Öcalan fordert die kurdische PKK auf, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen

Eine Delegation der kurdisch-nationalistischen Partei der Gleichheit und Demokratie der Völker (DEM Parti) besuchte am Donnerstag zum dritten Mal den inhaftierten Führer der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) Abdullah Öcalan. Wie erwartet überreichte er der Delegation einen Brief, in dem er die PKK aufforderte, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen.

In dem seit 1984 andauernden Konflikt zwischen Ankara und der PKK sind Zehntausende Menschen, hauptsächlich Kurden, getötet und Millionen vertrieben worden.

Der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan (Mitte) und die Delegation der DEM-Partei auf der Insel İmralı, Donnerstag, 27. Februar 2025 [Photo: DEMGenelMerkezi on X/Twitter]

Öcalans „Aufruf zu Frieden und einer demokratischen Gesellschaft“, der auf einer Pressekonferenz in einem Istanbuler Hotel erst auf Kurdisch und dann auf Türkisch verlesen wurde, wurde live auf vielen nationalen Kanälen übertragen und von Millionen Menschen in der Türkei und auf der ganzen Welt gesehen.

„Das unvermeidliche Ergebnis der extremen nationalistischen Abweichungen – wie ein separater Nationalstaat, eine Föderation, Verwaltungsautonomie oder kulturelle Autonomie – ist keine Antwort auf die historische Soziologie der Gesellschaft“, erklärte er in seinem Aufruf und behauptete, dass die Kurdenfrage durch eine „Demokratisierung“ des bestehenden Staates gelöst werden könne.

„Bei dieser Perspektive besteht kein Zweifel daran, dass die Niederlegung der Waffen und die Selbstauflösung der PKK in der Praxis die Anerkennung der demokratischen Politik und ihrer rechtlichen Dimension erfordern“, sagte Öcalan in einer Zusatzerklärung, die separat verlesen wurde.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte in Reaktion auf den Aufruf: „Wir haben die historische Chance, dem Ziel der Zerstörung der Mauer des Terrors näherzukommen.“

Erdoğans Berater Mehmet Uçum begrüßte Öcalans Worte und erklärte: „Der Aufruf besagt im Grunde, dass es kein [kurdisches] Identitätsproblem mehr gibt, dass die Verleugnung [der Kurden] vorbei ist, dass es keine zwei Nationen, keine zwei Amtssprachen, keine zwei Staatsbürgerschaften, keine Forderung nach Autonomie, keine Forderung nach Föderation gibt. Der Einheitsstaat wurde verteidigt.“

Uçum fügte hinzu: „Öcalan hat betont, dass das interne kurdische Problem in der Türkei, das auf Verleugnung und Ablehnung beruht, gelöst ist. Jetzt geht es um Demokratie, Integration in Staat und Gesellschaft und die Entwicklung der Demokratie.“

Die jüngsten Verhandlungen der Regierung Erdoğan mit Öcalan begannen im vergangenen Oktober mit einem Aufruf von Devlet Bahçeli, dem Vorsitzenden von Erdoğans faschistischem Verbündeten, der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP). Bahçeli sagte, dass Öcalan freigelassen werden könnte, wenn er erkläre, dass die PKK aufgelöst worden sei, und dass er „auf der Sitzung der DEM-Parteigruppe im türkischen Parlament“ sprechen dürfe. Daraufhin nahm die DEM-Partei mit Zustimmung Erdoğans Gespräche mit Öcalan auf, der seit 1999 in einem Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel İmralı im Marmarameer festgehalten wird.

Wie die World Socialist Web Site damals erklärte, wurde Öcalan, Anführer einer nationalistischen politischen Bewegung mit Massenunterstützung, mit Hilfe der CIA an Ankara ausgeliefert, während die europäischen Mächte ihm politisches Asyl verweigerten.

Öcalans Aufruf vom 27. Februar steht im Einklang mit seiner und der politischen Entwicklung der PKK nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie im Jahr 1991.

