Im Oktober 1985 wurde die Workers Revolutionary Party, damals die älteste und Gründungssektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, von einer Organisationskrise erschüttert, die in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung ohne Beispiel dasteht. Die Geschichte forderte plötzlich den Preis für einen Berg von politischen Verrätereien, die die Führer der WRP – G. Healy, M. Banda und C. Slaughter – im Verlauf eines Jahrzehnts begangen hatten. Das jahrelange Vorherrschen von ungezügeltem Opportunismus hatte die politischen und moralischen Grundlagen der WRP derart gründlich unterhöhlt, dass sie nicht mehr die geringsten Widerstandskräfte gegen den enormen Klassendruck besaß, den der britische Imperialismus ausübt. Im Oktober 1985 hatte die WRP aufgehört, eine, im annehmbaren Sinne des Wortes, trotzkistische Partei zu sein.
Das ist der Grund, weshalb die Krise in der WRP in Form eines schmutzigen Skandals aufbrach, der zum Ausgangspunkt für erbitterte organisatorische Auseinandersetzungen und bösartige Machtkämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen innerhalb der Führung der Partei wurde. Keine der beiden Hauptfraktionen – weder die von Healy noch die von Banda und Slaughter geführte – konnte ein trotzkistisches Programm vorweisen und auf dieser Grundlage Anhänger gewinnen. Ebenso wenig waren sie imstande im Stande im Stande, die politischen Meinungsverschiedenheiten zu erklären, die zu dem brutalen Fraktionskampf geführt hatten. Healy sammelte seine Anhänger ausschließlich auf der Grundlage seiner „persönlichen Autorität“. Banda und Slaughter entfalteten das zweifelhafte Banner der „revolutionären Moral“. Eine Woche nach der Spaltung schrieb Banda, dass keinerlei „taktische und programmatische Fragen“ im Spiel waren, die WRP sei über die Frage der „Beziehung zwischen den Geschlechtern in der Partei“ auseinander gebrochen.
Nur das Internationale Komitee war im Oktober 1985 in der Lage, die wirklichen, in der Krise beinhalteten politischen Fragen aufzuzeigen und eine marxistische Alternative zum prinzipienlosen Fraktionieren der WRP-Führer vorzubringen. Das war kein Zufall. Während der drei Jahre unmittelbar vor dem Zusammenbruch der WRP, hatte sich im Internationalen Komitee eine Opposition zur opportunistischen Linie der britischen Sektion entwickelt. Die Workers League (USA) hatte sich gegen den Rückzug der WRP von den Prinzipien, die ihre Führer einst verteidigt und entwickelt hatten, gewandt und stützte sich dabei auf die programmatischen Grundlagen des Trotzkismus und auf den langen Kampf, den das Internationale Komitee gegen den pablistischen Revisionismus geführt hatte . Die Workers League analysierte die Verfälschung des dialektischen Materialismus und die Zurückweisung des historischen Materialismus durch die Führer der WRP und wandte sich gegen deren Ablehnung der Theorie der permanenten Revolution– der strategischen Grundlage des Programms der sozialistischen Weltrevolution.
Die WRP verhinderte zwischen 1982 und 1985 durch grobe Verstöße gegen den demokratischen Zentralismus eine internationale Diskussion über die von der Workers League vorgebrachte Kritik. Mehrere Sektionen wurden gar nicht darüber informiert, dass die Workers League Meinungsverschiedenheiten aufgebracht hatte. Kein einziges ihrer Dokumente wurde zur Diskussion im Internationalen Komitee verbreitet. Die Mitglieder der nationalen Sektionen, auch die der WRP, wussten noch nicht einmal, dass David North, der nationale Sekretär der Workers League, Kritik geäußert hatte. Die Delegierten von drei IK-Sektionen waren noch nicht einmal über das Treffen informiert worden, auf dem North 1984 einen umfassenden Bericht gab. Healy, Banda und Slaughter gingen in ihrem Versuch, jede Diskussion zu unterdrücken, noch weiter als Pablo. Während dieser versucht hatte, die Auseinandersetzung über Meinungsverschiedenheiten auf die führenden Komitees der Vierten Internationale zu beschränken, verlangten die WRP-Führer die vollständige Unterdrückung jeglicher Diskussion. Unter der Androhung eines sofortigen und vollständigen Bruchs aller brüderlichen Beziehungen zwischen dem Internationalen Komitee und der Workers League, wurde North gezwungen, die von ihm geäußerte Kritik zurückzuziehen.
Als die Krise in der WRP aufbrach, hatten die Sektionen des IKVI zum ersten Mal die Gelegenheit, die Dokumente der Workers League zu studieren, und ihr trotzkistisches Programm gewann schnell die Unterstützung einer entscheidenden Mehrheit im Internationalen Komitee – der Revolutionary Communist League in Sri Lanka, des Bunds Sozialistischer Arbeiter in der Bundesrepublik, der Socialist Labour League in Australien, und der Liga Comunista in Peru, die sich für kurze Zeit auf die Seite der IKVI-Mehrheit stellte.
Die Delegierten der oben genannten Sektionen und die der Workers League (die aufgrund des reaktionären Voorhis-Gesetzes nicht Mitglied des IKVI sein kann) kamen zu einer festen Übereinkunft aufgrund fundamentaler trotzkistischer Prinzipien und entschieden sich, in die Krise der WRP einzugreifen. Zuerst prüften sie die überwältigenden faktischen Beweise, dass Healy seine politische Autorität missbraucht hatte, um zahlreiche weibliche Genossen in der WRP und im IKVI zu sexuellen Beziehungen zu zwingen. aufgrund dieses ungeheuerlichen Missbrauchs von Autorität – der zur politischen Zerstörung wertvoller Kader führte, die Bewegung für ernsthafte Provokationen öffnete, ihre Sicherheit unterhöhlte und gegen die kommunistische Ethik verstieß – verfassten die IK-Delegierten eine Resolution, mit der sie den Ausschluss Healys durch das Zentralkomitee der WRP am 19 Oktober 1985 unterstützten.
Gleichzeitig stimmten die IK-Delegierten dann überein, dass den Anhängern Healys im Zentralkomitee der WRP volle Minderheitsrechte gewährt und die Bedingungen für eine gründliche Diskussion der Meinungsverschiedenheiten geschaffen werden müssen. Daher legte das IKVI am 25. Oktober 1985 eine Resolution vor, in der es beide Fraktionen aufrief, die Autorität des IKVI und seine Vorschlage zur Losung der innerparteilichen Krise anzuerkennen. In der Resolution des Internationalen Komitees hieß es:
Politische Differenzen sollen weder unterdrückt noch verheimlicht werden. Sie existieren und müssen offen und umfassend in einer Partei diskutiert werden, die vereint ist unter der Führung des IKVI und des Zentralkomitees der WRP. Auf diese Weise kann der Kader der WRP und der gesamten internationalen Bewegung erlogen und die augenblickliche Krise auf eine Art überwunden werden, die für das IKVI als Ganzes Fortschritte bringen wird.
Diese Resolution wurde mit Unterstützung der IK-Delegierten der WRP, unter ihnen Banda und Slaughter, einstimmig angenommen. Das IKVI nahm darauf Kontakt zu einem Vertreter der WRP-Minderheit auf und verlangte ein Treffen, um denselben Vorschlag zu unterbreiten. Dieses Angebot wurde rundheraus abgelehnt, und zwar mit dem Argument, dass nur Healy, den die Minderheit nun als den „historischen Gründer-Führer“ bezeichnete, die Autorität habe, ein Treffen des IKVI einzuberufen.
Auch zwei Sektionen des IKVI – die Internationale Arbeiterliga (IAL) in Griechenland und die Liga Obrera Comunista (LOC) in Spanien – schlossen sich diesem erstaunlichen Standpunkt an, der auf einem kleinbürgerlichen „Führerprinzip“ beruht. Sie hatten sich geweigert, am 25 Oktober am Treffen des IKVI teilzunehmen. Der Sekretär der IAL, Savas Michael, lehnte alle Aufforderungen des IKVI, zum Treffen zu kommen und dort seine Einwände gegen die Position der Mehrheit zu erklären, kategorisch ab. Stattdessen traf sich Michael, nachdem er Healys Rat eingeholt hatte, heimlich am 21. Oktober mit der LOC-Sekretärin Romero in Barcelona und schrieb ein „Kommunique“, das eine Spaltung vom Internationalen Komitee auf folgender Grundlage verkündete:
Wir rufen Genossen Gerry Healy als historischen Führer dieser Bewegung und als Führer des Zehnten Weltkongresses ebenso wie als herausragendsten Kämpfer für dessen Perspektiven auf, ein Dringlichkeitstreffen der Vierten Internationale einzuberufen, und wir werden kein anderes Fraktionstreffen anerkennen, dass fälschlicherweise im Namen des IKVI einberufen wird.
Die IAL und die LOC wären verpflichtet gewesen, am Treffen des IKVI vom 25. Oktober teilzunehmen und für ihre Standpunkte zu kämpfen. Sie hätten sich gegen die Resolutionen – auch gegen den Ausschluss Healys – stellen, Minderheitsrechte fordern und die Einberufung eines außerordentlichen Weltkongresses verlangen können. Stattdessen behaupteten sie, das ausschließliche Recht, Treffen des IKVI einzuberufen, läge bei einem Mann, der, einmal abgesehen davon, dass er vom Zentralkomitee der WRP in Übereinstimmung mit ihrer Satzung mit einer Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen worden war, keinerlei offizielle Funktion im IKVI innehatte. Trotzdem verlangten die IAL und die LOC, dass das IKVI Healy wie einen ägyptischen Pharao behandle und ihm Vollmachten zubillige, wie sie in der Geschichte der marxistischen Bewegung – angefangen bei Marx selbst – niemand jemals besessen hatte.
Dass Michael überhaupt einen derart schamlosen Standpunkt einnehmen konnte, beweist, dass er von den grundlegenden organisatorischen Prinzipien der Vierten Internationale keine Ahnung hat. Er vertrat den Standpunkt eines arroganten kleinbürgerlichen griechischen Nationalisten und wiederholte damit die übelsten Eigenschaften, die in der Geschichte der griechischen trotzkistischen Bewegung aufgetreten waren und die Trotzki schon 50 Jahre früher verurteilt hatte. Trotzki griff damals Wittes (Poliopoulis') Feindschaft gegen die Autorität der internationalen Bewegung an und schrieb:
In Frankreich verteidigte Genosse Witte das Recht jedes Mitglieds, sich nicht der Disziplin der Organisation unterzuordnen, das Recht eines Mitglieds des IS' (Internationalen Sekretariats), hinter dem Rücken des Sekretariats eine gegen das Sekretariat selbst gerichtete Politik zu vertreten, das Recht der Minderheit der Organisation, sich nicht den Entscheidungen der überwältigenden Mehrheit der Konferenz unterzuordnen – mit einem Wort, die übelsten Grundsatze des Individualismus und Anarchismus. (Writings of Leon Trotsky 1933-34, Pathfinder, S. 281)
Um dem Andenken Wittes gerecht zu werden, müssen wir allerdings hinzufügen, dass S Michael dem alten Kämpfer nur insofern gleicht, als er seine übelsten Fehler wiederholt.
Dass innerhalb des Internationalen Komitees eine prinzipienlose Minderheit existieren konnte, die nur dem Personenkult treu ist, hängt unmittelbar mit der politischen Degeneration der WRP-Führung zusammen. Das Aufgeben des internationalen Kampfs gegen den Revisionismus seit Beginn der 70er Jahre ermöglichte das Eindringen und Anwachsen kleinbürgerlicher Elemente in den Reihen des IKVI. 1985 war das Internationale Komitee keine politisch einheitliche Organisation mehr.
Am 9 November 1985 rief das Internationale Komitee die IAL auf, ihren prinzipienlosen Boykott zu beenden und ihre politischen Meinungsverschiedenheiten der Weltorganisation vorzulegen:
Durch ihre Weigerung, am Treffen des höchsten Gremiums unserer Bewegung zwischen den Weltkongressen, des IK, am 25 Oktober teilzunehmen, haben die IAL-Delegierten die Mitglieder der griechischen Sektion willkürlich ihres Rechts beraubt, über den Standpunkt der anderen IK-Sektionen zur Krise in der WRP informiert zu werden. Solch eine Zurückweisung der Prinzipien des Internationalismus, auf denen unsere Bewegung gegründet ist, ist im Wesentlichen Nationalismus, der den Druck des Klassenfeindes ausdrückt. Gleichzeitig hat das Vorgehen der IAL-Delegierten das IKVI und seine Sektionen des Rechts beraubt, die Ansichten der griechischen Genossen zu hören und zu diskutieren. Wenn die IAL-Delegierten der Meinung waren, die anderen Sektionen seien in eine Falle geführt worden, dann war es ihre Pflicht, diese Ansicht bekannt zu machen. ...
Der Anti-Internationalismus, der zu der Weigerung geführt hat, am IK-Treffen vom 25. Oktober teilzunehmen, muss zurückgewiesen werden. Falls dies nicht geschieht, steht die IAL vor ihrer Zerstörung als trotzkistische Partei. Die IAL steht kurz davor, die ‚Umwandlung der Liga IAL in eine revolutionäre Partei‘ zu verkünden. Genosse Savas und das Zentralkomitee wissen, dass es riesige Gefahren der Zerstörung mit sich bringt, eine Partei auf der prinzipienlosen Grundlage eines Bruchs mit dem Internationalismus zu gründen. Wirklich die wohlwollendste Interpretation, die man für den Bruch des Genossen Savas und des griechischen ZK vom IK anführen kann, ist, dass sie eine Störung ihrer Arbeit für die Umwandlung zur Partei fürchten. Solch eine Position bedeutet politisch, dass der Internationalismus, die Grundlage unserer Bewegung in jedem Land, zugunsten unmittelbarer nationaler Belange, wie sie von der IAL-Führung gesehen werden, zurückgewiesen wird.
Eine Partei, die auf dieser Grundlage gebildet worden ist, könnte niemals eine Sektion der Weltpartei der sozialistischen Revolution, der Vierten Internationale sein. Sie würde all diejenigen kleinbürgerlichen Elemente anziehen, die unsere internationalistische Grundlage ablehnen. Wirfordern Euch mit aller uns zur Verfügung stehenden Dringlichkeit auf, von dem Weg, den Ihr eingeschlagen habt, abzulassen, sofort zum IK zurückzukehren und die Arbeit zur Gründung der revolutionären Partei in Griechenland auf dieser, der einzig prinzipiellen Basis durchzuführen.
