Am 12. Dezember beteiligten sich mehr als eine halbe Million Arbeiter aus ganz Italien an einem eintägigen Generalstreik gegen den Haushalt 2026, zu dem die Gewerkschaft CGIL aufgerufen hatte. Er brachte große Teile des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft zum Erliegen und zeigte die große Wut unter Arbeitern über den Niedergang ihres Lebensstandards, den Abbau von Sozialleistungen und den allgemeinen Kurs auf Krieg und autoritäre Herrschaftsformen.
Offiziell hatte die CGIL alle Arbeiter zu einem landesweiten ganztägigen Generalstreik aufgerufen, um gegen das „ungerechte, falsche und ineffiziente Haushaltsgesetz“ zu protestieren. Das von der Meloni-Regierung verabschiedete Gesetz sieht umfangreiche Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen und dem öffentlichen Dienst vor, während zweistellige Milliardenbeträge in Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen fließen. Die Initiative ging von einer CGIL-Delegiertenversammlung unter Generalsekretär Maurizio Landini aus, der erklärte, das Ziel sei, „auf die für Arbeiter und Rentner schädlichen wirtschaftlichen Entscheidungen aufmerksam zu machen“ und die Regierung unter Druck zu setzen, damit sie ihren Plan ändern sollte.
Laut Zahlen der CGIL war die Beteiligung am Streik etwa bei 68 Prozent. Landesweit fanden mehr als 50 Demonstrationen statt, darunter ein Marsch mit 100.000 Teilnehmern in Florenz, wo Landini seine Abschlussrede auf der Piazza del Carmine hielt. Das Verkehrssystem, die Schulen, das öffentliche Gesundheitswesen und wichtige private Industriebetriebe kamen ganz oder teilweise zum Erliegen. Der landesweite Charakter der Mobilisierung hat zweifellos das Ausmaß des Widerstands der Bevölkerung gegen den Austeritäts- und Kriegskurs der Regierung offengelegt.
Die politische Aufgabe der CGIL besteht jedoch darin, diesen Widerstand abzuschwächen und einzudämmen, um zu verhindern, dass es zu einem offenen Zusammenstoß mit der herrschenden Klasse kommt. Und dies ist kein Zufall: Die CGIL ist aus dem italienischen und europäischen Stalinismus entstanden, dessen historische Rolle die Klassenkollaboration war – die Unterordnung der Arbeiterklasse unter den Nationalstaat und die kapitalistische Ordnung.
Die CGIL hat sich bewusst dafür entschieden, einen eigenen Generalstreik am 12. Dezember zu veranstalten und ihn von den Protesten der USB und anderer Basisgewerkschaften am 28. und 29. November zu isolieren. Durch diese Spaltung stellte die CGIL sicher, dass die zunehmende Wut über Sparmaßnahmen und Kriegsvorbereitungen in den sicheren, staatlich genehmigten Kanälen verblieb. Die Forderungen der Gewerkschaft waren bewusst oberflächlich gehalten, um als kontrolliertes Ventil für die Unzufriedenheit zu agieren und dafür zu sorgen, dass alles weiterhin „seinen gewohnten Gang“ gehen würde.
In Florenz verurteilte Landini das Haushaltsgesetz: „Es kürzt bei der Gesundheit, Bildung und den Gehältern und investiert in die Aufrüstung“, und er beschuldigte die Regierung, dass sie „das Streikrecht einschränkt“. Sein Vorschlag war jedoch ein armseliges Plädoyer „für ein progressives Steuersystem und einen Solidaritätsbeitrag der Reichsten“.Landinis Rhetorik ist durch und durch irreführend. Sie stellt weder den Sparkurs noch die militärischen Prioritäten des Kapitalismus, der Millionen Menschenleben zerstört, in Frage. Die Arbeiter wissen sehr wohl, dass die globale Krise nicht mit Appellen an die angebliche Großzügigkeit der Reichen gelöst werden kann.
Die sozioökonomischen Vorschläge der Gewerkschaft beschränken sich vollständig auf Vorgaben, die für die herrschende Klasse politisch akzeptabel sind. Ihre Forderungen nach Lohn- und Rentenerhöhungen beschränken sich auf Maßnahmen zur Neutralisierung der kalten Progression (welche automatisch die Reallöhne senkt, wenn die Inflation zu höheren Steuerklassen führt) und auf Steuersenkungen für niedrigere Einkommen. Damit wird aber der Kurs der Regierung nicht aufgehalten. Solche Forderungen gefährden kaum die grundlegenden Prioritäten der herrschenden Klasse.
Ähnlich verhält es sich mit der Forderung der CGIL, die Erhöhung des Renteneintrittsalters zu stoppen, eine garantierte Rente für prekär Beschäftigte zu schaffen und bessere Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und „qualitativ hochwertige Arbeitsplätze“ einzurichten. Diese Appelle der CGIL für mehr Investitionen ins Gesundheitswesen, in die Schulen, die Sozialhilfe, den öffentlichen Verkehr, den bezahlbaren Wohnraum und die Entwicklung des Südens sind kaum mehr als ein Wunschzettel.
Sie ignorieren die grundlegende Realität: Die herrschende Klasse lenkt alle verfügbaren Ressourcen in den Aufbau militärischer Kapazitäten, um sich auf globale Konflikte vorzubereiten. Die eskalierenden Militärausgaben der Regierung sind kein bedauerliches Ungleichgewicht bei den Prioritäten, sondern eine bewusste Neuorganisation des gesamten Staatsapparats, um den Bedürfnissen des europäischen Imperialismus gerecht zu werden.