Er sagte: „Die PKK wurde im 20. Jahrhundert geboren, in der gewalttätigsten Epoche der Menschheitsgeschichte, nach zwei Weltkriegen, im Schatten der Erfahrung des realen Sozialismus und des Kalten Krieges auf der ganzen Welt. Die völlige Verleugnung der kurdischen Realität, die Einschränkung der Grundrechte und -freiheiten – insbesondere der Meinungsfreiheit – spielten eine bedeutende Rolle bei ihrer Entstehung und Entwicklung.“ Und er fügte hinzu: „In Bezug auf Theorie, Programm, Strategie und Taktik wurde sie stark von der Realität des real-sozialistischen Systems dieses Jahrhunderts beeinflusst.“

Er fuhr fort: „Der Zusammenbruch des real-sozialistischen Systems in den 1990er Jahren aus inneren Gründen, die Erosion der Identitätsleugnung im Land und die Fortschritte bei der Meinungsfreiheit führten zu einem Bedeutungsverlust und übermäßigen Wiederholungen innerhalb der PKK. Folglich erreichte sie, wie ihre Gegenstücke, das Ende ihrer Lebensdauer, was ihre Auflösung notwendig machte.“

In Wirklichkeit werden die Existenz und die demokratischen Rechte der Kurden (trotz einiger offizieller Schritte zur Anerkennung der Existenz des kurdischen Volkes und der kurdischen Sprache, die jahrzehntelang geleugnet wurden) auch heute noch nicht verfassungsrechtlich anerkannt. Kurdisch gilt im türkischen Parlament immer noch als „unbekannte Sprache“. Sie hat keinen offiziellen Status. Grundlegende demokratische Rechte, insbesondere die Meinungsfreiheit, werden von der Regierung immer noch systematisch verletzt.

Öcalans Aufruf erfolgt inmitten einer intensiven Welle der Unterdrückung und Verhaftung, die sich gegen große Teile der politischen und sozialen Opposition richtet, mit Tausenden kurdischen politischen Gefangenen im Gefängnis, gewählten Bürgermeistern der DEM-Partei, die entlassen wurden, und der Verletzung des Rechts Millionen kurdischer Wähler, zu wählen und gewählt zu werden.

Die „Bedeutungslosigkeit“ der PKK ist nicht auf die Auflösung der Sowjetunion oder die angebliche Lösung der Kurdenfrage zurückzuführen, sondern auf den Bankrott nationaler Programme im Zeitalter der globalen Integration der kapitalistischen Produktion. Letztendlich war dies der Grund für das Ende der UdSSR, die den Höhepunkt des stalinistischen Verrats an der Oktoberrevolution von 1917 darstellte.

Wie viele andere bürgerliche und kleinbürgerliche nationalistische Organisationen, die sich fälschlicherweise als „sozialistisch“ oder „revolutionär“ bezeichnen, reagierte die PKK auf diese wichtigen Entwicklungen mit einer raschen Rechtsentwicklung. Die PKK, die 1978 als stalinistische Guerillaorganisation gegründet wurde und den gemeinsamen Kampf der türkischen und kurdischen Arbeiter gegen die herrschende Klasse ablehnte, gewann in einem Umfeld brutaler staatlicher Unterdrückung des kurdischen Volkes an Stärke. In der nachsowjetischen Zeit erklärte sie schnell das „Scheitern des Sozialismus“, gab ihr Programm der nationalen Unabhängigkeit auf und suchte die Versöhnung mit Ankara und den imperialistischen Mächten. Tatsächlich war es der Stalinismus, der fälschlicherweise mit dem Sozialismus gleichgesetzt wurde, und sein reaktionäres Programm des „Sozialismus in einem Land“, das gescheitert ist.

In Öcalans „Friedensaufruf“ wird die entscheidende Frage völlig ausgelassen: Dieser Aufruf erfolgt unter den Bedingungen eines sich abzeichnenden imperialistischen Krieges zur Neuaufteilung der Welt, der die beiden Weltkriege des zwanzigsten Jahrhunderts in den Schatten stellen könnte.

In den letzten drei Jahren hat der Krieg der USA und der Nato gegen Russland um die Ukraine die Welt an den Rand eines Atomkonflikts gebracht. Die neue Trump-Regierung hat nun ein Programm zur globalen Eroberung und Hegemonie verkündet, das nicht nur China, sondern auch Washingtons nominelle Verbündete ins Visier nimmt. Der von den USA unterstützte israelische Völkermord in Gaza verschärft sich mit anhaltender Aggression im Westjordanland und Plänen zur Deportation von mehr als zwei Millionen Palästinensern. Der von Islamisten geführte Regime Change in Syrien könnte zu einem neuen Konflikt führen, bei dem die Besatzer Türkei und Israel gegeneinander und gegen verschiedene andere Kräfte im Land antreten. Die US-israelische Aggression gegen den Iran und die Vorbereitungen für einen Krieg, der die gesamte Region erfassen würde, sind in vollem Gange.