Die IAL ignorierte diesen Aufruf und bildete einige Wochen später ihre nationalistische griechische „Revolutionäre Arbeiter“ Partei.
Kurz danach entschlossen sich Banda und Slaughter die Resolution vom 25. Oktober über den Haufen zu werfen und vom IKVI zu brechen. Ihnen war klar geworden, dass das IKVI nicht zulassen würde, dass die WRP ihre nationalistische und opportunistische Politik, wie sie vor dem Oktober vorgeherrscht hatte, fortsetzen würde. Im Dezember bewies der Zwischenbericht einer Internationalen Kontrollkommission, die mit Zustimmung der WRP am 25. Oktober eingesetzt worden war, dass die WRP hinter dem Rücken des Internationalen Komitees Söldnerbeziehungen mit reaktionären und nicht-proletarischen Kräften eingegangen und für direkte Verrätereien an der Arbeiterklasse verantwortlich war. Da diese Taten sich auf eine anti-trotzkistische Linie stützten, für die nicht nur Healy, sondern die gesamte WRP-Führung die Verantwortung trug, stimmte das Internationale Komitee am 16. Dezember 1985 für eine Suspension der britischen Sektion.
Dabei machte es in einer gesonderten Resolution vom 17. Dezember 1985 deutlich, dass die Mitgliedschaft der WRP wieder hergestellt werden würde, falls ihre Führung darauf hinarbeite, „die Grundprinzipien des Internationalismus in der WRP zu bestätigen‟. Die Resolution führte die ersten vier Kongresse der Dritten Internationale (1919 – 1922), die Plattform der Linken Opposition (1927), das Übergangsprogramm (1938), den Offenen Brief (1953) und die gegen die Wiedervereinigung gerichteten Dokumente (1961-63) an. Sie wurde von drei der vier IK-Delegierten der WRP zurückgewiesen. Nur der Führer einer Minderheitstendenz innerhalb der WRP, die gebildet worden war, um den Internationalismus in der britischen Sektion zu verteidigen und ihre Mitgliedschaft im Internationalen Komitee zu bewahren, stimmte für die Resolution. Praktisch bedeutete die Zurückweisung der Resolution durch die WRP-Delegation, dass sich ihre Mehrheit entschieden hatte, politisch mit dem Trotzkismus zu brechen.
Die Resolution wurde auch durch die peruanische Delegierte von der Liga Comunista, L. Mendoza unterstützt. Nach Peru zurückgekehrt änderte sie aber ihre Meinung und lehnte die Suspension ab. Damit begann eine Kampagne gehässiger Angriffe auf den Trotzkismus, der schließlich zum völligen Abbruch der politischen Beziehungen mit dem IKVI führte.
Die WRP selbst wies am 26. Januar 1986 die Resolutionen vom 25. Oktober offiziell zurück und erklärte, sie anerkenne die Autorität des Internationalen Komitees nicht länger. Zwei Wochen später vollendete sie ihre Spaltung mit dem IKVI durch den Abdruck eines öffentlichen Angriffs und indem sie die Polizei rief, um die Minderheit in der WRP, die die internationale Bewegung unterstützte, an der Teilnahme am geplanten Achten Kongress zu hindern.
Ein Jahr nach den entscheidenden Ereignissen vom Oktober, die zur größten Umwälzung in der trotzkistischen Bewegung seit der Spaltung mit Pablo im Oktober-November 1953 führten, ist es notwendig, die politische Entwicklung der verschiedenen Tendenzen zu untersuchen, die mit dem IKVI brachen. Nur so ist es möglich, die wirklichen Klassenkräfte und politischen Kräfte zu verstehen, die die Grundlage der Serie von Spaltungen bildeten. Eine derartige Untersuchung zeigt ohne einen Schatten von Zweifel die politisch rechte Entwicklung all jener Kräfte, die mit dem Internationalen Komitee gebrochen haben. Die Hauptorientierung aller gegen das IK gerichteten Tendenzen geht in Richtung einer vollständigen Kapitulation vor dem Stalinismus und der Sozialdemokratie, der Zurückweisung der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, und einer immer ausgesprocheneren Orientierung zur Teilnahme an Volksfrontbündnissen mit Teilen der Bourgeoisie.
S. Michaels „Neue Ära“
Im Januar 1986 rechtfertigte Savas Michael seinen Bruch vom Internationalen Komitee, indem er ,,eine neue Ära für die Vierte Internationale“ ankündigte, die frei von „abstraktem Propagandismus“ und „den Praktiken der Periode der Niederlagen und Isolation des Trotzkismus“ sein würde. Betrachten wir also die Praktiken der von den Renegaten verkündeten „neuen Ära“ etwas genauer.
Im Mai 1986 kamen Vertreter von Healys Restausgabe der WRP, der griechischen WRP und der spanischen LOC in London zu einem Treffen des, wie sie es nennen, „Internationalen Komitees der Vierten Internationale“ zusammen. Dass sie sich weigern, den Namen einer Organisation aufzugeben, deren politische Autorität und Disziplin sie zurückgewiesen haben, ist Teil ihres Versuchs, die internationale Arbeiterbewegung politisch zu betrügen. Wenn eine legitime Tendenz ihre Mehrheit verliert, versucht sie die Führung zurückzugewinnen, indem sie ihr Programm vorbringt und versucht, die Mitgliedschaft von dessen Korrektheit zu überzeugen. Kommt sie zum Schluss, dass ein derartiger Versuch nutzlos sei, weil die Organisation so verfault sei, dass es keine Möglichkeit mehr gebe, sie zu reformieren – wie das Lenin 1914 in Bezug auf die Zweite und Trotzki 1933 auf die Dritte Internationale tat –, ruft sie offen zum Aufbau einer neuen internationalen Organisation auf. Sie erklärt den Grund für den Zusammenbruch der alten Organisation und tut alles in ihrer Macht stehende, sich öffentlich von ihr zu distanzieren. Sie zieht, wie Lenin sich ausdrückte, ein sauberes Hemd an.
Healy geht dagegen völlig anders vor. Er hat kein Programm, dass er der internationalen Arbeiterklasse vorlegen könnte. Gleichzeitig hat er alle Prinzipien über Bord geworfen, auf die sich die Gründung des Internationalen Komitees 1953 stützte. Er weiß jedoch, das die Traditionen, mit denen das IKVI identifiziert wird, unter den fortgeschrittenen Arbeitern der Welt immer noch geachtet werden. Daher versucht er sich selbst wie ein billiger Schwindler als Internationales Komitee auszugeben, in der Hoffnung, so Leute zu täuschen, die nichts über die Spaltung gehört haben. Healy ist in dieser Art von Hochstapelei bestens bewandert. Um sich selbst als tiefgründiger Dialektiker auszugeben, nahm Healy – wie das Internationale Komitee dokumentiert hat – zur übelsten Form intellektuellen Betrugs Zuflucht: zum Plagiat. Gewohnheitsmäßig versuchte er, lange, aus wenig bekannten englischen Übersetzungen sowjetischer Philosophietexte abgeschriebene Passagen als seine eigenen Ideen auszugeben. Wer Marx' und Engels' Schriften kennt, weiß, dass es für sie keine verabscheuenswürdigere Kreatur gab als den Plagiator. Ein Mann, der des Plagiats fähig ist, hat auch keine Probleme, den Namen einer Organisation zu stehlen. Aber Wahrheit und verlässliche Informationen sind das Berufsrisiko aller Hochstapler. Sie können ihre Adressen noch so oft ändern, schließlich wird ihre wahre Identität bekannt. Das Internationale Komitee ist daher der Ansicht, dass Healys Schwindel schließlich seinen Lauf nehmen und er selbst die Notwendigkeit für einen neuen Angelpunkt erkennen wird.
Auf dem Treffen von Healys „Internationalem Komitee“– das in der Küche von Vanessa Redgraves Londoner Wohnhaus stattfand – wurden eine Reihe grundlegender Entscheidungen für seine beiden ausländischen Mitglieder getroffen. Wir wollen jetzt die politische Linie studieren, die von der griechischen WRP und der spanischen LOC nach dem Treffen im Mai verfolgt wurde.
Im Oktober und November 1985 hatte das Internationale Komitee gewarnt, dass der Bruch der griechischen Sektion vom IKVI ein Versuch sei, sich von internationaler Kontrolle zu befreien, um in Griechenland eine nationalistische, opportunistische Linie zu verfolgen. Diese Warnung ist vollauf bestätigt worden. Mit Healys Segen hat S. Michael einen politischen Kurs eingeschlagen, der unausweichlich zur direkten Teilnahme an einer Volksfront führt.
Studiert man die Ereignisse, die hinter dieser Entwicklung stehen, wird klar, dass Michaels Entscheidung, vom Internationalen Komitee zu brechen, nicht von Treue gegenüber Healy – es gibt schließlich keine gegenseitige Achtung unter Dieben – sondern von nationalen Gesichtspunkten bestimmt war. Er sah die Krise in der WRP als Mittel, sich von jeglicher internationalen Kontrolle über die Aktivitäten seiner Organisation in Griechenland zu befreien. Seine Berechnungen waren zweifellos direkt davon beeinflusst, dass er auf der griechischen Szene Gelegenheiten witterte. Das ist der Grund, weshalb er mit größter Feindseligkeit auf den Rat des IK reagierte, die Verwandlung der IAL in eine Partei hinauszuschieben, bis die politischen Fragen, die sich aus der Krise der britischen Sektion ergaben, geklärt seien – ein Rat, der von jeder wirklich marxistischen Organisation mit größter Selbstverständlichkeit befolgt worden wäre.
Michael orientierte sich aber vollständig an pragmatischen Gesichtspunkten, ausgehend von unmittelbaren Ereignissen in Griechenland. Im Oktober, zeitgleich mit dem Ausbruch der Krise in der WRP, verordnete die bürgerliche PASOK-Regierung von Andreas Papandreou Sparmaßnahmen. Das rief eine Krise in den von PASOK kontrollierten Gewerkschaften hervor. Einigen abtrünnigen PASOK- Gewerkschaftsbürokraten gelang es, gemeinsam mit den Stalinisten die Mehrheit im Gewerkschaftsdachverband GSEE zu gewinnen. Papandreou organisierte darauf den Ausschluss der abtrünnigen PASOK-Gewerkschaftsführer. Als sich diese zur Wehr setzten, griffen die Gerichte ein, um die Kontrolle von Papandreous Busenfreund, George Raftopoulos, über die GSEE sicherzustellen, obwohl dieser überstimmt worden war.
Darauf vollzogen die aus der PASOK und der Führung der GSEE Ausgeschlossenen den offiziellen Bruch von PASOK, indem sie ihre eigene „unabhängige“ politische Gewerkschaftsorganisation, die SSEK, gründeten. Die Bildung der SSEK war nicht mit einem prinzipiellen Bruch von der kapitalistischen Mutterorganisation gleichzusetzen. In halb-rückständigen Ländern wie Griechenland, wo ein Teil der Gewerkschaftsbewegung von kapitalistischen Parteien kontrolliert wird, ist es nichts Ungewöhnliches, dass alle möglichen organisatorischen Spaltungen stattfinden, wenn Gewerkschaftsbürokraten versuchen, von der unpopulären Politik ihrer Freunde in der Regierung auf Distanz zu gehen. Die SSEK wird von langjährigen Gefolgsmännern Papandreous beherrscht, die nichts bereut haben, aber deren Kontrolle über ihre Gewerkschaften plötzlich durch die Reaktion der Arbeiterklasse gegen die Sparpolitik in Gefahr geriet. Im Versuch, ihre Autorität in der Arbeiterbewegung zu behalten, sahen sie sich gemüssigt, gegen Papandreous Politik zu protestieren. Das setzte einen Konflikt in Gang, der zur Spaltung und zur Bildung der SSEK führte.
Zieht man die langjährigen Verbindungen zwischen den SSEK-Führern und PASOK in Betracht, so ist es für Trotzkisten völlig unzulässig, ihnen auch nur das geringste politische Vertrauen entgegenzubringen. Ihre Behauptung, sie hätten mit PASOK weitergehend als im engsten organisatorischen Sinne gebrochen, verdient nicht die geringste Glaubwürdigkeit. Trotzkisten würden derartige Führer weiterhin als Agenten der bürgerlichen Politik bezeichnen und die Arbeiter vor jeder Illusion warnen, dass diese Bürokraten in der Lage seien, gegen PASOK zu kämpfen. So weit die SSEK gewerkschaftlich organisierte Arbeiter repräsentiert, die von der politischen Vorherrschaft von PASOK brechen, wäre es notwendig, die Spaltung zu vertiefen, um die Arbeiter für ein wirklich revolutionäres Programm zu gewinnen. Aber das wäre nur möglich, wenn nicht die geringsten Zugeständnisse an die PASOK entlehnten populistischen Anschauungen der SSEK-Führer gemacht werden. S. Michael und die griechische WRP beschritten einen anderen Weg: den der unkritischen Verherrlichung und prinzipienlosen Einheit mit der SSEK.
Vom Mai-Treffen in London kehrte Michael nach Athen zurück, um zu versuchen, für die Gemeindewahlen im Herbst einen Block mit der SSEK und den Stalinisten zu bilden. Im Juni trat die WRP in Verhandlungen ein, um auf der Grundlage eines Minimalprogramms gemeinsam mit der SSEK und den Stalinisten eine gegen PASOK gerichtete Wahlliste der vereinten „Linken“ aufzustellen.
Die Ausgabe der WRP-Zeitung Sozialistischer Wandel vom 5. Juli berichtete über eine zweite Diskussion von Parteien und Bewegungen in Piräus, ,,die die Absicht haben, eine Einheitsfrontkoalition für die Kommunalwahlen zu bilden. ...“ An diesem Treffen nahm ein Teil der SSEK, die WRP, die griechische Bauernpartei (AKE), die Kommunalbewegung „Widerstand in Piräus“ (KP), das „Initiativkomitee“ früherer Mitglieder und Kader von PASOK in der Provinz Piräus, und zwei weitere Gruppen teil. Das Treffen gab eine gemeinsame, von der WRP mitunterzeichnete Erklärung heraus – eine durch und durch demagogische Erklärung, deren einziges Ziel darin bestand, die Arbeiterklasse zu betrügen. Sie stellte die Behauptung auf: „Die Kommunalwahlen '86 können zum Ausgangspunkt für eine neue Epoche für diese Stadt, für diese Gemeinde werden.“
Der Begriff „Einheitsfront“ ist in diesem Zusammenhang reiner Betrug. Erstens ist die Einheitsfront ein Kampfabkommen zwischen einer revolutionären Massenpartei und anderen Massenorganisationen der Arbeiterklasse zur Verwirklichung besonderer, sorgfältig definierter Aufgaben, wie der Bildung und Koordinierung von Verteidigungstrupps gegen faschistische Kräfte. Sie beinhaltet weder einen politischen Kompromiss mit gegnerischen Tendenzen noch die
Vermischung der Fahnen. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung eines Wahlabkommens als Einheitsfront schon vom Begriff her ein Widerspruch. Eine revolutionäre Partei führt ihre Wahlkampagne für ihr volles Programm in unversöhnlicher Gegnerschaft zu allen anderen Parteien. Zweitens bedeutet Einheitsfront den vollständigen Ausschluss aller bürgerlichen Parteien. In beiden Punkten ist Michaels „Wahlblock“ eine elende Karikatur der Einheitsfronttaktik: er basiert auf der Unterdrückung politischer Meinungsverschiedenheiten und schließt bürgerliche Parteien mit ein – als wichtigste die griechische Bauernpartei.
