Nato kündigt weitere Militarisierung der Ostsee an

Nato-Generalsekretär Mark Rutte spricht auf einer Pressekonferenz zum Abschluss eines Treffens der Nato-Außenminister im Nato-Hauptquartier in Brüssel am 4. Dezember 2024 [AP Photo/Virginia Mayo]

Die Nato kündigte am Dienstag eine erhebliche Verstärkung ihrer Militärpräsenz in der Ostsee an. Als Vorwand diente die jüngste Beschädigung von Unterseekabeln, die angeblich von Schiffen verursacht wurde, die der russischen „Schattenflotte“ angehören. Die Verstärkung der Militärpräsenz bedeutet einen weiteren Schritt in der systematischen militärischen Einkreisung Russlands durch das von den USA angeführte Militärbündnis. Die Nato unterstützt weiterhin das rechtsextreme ukrainische Regime in einem Krieg mit dem Ziel, Russland eine strategische Niederlage beizubringen und dessen Territorium auf den Status einer Halbkolonie hinabzudrücken.

Die Operation mit dem Namen „Baltic Sentry“ wurde nach einem Treffen von Nato-Ministern der Mitgliedsstaaten, die an der Ostsee liegen, in der finnischen Hauptstadt Helsinki angekündigt. Nach dem Treffen wurde eine Erklärung veröffentlicht, die den aggressiven Charakter der Operation verdeutlicht. Bei der Operation sollen Schiffe, Überwachungsflugzeuge, Drohnen in der Luft und unter Wasser und andere Spionagemittel zum Einsatz kommen. In der Erklärung, die von Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden unterzeichnet wurde, heißt es:

Wir sind entschlossen, jeden Sabotageversuch zu verhindern, aufzudecken und zu kontern. Jeder Angriff auf unsere Infrastruktur wird eine robuste und entschlossene Reaktion nach sich ziehen. Wir sind bereit, feindselige Aktionen von böswilligen Akteuren in angemessener Weise zu beantworten.

Wir begrüßen, dass die Nato die erweiterte Wachsamkeitsaktivität „Baltic Sentry“ ins Leben gerufen hat, um das Lagebewusstsein zu verbessern und feindselige Aktivitäten abzuschrecken. Wir begrüßen die Schritte der Verbündeten, zusätzliche Mittel zu Wasser, in der Luft, an Land und unter der Meeresoberfläche einzusetzen, um die Wachsamkeit und die Abschreckung zu erweitern.

Vertreter der Nato gaben an, dass die Operation auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden würde. Unterdessen erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz, die erste Phase werde drei Monate dauern. Die kürzlich eingerichtete Kommandozentrale „Commander Task Force Baltic“ in Rostock wird eine zentrale Rolle bei der Führung und Koordinierung der verstärkten militärischen Aktivitäten im gesamten Ostseeraum spielen. Scholz betonte, Deutschland werde sich mit allem beteiligen, was an maritimer Einsatzinfrastruktur zur Verfügung steht.

Seit Finnland und Schweden in den Jahren 2023 und 2024 der Nato beigetreten sind, befindet sich die Ostsee faktisch unter der Kontrolle der Nato. Russland, das die Ostsee jahrhundertelang als wichtige Handelsroute benutzt hat und eine baltische Flotte unterhält, ist auf allen Seiten der Ostsee mit feindlichen Staaten konfrontiert und hat nur über St. Petersburg und die russische Enklave Kaliningrad, die zwischen Polen und Litauen liegt, Zugang zur Ostsee.

Nach dem von den USA provozierten russischen Einmarsch in die Ukraine 2022 hat Moskau eine sogenannte „Schattenflotte“ von Frachtern benutzt, um den Verkauf von Öl und Erdgas nach Asien trotz der Sanktionen der USA und der europäischen Mächte fortzusetzen und teils sogar auszuweiten. Die Schiffe fahren unter den Flaggen anderer Staaten und sind meist auf Offshore-Firmen registriert. Das bürgerlich-nationalistische Putin-Regime, das aus der Wiedereinführung des Kapitalismus in Folge der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion hervorging, ist bemüht, einen Deal mit den Imperialisten zu schließen, um die Sanktionen aufzuheben.

Die Nato-Operation zielt letztlich darauf ab, Russlands Öl- und Gashandel einzuschränken, der die wichtigste Einnahmequelle des Kremls darstellt. Nur wenige Tage vor der Verkündung von Baltic Sentry hatte die Biden-Regierung neue Sanktionen gegen etwa 180 Schiffe verhängt, die als Teil der „Schattenflotte“ gelten, um Russlands Handel einzuschränken und Moskaus Fähigkeit zur Finanzierung des Ukrainekriegs zu schwächen.

Die Teilnehmer des Treffens am Dienstag räumen ein, dass die Nato-Mächte durch die aktuellen Maßnahmen einem offenen Krieg gegen Russland immer näher kommen. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson erklärte vor kurzem, sein Land befinde sich zwar noch nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden. Im November verschickte die schwedische Regierung eine aktualisierte Version der Broschüre „Im Krisen- oder Kriegsfall“ an alle Haushalte. Darin erteilt sie Ratschläge, wie man einen militärischen Konflikt überleben kann. Die norwegische Regierung hat im letzten Sommer 2,2 Millionen Exemplare einer ähnlichen Broschüre an alle Haushalte verschickt.

