Leipziger Buchmesse 2025 im Zeichen von Kriegspropaganda und Antikriegsstimmung

Die diesjährige Leipziger Buchmesse vom 27. bis 30. März 2025 fand an einem historischen Wendepunkt statt. Wenige Tage vor der Eröffnung der Messe verabschiedeten der Bundestag und der Bundesrat Kriegskredite über mehr als eine Billion Euro und ebneten damit der umfassendsten Aufrüstung seit Hitler den Weg.

Die Kriegsfrage prägte auch das Programm der Buchmesse. Einerseits erhielten Kriegstreiber wie der Politikberater Herfried Münkler eine Bühne für ihre Großmachtpropaganda, andererseits zeigte sich eine zunehmende Antikriegsstimmung unter vielen Besuchern. Bereits im vergangenen Jahr war eine deutliche Politisierung zu beobachten.

Die Buchmesse zog besonders viel junges Publikum an und ging mit einem Rekord von fast 300.000 Besuchern zu Ende. Trotz einer erstmaligen Beschränkung des Kartenverkaufs platzte das Messegelände aus allen Nähten.

Neuerscheinung „Sozialismus gegen Krieg“ von David North am Stand des Mehring Verlags auf der Leipziger Buchmesse 2025

Mit der Neuerscheinung Ein Warnruf: Sozialismus gegen Krieg von David North präsentierte der Mehring Verlag als einziger Verlag ein Buch, das eine sozialistische Antwort auf die globale Kriegsentwicklung und den Rüstungswahnsinn gibt. Die umfassende Auswahl marxistischer Literatur, die am Messestand angeboten wurde, weckte großes Interesse.

Deutscher Militarismus und Propaganda für den Ukrainekrieg

Zwei Buchpreise gingen an Autoren, die vor allem die antirussische Kampagne im Ukrainekrieg befeuern: der Sachbuchpreis an die Exil-Russin Irina Rastorgueva für ein Buch gegen die Propaganda des Putin-Regimes, und der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung an den belarussischen Schriftsteller Alhierd Bacharevič für sein Buch Europas Hunde (erstmals 2017 erschienen, 2024 übersetzt).

Laut der taz „entwirft Bacharevič im abschließenden Kapitel die Vision eines neuen Russischen Großreichs im Jahr 2050, das sich Belarus vollständig einverleibt hat“. Bacharevič meint, die Belarussen und Ukrainer hätten schon seit Putins Machtantritt „im Schatten des Monsters Russland“ gelebt.

Am Ukrainestand der Leipziger Buchmesse stellte der ehemalige NGO-Aktivist Maksym Butkevych, der sich freiwillig der ukrainischen Armee angeschlossen hat und Kommandeur wurde, sein Buch vor – mit dem zynischen Titel Am richtigen Platz. Ein ukrainischer Friedensaktivist im Krieg. Eine Veranstaltung zu dem Band Für Deine und meine Freiheit von Konstantin Sigow – mit einem Vorwort des rechten Historikers Karl Schlögel – wurde den gefallenen ukrainischen Soldaten gewidmet.

Die Darstellung des Ukrainekriegs als Verteidigung von „Freiheit“ und „Frieden“ gegen den russischen Aggressor ist das offizielle Mantra der herrschenden Klasse in Deutschland und den anderen Nato-Ländern, das mit der Realität nichts zu tun hat. Es dient den deutschen Eliten als Vorwand, um wieder massiv aufzurüsten und die Rückkehr zur alten Großmachtpolitik der Nazis zu rechtfertigen.

Am deutlichsten brachte das der bekannte Militarist und umtriebige Regierungsberater Herfried Münkler zum Ausdruck. Der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität diskutierte im taz-Forum seinen neuen Wälzer Macht im Umbruch. Deutschlands Rolle in Europa und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (Rowohlt Verlag 2025). Angesichts der Wahl Trumps müsse sich Europa in Zukunft „selbst behaupten“, so Münkler. Die Unterstützung der Bundesregierung für die Ukraine sei „zu spät und zu wenig“ gewesen.

Der taz-Redakteur Jan Fedderson, ein Ex-Maoist, der sonst zu Identitätspolitik schreibt, stand Münkler in Sachen Militarismus in nichts nach. In der grünen taz-Redaktion gebe es große Befürwortung für Taurus-Marschflugkörper und Luftunterstützung der Ukraine. Man wolle einen „tougheren Kurs“. Ob man in der von Münkler proklamierten „postheroischen Gesellschaft“ überhaupt noch leben könne?

Münkler verwies auf die niedrige Geburtenrate und die „Befindlichkeiten der deutschen Gesellschaft“, womit er meint, dass sich zu wenige Menschen in Deutschland als vermeintliche Helden in einem Krieg verheizen lassen wollen. Den Mangel an „Manpower“ könne man aber durch mehr „Equipment“ ausgleichen, so Münkler. „Kampfdrohnen sind die Rollatoren postheroischer Gesellschaften“, habe er den Grünen schon früher gesagt.