In Wirklichkeit trat die WRP hier für eine Volksfront ein– d.h. für eine politische Koalition zwischen Arbeiterparteien und bürgerlichen Parteien auf der Grundlage eines unvermeidlich kapitalistischen Programms. Abgesehen davon, dass bürgerliche Parteien direkt an der Koalition beteiligt waren, ist auch ein Wahlbündnis mit den Stalinisten eine Keimform der Volksfront, da sich das Programm der Stalinisten auf die Klassenzusammenarbeit gründet. Eine gemeinsame programmatische Plattform mit den Stalinisten zu teilen, bedeutet, die Perspektive der „friedlichen Koexistenz“ zwischen den Klassen zu unterstützen. Die schändliche Anpassung der griechischen WRP an die Stalinisten kommt im Text der gemeinsamen, von der WRP unterzeichneten Erklärung deutlich zum Ausdruck. Es heißt dort:
Wir, die wir diesen Text unterzeichnet haben, vertrauen darauf, dass eine breite Zusammenarbeit der progressiven und linken Kräfte in Piräus der Schlüssel werden kann, der unserer Gemeinde eine fähige und kämpferische Kommunalverwaltung geben wird, die gemeinsam mildem Volk von Piräus für eine neue politische Vereinbarung im Interesse des Volkes kämpfen wird.
Jedes Wort kommt einem Verrat am Marxismus und an der Arbeiterklasse gleich. Das ist parlamentarischer Kretinismus in seiner übelsten Form. S. Michael verspricht, aus dem kapitalistischen Staat heraus eine „kämpfende Kommunalverwaltung“ zu schaffen – kämpfend gegen wen, müssen wir fragen. Weiter heißt es in der Erklärung:
Anstatt die Vorteile kleiner Parteien zu verfolgen und Diskussionen um der Diskussion willen zu führen, geht es uns darum, die Punkte zu finden, die uns vereinen und eine andere Politik für das Volk von Piräus aufzeigen.
Hier können wir die wirkliche Bedeutung der von Michael verkündeten „neuen Ära für die Vierte Internationale“ und seines Angriffs auf „die Praktiken der Periode der Niederlagen und Isolation des Trotzkismus“ sehen. Revolutionäre Prinzipien, wie die Verteidigung der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und die Ablehnung der Klassenzusammenarbeit, werden jetzt als ,,die Vorteile kleiner Parteien verfolgen und Diskussionen um der Diskussion willen fuhren“ verächtlich gemacht!
Die Erklärung drangt auf eine „breite Zusammenarbeit“ verschiedenartiger Organisationen und endet mit einem ,,Aufruf an alle progressiven und linken Kräfte von Piräus, einen gemeinsamen Kampf für eine Einheitsfrontkoalition in der Gemeinde von Piräus zu führen.“
In derselben Ausgabe ihrer Zeitung veröffentlichte die WRP auch ihre eigenen Vorschläge für diese „Einheitskoalition“ gegen ,,Regierungskandidaten und die Kandidaten der rechten Partei der herrschenden Klasse“. Sie bestehen aus nichts weiter als dem Aufruf zum Kampf gegen „Arbeitslosigkeit, Inflation und die Kürzungen der Sozialausgaben, gegen Polizeigewalt, gegen die Stutzpunkte und Häfen für die imperialistischen Armeen und die Flotten der USA und der NATO und gegen die Gefahr eines imperialistischen Krieges ” Der Kampf für dieses Minimalprogramm, schrieb die WRP, „kann nur entwickelt werden, wenn zur gleichen Zeit die Organisation- und Mobilisierungsformen der Arbeiter für den Sozialismus entwickelt werden.“ Dieser nebenbei fallen gelassene Hinweis auf den Sozialismus ist ein Betrug, denn die WRP machte gleichzeitig deutlich, dass der Vorschlag für die Bildung einer Einheitskoalition auf der Grundlage dieses elenden Minimalprogramms ihre Langzeitstrategie ist „Gestützt auf diese Grundlage halten wir es für möglich und notwendig, die gemeinsamen Aktionen für gemeinsame Ziele auch nach den Kommunalwahlen fortzusetzen.“
Die nächste Ausgabe von Sozialistischer Wandel vom 9. Juli enthielt einen äußerst schmeichelhaften und politisch unehrlichen Bericht über den ersten Kongress der SSEK unter der Überschrift „Die Brücken zu PASO K abgebrochen“. Sein Verfasser war Theodoros Kotsoubos, der dafür bekannt war, dass er am äußerst rechten Flügel der IAL stand – was in der früheren griechischen Sektion schon einiges heißen wollte. Sein Artikel begann:
Neun Monate nach der Spaltung mit PASOK und fünf Monate nach der Gründung der SSEK als unabhängige politische Gewerkschaftsbewegung, haben die Gewerkschafter, die im letzten Oktober gegen die Sparmaßnahmen gekämpft haben, bestätigt, dass es keinen Weg zurück zur Regierungspartei gibt.
Das war eine stark übertriebene und unhaltbare Behauptung, hegt es doch in der Natur der SSEK-Führung, dass sie ihren gegenwärtigen „unabhängigen“ Kurs als zeitweiliges Manöver mit dem Ziel sieht, Druck auf Papandreou auszuüben und ihre alten Positionen innerhalb PASOK zurückzugewinnen. Außerdem ließ die von der SSEK auf ihrem ersten Kongress verabschiedete Resolution keinen Zweifel daran, dass diese Organisation mit dem kleinbürgerlichen Populismus von PASOK nicht gebrochen hatte und das PASOK-Regime nicht direkt herausforderte. Ihre zentrale Achse ist die wundersame Macht der örtlichen Selbstverwaltung „als demokratische Institution und Keimzelle der Volksbeteiligung und -macht.“ In der SSEK-Resolution wird erklärt:
Die Institutionen der örtlichen Selbstverwaltung können in dem Maße funktionieren und entwickelt werden, wie die Volks- und Arbeiterbewegung, besonders jetzt, für die Entlarvung der demagogischen Politik der Rechten und die Zurückweisung der Sparpolitik und der autoritären Politik der Regierung kämpft, deren Durchführung die Gefahr der Zerschlagung der hart erkämpften demokratischen Rechte schafft.
Die SSEK rief dann zu einem Bündnis der „politischen Parteien und Bewegungen, die eine Verbindung zur Arbeiterklasse haben“, auf und bestand auf der Notwendigkeit für ein breites Wahlbündnis, um „eine unfruchtbare Anhäufung von Parteien zu verhindern, die dazu führt, dass die Kampagne für Wählerstimmen verzettelt wird.“ Sie erklärte, dass „der breite Zusammenschluss aller linken, progressiven Kräfte gestützt auf ein Programm mit einer klar definierten positiven progressiven Orientierung unerlässlich“ sei.
Wie jeder Marxist sofort erkennt, hat diese „positive progressive Orientierung“ mit Sozialismus nichts, aber auch gar nichts zu tun. Nach einigen Phrasen in populistischem Stil („Die Eroberung der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt der örtlichen Selbstverwaltung ohne zusätzliche Lasten für das Volk die Festlegung und offizielle Annahme einer wirklich progressiven Regelung für die örtliche Selbstverwaltung“} werden die eigentlichen Bestrebungen der SSEK deutlich, wenn sie dazu aufruft, „die praktische Einkommenspolitik zu revidieren“ und „die legalen Normen in der GSEE wieder herzustellen“. Mit anderen Worten, die SSEK-Bürokraten forderten ihre Posten und ihre frühere Autorität in der PASOK zurück.
Dieselbe Ausgabe von Sozialistischer Wandel enthielt einen weiteren Kommentar von Kotsoubos, der die SSEK-Resolution mit Lob überhäufte. Sie stelle, behauptete er, „den Kampf in den Kommunalwahlen vollständig auf den Boden des Klassenkampfs zwischen Kapitalisten und Arbeitern.“ Weiter verkündete er: ”Die SSEK-Resolution bewegt sich nach links, vom bürgerlichen Populismus der PASOK zur revolutionären Arbeiterklasse und zum Marxismus.“
Das war eine unverschämte Lüge. Selbst er musste zugeben, dass die Auffassung der SSEK über die örtliche Selbstverwaltung eine „reformistische Selbsttäuschung“ sei, hatte aber auch gleich eine Ausrede in Healys Stil bereit: ,,Natürlich bringen sie die ganze Verwirrung des Populismus von PASOK mit sich, die noch zunimmt, wenn sie mit den Stalinisten zusammenstoßen.“
Eine Woche später, am 19 Juli, berichtete Sozialistischer Wandelüber ein weiteres Treffen zur ”Bildung einer gemeinsamen politischen Plattform, auf deren Grundlage ein Bürgermeisterkandidat vorgeschlagen werden wird, der für eine Einheitskoalition für die Kommunalwahlen in Piräus von allen akzeptiert wird.“ Dann berichtete Sozialistischer Wandel über die Fortschritte dieses Kuhhandels:
Die WRP bleibt dabei, dass auf der Grundlage einer politischen Minimalvereinbarung (die aufrecht zu erhalten möglich scheint) der Bürgermeisterkandidat eine Person sein muss, der diese politische Vereinbarung durch seine persönlichen Aktivitäten in Piräus zum Ausdruck gebracht hat.
Damit würde nach Ansicht der WRP eine Garantie geschaffen, dass die linken Kräfte in der Festlegung des Bürgermeisterkandidaten ernsthaft übereinstimmen, denn nur so konnte er eine politische Alternative gegen den Regierungskandidaten und die Garantie für einen starken Zusammenschluss gegen die Rechten sein.
Mit anderen Worten, die WRP war mit der Bildung eines Wahlblocks mit den Stalinisten, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Organisationen auf der Grundlage eines kleinbürgerlichen ,,Minimal“-Programms einverstanden, und es blieb jetzt nur noch die Person des Kandidaten zu bestimmen. Der Marxismus ist innerhalb der griechischen Sektion derart auf den Hund gekommen, dass sie bei einer Wahlvereinbarung die Charaktereigenschaften einer Person zum Ersatz für ein politisches Programm macht.
Über diese ,,Personal“frage entwickelte sich ein Konflikt mit den Stalinisten, die als Anführer der Listen des „linken Blocks“ einen reichen Bourgeois und bekannten Boss vorschlugen. Dagegen wandte sich die WRP mit folgender Begründung:
Falls die politische Persönlichkeit des Bürgermeisters die politische Minimalvereinbarung objektiv zunichte macht, würde diese aus einer offiziellen Erklärung in ein Stück Papier verwandelt Die Befreiung der linken Kräfte von der Zusammenarbeit mit der Regierung wurde so abgeblockt, und ebenso die breiterer Arbeiterschichten, die nur wegen der Gefahr einer Rückkehr der Rechten weiterhin für Papaspuros stimmen.
Hier wird die Fäulnis des ganzen Unternehmens gründlich entlarvt. Die WRP hatte an diesem Punkt nur das Interesse, einen Kandidaten zu haben, der es Michael erlauben würde, die „politische Minimalvereinbarung“ der Mitgliedschaft seiner Organisation und der Arbeiterklasse zu verkaufen. Aus diesem Grund schlug die WRP vor:
1.) Die Kandidatur von Ath Katsaphados, der durch seinen Austritt aus PASO K den Widerstand von Schichten innerhalb PASOK und allgemeiner den Widerstand der Arbeiterklasse und der Werktätigen gegen die Maßnahmen vom Oktober zum Ausdruck gebracht hat. Sie schafft zudem die Möglichkeit, breitere Schichten von Arbeitern für die Zustimmung zur politischen Orientierung der vereinbarten politischen Minimalplattform zu gewinnen.
2) Als Alternative zu Ath Katsaphados schlagen wir vor, einen Kandidaten unter den Gewerkschaftskadern auszusuchen. Unter jenen, die von PASOK herkommen, oder einen Kader der KP, der sich in den Kämpfen der Arbeiterklasse gegen die Politik der Regierung, besonders während der letzten acht Monate, hervorgetan hat.
Welch strenges Kriterium! Michael verlangte lediglich einen ehrlichen Kandidaten, der während der letzten acht Monate keinen größeren Verrat an der Arbeiterklasse begangen hatte! Diese Erklärung beweist, dass die WRP die Kommunistische Partei nicht langer als konterrevolutionäre Organisation betrachtet, falls ihre Führer das überhaupt jemals getan haben. Die politische Betonung, die Michael auf die Haltung der stalinistischen und SSEK-Führer gegenüber PASOK in der Periode seit Oktober legt, bedeutet, dass die WRP politische Tendenzen nicht mehr aufgrund prinzipieller, sondern lediglich aufgrund konjunktureller Erwägungen einschätzt. Die Haltung von Trotzkisten gegenüber dem Stalinismus wird nicht durch episodische Schwankungen seiner politischen Linie, die den Druck der Umstände widerspiegeln, bestimmt, sondern durch eine historische Einschätzung seiner Rolle in der internationalen Arbeiterbewegung.
In der Ausgabe vom 26 Juli erklärte Sozialistischer Wandel:
Die Frage der Einheitsfront der Linken ist nun äußerst zeitgemäß und findet den wärmsten Widerhall unter den Massen. Die Kommunalwahlen schaffen die Gelegenheit, die Bewegung zur Einheitsfront an Hand ausführlicher Agitation zum Ausdruck zu bringen und Diskussionen über eine wünschenswerte gemeinsame Zusammenarbeit und Kampagne aller linken Parteien, Organisationen und Bewegungen gegen die Kandidaten der Regierung und der Rechten zu führen.