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erklärte laut dem öffentlich-rechtlichen Sender DR nach dem Treffen am Dienstag: „Es ist nicht länger möglich, davon auszugehen, dass wir uns in Friedenszeiten befinden.“ Sie betonte, Dänemark werde einen Beitrag zur „konkreten militärischen Zusammenarbeit“ leisten, und beharrte darauf, dass Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP zu niedrig seien.

Wie Ruttes Äußerungen vor dem Europäischen Parlament am Montag deutlich machen, geht die Entschlossenheit der Nato, Krieg für die Interessen der amerikanischen und europäischen imperialistischen Mächte zu führen, weit über die Ostseeregion hinaus. Der Nato-Generalsekretär forderte die Zerstörung dessen, was von den europäischen Sozialprogrammen übrig geblieben ist, um eine annähernde Verdoppelung der Militärausgaben zu finanzieren, zusätzlich zu der von den Nato-Mitgliedsstaaten vereinbarten „Untergrenze“ von zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben.

Während Rutte betonte, dass die europäischen Verbündeten diese Erhöhungen in Zusammenarbeit mit den USA umsetzen sollten, betrachten dominante Teile der herrschenden Klassen Europas die „America First“-Politik des künftigen Präsidenten Donald Trump als willkommene Gelegenheit, die militärischen Kapazitäten der europäischen imperialistischen Mächte zu stärken, um ihre Interessen künftig unabhängiger von und notfalls gegen Washington durchzusetzen.

Rutte erklärte: „Die europäischen Staaten geben im Durchschnitt ein Viertel ihres Nationaleinkommens für Renten, Gesundheits- und Sozialsysteme aus, und wir brauchen nur einen kleinen Bruchteil davon, um die Verteidigung deutlich zu stärken.“ Er betonte jedoch, das endgültige Ziel für die Nato-Ausgaben könnte bei bis zu 3,6 oder 3,7 Prozent des BIP liegen. Er fuhr fort: „Ich bin zutiefst besorgt über die Sicherheitslage in Europa. Wir befinden uns nicht im Krieg, aber auch nicht im Frieden... Das bedeutet, dass wir mehr in die Verteidigung investieren und mehr Kapazitäten schaffen müssen. Das kann nicht warten. Wir müssen die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften und die kritische Infrastruktur stärken.“

Bei einem zweitägigen Treffen der Verteidigungsminister im Nato-Hauptquartier in Brüssel äußerte sich Rutte in seiner Eröffnungsrede am Mittwoch noch unverblümter: „Es ist Zeit, zu einer Kriegsmentalität überzugehen.“

Ruttes Behauptung, die herrschenden Klassen Europas bräuchten nur „einen Bruchteil“ der Mittel, die sie für Sozialleistungen ausgeben, um ihre verrückten Pläne für einen Weltkrieg zu finanzieren, ist eine glatte Lüge. In Wirklichkeit findet bereits jetzt eine massive Umstrukturierung der sozialen Beziehungen statt, in deren Rahmen alle Ressourcen der Gesellschaft dem imperialistischen Krieg und der Bereicherung der Finanzoligarchie untergeordnet werden.

In Deutschland, der größten Volkswirtschaft der EU, wurden die Gesundheitsausgaben in den letzten Jahren bereits um mehr als die Hälfte gekürzt, um eine deutliche Erhöhung der Militärausgaben zu finanzieren. Doch das ist erst der Anfang. Im aktuellen Wahlkampf für die Bundestagswahlen am 23. Februar fordert der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des BIP, was praktisch Ruttes Vorschlag im EU-Parlament entspricht. Diese Summe würde bedeuten, dass Deutschland jährlich 150 Milliarden Euro für sein Militär ausgibt, eine Summe, die siebenmal höher ist als der Bildungsetat und fast so viel wie die 175 Milliarden Euro, die Berlin derzeit jährlich für alle sozialen Leistungen ausgibt.

Die zur Finanzierung dieser astronomischen Summen notwendigen Angriffe auf die Arbeitsbedingungen und Sozialprogramme sind unvereinbar mit demokratischen Herrschaftsformen. Deshalb fördern die herrschenden Eliten in allen europäischen Staaten nach dem Vorbild der USA systematisch rechtsextreme und offen faschistische Parteien. Die AfD, Le Pens Rassemblement National und die Fratelli d’Italia der Mussolini-Bewunderin Giorgia Meloni werden von der europäischen Bourgeoisie als Rammbock gegen die Rechte der Arbeiterklasse eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, die Reste der Zugeständnisse zu eliminieren, die die herrschenden Eliten nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts revolutionärer Kämpfe an die Arbeiterklasse machen mussten, und diese Mittel in die Finanzierung von Kriegen und auf die Konten der Superreichen umzuleiten.

Arbeiter in ganz Europa müssen es ablehnen, für imperialistische Kriege im Interesse der Nato-Mächte zu bezahlen. Notwendig ist der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung, die mit einem sozialistischen und internationalistischen Programm bewaffnet ist. Diese Antikriegsbewegung muss die großen Kämpfe der Arbeiter gegen die soziale und wirtschaftliche Verwüstung mit der breiten Opposition gegen den Militarismus verbinden, um den Abstieg der herrschenden Elite in Barbarei und Krieg zu stoppen.

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