Fedderson warf ein, Deutschland habe auch falsch rekrutiert und zu sehr auf weiße Mittelschichtsmänner gesetzt. Dabei würden „wahnsinnig viele junge Männer und Frauen mit migrantischer Prägung sehr gerne zur Bundeswehr gehen“.

Im weiteren Verlauf debattierten die ergrauten Kriegspropagandisten darüber, warum die Bundeswehr junge Flüchtlinge als Kanonenfutter einsetzen sollte. Münkler sagte, er habe schon vor Jahren mit Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble und dem damaligen Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger im Café Einstein in Berlin besprochen, ob nicht eine „Integration über das Militär“ wie in den USA möglich wäre. Schließlich seien mit der Flüchtlingskrise 2014–2016 „relativ viele junge Leute mit einer offenbar hohen Leistungsfähigkeit – sonst hätten sie den langen Weg nicht geschafft – nach Deutschland gekommen“. Die deutschen Politiker folgten damals nicht seinem Rat, aber „was nicht ist, kann ja noch werden“, erklärte Münkler und forderte einen „Mentalitätswandel in der politischen Klasse“.

Auch eine neue Generation deutscher Imperialisten trat auf der Buchmesse auf: Timo Lochocki, Jahrgang 1985, Politologe und Visiting Fellow bei der europäischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations, präsentierte sein nationalistisches Buch Deutsche Interessen. Wie wir zur stärksten Demokratie der Welt werden – und damit die liberale Welt retten (Herder Verlag 2025).

Auf der Veranstaltung argumentierte er für eigene deutsche Atomwaffen und eine notwendige Unabhängigkeit von den USA. „Unser Land kann und sollte das neue Amerika werden“, fordert er in seinem Buch und bemüht ausgerechnet die Pazifistin Käthe Kollwitz, um sein Kriegsplädoyer zu begründen. Sein Grundgedanke sei das lateinische Sprichwort: „Wenn du Frieden willst, rüste dich für Krieg.“

Antikriegsstimmung

Das pausenlose Kriegsgeheul, das die etablierten Medien und Verlage ergriffen hat, ist eine Reaktion auf die brodelnde Antikriegsstimmung in der Bevölkerung, die sich zwar bislang nicht in Massenprotesten äußert, aber durchaus auch auf der Messe sichtbar wurde.

Großen Andrang und Beifall von einem vorwiegend jungen Publikum gab es bei der Vorstellung des Bestsellers Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde. Gegen die Kriegstüchtigkeit (Rowohlt Verlag 2025). Der 27-jährige Autor Ole Nymoen spricht sich darin gegen die Aufrüstung und „geistige Mobilmachung“ in Deutschland aus.

Andrang bei der Buchvorstellung mit Ole Nymoen auf der Leipziger Buchmesse 2025

Er betrachtet sein Buch als generelle Kritik der konkurrierenden Nationalstaaten, die durch jahrhundertlange Kriege entstanden seien. Die Menschen würden im Krieg ihrem Staat hilflos ausgeliefert und aufeinandergehetzt. Auf Nachfrage des Moderators bezeichnete er sich selbst als Sozialisten und plädierte für eine „sozialistische Weltrepublik“ als ideale Staatsform.

In seiner Einleitung zum Buch betont Nymoen die verbreitete Ablehnung der Wehrpflicht unter jungen Menschen in Deutschland: 59 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sprechen sich gegen eine neue Wehrpflicht aus. Auf die Frage, wer mit der Waffe Deutschland verteidigen würde, antworteten laut Forsa nur 19 Prozent mit „auf jeden Fall“, laut YouGov nur 5 Prozent.

Ein bedeutender Kontrapunkt zur gegenwärtigen Kriegshetze ist auch die deutsche Übersetzung des Buchs Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten von Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik aus dem Belarussischen, für die Thomas Weiler mit dem Übersetzerpreis der Buchmesse ausgezeichnet wurde. Damit ist dieses wichtige Werk erst 50 Jahre nach seinem Erscheinen in der Sowjetunion erstmals einer deutschen Leserschaft zugänglich.

Die hier gesammelten Augenzeugenberichte über die grauenvollen Nazi-Verbrechen in Belarus könnten zeitgemäßer nicht sein. Auch das Drehbuch für den bekannten sowjetischen Antikriegsfilm „Komm und Sieh“, das Adamowitsch mit dem Regisseur Elem Klimow verfasst hat, basiert auf diesen Berichten.

Unvergesslich ist die Szene eines jener „Feuerdörfer“, in der die Dorfbewohner von der SS in eine Scheune getrieben und bei lebendigem Leibe verbrannt werden. In den Flammen dieses Massakers von Chatyn im März 1943 starben 149 Menschen, darunter 75 Kinder.

Das Vorwort der Herausgeber von 1975 beginnt mit den eindringlichen Worten:

Über den Faschismus ist scheinbar alles bekannt. Die Asche von Millionen seiner Opfer bedrängt die Herzen der Menschen.