Hier sehen wir den Wesenskern der politischen Logik der Volksfrontpolitik die Unterordnung der Arbeiterklasse und ihrer Vorhut unter die Einheit mit jedermann, auf der Grundlage eines prokapitalistischen Minimalprogramms gegen die große, böse „Rechte“.
Im Monat August stieß S Michaels Experiment in kommunaler Realpolitik auf Schwierigkeiten. Die Stalinisten und früheren PASOK-Bürokraten hatten das Maß dieses Kleinkrämers genommen und setzten ihn vor die Tür. Michael schickte sich gerade an, sich als Architekt des „Vereinten Linksblocks“ von Piräus vor dem Publikum zu verneigen, als er einen starken Tritt in den Hintern bekam.
Nach längeren Verhandlungen hatten die WRP, die SSEK und die Stalinisten Marios Nikolinakos als Kandidaten akzeptiert. Die KP drängte aber weiterhin darauf, eine der wichtigsten rechten bürgerlichen Parteien, KODISO, in das Wahlbündnis aufzunehmen. Ohne S. Michael nach seiner Meinung zu fragen, veröffentlichten die SSEK und die Stalinisten eine Erklärung mit einer neuen Wahlplattform, die es KODISO und anderen rechten Parteien ermöglichen würde, sich an dem Block zu beteiligen. Als die WRP die SSEK und die Stalinisten aufforderte, dieses Vorgehen noch einmal zu überdenken, ignorierten diese sie schlichtweg. In Sozialistischer Wandel vom 30. August beklagte sich die WRP darüber, dass sie „nicht zum Treffen des Koordinierungskomitees eingeladen“ worden sei und protestierte gegen den „Ausschluss der WRP in Form eines Putsches. ...“
So kam es, dass sich Savas Michael zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres darüber beklagte, Opfer eines „Putsches“ geworden zu sein. Beim ersten Mal durch das Internationale Komitee, beim zweiten Mal durch die SSEK und die Stalinisten. Es gab aber einen bemerkenswerten Unterschied in seinem Verhalten gegenüber den beiden „Verschwörergruppen“. S. Michael wies alle Aufrufe seiner Genossen im Internationalen Komitee, an dessen Treffen teilzunehmen, mit dem Argument zurück, er wurde nicht zulassen, dass er in eine Falle gelockt werde. Als dagegen die Bourgeoisie und die Stalinisten eine Falle für ihn organisierten, lief S Michael ohne zu zögern hinein. Und am Schluss demütigte er seine Organisation, indem er pathetisch gegen die Tür des Versammlungssaals hämmerte, in dem sich die Stalinisten und SSEK-Bürokraten trafen, und Einlass begehrte.
In der Ausgabe vom 6. September machte die WRP ein entwürdigendes Eingeständnis ihres politischen Bankrotts, indem sie öffentlich verkündete „Die Einheitsfrontzusammenarbeit der linken Kräfte in Piräus, die zahlreiche Hoffnungen unter den Werktätigen hervorgerufen hat, ist in ein Fiasko geführt worden.“ Mit der Hand auf dem Herz beteuerte die WRP, sie habe „jede erdenkliche Anstrengung unternommen, eine Einheitsfrontzusammenarbeit zu erreichen. ... Aber durch die Schuld hauptsächlich der KP, aber auch der Führer der SSEK (der früheren Gewerkschaftsführer der PASOK), ist die linke Koalition zusammengebrochen.“
Natürlich wurde nicht erklärt, weshalb sich die Einschätzung der WRP über die SSEK – die sich angeblich auf den Marxismus zubewegte – als derart falsch erwiesen hatte. Stattdessen versuchte die WRP ihre eigene Verantwortung für die Fehlorientierung der Arbeiterklasse durch einen verspäteten Angriff auf M. Nikolinakos zu vertuschen, den sie eine Woche zuvor noch unterstützt hatte. Er habe „den barbarischen Angriff der Regierung auf die Arbeiter im öffentlichen Dienst gerechtfertigt durch den Vorwurf, ... sie würden das Streikrecht 'missbrauchen'.“
Mit dreistem Zynismus erklärte die WRP:
Die zweimonatige Erfahrung in der zweitgrößten Gemeinde des Landes wirft ein grelles Licht auf die Politik, die die Regierung, die Neue Demokratie, die KP und die politischen Kräfte um sie herum in den Kommunalwahlen auf Kosten der Arbeiter betreiben.
Unter diesen Kräften befanden sich aber auch S. Michael und die WRP. Und Michael hatte mit dem IKVI gebrochen, um diese Art von schmutzigen, kleinbürgerlichen Manövern durchzuführen. Im Oktober 1985 hatte Michael behauptet, er widersetze sich der Mehrheit des IKVI um die Entscheidungen des 10 Weltkongresses zu verteidigen. Aber auf diesem Kongress gab es, bei all seinen ultralinken Dummheiten, keine Entscheidung, die die Volksfrontpolitik der griechischen WRP gerechtfertigt hätte. Michael war außerdem auf dem 10. Kongress im Januar insbesondere wegen seiner versöhnlichen Haltung gegenüber den griechischen Stalinisten angegriffen worden. Und nun, weniger als ein Jahr nach der Spaltung, kriecht Michael – der große Verteidiger des 10. Kongresses – vor den Stalinisten auf dem Bauch.
Die Entwicklung der griechischen WRP ist eine vernichtende Anklage gegen Healy, der die Spaltung vom IKVI im Bündnis mit den rechtesten Elementen in seinen Reihen organisiert hat. Die Explosivität der Ereignisse des vergangenen Jahres ist ein Ausdruck der Tiefe des Klassenkonflikts, der innerhalb des IKVI schwelte. Diese politische Tatsache wird weiter erhärtet, wenn wir die Entwicklung der spanischen LOC untersuchen.
Vom kindischen Linksradikalismus zum senilen Opportunismus
Die spanische Liga Obrera Comunista schloss sich im Oktober 1985 der griechischen Sektion an und brach mit dem Internationalen Komitee. Sie stützte sich dabei auf einen kultähnlichen Glauben an die persönliche Unfehlbarkeit und unangreifbare Autorität des sogenannten „Gründer-Führers“ G. Healy. Angesichts der Tatsache, dass die Sekretärin der LOC zu denjenigen gehörte, die persönliche Beziehungen zu Healy unterhielten, war die Weigerung M. D. Romeros, am Treffen des IKVI teilzunehmen, ein Beispiel vollkommener politischer Verantwortungslosigkeit der Unterordnung der Interessen der Arbeiterklasse unter private Beziehungen.
In den drei Jahren vor der Spaltung hatte Romero auf die spanische Situation die abenteuerliche Linie angewandt, die von der WRP entwickelt worden war. Diese beharrte darauf, dass die Sektionen des IKVI in allen sozialdemokratisch regierten Ländern zum sofortigen Sturz der Regierung aufrufen mussten. Die Tatsache, dass das IKVI in keinem Land – und schon gar nicht in Spanien – über eine Partei verfügte, die einen entscheidenden Einfluss über einen beträchtlichen Teil der Arbeiterklasse ausübte, wurde bei der Formulierung der Linie noch nicht einmal in Betracht gezogen. Und obwohl das wahrscheinlichste Ergebnis einer solchen Politik in den meisten Ländern die Ersetzung der Sozialdemokraten durch eine Regierung der rechten kapitalistischen Parteien gewesen wäre, wurden die IK-Sektionen angewiesen, diese hirnverbrannt links-radikale und abenteuerliche Politik durchzuführen. Im Falle Spaniens spielte die Linie der LOC direkt in die Hände der bürgerlich-francistischen Parteien.
Vor über 50 Jahren hatte Trotzki m seinem berühmten Artikel Die zehn Gebote der spanischen Kommunisten vor diesem dummen Linksradikalismus gewarnt. Sein viertes Gebot lautete:
Die kommunistischen Arbeiter stellen heute eine Minderheit im Lande dar. Sie können nicht unmittelbar nach der Macht streben. Momentan können sie sich als eine praktische Aufgabe nicht den gewaltsamen Sturz der republikanisch-sozialdemokratischen Regierung stellen. Jeder derartige Versuch wäre ein katastrophales Abenteuer. Die Massen der Arbeiter, Soldaten und Bauern müssen durch das Stadium sozialdemokratisch-republikanischer Illusionen hindurchgehen, um sich umso radikaler und überzeugender von diesen Illusionen zu befreien. Dann werden sie nicht mehr von Phrasen eingefangen werden, können den Tatsachen geradewegs ins Gesicht sehen und beharrlich die zweite Revolution, die proletarische Revolution, vorbereiten. (Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-19, (Band, S 91-92)
Hätte sich Romero die Mühe gemacht, diesen Artikel zu lesen, hatte sie die völlig verkehrte Grundlage der politischen Linie der LOC verstanden. Aber unglücklicherweise wusste Romero, der von Healy versichert worden war, dass die „Praxis der Erkenntnis“ ein theoretischer Universalschlüssel sei, der jedes weitere Lesen und Studium überflüssig mache, von diesem Artikel ebenso wenig wie von jedem anderen grundlegenden marxistischen Text. Auf dem gefeierten 10. Weltkongress hatte Romero ihr Verständnis der spanischen Situation meisterhaft zur Schau gestellt, als sie in Antwort auf eine Frage erklärte, es gebe keinen grundlegenden Gegensatz zwischen der Politik der LOC und der der katalanischen bürgerlich nationalistischen Parteien.
Nach der Spaltung rief die LOC weiterhin zum Sturz der von der Sozialistischen Partei getragenen Regierung unter Felipe Gonzales auf. Die gesamte Strategie und Taktik der Gruppe beschränkte sich auf die Linie ,,Organisiert einen Generalstreik, um die PSOE-Regierung zu stürzen und sie durch eine Arbeiter- und Bauernregierung zu ersetzen.“
Selbst wenn eine überraschende Wendung der Ereignisse die Liga Comunista plötzlich an die Macht bringen wurde, wäre dieses „Wunder“ ein höchst zweifelhafter Erfolg, da die Aufgabe der Leitung der spanischen Revolution auf die Schultern von nicht mehr als einem Dutzend Leute fallen würde – und das ist eine großzügige Schätzung! Noch nicht einmal der alte Blanqui war derart kühn. Es überrascht daher nicht, dass die Liga Obrera Comunista nie erklärt hat, wer diese „Arbeiter- und Bauernregierung“ bilden soll, nachdem die Arbeiterklasse Gonzales durch einen Generalstreik gestürzt hat.
Der wirkliche Inhalt dieser Linie war und ist eine Kombination von Unwissenheit, Hochstapelei und grobem Opportunismus. Sie zeigt, dass es nicht das geringste Interesse gibt, eine wirkliche marxistische Strategie und ein Programm auszuarbeiten, um die Vorhut der Arbeiterklasse zu gewinnen.
Die Parole des Generalstreiks und der Arbeiter- und Bauernregierung – losgelöst von jeder Strategie und Taktik zur Mobilisierung der Arbeiterklasse und ihrer Gewerkschaften gegen die Regierung Gonzales – lief auf eine stillschweigende Unterstützung für diese Regierung hinaus, wie bald klar werden sollte.
Diese leere, linksradikale Parole wurde während der gesamten Periode vor der Volksabstimmung über den Eintritt Spaniens in das imperialistische NATO-Bündnis vertreten, während der die PSOE wegen Gonzales' Unterstützung für die NATO tief gespalten war (Januar bis März 1986). Die Mitglieder der Partei in der Arbeiterklasse stimmten gegen die Regierung und sowohl der sozialistisch geführte UGT-Gewerkschaftsverband als auch die Jugendorganisation der Partei weigerten sich, die Regierungskampagne für ein „Ja“ zu unterstützen.
Der kindische Linksradikalismus der LOC konnte den Arbeitern in der Sozialistischen und Kommunistischen Partei keine Alternative zeigen, deckte die linken Schwätzer in der spanischen Sozialdemokratie und den stalinistischen Parteien ab, die sich in Worten gegen Gonzales stellten, und verwandelte die LOC in ein bloßes Anhängsel der kleinbürgerlich-pazifistischen Protestbewegung. Trotzkis Maxime, dass ein Sektierer nichts weiter sei als ein über seinen eigenen Opportunismus erschreckter Opportunist, ist nirgends klarer bestätigt worden, als in der nachfolgenden Entwicklung der LOC.
Ende April kündigte die Gonzales-Regierung Neuwahlen an. Die LOC nahm in Barcelona mit einer eigenen Liste daran teil. Während auf der Liste 30 Namen standen, erschienen auf den öffentlichen Versammlungen der Gruppe aber nie mehr als fünf oder sechs von ihnen, was zeigt, dass die Mehrheit der Kandidaten noch nicht einmal Mitglieder oder aktive Unterstützer der LOC waren. Sie hatten auf der Grundlage der minimalsten und opportunistischsten Übereinstimmung ihren Namen gegeben.
Die erste Erklärung des Zentralkomitees machte deutlich, dass die spanischen Healyisten die Wahlkampagne nur als ein Mittel sahen, die bankrotte linksradikale Linie zum Sturz der Gonzales-Regierung fortzusetzen:
Für die PSOE ist die Ausrufung von Wahlen ein weiterer Schritt auf diesem Weg einen Blankoscheck für das Verbleiben an der Macht zu bekommen und die Anforderungen der Bourgeoisie und des Imperialismus zu erfüllen.
Die PSOE wird nicht allein für ihre Wiederwahl kämpfen. Die AP (die größte rechte Partei) hat bereits angekündigt, dass sie in ihrer Kampagne keine übertriebenen Angriffe gegen die PSOE durchführen wird. Die Bourgeoisie und der Imperialismus benötigen eine Rückkehr der PSOE an die Macht, und zu diesem Zweck werden sie massiv alle Mittel des Staatsapparats, von Unterdrückung, über die Medien, bis hin zum Justizapparat und der Bürokratie, usw. einsetzen. ...
Außer dem Aufruf, in Barcelona für die Kandidaten der LOC zu stimmen, schlugen weder die ZK-Erklärung noch das in derselben Ausgabe veröffentlichte Wahlmanifest eine Politik für die spanische Arbeiterklasse in den kommenden Wahlen vor. Aber kaum drei Wochen nach dieser Erklärung, die warnte, die PSOE werde von den Imperialisten, den Kapitalisten und den rechten Parteien mit dem Ziel unterstützt, ein noch „bonapartistischeres“ Regime an die Macht zu bringen, enthielt die LOC-Zeitung Prensa Obrera am 27 Mai einen Aufruf, die PSOE zu wählen!
