Mit der Ernennung von Generalleutnant Christian Freuding zum neuen Inspekteur des Heeres hat die Bundesregierung eine weitere Etappe der aggressiven Wiederaufrüstung und Kriegsvorbereitung Deutschlands eingeleitet.
Freuding, den Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am 1. Oktober als „General der Zeitenwende“ und „Kopf der deutschen Ukraine-Politik“ pries, steht für eine neue Generation von Militärs, die nicht nur bereit, sondern geradezu begierig sind, Krieg zu führen. Seine Ernennung fällt in eine Phase, in der sich die deutsche und europäische Bourgeoisie in rasantem Tempo auf einen großen Krieg vorbereitet – nach außen gegen Russland, nach innen gegen die eigene Bevölkerung.
Die Entwicklung vollzieht sich parallel zu den Vereinigten Staaten. Ende September rief US-Kriegsminister Pete Hegseth hunderte Generäle auf einer Militärbasis nahe Washington D.C. zusammen, um den sogenannten „Warrior Ethos“ zu beschwören – eine offene Kampfansage an Russland, China und letztlich an jede Opposition im Innern. Die herrschende Klasse in Deutschland bewegt sich auf der gleichen Linie.
Das jüngst vom Kabinett beschlossene Artikelgesetz „Militärische Sicherheit“ soll der Armee weitreichende Befugnisse im Innern verschaffen. Es erlaubt nicht nur den Einsatz bewaffneter Drohnen, sondern weitet auch die Befugnisse der Soldaten aus, Durchsuchungen, Festnahmen und andere Maßnahmen gegenüber Zivilisten durchzuführen. Die jüngsten Manöver, wie etwa in Hamburg, zeigen, dass die Bundeswehr längst für den Einsatz im Inland trainiert – eine Entwicklung, die, ebenso wie die Kriegsvorbereitung gegen Russland, an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte erinnert.
Freuding selbst verkörpert diese neue, aggressive Linie. Sein erster Tagesbefehl liest sich wie ein Dokument aus der Feder der Wehrmachtsführung vor 1939:
Vor uns liegen anspruchsvolle Aufgaben. Wir müssen unsere Einsatzbereitschaft weiter verbessern. Wir wollen endlich materielle Vollausstattung erreichen. Wir müssen auch personell wachsen… Wir werden neue Verbände und Großverbände aufstellen – zuvorderst unsere Panzerbrigade 45 in Litauen… Wir werden dringend erforderliche Fähigkeiten, wie den Kampf mit und gegen Drohnen, umgehend weiterentwickeln und ausbauen… Der Feind wartet nicht auf unsere ‚Fertig‘-Meldung.
Und weiter:
Ich will für ein Heer arbeiten, das bereit ist zum Kampf, das sich durchsetzt, das gewinnt.
Diese martialische Sprache ist kein Zufall. Sie reflektiert die Denkweise einer Offizierskaste, die offen von „Feind“ spricht und die Bundeswehr in eine „kampfbereite Armee“ verwandeln will. Freudings Aufgabe ist die praktische Umsetzung der deutschen Kriegsstrategie gegen Russland – einschließlich der Stationierung der Panzerbrigade in Litauen, unmittelbar an der russischen Grenze.
Zuvor war Freuding Leiter des Lagezentrums Ukraine im Verteidigungsministerium und gilt als Architekt der militärischen Unterstützung Kiews. Am 9. Mai – dem Tag des Sieges der Roten Armee über Hitlerdeutschland – ließ er sich demonstrativ beim Handschlag mit dem ukrainischen Neonazi-Kommandanten Oleg Romanow fotografieren. Romanow befehligt die faschistische „Paskuda“-Einheit innerhalb der ukrainischen Streitkräfte.
Dass Freuding ausgerechnet an diesem Tag die Nähe zu solchen Kräften suchte, ist eine bewusste Provokation und symbolisiert die Kontinuität des deutschen Militarismus: die ideologische und politische Verbindung zu jenen Kräften, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Wehrmacht gegen die Sowjetunion kämpften.
Freudings Rede vom „Kampf“ und „Sieg“ knüpft an die schlimmsten Traditionen des deutschen Imperialismus an. Schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg waren die zentralen Kriegsziele Berlins die Beherrschung Osteuropas, die Kontrolle über die rohstoffreiche Ukraine und die Unterwerfung Russlands. Heute wird dieser geopolitische Wahn unter dem Deckmantel von „Freiheit“ und „Abschreckung“ fortgeführt.
Die Rückkehr des deutschen Militarismus ist kein Zufall, sondern Ausdruck der tiefen Krise des Kapitalismus. Die herrschende Klasse reagiert auf die wachsenden Konflikte zwischen den Großmächten, die enorme soziale Ungleichheit und den Widerstand der Arbeiterklasse, indem sie auf Krieg nach außen und Repression im Inneren setzt. Getrieben von diesen objektiven Triebkräften, kann es ihr dabei gar nicht schnell genug gehen.
In einem Kommentar auf der Website des Bundeswehrverbands vom 7. Oktober mit dem Titel „Operation Ostflanke 2029 – oder früher?“ erörtert der frühere Wehrbeauftragte des Bundestags Hans-Peter Bartels (SPD), ob Deutschland nicht schon früher als 2029 von Russland „ernsthaft herausgefordert“ werden könnte. Der „Faktor Zeit“ sei deshalb entscheidend.