Dies erklärt, warum die Regierung Erdoğan die Verhandlungen mit Öcalan wieder aufgenommen hat. Erdoğan selbst drückte es wie folgt aus: „Während die Landkarten mit Blut neu gezeichnet werden, während der Krieg, den Israel vom Gazastreifen bis zum Libanon geführt hat, sich unseren Grenzen nähert, versuchen wir, unsere innere Front zu stärken.“

In einem Kommentar in The Middle East Eye zu Öcalans Aufruf hieß es: „Viele Insider in Ankara glauben, dass die Motivation der Regierung, Gespräche mit Öcalan aufzunehmen, mit den eskalierenden regionalen Spannungen zwischen Israel und dem Iran zusammenhängt.“

Ankara und die kurdische Nationalbewegung, beide Verbündete der US-Nato und beide auf die imperialistischen Mächte ausgerichtet, sind keine Gegner, sondern Teil des sich verschärfenden Krieges im Nahen Osten. Die USA und die europäischen Mächte glauben, dass eine Einigung zwischen der türkischen und der kurdischen Elite ihren Plänen für eine imperialistische Vorherrschaft in der Region, insbesondere gegenüber dem Iran und seinen Verbündeten, förderlich sein wird.

Deshalb haben die Vereinigten Staaten und Deutschland den Aufruf begrüßt. Berlin hat angekündigt, dass es alles in seiner Macht Stehende tun wird, um den „Prozess“ zu unterstützen.

Brian Hughes, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, erklärte: „Dies ist eine bedeutende Entwicklung, und wir hoffen, dass sie dazu beitragen wird, unsere türkischen Verbündeten hinsichtlich der US-Partner im Kampf gegen ISIS im Nordosten Syriens zu beruhigen.“ Er bezog sich dabei auf die Schwesterorganisation der PKK, die Partei der Demokratischen Union (PYD), und ihren bewaffneten Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die zusammen mit US-Truppen den Nordosten Syriens kontrollieren.

Mazlum Abdi, der Anführer der Syrian Democratic Forces (SDF), deren Rückgrat die YPG bildet, erklärte, dass sich Öcalans Aufruf gegen die PKK und nicht gegen sie richte. Mit Bezug auf die Militäroperationen Ankaras gegen sie in Syrien sagte Abdi: „Die Beziehung und der Frieden zwischen der PKK und der Türkei werden sich auf unsere Region auswirken. Wenn dieser Prozess erfolgreich ist, wird er sich positiv auf uns auswirken und die Türkei wird keine Entschuldigung mehr haben, unsere Region anzugreifen.“

Salih Muslim, ein führendes Mitglied der PYD, begrüßte Öcalans Aufruf und sagte gegenüber Al-Arabiya: „Es gäbe keinen Bedarf an Waffen, wenn wir politisch arbeiten dürften. Wenn die Gründe für das Tragen von Waffen verschwinden, werden wir sie niederlegen.“

Die letzten Verhandlungen zwischen Ankara und der PKK, die 2009 begannen und mit Unterbrechungen bis 2015 andauerten, scheiterten, als sich der Krieg der USA und der Nato für einen Regimewechsel in Syrien verschärfte. Aus Angst, dass eine von der YPG geführte kurdische Enklave in Syrien einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit in den kurdischen Provinzen der Türkei fördern könnte, wo einige Erklärungen zur „demokratischen Autonomie“ abgegeben wurden, hat Ankara sowohl im Inland als auch in Syrien eine aggressive Offensive gestartet.

Tausende Menschen wurden getötet und Hunderttausende kurdische Zivilisten vertrieben. Dies zeigte auf bittere Weise die organische Unfähigkeit der Bourgeoisie, grundlegende demokratische Fragen in einem Land mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung in der Epoche des Imperialismus zu lösen, wie Leo Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution erklärte.

Die Aufgabe, sich vom Imperialismus unabhängig zu machen und ein demokratisches Regime aufzubauen, fällt der Arbeiterklasse zu. Das bedeutet den Kampf für eine sozialistische Föderation im Nahen Osten gegen die imperialistischen Mächte und all ihre Stellvertreter. In diesem Kampf müssen sich die Arbeiter gegen Krieg, das Schüren von Feindschaft zwischen den Völkern, chauvinistischen Nationalismus und staatliche Unterdrückung stellen und grundlegende demokratische Rechte verteidigen. Dies erfordert den Kampf für Forderungen wie die Freilassung aller politischen Gefangenen, einschließlich Öcalan, und die Anerkennung der demokratischen Rechte des kurdischen Volkes, einschließlich des aktiven und passiven Wahlrechts.

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