In einem Artikel, der unter dem Namen der nationalen Sekretärin der Gruppe, M. D. Romero, erschien, hieß es, es sei notwendig
als Klasse zu wählen ... die Stimme den Parteien der Arbeiterklasse zu geben, und dabei trotzdem ihr Programm der Zusammenarbeit und Unterordnung unter die herrschende Klasse abzulehnen und zu fordern, dass sie ein unabhängiges und proletarisches Programm annehmen, das den Bedürfnissen der Arbeiterklasse entspricht.
Der Artikel endete mit der ausdrücklichen Aufforderung, für die PSOE und jene stalinistischen Parteien zu stimmen, die sich nicht der vereinten linken Volksfrontkoalition angeschlossen hatten, und stellte fest: „Nur eine Stimmabgabe als Klasse durch die Arbeiterklasse wird die Rechte von der Macht fern halten.“
Dieser Veränderung der Linie folgte am 3. Juni eine weitere Erklärung in der Prensa Obrera, diesmal unter dem Namen von Healys falschem „IKVI“. Sie trug den Titel „Die Taktik der LOC in den kommenden Wahlen in Spanien“. Dann hieß es:
Wir stimmen gemeinsam mit allen Arbeitern, die im Kampf gegen die Bourgeoisie, die Rechte und den Faschismus in der Vergangenheit für die Sozialisten gestimmt haben und dies auch im Juni wieder tun werden.
Healys Erklärung bezeichnete diese Politik als eine „Wahleinheitsfront“ und wies die zuvor verkündete Politik der LOC, die Stimme jenen Stalinisten zu geben, die unabhängig von der Volksfrontkoalition kandidierten, ausdrücklich zurück.
Die Bedeutung dieser Erklärungen war unmissverständlich. Hinter der ultralinken Rhetorik hatten die Healyisten eine deutliche Anpassung an die Sozialdemokratie entwickelt. Während bei Lenin die Einheitsfrontpolitik darauf ausgerichtet war, die Massen von der Sozialdemokratie zu gewinnen, hatte die von Healy vorgeschlagene „Wahleinheitsfront“ nichts weiter zu bieten, als die Kontrolle des Reformismus über das spanische Proletariat zu verstärken.
Healy griff ein und blockte den Aufruf der LOC zur Wahl der Kommunistischen Partei ab, die trotz zahlreicher Spaltungen die Führung des Industrieproletariats dominiert hat, um in den Wahlen eine „Einheit gegen rechts“ zu schaffen, d. h. die Stimmen für die PSOE nicht zu spalten. Die Weigerung, die Stalinisten zu wählen, ergab sich nicht aus einer Ablehnung der Volksfrontpolitik, sondern im Gegenteil aus dem Wunsch, eine derartige Politik ausschließlich durch das Mittel der Sozialistischen Partei anzuwenden. Das wurde nach den Wahlen vom 22 Juni unmissverständlich klar. Die PSOE hatte wieder die Mehrheit der Stimmen gewonnen, allerdings gegenüber 1982 1,2 Millionen Stimmen verloren.
In ihrer ersten Erklärung über die Wahlergebnisse in der Prensa Obrera vom 26. Juni forderte die LOC: ”Kein Vertrauen in die neue Regierung!“ Die rechten Maßnahmen des Gonzales-Regimes wurden angegriffen und der Herausgeber Ferran Puig erklärte:
Wir rufen nicht zur Unterordnung unter die Ergebnisse der bürgerlichen Wahlen auf. Diese Wahlen wurden von der PSOE-Regierung mit dem einzigen Ziel organisiert, ein neues Mandat zur Durchführung dieser Politik zu erhalten.
Weiter hieß es in der Erklärung:
Die Aufgabe ist nicht, die Regierung ‚unter Druck‘ zu setzen. Sie ist ebenso wenig reformierbar wie die letzte. Die Aufgabe ist ihr Sturz durch die Arbeiterklasse.
Dieser scheinbaren Rückkehr zur alten Linie folgte dann eine Reihe grob opportunistischer Erklärungen, die den rechten Kern von Romeros linksradikalem Geschwätz vollkommen entlarven. In einer am 11. Juli veröffentlichten Erklärung des Zentralkomitees über die Wahlergebnisse bejubelte die LOC den Sieg der PSOE und behauptete:
Die Klassenaktion der Arbeiterklasse in diesen Wahlen und das Klassenbewusstsein, das diese Aktion angeleitet hat, ist eine Lehre über die proletarische Politik der Unabhängigkeit des Proletariats gegenüber der herrschenden Klasse.
Diese Formel ist von A bis Z theoretisch absurd. Die Behauptung, eine Stimmabgabe für die spanische Sozialdemokratie sei ein Ausdruck von „Klassenbewusstsein“, das eine „Politik der Unabhängigkeit des Proletariats“ anleite, ist eine vollkommen opportunistische Verfälschung des Charakters der Sozialdemokratie. Marxisten definieren die PSOE als bürgerliche Arbeiterpartei. Die spanische Sozialdemokratie hat zusätzlich traditionell eine breite Basis im städtischen Kleinbürgertum. Über ein halbes Jahrhundert lang hat sie eine entscheidende Rolle als Stütze der bürgerlichen Herrschaft innegehabt und beim Sieg Francos hat sie eine Schlüsselrolle gespielt. Die „Unabhängigkeit der Arbeiterklasse“ kann nicht durch die PSOE, sondern nur im Kampf gegen sie zum Ausdruck gebracht werden.
Die Darstellung der Wahlergebnisse in glänzendem Licht ist eher eine Ergänzung, als ein Widerspruch zur vorangegangenen linksradikalen Linie der LOC In beiden Fällen lässt sie das zentrale Problem der politischen Entwicklung des spanischen Proletariats aus — das Andauern der Vorherrschaft reformistischer Ideen, Politik und Methoden in der Periode nach Franco. Die spanische Arbeiterklasse hat nicht mit ihren parlamentarischen Illusionen in die Sozialdemokratie gebrochen, mag die LOC auch noch so lautstark das Gegenteil behaupten.
Obwohl die LOC in Barcelona kaum 1000 Stimmen für ihre Kandidaten bekam, verstieg sie sich zu der Behauptung, die massenhafte Stimmabgabe für die PSOE sei erfolgt, weil die Arbeiterklasse direkt ihrer Politik gefolgt sei. Welch farcenhafte Selbsttäuschung! Drei Jahre lang hatte die LOC ihre Arbeit aufgrund einer politischen Linie durchgeführt, die derjenigen, die sie in den letzten drei Wochen vor den Wahlen verfolgte, diametral entgegengesetzt war. Und trotzdem, stimmt die überwiegende Mehrheit der Arbeiterklasse für die PSOE und beweist so, dass sie noch nicht von den Sozialdemokraten gebrochen hat, schreibt sich die LOC das Verdienst für die Entscheidung des spanischen Proletariats zu. Ihre eitle Selbstzufriedenheit ist doppelt unangebracht, das spanische Proletariat hat nämlich instinktiv erkannt, dass die LOC-Führer während der letzten drei Jahre blind waren: die Opposition gegen die PSOE darf nicht zum Instrument der Rechten für die Rückkehr an die Macht werden.
Eine marxistische Partei wurde zwar die instinktive Klassensolidarität des spanischen Proletariats begrüßen, sähe sich aber trotzdem verpflichtet, vor den in den Wahlergebnissen enthaltenen sehr realen Gefahren zu warnen. Das bedeutet nicht nur festzustellen, dass die PSOE nach wie vor dominiert, sondern auch die Anzeichen von Frustration unter Arbeitern zu bemerken, die den Verrat von Gonzales ablehnen, aber keine Alternative zu den Sozialisten sehen und in Apathie verfallen. Wäre Romero Trotzkistin, hatte sie die politische Bedeutung der Tatsache abgewogen, dass die PSOE ungefähr tausendmal mehr Stimmen verlor, als die LOC gewann. Stattdessen brachte sie die verräterischsten Spitzfindigkeiten vor, um die Kapitulation vor der PSOE zu Rechtfertigen.
In einem am 7. Juli veröffentlichten Artikel erklärte Romero:
Die Stimmabgabe für die PSOE war weder ein Vertrauensvotum, noch utopische Illusion. Es war eine taktische Stimmabgabe. Sie verhindert das Vorrücken der Rechten und schafft so die Zeit, um die Probleme im Zentrum der Arbeiterbewegung zu lösen, die revolutionäre Organisation der Klasse, um sich dem Klassenkrieg zu stellen, dem wir uns unvermeidlich und unwiderruflich zubewegen.
Sie fügte hinzu:
Die Wiederwahl der PSOE mit überwältigender Mehrheit und der Stimmenverlust der Volkskoalition (der bürgerlichen rechten Parteien) zeigen, dass die Stimmen in Spanien weiterhin nach dem Gesichtspunkt abgegeben werden, mit den Überresten des Faschismus aufzuräumen.
Romero griff auch jene Arbeiter scharf an, die sich aus Opposition gegen die Politik der PSOE der Stimme enthalten hatten:
Diese Teile stellen nicht die Vorhut der Arbeiterklasse oder ihre bewusstesten Teile dar. Im Gegenteil, es sind Teile, die ... den Kampf ablehnen und ihn von vornherein für verloren halten.
...die in diesem Standpunkt enthaltene Kapitulation vor der herrschenden Klasse wird sehr deutlich, wenn wir uns die Gefahr einer Rückkehr der Rechten an die Macht im Falle einer Ausweitung der Stimmenthaltungen vergegenwärtigen. Sie bedeutet nichts weiter, als den Kampf gegen die Rechte zurückzuhalten und aufzugeben.
Die Vorstellung hinter der Stimmenthaltung ist der stärkste und gefährlichste Individualismus, der davon ausgeht, dass die PSOE keine günstigen Ergebnisse hervorgebracht hat, keine Alternative sieht und sich daher der Stimme enthält. ...
Welch widerliche kleinbürgerliche Arroganz! Im Stile eines PSOE-Bürokraten beschimpft sie die Arbeiter, weil sie sich nicht Gonzales untergeordnet haben – und dies obwohl die LOC selbst die letzten drei Jahre damit verbracht hatte, die Arbeiter aufzufordern, die „bonapartistische Diktatur“ von Felipe Gonzales zu stürzen. Sie macht die Arbeiter, und nicht die PSOE, für die Stimmenthaltungen verantwortlich und kommt noch nicht einmal auf den Gedanken, dass viele der Arbeiter, die sich der Stimme enthalten haben, das Vertrauen in die Fähigkeit der PSOE, eine Wiedererrichtung des Faschismus zu verhindern, verloren haben könnten.
Wenn Romero die Stimmabgabe für die PSOE als einzige Möglichkeit, „als Klasse zu wählen“ – als Bestätigung der Linie der LOC – betrachtet, heißt das außerdem, dass sie ihre Organisation nicht als die wirkliche Vertreterin des spanischen Proletariats betrachtet. In Wirklichkeit sieht sie dann die LOC nur als ein Anhängsel der bestehenden Massenorganisationen, das ihnen von Zeit zu Zeit einige Ratschläge gibt. Sie geißelt selbst jene revisionistischen Organisationen, „die in den Wahlen Kandidaten aufgestellt haben“ und ,,der Ansicht sind, nur die für sie abgegebenen Stimmen seien ein Ausdruck des Klassenbewusstseins der Arbeiterklasse.“ Anscheinend schätzen die Revisionisten ihre Organisationen höher ein als Romero die ihrige – und dies vielleicht sogar mit gutem Grund. Eines ist sicher, eine „revolutionäre Partei“, die sich nicht als Vertreterin der bewusstesten Schichten des Proletariats versteht, verliert ihr Existenzrecht.
Schließlich kam Romero zum Schluss:
Auch hier besteht unsere Methode darin, nicht mit uns selbst und unseren eigenen Resultaten zu beginnen und sie in ein Absolutes zu verwandeln, sondern beim Klassenkampf, seiner Entwicklung und den Aktionen der Klasse selbst, und nicht bei den Schwächen im Bewusstsein der daran Beteiligten. Nur so kann eine reale und revolutionäre Orientierung für unsere Praxis und die der Klasse entstehen. Der Kampf gegen die bürgerliche Rechte muss bis zum Ende geführt und die Arbeiterklasse entsprechend organisiert werden. Das ist die einzige revolutionäre Perspektive, die sich aus diesen Wahlen ergibt.
Das ist eine Rechtfertigung für einen vollständigen Verrat an der Arbeiterklasse. Der erste Teil, von seiner halb mystischen Umkleidung befreit, bedeutet nichts weiter, als dass die LOC den Kampf für ein marxistisches Programm gegen das bestehende reformistische Bewusstsein der Arbeiterklasse ablehnt, und dass sie nicht beabsichtigt, den Gegensatz zwischen der Reife der objektiven Situation und der Unreife des Bewusstseins des Proletariats zu lösen. Romero erklärt ausdrücklich, dass sich die Perspektive der LOC aus der „Aktion der Klasse“ ergibt – die zur Zeit von der PSOE dominiert wird – und nicht aus der objektiven Situation, die wissenschaftlich, marxistisch analysiert und in ein revolutionäres Programm übersetzt werden muss.
Das unmittelbare politische Ergebnis dieser „Theorie“ ist eine schamlose Kapitulation vor der PSOE und der Volksfrontpolitik. Erklärt Romero, „die einzige revolutionäre Perspektive, die sich aus diesen Wahlen“ ergebe, sei, den „Kampf gegen die bürgerliche Rechte bis zum Ende“ zu führen, plappert sie nur die Linie der PSOE nach. Nicht nur Romero, auch Gonzalez und selbst Juan Carlos (zumindest momentan) sind für den Kampf gegen die „bürgerliche Rechte“. Die entscheidende Frage für das Proletariat ist dagegen der Kampf gegen die „bürgerliche Linke“, die zur Zeit vor allem durch die PSOE verkörpert wird. Der Ruf für einen Kampf gegen die Rechte „bis zum Ende“ („hasta el final“) gehört dagegen zu jener Kategorie feiger Demagogie, von der das spanische Proletariat mehr als genug abbekommen hat. In Wirklichkeit ist diese Phrase nichts weiter als eine Verpflichtung zur ewigen Treue zur PSOE – „hasta el final“.