Und doch wird hier und da immer wieder versucht, diese Geißel des 20. Jahrhunderts für nachfolgende Generationen, die den Horror des Zweiten Weltkriegs nicht selbst erlebt haben, in milderem Licht erscheinen zu lassen. Wie viele „wissenschaftliche Abhandlungen“ werden im Westen über Hitler und seine Bande veröffentlicht, wie viele Bücher und Aufsätze, deren Autoren eifrig darum bemüht sind, dem Nazismus menschliche Züge zu verleihen und das Gedächtnis der Völker gegen revanchistische Sehnsüchte von Generälen und damaligen Handlangern des „Führers“ auszutauschen.

Aber das Gedächtnis des Volkes existiert noch, es lebt – die unbestechliche Erinnerung an den Gestapo-, KZ- und Chatyn-Faschismus. Das Tribunal der Völker hat mit Nürnberg nicht geendet. Es dauert an – im Gedächtnis der Bevölkerung. Und dieses Tribunal ist nicht allein eine Frage der historischen Gerechtigkeit. Es ist überlebenswichtig. Nicht umsonst heißt es, wer seine Vergangenheit vergisst, sei dazu verurteilt, sie erneut zu erleben.

Sozialismus gegen Krieg

80 Jahre nach dem Ende dieses blutigen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion stehen erneut deutsche Panzer an der russischen Grenze. Mit dem Buch Ein Warnruf: Sozialismus gegen Krieg von David North präsentierte der Mehring Verlag auf der Messe eine klare politische Perspektive, um einen dritten Weltkrieg zu stoppen.

Zahlreiche Besucher am Messestand reagierten wütend auf die Aufrüstung der Bundeswehr und die Zustimmung der Linkspartei zu den Kriegskrediten. Sie äußerten ihre Sorgen über die internationale Kriegspolitik und die Errichtung einer Diktatur unter Donald Trump in den USA. Ein amerikanischer Besucher, der sich für David Norths Band 30 Jahre Krieg. Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020 interessierte, erzählte, dass er wegen der US-Kriegspolitik ausgewandert sei und nun schockiert mitverfolge, wie Deutschland eine ähnliche Kriegsagenda vorantreibt.

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Großes Interesse weckte auch die zweite Neuerscheinung von David North: Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza. Ein junger Mann, der das Buch kaufte, sagte: „Endlich spricht hier mal einer über den Völkermord in Gaza!“

In den regen Diskussionen am Verlagsstand wurde deutlich, dass es ein starkes Bedürfnis danach gibt, die rasante politische Entwicklung in ihrem historischen Zusammenhang zu verstehen. Was meint „Sozialismus“ gegen Krieg und warum waren die stalinistischen Regime der DDR und der Sowjetunion kein Sozialismus? Was sind die Ursachen des Ukrainekriegs? Wie ist der Aufstieg der AfD zu erklären, und was sind die Unterschiede und Parallelen zu den 1930er Jahren?

Gerade in Ostdeutschland, wo die AfD zuletzt Rekordergebnisse in den Bundestagswahlen erzielt hat, ist diese Frage zentral. Deshalb griffen zahlreiche Standbesucher nach dem Buch Warum sind sie wieder da? von Christoph Vandreier, dem Vorsitzenden der Sozialistischen Gleichheitspartei.

Besonders junge Leserinnen und Leser waren auf der Suche nach Büchern über die sowjetische Geschichte und diskutierten mit uns die Bedeutung der Oktoberrevolution und des Kampfs der Linken Opposition unter Leo Trotzki gegen den Stalinismus. Ein Slawistik-Student erwarb gleich einen ganzen Stapel von Büchern, darunter die Verratene Revolution und Porträt des Nationalsozialismus von Trotzki sowie den ersten Band der Reihe Gab es eine Alternative? von Wadim Rogowin.

Junge Besucherinnen der Leipziger Buchmesse 2025 interessieren sich für die Geschichte der Oktoberrevolution und der Sowjetunion

Eine Geschichtsstudentin der Berliner Humboldt-Universität wollte mehr über die Russische Revolution von 1917 erfahren, kaufte John Reeds Zehn Tage, die die Welt erschütterten und hinterließ ihre Kontaktdaten, um bei der IYSSE (International Youth and Students for Social Equality) aktiv zu werden.

Am Samstag stellte der Mehring Verlag seine Neuerscheinung Ein Warnruf: Sozialismus gegen Krieg im Sachbuchforum vor. In seinem Redebeitrag erklärte der Autor und Herausgeber der World Socialist Web Site David North:

Mein Buch ist, wie der Titel deutlich macht, ein Versuch, Alarm zu schlagen. Die Menschheit ist mit der Gefahr eines Abstiegs in den Abgrund konfrontiert. Der einzige Ausweg aus dieser Krise ist das Ende des kapitalistischen Systems. Die von Rosa Luxemburg formulierte Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ stellt uns heute alle vor die Wahl. Die Alarmglocke ist geläutet worden. Jetzt müssen wir darauf reagieren.

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