebe“ (VEB), was zu flächendeckender Massenarbeitslosigkeit führte. Neben allen anderen bürgerlichen Parteien unterstützte auch die PDS, die Vorgängerin der Linken, dieses Jobmassaker in Ostdeutschland.
Das Ergebnis sind auch noch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung soziale Verwüstung und hohe Armut. Sachsen-Anhalt ist laut dem Armutsbericht 2024 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands das viertärmste Bundesland in Deutschland. Die Armutsquote betrug Jahr 2022 19,2 Prozent. Ärmer sind nur noch Bremen mit 29,1 Prozent, Nordrhein-Westfalen mit 19,7 Prozent und Hamburg mit 19,5 Prozent.
Der angekündigte Bau der Intel-Chipfabrik sollte der Landesregierung aus CDU, SPD und FDP als Beispiel erfolgreicher Wirtschaftspolitik dienen. Im Magdeburger Gewerbegebiet Eulenberg sollte eine Fabrik mit den modernsten Produktionsverfahren gebaut werden. Der kleinste Chip der Welt sollte dort hergestellt werden. Das hat sich nun mit dem Baustopp erübrigt. Das Zukunftsversprechen von Intel, Landes- und Bundesregierung entpuppt sich als Neuauflage des Versprechens auf „blühende Landschaften“, das 1990 der damalige Kanzler Helmut Kohl (CDU) gab.
Nach Bekanntgabe des Baustopps von Intel preschte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf X vor und forderte, dass „alle nicht für Intel benötigen Mittel zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden müssen“.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die „nicht genutzten Mittel sinnvoll zum Wohle des Landes einsetzen“. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es später, dass die 9,9 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds verwendet werden sollen. In diesem Fonds klafft noch eine Lücke von neun Milliarden Euro, um auf die insgesamt 34,5 Milliarden Euro zu kommen.
In Wirklichkeit ging es Scholz und der Regierung bei dem Projekt nie um zusätzliche Jobs in einer strukturschwachen Region, sondern um Kriegsvorbereitung. Deutschland und Europa sollen unabhängig von den Lieferketten aus China und Taiwan werden, die im Falle eines Krieges gegen China, den die USA und ihre Verbündeten einschließlich Deutschland intensiv vorbereiten, zusammenbrechen würden.
Die knapp 10 Milliarden Euro sind die höchste Subvention, die jemals einem einzelnen Konzern zugesagt wurde. Bei den geplanten 3000 Arbeitsplätzen sind das 3,3 Millionen Euro pro Job oder so viel, wie ein Facharbeiter mit 50.000 Euro Jahreseinkommen in 67 Jahren verdient.
Dieses Geld könnte besser investiert werden. Nach Angaben des KfW-Kommunalpanels 2024 und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds besteht in Deutschlands Gemeinden ein gigantischer Investitionsstau von 186 Milliarden Euro. Kurz gesagt: Die Bereiche Soziales und Infrastruktur zerfallen in rasendem Tempo. Allein der Investitionsstau bei den Schulen (54,8 Milliarden Euro) und der Infrastruktur (48,3 Milliarden Euro) machen 55 Prozent des Investitionsbedarfs aus.
Der US-Konzern Intel lag im vergangenen Jahr mit einem Umsatz von 48 Milliarden Euro hinter Samsung Electronics mit 179 Milliarden Euro und Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) mit 69 Milliarden Euro auf Platz 3 der großen Chiphersteller, knapp vor dem weiteren großen Konkurrenten NVIDIA mit 40 Milliarden Euro.
2018 bis 2021 erzielte Intel noch jährliche Gewinne von knapp 19 Milliarden Euro. 2022 sank der Jahresgewinn dann auf 7,2 und im letzten Jahr auf 1,5 Milliarden Euro. Im ersten Quartal dieses Jahres verzeichnete Intel einen Verlust von 391 Millionen Euro und im zweiten Quartal von 1,4 Milliarden Euro. Der Aktienkurs, der 2021 noch über 50 Euro gelegen hatte, sank entsprechend unter 20 Euro. Der Konzern hat gegenüber seinen Konkurrenten Probleme bei der Produktion von herkömmlichen Chips und spezialisierten Chips für Künstliche Intelligenz (KI).