Während all dies geschrieben wurde, rief die LOC weiter zum sofortigen Sturz des „bonapartistischen“ Regimes auf! Die LOC kann sich so der zweifelhaften Auszeichnung rühmen, zwei sich widersprechende politische Linien zu vertreten, die beide falsch sind. All denjenigen, die sich nur mit Mühe vorstellen können, wie eine Organisation zwei scheinbar unversöhnlich entgegengesetzte politische Linien vertreten kann, empfehlen wir nicht nur ein Studium der marxistischen Dialektik, sondern auch des großen Meisterwerks von Cervantes. Das Urbild des kleinbürgerlichen Radikalen finden wir in Sancho Pansa, der seine organische Verwirrung und Feigheit immer wieder durch bedrohliche Gesten und Geschrei zu verdecken sucht – und dabei niemanden erschreckt außer seinem Pferd Rosinante.
Ein Jahr nach der Spaltung ist es klar, dass Healys Linie in Spanien wie überall sonst völlig antimarxistisch ist und den Weg zu verheerenden Niederlagen für die Arbeiterklasse weist. Um diese Linie durchzuführen, haben Romero und die LOC mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale gebrochen.
Die wirkliche Lehre, die sich aus den spanischen Wahlen ergibt, ist die Notwendigkeit, sich mit dem Widerspruch zwischen der wirtschaftlichen und politischen Krise einerseits und der fortgesetzten Vorherrschaft von reformistischem Bewusstsein in der Arbeiterklasse andererseits auseinander zu setzen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, durch das Vorbringen eines klaren Programms von Übergangsforderungen sowohl die Sozialdemokraten als auch die Stalinisten vor den Massen zu entlarven, eines Programms, das die Arbeiterklasse zur Notwendigkeit führt, das bürgerliche Regime zu stürzen und die Diktatur des Proletariats zu errichten. Im Verlauf diese Prozesses wird, in unversöhnlicher Feindschaft gegen diese reaktionäre kleinbürgerliche Tendenz, eine wirkliche trotzkistische Partei in Spanien aufgebaut werden.
Versöhnung mit dem Stalinismus
Das Internationale Komitee hat bereits nachgewiesen, dass ein zentrales Merkmal der politischen Degeneration der Workers Revolutionary Party ihre zunehmend versöhnliche Haltung zum Stalinismus war. Schon bevor Healy 1983 eine bizarre Kampagne startete, in der er das „Recht“ der McLennan-Fraktion der KP Großbritanniens verteidigte, die Linie der stalinistischen Tageszeitung zu bestimmen, hatte die WRP unter dem Deckmantel der „Verteidigung“ der Dialektik Angebote an die Moskauer Bürokratie gemacht. Healy, der eine völlig unkritische Haltung gegenüber den Werken sowjetischer Akademiker ermutigte, näherte sich mehr und mehr der Auffassung, die Analyse der stalinistischen Bürokratie müsse von einem völlig neuen Kriterium ausgehen: von ihrer Förderung von Büchern über Dialektik!
Seit der Spaltung hat die Healy-Tendenz das trotzkistische Programm der politischen Revolution nahezu vollständig aufgegeben und ist zum begeisterten Anhänger der Sowjetbürokratie unter Gorbatschow und der chinesischen Bürokratie unter Deng geworden. Die Sowjetbürokratie wird nun in Ausdrücken gelobt, wie sie innerhalb der trotzkistischen Bewegung seit den Glanzzeiten Pablos nicht mehr gehört wurden.
Die Augustausgabe von Healys „theoretischem“ Organ Marxist Review enthielt einen Leitartikel, in dem fälschlicherweise behauptet wurde, „die Zensur in der Sowjetunion ist abgeschafft worden“, und in dem grobe Illusionen über die wirkliche politische Bedeutung der ,,Wahl des früheren Opfers und lebenslangen Gegners Stalins, Karpow, zum Sekretär der Schriftstellergewerkschaft“ verbreitet wurden Weiter hieß es darin:
Die kürzlich am 31. Juli von Gorbatschow in Charbarowsk, im Osten der UdSSR gehaltene Rede, ist eine dramatische Bestätigung, dass diese Ereignisse nicht nur einen vorübergehenden Charakter haben. Satz für Satz war die Rede Gorbatschows (viele Sätze wurden von der Nachrichtenagentur TASS gekürzt, geändert oder ganz gestrichen)“ – was ist aus der im vorangehenden Absatz verkündeten Beseitigung der Zensur geworden? – ,,ein Angriff auf Teile der Bürokratie der KPdSU.
Beide Entwicklungen sind unmissverständlich das Ergebnis der politischen Revolution in der Sowjetunion, die nun richtig begonnen hat. (S 3)
Jedes Wort ist eine Verfälschung der Wirklichkeit und ein Verrat am Trotzkismus. Die verzweifelten Linderungsmaßnahmen, die die Bürokratie ergreift, um einen Teil der Intelligenz zu beschwichtigen, während sie gleichzeitig ihren Angriff auf die sowjetische Arbeiterklasse mit ständigen Forderungen nach einer Produktivitätserhöhung verschärft, werden zum Beginn der politischen Revolution erklärt! Kein Wort wird darüber verloren, dass die Sowjetbürokratie hinter den Kulissen mit dem Imperialismus in einem nie da gewesenen Ausmaß zusammenarbeitet. Das Wort konterrevolutionär wird nicht benutzt, um Gorbatschow zu charakterisieren, jenen geschniegelten Sprecher der Horden bürokratischer „Yuppies“, für die das Wort ”Liberalisierung“ die Aussicht auf die Wiedereinführung des Erbrechts in der Sowjetunion bedeutet.
In völliger Zurückweisung von Trotzkis bekannten Standpunkten erklärte Healy: „Die staatlichen Eigentumsverhältnisse der Sowjetunion sind heute die entscheidende materielle Kraft in der Entwicklung der Weltrevolution und der politischen Revolution selbst.“ Wenn das ,,heute“ so ist, war es dann auch zu Trotzkis Zeiten so? Wenn nicht – und Trotzki hat so etwas nie auch nur angedeutet –, zu welchem Zeitpunkt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Sowjetunion ist es dann so geworden? Im Allgemeinen quält sich Healy nicht mit solch konkreten Fragen. Auf jeden Fall läuft die Theorie, die staatlichen Eigentumsverhältnisse in der Sowjetunion (die keine sozialistischen Verhältnisse sind) seien die entscheidende materielle Kraft in der Entwicklung der Weltrevolution auf eine Rechtfertigung der Politik des „Sozialismus in einem Land“ hinaus – der ideologischen Grundlage des Stalinismus. Zur Zeit der größten Entwicklung der sowjetischen Industrie pflegte die Bürokratie ihre Behauptung, die UdSSR werde die kapitalistische Welt schließlich ,,überholen“, regelmäßig mit Statistiken zu belegen. Trotzki wandte sich immer gegen eine derartig einseitige Verwendung von Statistiken. Er bestand darauf, dass es unmöglich sei, dass die Sowjetunion aus eigener Kraft das Erbe der Rückständigkeit überwinden und die kapitalistische Welt überholen könne.
Trotzkis Strategie basierte auf dem Verständnis, dass das Schicksal der UdSSR von den revolutionären Siegen der internationalen Arbeiterklasse, vor allem in den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern, abhängig sei. Er warnte ausdrücklich, dass die staatlichen Eigentumsverhältnisse ohne eine Ausdehnung der sozialistischen Revolution nach Westeuropa und in die Vereinigten Staaten unvermeidlich umgestürzt würden. Daher ist die „entscheidende materielle Kraft in der Entwicklung der Weltrevolution“ nicht die sowjetische Industrie – die nach wie vor weit hinter der der wichtigsten kapitalistischen Länder zurückhinkt – sondern das internationale Proletariat.
Auch die Behauptung, die politische Revolution entstehe spontan aus der Entwicklung der staatlichen Eigentumsverhältnisse, ist eine grobe Revision der Ansichten, die Trotzki und das Internationale Komitee traditionell verteidigt haben. Erstens wird die Entwicklung der Produktivkräfte selbst durch die Existenz einer bürokratischen Kaste eingeengt. Soweit die Produktivkräfte ausgedehnt werden, führt das nicht zu einem entsprechenden Rückgang des Einflusses und der Habgier der Bürokratie. Der Gegensatz zwischen dem Proletariat und der Bürokratie wird im Gegenteil verschärft und ebnet den Weg für enorme gesellschaftliche Explosionen.
Bei der Untersuchung der Entwicklung der gesellschaftlichen Widersprüche in der Sowjetunion „vergisst“ Healy, dass diese nicht in einem Reagenzglas, sondern in einem feindlichen internationalen Umfeld, das nach wie vor von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht wird, stattfindet. Die Sowjetbürokratie ist eine Agentur des Weltimperialismus und knüpft ständig neue politische und wirtschaftliche Verbindungen zu den kapitalistischen Staaten. Neben der Bürokratie existiert außerdem eine Bauernschaft, die historisch nicht mit der Vergesellschaftung der Eigentumsverhältnisse versöhnt ist und unter bestimmten Bedingungen sehr schnell zu einem fruchtbaren Umfeld für die Wiederentwicklung kapitalistischer Beziehungen werden kann. All diese Faktoren werden von Healy ignoriert.
Healy lässt vor allem die entscheidende Frage aus, den Aufbau einer trotzkistischen Partei der sowjetischen Arbeiterklasse. Dies entlarvt mehr als alles andere seine Zurückweisung der politischen Revolution. Es gibt keine Notwendigkeit für eine bewusste Führung zur Anleitung der Kämpfe der sowjetischen Arbeiterklasse mehr. Aber wenn die Erfahrungen der polnischen Solidarnosc-Bewegung etwas bewiesen haben, dann, dass das Proletariat die Bürokratie ohne eine trotzkistische Führung nicht stürzen kann. Healy hat aber nicht das geringste Interesse, die historischen Erfahrungen der Arbeiterklasse in der UdSSR und Osteuropa zu studieren. Seine „politische Revolution“ ist eine leblose Abstraktion – die sowjetische Arbeiterklasse wird gar nicht erwähnt und es wird schon gar nicht versucht, die politischen, gesellschaftlichen und ideologischen Formen zu unterscheiden und zu untersuchen, durch die sich ihre Bewegung zur Revolution ausdrückt. Und trotzdem erklärt Healy, als sei dies selbstverständlich, dass die politische Revolution in der Sowjetunion „nun richtig begonnen hat.“
Healys Anbiederung an die Sowjetbürokratie wird noch durch S. Michaels Anbiederung an die chinesische Bürokratie übertroffen. In der September-Ausgabe der Marxist Review erschien ein Artikel, der zuerst in der Mai-Juni-Ausgabe der Revolutionären Marxistischen Rundschau der griechischen WRP veröffentlicht worden war. In einer Improvisation über ein von Healy im vorangegangenen Jahrzehnt entwickeltes Thema stellte Michael die folgende Behauptung auf:
Die Forderung der chinesischen Intelligenz, zu Lenin und seinem Kampf gegen die Bürokratie während seiner letzten Lebensjahre zurückzukehren, erreicht nun ihre grundsätzlichste Ebene: die der Methode und Philosophie des Marxismus. 'Zurück zu Lenin' heißt vor allem 'Zurück zur materialistischen Dialektik'. (S. 32)
Für Michael hat die „Rückkehr zu Lenin“ ihre ..grundsätzlichste Ebene“ vollkommen außerhalb der Arbeiterklasse und getrennt vom Trotzkismus erreicht. Die „Rückkehr zu Lenin“ bedeutet nach Michaels Auffassung nicht die Rückkehr zur Theorie der permanenten Revolution, die Kritik an Maos „Zwei-Stadien“-Theorie und die Analyse der gesellschaftlichen Grundlage der Bürokratie. All das wird durch eine hohle Abstraktion ohne jeglichen gesellschaftlichen und politischen Inhalt ersetzt: „Zurück zur materialistischen Dialektik.“
Diese unkritische Haltung gegenüber der chinesischen Intelligenz ist gleichbedeutend mit einem Verrat an der Arbeiterklasse. Unter Bedingungen, wo die Führung unter Deng weit gehende Zugeständnisse an den Imperialismus macht und nie da gewesene Möglichkeiten für das Eindringen ausländischen Kapitals schafft, werden breite Schichten der Intelligenz unausweichlich zu Wortführern der kleinbürgerlichen Bestrebungen nach größeren materiellen Privilegien werden. Das wird von Michael mit einer Bewegung seiner schlaffen Hand beiseite gewischt. Stattdessen verkündet er schlicht: „Die Neubelebung des Kampfs für marxistische Philosophie ist der ideologische Schatten der politischen Revolution.“ (S. 33)
Die vorliegenden, sehr realen Beweise für das Anwachsen restaurativer Tendenzen werden in eitler Selbstzufriedenheit abgetan:
Die ewigen Skeptiker und Rechtfertigungsideologen des Kapitalismus haben sich beeilt, die Grabrede für die chinesische Revolution zu verfassen und ein gefälschtes Bild von Volkschina zu zeichnen, das angeblich nur aus dem Lächeln des Pragmatikers Deng, Coca-Cola-Reklamen und den neusten Modeentwürfen von Pierre Cardin bestehe. Ohne die Gefahren einer rechten Restauration zu unterschätzen (!), sehen wir mit Vertrauen diese jüngsten Entwicklungen, das Potential der sozialistischen Revolution, das gleichzeitig in China und der Sowjetunion m Erscheinung tritt. (S. 33)
Für Michael und Healy steht der dialektische Materialismus in keinerlei Beziehung zur Entwicklung einer trotzkistischen Perspektive zum Aufbau revolutionärer Massenparteien des sowjetischen und chinesischen Proletariats. Das gehört ihrer Meinung nach zur „vergangenen“ Ära des „Propagandismus“ und der „Niederlagen“. Hatte Pablo einst in allen Winkeln und Spalten der sowjetischen Bürokratie nach erhaltenen Resten des Marxismus gesucht, finden sie Healy und Michael nun in der russischen und chinesischen Mittelklasse. Was sie wirklich suchen, ist eine Brücke, um engere Beziehungen zu den stalinistischen Bürokratien zu knüpfen, wie Michael das im letzten Absatz seines Artikels deutlich macht:
Einige der besten Verbündeten des Internationalen Komitees befinden sich mit Sicherheit in Peking und Schanghai, wie auch in Moskau und Leningrad. (S. 33)
Kein Trotzkist wäre in der Lage, eine derartige Abscheulichkeit zu Papier zu bringen. Er würde höchstens in Bezug auf das Proletariat von Freunden der Vierten Internationale in der UdSSR und der Volksrepublik sprechen. Aber Healy und Michael angeln nach neuen Verbündeten in der Bürokratie.