Die CGIL-Führung blendet diesen umfassenderen Kontext sorgfältig aus. Landinis zaghafte Andeutungen an den Militarismus behandeln diesen als nebensächlich. Die weit verbreitete Antikriegsstimmung unter Arbeitern soll beschwichtigt, nicht angefeuert werden.
Die Gewerkschaftsbürokratie will verhindern, dass sich der wachsende Widerstand gegen den Kriegskurs der Nato zu einer vereinten politischen Bewegung der Arbeiterklasse entwickelt. Damit erfüllt sie eine unverzichtbare Rolle für die Meloni-Regierung, die sich darauf verlässt, dass die Gewerkschaften die Arbeiterklasse kontrollieren und spalten.
Dass die CGIL bewusst auf Eindämmung setzt, zeigte sich besonders deutlich im Zusammenhang mit den Streiks und Protesten vom 28. und 29. November, die von Basisgewerkschaften wie USB organisiert wurden. Diese Aktionen richteten sich explizit nicht nur gegen den Austeritätskurs, sondern auch gegen Italiens Unterstützung für den Krieg gegen Russland und die völkermörderische Zerstörung des Gazastreifens.
Trotz der Gefahren, die von der national basierten Perspektive der Gewerkschaftsbürokratie ausgehen, konnten die Arbeiter den zutiefst politischen Charakter ihres Widerstands zum Ausdruck bringen. Doch statt diese Stimmung zu übernehmen und zu verstärken, isolierte die CGIL sie. Der Streik am 12. Dezember war sorgfältig darauf ausgelegt, nur einige isolierte wirtschaftliche Probleme in den Vordergrund zu rücken, aber die brisanten Fragen von Krieg, Nationalismus und staatlicher Unterdrückung zu verschweigen.
Auch der Handlungsspielraum der CGIL bleibt auf enge nationale Grenzen beschränkt. Die stalinistischen Ursprünge und die historische Rolle der Gewerkschaft als Anhängsel des italienischen Staats bleiben unverändert. Während sie in der Nachkriegszeit begrenzte Reformen durchsetzen konnte, hat die CGIL in den letzten 40 Jahren bei der Zerschlagung aller bisherigen Errungenschaften mitgewirkt und folgte dabei einem internationalen, von der Weltkrise des Kapitalismus angetriebenen Muster. Ihre „nationalen Lösungen“ und Appelle für einen humanen italienischen Kapitalismus sind gefährliche Illusionen. Sie fügen sich nahtlos in den Austeritätskurs der Meloni-Regierung ein. Die CGIL ist bereit, mit der Regierung hinter verschlossenen Absprachen zu treffen.
Dabei erkennt die Regierung die Gefahr, die von der Arbeiterklasse ausgeht, selbst in ihrer von der Gewerkschaft kontrollierten Form. Das zeigt sich in der herablassenden und höhnischen Reaktion von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrem Stellvertreter Matteo Salvini. Meloni fragte sarkastisch, welcher Wochentag der 12. Dezember sei, womit sie unterstellte, die Gewerkschaft habe den Streik auf Freitag gelegt, um ein verlängertes Wochenende zu schaffen.
Salvini griff den Witz auf und schlug vor, Landini solle auf das „verlängerte Wochenende verzichten“ und an einem anderen Tag streiken. Diese zynischen Kommentare zielen darauf ab, die Ernsthaftigkeit der Arbeiterklasse in Frage zu stellen und die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Fragen der Militärausgaben und Sozialkürzungen abzulenken. Doch der Opportunismus der CGIL selbst ermöglicht solche Angriffe, da sich sogar die extreme Rechte auf die Gewerkschaftsbürokratie verlässt, um die Arbeiter zu kontrollieren.
Die herrschende Klasse fürchtet nicht die CGIL, sondern die unabhängige Bewegung, die von unten entsteht. In ganz Italien standen Arbeiter an vorderster Front im Widerstand gegen Krieg und Völkermord. Ein wichtiger Grund für die Wut über das Haushaltsgesetz ist gerade die Kombination aus Lohnsenkungen, Sozialkürzungen und massiven Erhöhungen der Militärausgaben, die die Nato und die EU fordern.
International kam es außer in Italien auch in Portugal und Belgien zu Generalstreiks. Hafenarbeiter haben in den letzten Monaten koordinierte Aktionen durchgeführt, um die Abfertigung von Waffentransporten in Häfen im gesamten Mittelmeerraum zu verweigern. Dieses Aufflackern internationaler Solidarität zeigt, was möglich ist, und was den kapitalistischen Regierungen Angst macht. Doch die Gewerkschaftsbürokratien aller Länder versuchen, genau das zu unterdrücken, da ihre Privilegien von der Loyalität zum Nationalstaat abhängen, selbst wenn die Faschisten an der Macht sind.
Die heutige Krise ist global. Syndikalistische Organisationen, die im nationalen Rahmen gefangen sind, haben sich zu einem objektiven Hindernis für die Entwicklung einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus, die grundlegende Ursache für Krieg, Austerität und Diktatur, entwickelt. Jahrzehntelange Erfahrung hat gezeigt, dass keine Reformen diese Entwicklung ändern können. Die Aufgabe der Arbeiter ist es nicht, die CGIL unter Druck zu setzen, sondern sich aus ihrem Griff zu befreien.
In allen Betrieben müssen Aktionskomitees als neue, von den Arbeitern selbst demokratisch kontrollierte Kampforganisationen aufgebaut und weltweit durch die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees verbunden werden. Nur eine derartige unabhängige globale Bewegung kann nicht nur einer einzelnen Regierung entgegentreten, sondern dem gesamten kapitalistischen System, das die Menschheit in die Katastrophe treibt.
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