Intel plante, mithilfe der hohen staatlichen Subventionen die Profite und den Aktienkurs wieder in die Höhe zu treiben. Aus demselben Grund bereitet Intel massive Angriffe auf die weltweit rund 125.000-köpfige Belegschaft vor. Mindestens 15.000 Beschäftigte sollen weltweit entlassen werden. Das sind ungefähr 15 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter bei Intel und deren Tochterfirmen. Bis Ende 2025 will Intel so seine Kosten um mehr als 9 Milliarden Euro kürzen.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), verbreitet Zweckoptimismus: „Es ist eine strategisch so bedeutsame Investition, dass in keiner Weise darüber nachgedacht werden sollte, das Ganze abzubrechen. Sie sind aber aus Liquiditätsgründen nicht in der Lage, die Investition zu beginnen.“ Der Weltkonzern brauche wirtschaftlichen Erfolg, damit die Liquidität zurückkomme. Haseloff war gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von Intel-Chef Gelsinger vorab per Telefon über den Bau-Stopp informiert worden.
Die Gewinne („wirtschaftlicher Erfolg“) und die Liquidität sollen bei Intel also aus den Arbeitern herausgepresst werden. Der Chiphersteller ist damit nicht allein. Weltweit toben Krieg, Handelskrieg und ein zerstörerischer Wettbewerb auf dem Rücken der Arbeiterklasse. Die großen Konzerne in der Industrie bereiten radikale Einsparungen und Entlassungen vor, besonders in der Automobilbranche sowie bei den Autozulieferern.
Vor kurzem hat Volkswagen bekanntgegeben, zehntausende Arbeitsplätze zu streichen und ganze Werke und Standorte zu schließen. Am Wochenende wurde bekannt, dass beim weltgrößten Autozulieferer Bosch 7.000 Arbeiter rausgeschmissen werden sollen. In Deutschland arbeiten circa 80.000 Beschäftigte für Bosch.
Zudem wollen die Autozulieferer ZF Friedrichshafen 14.000 und Continental 7.000 Arbeitsplätze vernichten. Auch der Softwarekonzern SAP baut 10.000 Stellen ab, Thyssenkrupp streicht die Stahlsparte zusammen, der Chemiekonzern Bayer vernichtet 5.000 Jobs und BASF schließt zwei Standorte in Köln und Frankfurt-Höchst.
Das Streben von Milliardären und Spekulanten nach Profit führt nicht nur zu Arbeitsplatzmassakern und Angriffen auf Löhne und soziale Errungenschaften, sondern auch zum Krieg. Die Jagd nach Rohstoffen, Absatzmärkten und billigen Arbeitskräften entwickelt sich zum Wirtschaftskrieg mit Handelsbeschränkungen, Strafzöllen und Subventionen und schließlich zum militärischen Krieg. In der Ukraine rollen wieder deutsche Panzer gegen Russland. Die USA bereiten währenddessen den nächsten Waffengang gegen China vor. Auch daran beteiligt sich Deutschland.
Die Vorbereitung auf Krieg ist auch der Grund dafür, dass moderne Technologien, Rohstoffe und Produktionsstätten, insbesondere wenn sie für die Rüstungsindustrie wichtig sind, unter die eigene Kontrolle gebracht werden. Die Unterbrechung der Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie und erst recht in Folge des Nato-Stellvertreterkriegs in der Ukraine versetzte der Weltwirtschaft einen schweren Schlag. Mikrochips gehören zu den industrie- und kriegswichtigen Produkten. Deshalb spricht Ministerpräsident Haseloff von einer „strategisch so bedeutsamen Investition“.
Die gewaltigen Kriegskosten werden der Arbeiterklasse aufgebürdet. Sie bezahlt die hohen Energiepreise, die wegen der Sanktionen explodiert sind; sie bezahlt mit sinkenden Reallöhnen für die Inflation und mit Arbeitsplatzverlust für den wirtschaftlichen Rückgang; sie bezahlt mit Sozialabbau für die immensen Kriegs- und Rüstungskosten sowie die Subventionen für kriegswichtige Industrien wie die Chipfertigung.
Angesichts der sich zuspitzenden kapitalistischen Krise ist die Lebensgrundlage von Millionen Arbeiterfamilien gefährdet. Deshalb müssen sich Arbeiter weltweit zusammenschließen und organisieren, um den Absturz in die Barbarei von Krieg und Armut zu verhindern und ihre Interessen durchzusetzen; sie sind wichtiger als die Profitinteressen der kleinen abgehobenen Schicht von Großaktionären und Superreichen.
Da die Gewerkschaften auf der Seite der Konzerne und ihrer Aktionäre stehen, muss der internationale Zusammenschluss unabhängig von ihnen sein. Die World Socialist Web Site schlägt den Aufbau von gewerkschaftsunabhängigen Aktionskomitees vor, die sich in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees vereinen, um die Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und die sozialen Grundlagen gemeinsam und koordiniert abzuwehren.