Um diese Linie auszuführen, mussten Healy und Michael mit dem Internationalen Komitee brechen. Wenn in der griechischen WRP irgendwelche echten Trotzkisten übrig geblieben sind, die sich noch an die schrecklichen Verbrechen erinnern, die der Stalinismus an der griechischen Arbeiterklasse begangen hat, und die die nicht weniger konterrevolutionäre Rolle Gorbatschow und Reagan beim Genfer Gipfeltreffen verstehen, die der Stalinismus in den entscheidenden bevorstehenden Kämpfen zu spielen versuchen wird, werden sie es als ihre erste Pflicht betrachten, die Politik des Verräters Michael zurückzuweisen und den Kampf für die Wiederherstellung der Verbindungen zwischen den Revolutionären in Griechenland und dem Internationalen Komitee aufzunehmen.
Die Verwesung der WRP (Slaughteristen)
Wir wenden uns nun der Entwicklung des Slaughter-Banda-Flügels der WRP seit seiner Spaltung vom Internationalen Komitee im Februar 1986 zu. Sie spalteten auf der Grundlage eines von Mike Banda verfassten Dokuments mit dem Titel ,,27 Gründe, weshalb das Internationale Komitee sofort begraben und die Vierte Internationale aufgebaut werden sollte.“
Dieses Dokument, das aus einer durchgehenden Verleumdung gegen die gesamte Geschichte der trotzkistischen Bewegung besteht, wurde benutzt, um die WRP-Mitgliedschaft zur Raserei gegen das Internationale Komitee zu treiben. Der betrügerische Achte Kongress der WRP, von dem alle Mitglieder der offiziellen Minderheit mit Hilfe der Polizei fern gehalten und dann ausgeschlossen wurden, verabschiedete eine Resolution, die das Internationale Komitee als eine „antikommunistische“ Organisation brandmarkte.
Nicht lange danach, nach einem erbitterten Kampf um die Kontrolle über die beachtlichen Vermögenswerte der WRP – von denen ein großer Teil außerhalb Großbritanniens mit Geld der Sektionen des Internationalen Komitees erworben worden war – wurden die Banda-Brüder durch die Slaughter-Pirani-Fraktion ausgeschlossen. Gegenüber der Arbeiterklasse wurde über diese Spaltung keine Rechenschaft abgelegt. Das. Schweigen der WRP über die Auseinandersetzung mit Banda stand in scharfem Kontrast zu den wiederholte öffentlichen Angriffen auf das IKVI, die selbst vor der Spaltung im Februar auf den Seiten der Workers Press erschienen.
Die Spaltung vom Internationalen Komitee war für die WRP Bestandteil einer berechneten Entscheidung, jede trotzkistische Opposition gegen ihre Pläne, sich vollständig im kleinbürgerlichen Lager des Zentrismus. und der Sozialdemokratie zu liquidieren, auszuschalten. Seit Februar unterscheidet sich die politische Linie der WRP nur in unbedeutenden und zweitrangigen Einzelheiten von der der ausgedehnten Familie ,,linker“ Gruppen, die im Schatten der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie arbeiten.
Bill Hunter, einer der alten Zentristen, die jetzt die Organisation führen, schrieb über die Entwicklung der WRP zwischen Oktober 1985 und Februar 1986 – dem Zeitraum, in dem sie ihre Spaltung vom Trotzkismus vollendete – mit Begeisterung: ,,Eine große Entwicklung des Denkens findet in unserer Partei als Ergebnis der Realität des Kampfes statt. Die Spaltung hat jeden Genossen dazu gebracht, über grundlegende Probleme nachzudenken.“ Es ist nun möglich, das Ergebnis dieser „großen Entwicklung des Denkens“ zu überprüfen.
Seit der Spaltung vom Internationalen Komitee hat die WRP ihre Workers Press in ein öffentliches Anschlagbrett verwandelt und jede revisionistische und stalinistische Gruppe eingeladen, daran ihre antitrotzkistischen Anzeigen auszuhängen. Kein Angriff auf den Trotzkismus ist zu grotesk, abgedruckt zu werden. Jede Woche wird eine neue Verleumdung herausgebracht.
In der Ausgabe vom 26. Juli findet sich der Brief eines gewissen Geoff Barr, der im Verlauf einer maßlosen Verfälschung der wohl bekannten Differenzen zwischen Lenin und Trotzki über die Gewerkschaftsfrage in der Sowjetunion die Behauptung aufstellt: „Der Standpunkt der WRP unter Healy stand Trotzkis Position in der Gewerkschaftsdebatte von 1920-21 näher als der Lenins.“
Am 2. August öffnete Workers Press ihre Seiten einer stalinistischen Gruppe, Mitgliedern der britischen Kommunistischen Partei, die ein Blättchen unter dem falschen Namen Der Leninist veröffentlichen. Diese Reaktionäre benutzten die Gelegenheit, um den Trotzkismus wegen seiner „offensichtlichen Bedeutungslosigkeit“ anzugreifen – die daher komme, dass er sich weigere, die stalinistischen Parteien auf der ganzen Welt als die revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse anzuerkennen. Der Leninist verurteilte Trotzkis Bruch mit der Komintern 1933 und erklärte:
Die neue Orientierung auf den Aufbau einer 'Vierten Internationale' war in Wirklichkeit ein defätistisches Imstichlassen des fortgeschrittenen Teils des Proletariats, der damals wie heute hauptsächlich in den Kommunistischen Parteien organisiert war.
Dann stellte der Brief, ohne sie zu beantworten, die Frage, ob „das Töten von Trotzkisten berechtigt ist oder nicht. ...“
Auf der gegenüberliegenden Seite derselben Ausgabe befand sich der Brief eines gewissen Tom Cowen, der schrieb:
Die illusionäre Vorstellung, der Trotzkismus sei eine revolutionäre marxistische Tendenz, hat der revolutionären Führung der Arbeiterklasse den Kopf gekostet und mögliche Klassenführer in Anhängsel der Agenten des Kapitals verwandelt, die die Führungskrise noch verstärken.
In der Ausgabe vom 23. August griff Cyril Smith – einer von Healys langjährigen akademischen Speichelleckern und jetzt wiedergeborener „revolutionärer Moralist“ – offen Trotzkis Auffassung der politischen Revolution an. In einem Artikel zum 30. Jahrestag der ungarischen Revolution hatte Smith Folgendes über den Standpunkt zu sagen, den das Internationale Komitee 1956 eingenommen hatte:
... Ich glaube aufgrund unserer spärlichen Mittel, sowohl der theoretischen wie der materiellen, waren wir darauf beschränkt, die Standpunkte, die Trotzki zwei Jahrzehnte zuvor entwickelt hatte, zu verteidigen. Wir haben versucht, die neue Welt der 50er Jahre in den theoretischen Rahmen der 30er Jahre zu pressen ... Wir haben uns immer viel zu leicht damit zufrieden gegeben, dass wir über die Theorie verfügten, die zu Trotzkis Zeiten 'korrekt' war, anstatt das zu tun, was er selbst tat, diese Theorie voranzubringen.
In der Ausgabe vom 13. September 1986 kündigte Smith an, dass er den drei Jahrzehnte langen Kampf der trotzkistischen Bewegung gegen den Revisionismus „aus vollem Herzen“ zurückweise:
Ich glaube der Begriff ‚Revisionist‘, der für Marxisten einst eine wissenschaftliche Bedeutung hatte, ist jetzt nur noch ein Schimpfwort. Wir sollten aufhören, die Bezeichnung ‚pablistisch‘ zu benutzen, wenn wir über die dem Vereinigten Sekretariat angeschlossenen Organisationen reden. Das vergiftet nur die Diskussion. Die Charakterisierung Kubas als eine Art (wir haben nie wirklich erklärt welche Art) bürgerlicher Staat, ist Unsinn.
Wie bei all diesen Äußerungen – in denen die WRP-Renegaten Standpunkte verwerfen, die sie über Jahrzehnte verteidigt haben – wird kein Versuch unternommen, zu erklären, wie sie zu diesen neuen Positionen, oder besser, zu den Positionen, die die Revisionisten seit Jahren vertreten, gekommen sind. Es gibt weder neue Nachforschungen, noch eine Analyse der Geschichte der theoretischen Auseinandersetzungen innerhalb der trotzkistischen Bewegung. Aber Smith und seinen Mitrenegaten geht es gar nicht darum, die marxistische Theorie zu entwickeln und dafür zu kämpfen, die Arbeiterklasse mit einem revolutionären Programm zu bewaffnen; es geht ihnen darum, sich an die kleinbürgerlichen Radikalen anzubiedern, die von den Krümeln vom Tisch der „linken“ Sozialdemokraten leben.
Das wird durch die politische Linie bewiesen, die die WRP in Großbritannien verfolgt. In einem langen Manifest, das in der Workers Press-Ausgabe vom 26. Juni erschien, einem völlig nationalistischen Dokument, wird weder der Stalinismus noch die Sozialdemokratie ein einziges Mal als konterrevolutionär charakterisiert. Die Sozialdemokraten sind lediglich „Reformisten“ – und nicht die Wächter des britischen Imperialismus. Wie weit die Grenzen der Opposition der WRP gegen die Sozialdemokratie und den Stalinismus reichen, wird in einem Absatz des Manifests über die Haltung der WRP gegenüber einer zukünftigen Labour-Regierung deutlich:
Aber wir warnen die Reformisten und Stalinisten im Vornhinein: wenn eine derartige Regierung in Konflikt mit der Arbeiterklasse kommt – und das wird sie – werden wir sie nicht unterstützen.
Bedeutenderweise wird nichts über eine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Politik eines sozialdemokratischen Regimes und seine Ersetzung durch eine Arbeiterregierung gesagt – noch über die Notwendigkeit für die Errichtung einer Diktatur des Proletariats. Diese Auslassungen sind keine Nebensache. Sie drücken aus, wie sich die WRP in die politische Rolle einpasst, auf die sie vorbereitet wird: die eines linken Deckmantels für eine neue sozialdemokratische Regierung. Sie musste vom Internationalen Komitee spalten, um sich vollständig von einer trotzkistischen „Einmischung“ bei der Ausarbeitung ihrer linksreformistischen, nationalen Linie zu befreien.
Ihre Zurückweisung des Kampfs gegen den Revisionismus ist der wesentliche Ausdruck ihrer Ablehnung des Kampfs, die Arbeiterklasse unabhängig von allen politischen Agenturen des Imperialismus zu mobilisieren. Vor zwanzig Jahren erklärte Cliff Slaughter die politische Bedeutung eines solchen Rückzugs sehr gut:
Ohne einen Kampf gegen den Revisionismus, in dem die materialistischen und dialektischen Grundlagen des Marxismus und das Programm der Partei ständig erneuert und entwickelt werden, läuft jede Bewegung Gefahr, ein Opfer der Reaktion des linken Kleinbürgertums zu werden, anstatt ein unabhängiges Programm für die Massen zu entwickeln, die durch die sich vertiefende Krise des Kapitalismus in den Kampf getrieben werden, eine Krise, die heute mit der Todeskrise der stalinistischen Bürokratie zusammenkommt. (Vorwort zu In Defence of Marxism, New Park Publications, S. xiii)
Unter den in Großbritannien vorherrschenden Bedingungen werden die vollen Auswirkungen des Verrats des Trotzkismus durch die WRP erst noch sichtbar werden. Aber eine Untersuchung der Politik der einen Sektion des IKVI, die mit Slaughter gegangen ist, ist der lebendige Beweis dafür, dass diese Linie, nicht weniger als die Healys, direkt zur Volksfrontpolitik führt.
Der Verrat der Liga Comunista
Nur sechs Monate nach ihrer Spaltung vom IKVI hat die peruanische Liga Comunista entschieden mit dem Trotzkismus gebrochen, ihre eigene Parteiorganisation aufgelöst und sich schnellstens in die Arme der kleinbürgerlichen Zentristen und der nationalen Bourgeoisie begeben.
Ursprünglich hatte die Liga Comunista das Internationale Komitee bei der Suspendierung der Workers Revolutionary Party im Dezember 1985 unterstützt. Aber dann reagierte die Clique in ihrer Führung auf den kleinbürgerlichen Klassendruck auf ihre Sektion, änderte, abgestoßen durch die proletarische Linie des IK, schnell ihren Standpunkt und begann, eine Spaltung zu provozieren.
Schon im März 1986 veröffentlichten die peruanischen Renegaten, nachdem sie sich mit der Banda-Slaughter-Fraktion verbündet hatten, eine Zeitschrift, die Bandas berüchtigte „27 Gründe, weshalb das IK beerdigt werden sollte“ und eigene Dokumente, die den Trotzkismus brandmarken, enthielt.
Darunter befand sich auch ein gehässiger Angriff auf die gesamte Geschichte der trotzkistischen Bewegung, verfasst vom theoretischen Führer der Gruppe, Jose B.. Er kommt zum Schluss, die Klassengrundlage der Vierten Internationale im Proletariat sei die Ursache für ihre angebliche Isolation:
Offensichtlich haben wir es mit einer Bewegung zu tun, die in gesellschaftlichen Kräften verwurzelt ist, die völlig im Gegensatz zu jenen gesellschaftlichen Kräften stehen, die objektiv revolutionär sind. Daher muss sie objektiv zerstört werden.
In diesem Zusammenhang wird Trotzkis Theorie der permanenten Revolution offen zurückgewiesen. Die Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und besonders in den Vereinigten Staaten wird als im Wesentlichen konterrevolutionäre Kraft dargestellt, die im Bündnis mit ihrer eigenen Bourgeoisie stehe und von der imperialistischen Vorherrschaft über die halbkolonialen Länder profitiere.
Offen mit der Verantwortung konfrontiert, unabhängig vom vorgetäuschten „Antiimperialismus“ der herrschenden Apra-Partei von Präsident Alan Garcia und der maoistischen Bauern-Guerilla-Bewegung Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) eine proletarische, revolutionäre Partei aufzubauen, zog die Führung der Liga Comunista den Schwanz ein und kapitulierte vor eben diesen Kräften. Sie wich so dem erforderlichen unversöhnlichen Kampf gegen all Zentristen und Revisionisten aus, die versuchen, die revolutionäre Klassenlinie des Proletariats zu verschmutzen. Wen überrascht es, dass das von einem Strom Verleumdungen und Lügen gegen das Internationale Komitee begleitet wurde.
