Netanjahu kündigt bei Ankunft in den USA an, die Karte des Nahen Ostens „neu zu zeichnen“

US-Präsident Donald Trump und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beim Handschlag im Israel-Museum in Jerusalem am 23. Mai 2017 [AP Photo/Sebastian Scheiner]

Am Sonntag traf der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Washington DC ein. Im Verlauf der Woche werden eine Reihe von Treffen mit US-Präsident Trump stattfinden, bei denen die ethnische Säuberung von Gaza und die Ausweitung des US-amerikanisch-israelischen Angriffskriegs auf den gesamten Nahen Osten geplant werden sollen.

Netanjahu wird das erste ausländische Staatsoberhaupt sein, das Trump im Weißen Haus empfängt. Er wird zum 14. Mal – öfter als jedes andere Staatsoberhaupt – im Washingtoner Blair House logieren, dem Gästehaus für ausländische Würdenträger. Gegen Netanjahu liegt derzeit ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, den die USA nicht anerkennt.

Im Vorfeld seiner Abreise in die USA hatte Netanjahu am Sonntag auf X angekündigt, die Karte des Nahen Ostens „neu zu zeichnen“. Damit meinte er den Plan seiner Regierung, ein „Großisrael“ zu schaffen, das aus sämtlichen Palästinensergebieten und beträchtlichen Teilen der umliegenden Staaten besteht.

Netanjahu erklärte: „Unsere bisherigen Entscheidungen in diesem Krieg haben das Gesicht des Nahen Ostens bereits verändert. Unsere Entscheidungen und die Tapferkeit unserer Soldaten haben die Karte neu gezeichnet. Doch ich glaube, durch eine enge Zusammenarbeit mit Präsident Trump können wir sie noch weiter verändern.“

Die Maßnahmen, durch welche „die Karte“ des Nahen Ostens „neu gezeichnet“ wurde, haben in Gaza laut einer Studie, die letzten Monat in The Lancet veröffentlicht wurde, zu „wahrscheinlich über 70.000“ Kriegsopfern geführt. Laut einer früheren Studie könnten es sogar 186.000 Tote oder mehr sein. Israel hat fast alle seine Nachbarn angegriffen, darunter den Libanon, Syrien, den Irak und den Iran.

Laut einem Bericht der Vereinten Nationen sind dem Völkermord, den Israel in Gaza verübt, viel mehr Frauen, Kinder und ältere Menschen zum Opfer gefallen als Männer. Dass überwiegend Frauen und Kinder getötet werden, macht deutlich, dass Israel die Bevölkerung des Gazastreifens massakrieren und die Region in Ödland verwandeln will, um seine ethnische Säuberung vorzubereiten.

Da Netanjahu die volle Unterstützung der Trump-Regierung genießt, verspricht er, eine noch größere Welle von Kriegen in der gesamten Region zu entfesseln.

Am 22. September 2023, nur zwei Wochen vor den Anschlägen vom 7. Oktober, präsentierte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei der UN-Vollversammlung eine Karte des „neuen Nahen Ostens“. Sie zeigte Israel, das nahezu alle Palästinensergebiete umfasst, als Teil eines geopolitischen Rahmens mit den an den USA orientierten Staaten des Nahen Ostens Ägypten, Sudan, Jordanien und Saudi-Arabien.

Als Netanjahu am 27. September 2024, kurz vor dem ersten Jahrestag des Beginns des Völkermords, erneut vor den Vereinten Nationen sprach, bezog er sich wieder auf „die Karte, die ich hier letztes Jahr präsentiert habe“ und erklärte: „Ich glaube, diese Vision kann sich mit amerikanischer Unterstützung und Führung viel schneller materialisieren als die Leute denken.“

Letzten Monat forderte Trump Israel auf, Gaza von seinen arabischen Einwohnern zu „reinigen“ und rief offen zur ethnischen Säuberung auf: „Es geht hier um ungefähr eineinhalb Millionen Menschen, und wir reinigen einfach dieses ganze Ding.“

Mit dieser Äußerung Trumps hat sich der amerikanische Staat offen hinter die tatsächliche Politik der Netanjahu-Regierung gestellt: die systematische Ausrottung und Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen, als Teil der Bestrebungen sämtliche Palästinensergebiete zu annektieren.

Letzte Woche hat sich Trumps Nahost-Beauftragter, Steve Witkoff, mit Netanjahu getroffen, um über „Trumps Idee zu diskutieren, die Bevölkerung von Gaza nach Jordanien und Ägypten zu schicken“, wie die Times of Israel schrieb. Die Zeitung berichtete, Witkoff und Vertreter Israels hätten „mögliche Vorschläge für die Umsiedlung der Bevölkerung von Gaza diskutiert, in Übereinstimmung mit den wiederholten Vorschlägen des US-Präsidenten, Millionen von Einwohnern von Gaza nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln.“

Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte als Reaktion auf Trumps Forderungen nach der ethnischen Säuberung von Gaza: „Ich arbeite mit dem Ministerpräsidenten und dem Kabinett an einem Operationsplan, um sicherzustellen, dass diese Vision von Präsident Trump umgesetzt wird.“

Im Vorfeld von Netanjahus Reise in die USA hatte Smotrich die Annexion des Westjordanlands gefordert und erklärt: „Wir müssen unsere Kontrolle und Souveränität über das Heimatland in Judäa und Samaria [Westjordanland] stärken.“

Kurz vor seiner Abreise drohte Netanjahu mit einer weiteren Eskalation gegen den Iran: „Bei diesem Treffen werden wir uns mit wichtigen Fragen und kritischen Themen befassen, die Israel und unsere Region betreffen: den Sieg über die Hamas, die Freilassung aller Geiseln und die Reaktion auf die iranische Terrorachse in all ihren Bestandteilen.“

Im Dezember berichtete das Wall Street Journal, Trumps Übergangsteam habe mögliche Luftangriffe gegen das iranische Atomprogramm diskutiert. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt schloss Trump in einer Rede zur Außenpolitik Militärschläge gegen den Iran nicht aus.

Seine Forderungen nach der ethnischen Säuberung von Gaza decken sich mit der tatsächlichen Position der Netanjahu-Regierung. Die Financial Times schrieb über die Diskussionen, die für diese Woche geplant sind:

Eine Person, die mit der Denkweise der israelischen Regierung vertraut ist, erklärte Trumps Äußerungen „kamen nicht überraschend... Das ist Trump nicht einfach so eingefallen...Israel war sich bewusst, dass er das sagen wird. Sie [die USA und Israel] sind aufeinander abgestimmt und koordiniert.“

Israel führt trotz einer nominellen „Waffenruhe“ weiterhin täglich Militäroperationen in ganz Palästina durch, einschließlich anhaltender Angriffe auf die Stadt Dschenin, bei denen die zivile Infrastruktur weitgehend zerstört wurde. Am Mittwoch griffen israelische Truppen das Flüchtlingslager Nuseirat im zentralen Gazastreifen an, bei dem vier Menschen verwundet wurden.

Israel setzt seine Konsolidierung territorialer Annexionen in der gesamten Region fort. Am Sonntag berichtete die Washington Post, Israel baue in Gebieten auf den Golanhöhen, die es vor zwei Monaten von Syrien nach dem Zusammenbruch der Assad-Regierung erobert hatte, militärische Außenposten auf.

Loading