Bartels stützt seine Hoffnung auf die „Realität des offiziellen Finanzplans des Bundes“. Damit meint er die Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro, die von allen Bundestagsparteien unterstützt wurden. Mit ihnen soll der reguläre Verteidigungshaushalt bis 2029 auf 3,5 Prozent des BIP (153 Milliarden Euro) und anschließend sogar auf 5 Prozent (über 220 Milliarden Euro) ansteigen. Das bedeutet die größte Aufrüstungs- und Kriegsoffensive seit Hitler.
„Allein die bloßen Bestell-Ankündigungen senden bereits ein Signal nach Moskau“, jubelt Bartels. Dann zählt er auf:
1000 Leopard-Kampfpanzer, 5000 Boxer, 600 Skyranger, weitere Pumas, Radhaubitzen, Loitering-Munition, Drohnen, Satelliten, Digitalfunk und Combat Cloud, Tarnkappenbomber und Eurofighter, 14 neue Fregatten, Verdoppelung der U-Boot-Flotte, Verdreifachung der bodengebundenen Luftverteidigung, Raketenabwehr zu Land und zur See, Deep-Precision-Strike-Waffen.
Es sehe, so Bartels, „fast so aus, als würde die Bundeswehr in diesen Monaten neu gegründet. Stärker, moderner – aber zügig muss es gehen!“
Am Dienstag verkündete Pistorius bei einer Fachkonferenz des Verteidigungsministeriums, neue Kasernen „wie am Fließband“ zu bauen, um den geplanten Aufwuchs der Armee sicherzustellen „Allein für den neuen Wehrdienst brauchen wir in den kommenden Jahren rund 40.000 zusätzliche Betten für Rekrutinnen und Rekruten, für zusätzliche Soldatinnen und Soldaten der aktiven Truppe“, erklärte er.
Nach der „jetzigen Planung“ bedeute das „zunächst rund 270 neue Gebäude. Und zwar nicht irgendwann, sondern bis 2031, also in den nächsten fünfeinhalb Jahren.“
Die Aufrüstung beschränkt sich nicht auf die Erde, sondern reicht bis in den Weltraum. Bis 2030 will das Verteidigungsministerium eine militärische Weltraumarchitektur im Wert von 35 Milliarden Euro aufbauen. Dazu gehören Satelliten, Radaranlagen, Bodenstationen – und sogar ein Raumflugzeug.
Gemeint ist ein Raumschiff, das von Startbahnen abheben und dort wieder landen kann. „Ein Raumflugzeug ist keine Science-Fiction mehr“, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius jüngst auf einer Fachkonferenz.
Gebaut werden soll es nicht von europäischen Partnern oder US-Konzernen, sondern vom Bremer Start-up Polaris. Das Unternehmen entwickelt einen neuartigen Antrieb, der den Raumfahrtsektor revolutionieren soll. Gelingt das Projekt, wäre Deutschland neben den USA und China die einzige Nation, die sogenannte „High Altitude Operations“ durchführen kann – Flüge im Bereich zwischen 20 und 180 Kilometern Höhe.
Generalmajor Michael Traut, Chef des Weltraumkommandos der Bundeswehr, sieht Deutschland dabei bereits an der Weltspitze: „Technologisch müssen wir nicht zehn Jahre den Amerikanern hinterherlaufen, sondern sind wieder auf Augenhöhe“, prahlt er gegenüber dem Handelsblatt.
Mit den neuen Weltraumfähigkeiten könne die Bundeswehr in großer Höhe ungestört Aufklärungsflüge durchführen, da ab 101 Kilometern offiziell der Weltraum beginnt. „Das heißt, Sie können in der Höhe über Russland fliegen und Sie dürfte eigentlich keiner abschießen“, so Traut.
Allein diese Aussagen entlarven die gesamte Propaganda über „russische Drohnen“ und angebliche „Spionageflüge“ als reine Kriegshysterie, mit der sich die herrschende Klasse selbst aktiv auf Krieg vorbereitet.
Pistorius’ Loblied auf Freuding, dass „die nächsten Kapitel des Heeres seine Handschrift tragen“ würden, ist eine offene Kriegserklärung – nicht nur an Russland, sondern an die arbeitende Bevölkerung. Die gigantische Aufrüstung, die Militarisierung des öffentlichen Lebens, die Einschränkung demokratischer Rechte und die Vorbereitung des Bundeswehreinsatzes im Innern hängen unmittelbar zusammen.
Die Kriegsoffensive der herrschenden Klasse wird bereits jetzt von wachsendem Widerstand begleitet: Streiks und Massenproteste gegen den Völkermord in Gaza, gegen Aufrüstung und Krieg sowie gegen den damit verbundenen Angriff auf soziale und demokratische Rechte entwickeln sich in ganz Europa. Sie brauchen eine unabhängige politische Orientierung und Perspektive.
Der Kampf gegen Krieg erfordert die bewusste politische Mobilisierung der Arbeiterklasse auf internationaler Grundlage. Er ist untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbunden, das in seiner Krise wieder zu seinen alten, barbarischen Methoden greift. Nur durch den Aufbau einer sozialistischen Massenbewegung, die sich gegen Krieg und Kapitalismus richtet, kann eine neue Katastrophe verhindert werden.