In der oben erwähnten Ausgabe von Comunismo waren auch schon die fertigen, antitrotzkistischen Perspektiven der peruanischen Renegaten veröffentlicht. Ein Dokument unter dem Titel Klassenkampf in Peru bezeichnet die bürgerliche Regierung von Garcia als Verkörperung des „Zusammenströmens“ der „drei großen Klassen, aus denen die peruanische Gesellschaft besteht: des Proletariats, der Bauen und schließlich der eingeborenen Bourgeoisie, besonders jener Teile, die mit dem Innenmarkt und sogenannten nicht-traditionellen Exporten verbunden sind.“
Die korrupte peruanische Bourgeoisie wird so dargestellt, als sei sie zwischen „dem Schwert des Imperialismus und der Mauer der Arbeiter- und Bauernforderungen“ gefangen. Damit werden die grundlegendsten Thesen der permanenten Revolution zurückgewiesen, die wesentliche Rolle der peruanischen Bourgeoisie als Instrument des Imperialismus geleugnet und eine elende Mischung von menschewistischen, stalinistischen und maoistischen Formeln zur Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Bourgeoisie gerechtfertigt.
In ihrer eigenen Formel für diese Unterordnung stellen die Renegaten der Liga Comunista die Arbeiterklasse und die Bauernschaft auf eine Stufe und rufen zur ,,politischen Unabhängigkeit und Allianz beider Klassen“ auf. Der Inhalt dieses unmarxistischen Gestammels ist ein neuer Aufguss der „Arbeiter- und Bauernpartei“ und des „Blocks der vier Klassen“, die beide von den Stalinisten benutzt wurden, um die Arbeiterklasse bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führungen unterzuordnen – im Falle Perus der Apra und dem Leuchtendem Pfad.
Vor etwas mehr als einem Jahr hatte die Führung der Liga Comunista in einer sklavischen Nachahmung von Healys Hochstapelei Sendero Luminoso wegen ihres angeblichen Missbrauchs der philosophischen Kategorie des Widerspruchs als reaktionäre Bewegung gebrandmarkt. Mit Hilfe pseudodialektischer Beschwörungen schrieb die Liga Comunista den legitimen Kampf der Bauern völlig ab und machte die üble Anschuldigung, Sendero Luminoso habe dem Land den bewaffneten Kampf „aufgezwungen“. Jetzt ist das Pendel voll auf die andere Seite geschwungen, die Bauernguerillas werden verherrlicht und ihre bewaffneten Aktionen auf dem Land als Ersatz für die unabhängige Organisierung und Mobilisierung der peruanischen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines marxistischen Programms dargeboten.
Gemeinsam ist aber beiden Positionen, dass die peruanischen Renegaten keine Klassenanalyse der Bauernbewegung machen. Sie übersehen vollkommen den unterschiedlichen Klassencharakter des demokratischen Kampfs auf dem Lande und des Kampfs der Arbeiterklasse – eine Unterscheidung, auf der Lenin immer bestand, und die die Achse des Kampfs der bolschewistischen Partei gegen kleinbürgerliche Tendenzen wie die Sozialrevolutionäre bildete. Im ersten Fall lehnte die Liga Comunista die Verantwortung der proletarischen revolutionären Partei vollkommen ab, auf der Grundlage der Klassenunabhängigkeit und führenden Rolle des Proletariats ein Bündnis zwischen dem Proletariat und der armen Bauernschaft zu bilden. Im zweiten Fall ließ sie diese Klassenunabhängigkeit selbst fallen und händigte die Führung an Sendero Luminoso aus.
Marxisten betrachten den Bauernkampf als Bestandteil der demokratischen Revolution. Die Haltung der Liga Comunista gegenüber Sendero Luminoso ist untrennbar damit verbunden, dass sie die proletarische Revolution in der kleinbürgerlichen Demokratie auflöst.
Weniger als drei Monate, nachdem die Liga Comunista das „Zusammenströmen“ der Klasseninteressen in Garcias Regierung entdeckt hatte, veranstaltete das Regime eines der blutigsten Massaker in der Geschichte des Landes und ermordete mindestens 270 politische Gefangene in den Gefängnissen von Fronton, Lurigancho und Callao.
In einer Panikreaktion gab die Liga Comunista gemeinsam mit ihren neugefundenen Verbündeten – den peruanischen Anhängern von Nahuel Moreno, dem berüchtigten argentinischen Pablisten und Liquidator – eine Erklärung heraus, in der sie zu einer Volksfront gegen ,,faschistische Barbarei“ aufruft.
In dieser Erklärung wird nicht eine Klassenforderung, und schon gar kein Programm zur Mobilisierung der Arbeiterklasse und zur Vorbereitung der sozialistischen Revolution in Peru vorgebracht. Stattdessen ruft sie zur „Einheit“ verschiedener linker Parteien und zur Einberufung einer „nationalen Volksversammlung“ auf, „um der Regierung politisch den Prozess zu machen und einen nationalen Kampfplan zur Eindämmung der faschistischen Barbarei abzustimmen.“
In der Erklärung wird die Rechtswendung der Regierung nicht auf die objektive Krise des Weltkapitalismus und ihre Auswirkungen auf die Klassenbeziehungen in Peru zurückgeführt, sondern auf ,,die Sackgasse, in der die Regierung und die Bourgeoisie wegen ihrer vollständigen Kapitulation vor dem Imperialismus gefangen sind.“ Sieht man diese Formulierung im Zusammenhang damit, dass die Erklärung an keiner Stelle zum Sturz der Apra-Regierung aufruft, muss sie als ein Versuch gewertet werden, die Massen mit der Perspektive einzulullen, der gegenwärtige Kurs des Apra-Regimes könne umgekehrt werden, wenn die Regierung zu einer Veränderung ihrer Wirtschaftspolitik gezwungen werde.
Diese Position wird noch deutlicher in einer Erklärung über die Massaker vom 18. Juni vertreten, die die Comunista unter dem Titel „Die Militarisierung die Krise des bürgerlichen Nationalismus der Apra“allein abgab. Es heißt darin:
Dieses Vorgehen der Apra-Regierung kommt daher, dass sie durch ein bürgerlich nationalistisches Programm, das sich darauf beschränkt, die Bedingungen der imperialistischen Vorherrschaft neu zu verhandeln, und das sich auf die Verteidigung des Privateigentums und der kapitalistischen Produktion stützt, nicht in der Lage ist, die Wirtschaftskrise des Landes zu lösen.
Im Folgenden wiederholen die Renegaten nicht weniger als vier Mal, das Grundproblem in Peru sei „die Unfähigkeit der Apra-Regierung, die Wirtschaftskrise zu lösen.“ Diese Auffassung ist völlig unmarxistisch und geht davon aus, dass irgend eine andere Kraft – vielleicht Sendero Luminoso oder die Vereinte Linke, oder die Liga Comunista selbst – in der Lage sein würden, „die Wirtschaftskrise zu lösen‟. Das ist eine völlig reformistische und nationalistische Perspektive, die im Gegensatz zur Perspektive der proletarischen Revolution steht.
Der trotzkistischen Bewegung geht es nicht um die konjunkturelle Frage, ob diese oder jene bürgerliche Regierung die Wirtschaftskrise „lösen“ kann – was so oder so ein utopisches Ziel ist, da die Krise ein Ausdruck der Unterdrückung Perus durch den Weltimperialismus ist. Es ist vielmehr ein grundlegendes strategisches Prinzip des revolutionären Marxismus, dass die nationale Bourgeoisie organisch unfähig ist, die demokratische Revolution zu vollenden, von der die Befreiung der unterdrückten Nation vom Joch des Imperialismus ein wesentlicher Bestandteil ist. Diese demokratische Revolution kann nur unter der Führung des Proletariats durchgeführt werden und muss in die Diktatur des Proletariats übergehen.
Die Liga Comunista selbst wurde unter Führung ihres ersten nationalen Sekretärs, Genosse Sergio, auf diesem Prinzip gegründet. Sie begann ihren Kampf unter dem „nationalistischen“ Militärregime von General Velasco, der damals „antiimperialistische“ Reden hielt und verschiedene Reformen und Verstaatlichungen durchführte. Diese bestimmten jedoch nicht die Linie der Partei. Sie ging von der grundlegenden Perspektive des Bankrotts der nationalen Bourgeoisie und des Kampfs für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse aus. Dieser Kampf, auf den das Regime mit der Ausweisung Sergios und der Unterdrückung der peruanischen Sektion reagierte, ist durch die Renegaten, die heute die Liga Comunista führen, vollständig zurückgewiesen worden.
Ihrer gegenwärtigen Perspektive liegt die vollkommene Zurückweisung von Trotzkis Analyse der Rolle der nationalen Bourgeoisie zugrunde. Während die Liga Comunista die größte Betonung auf den angeblichen „Antiimperialismus“ dieser Klasse legt, nahm Trotzki bei der Analyse der chinesischen Bourgeoisie – die damals einen nationalen Unabhängigkeitskrieg führte – den entgegengesetzten Standpunkt ein:
Während die Bourgeoisie in der Kuomintang ist und sie leitet, ist sie dem Wesen nach ein Hilfswerkzeug der Kompradoren und des Imperialismus. Die nationale Bourgeoisie konnte nur im Lager des nationalen Krieges bleiben, solange die Arbeiter- und Bauernmassen schwach, der Klassenkampf unterentwickelt, die chinesische Kommunistische Partei unselbständig und die Kuomintang ein gehorsames Werkzeug in den Händen der Bourgeoisie war.
Es ist ein grober Fehler zu denken, dass der Imperialismus mechanisch, von außen her, alle Klassen Chinas zusammenschweißt... Der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus schwächt nicht, sondern verstärkt vielmehr die politische Differenzierung der Klassen. Der Imperialismus ist eine äußerst bedeutsame Kraft in den inneren Beziehungen Chinas. Die Hauptquelle dieser Kraft sind nicht die Kriegsschiffe in den Gewässern des Yangtse Kiangs – das sind nur Hilfsmittel, sondern die ökonomische und politische Verbindung des Auslandskapitals mit der chinesischen Bourgeoisie.... Aber alles, was die unterdrückten und ausgebeuteten Massen der Werktätigen auf die Beine bringt, stößt unvermeidlicherweise die chinesische Nationalbourgeoisie in den offenen Block mit den Imperialisten. Der Klassenkampf zwischen der Bourgeoisie und den Massen der Arbeiter und Bauern wird durch den imperialistischen Druck nicht abgeschwächt, sondern wird im Gegenteil durch ihn bei jedem ernsthaften Konflikt bis zum blutigen Bürgerkrieg zugespitzt. (Leo Trotzki, China — Die erwürgte Revolution, Bd. l, S. 59-60)
Mit ihrer Zurückweisung des Trotzkismus hat die abtrünnige Führung der Liga Comunista genau diese marxistischen Lehren aufgegeben. Während Trotzki davon spricht, dass der Klassenkampf die nationale Bourgeoisie „unweigerlich“ in ein Bündnis mit dem Imperialismus treibt und den Konflikt bis zum Bürgerkrieg zuspitzt, sah die Liga Comunista bis zum Beginn des Gefängnismassakers nur das „Zusammenströmen“ der Klassen. Dann machte sie eine panikartige Wendung zur Volksfront gegen den Faschismus.
Der Fußfall vor der Apra-Regierung wurde durch einen kriecherischen Appell an die stalinistische Führung der Vereinigten Linken, der Volksfrontopposition im Parlament, ergänzt. Die Erklärung schilt die Stalinisten, sie hätten „die Einheit der Volksbewegung“gebrochen und drängt sie, „jede Form von Sektierertum und Hegemoniestreben, das die Durchführung der Aufgabe verzögert und dem Feind wertvolle Zeit gibt, aufzugeben“, um diese Einheit wieder herzustellen. Das kommt einem Treueschwur der Liga Comunista für die peruanische Volksfront gleich. In diesem Zusammenhang „Sektierertum und Hegemoniestreben“ zu verurteilen, ist gleichbedeutend mit einer offenen Verpflichtung, die politische und ideologische Vorherrschaft der Stalinisten und bürgerlichen Nationalisten über die Arbeiterklasse zu unterstützen.
In ihrer eigenen Erklärung kritisiert die Liga Comunista die von den Stalinisten geführte Vereinigte Linke, weil sie „auf dem Gebiet der Wahlen niemals für revolutionäre Perspektiven gekämpft“habe. Nun scheint die Liga Comunista die Absicht zu haben, dies selbst zu tun, indem sie sich an der Wahlliste der Moreno-Gruppe beteiligt. Die Quintessenz dieses Kampfs „auf dem Gebiet der Wahlen für revolutionäre Perspektiven“ besteht darin, dass er nicht bezweckt, die unabhängige Stärke der Arbeiterklasse gegen die nationale Bourgeoisie zu mobilisieren, sondern genau das Gegenteil. Durch eine Politik mit dem Ziel, das Regime nach links zu drücken und „der Militarisierung Einhalt zu gebieten“, zielt die Volksfront-Wahlkampagne darauf ab, das Proletariat an die nationale Bourgeoisie zu fesseln.
Bei der Durchführung dieser konterrevolutionären Politik hat die Liga Comunista mit der PST, der peruanischen Moreno-Gruppe, den geeigneten Helfer gefunden.
In Argentinien ist Morenos Bewegung für den Sozialismus (MAS) gemeinsam mit den Stalinisten von der argentinischen Kommunistischen Partei Teilnehmer der „Volksfront“, Frepu, eines Wahlblocks.
Dabei handelt es sich nur um den letzten einer ganzen Reihe von prinzipienlosen Blocks und politischen Abenteuern, die Moreno seit seinem Bruch mit dem Trotzkismus zum berüchtigsten Opportunisten auf dem südamerikanischen Kontinent gestempelt haben.
1963 hatte sich Moreno bei der prinzipienlosen Wiedervereinigung mit den pablistischen Revisionisten mit Joseph Hansen von der amerikanischen SWP verbündet und gleichzeitig eine Linie der vollständigen Unterordnung unter General Juan Peron verfolgt, dessen Bild sogar im Kopf der Zeitung der Gruppe erschien.
Zu einem späteren Zeitpunkt umarmte er Castro und den Maoismus und wies Trotzkis Theorie der permanenten Revolution ausdrücklich zurück, indem er sagte: „Das Dogma, die Arbeiterklasse sei die einzige Klasse, die die demokratischen Aufgaben erfüllen könne, ist falsch.“
Diese Perspektive wurde von den Moreno-Anhängern in die Praxis umgesetzt. Sie spielten eine Schlüsselrolle dabei, die Arbeiterklasse politisch zu entwaffnen und die Voraussetzungen für den Militärputsch von 1976 und das darauf folgende Blutbad zu schaffen. In der langen Periode vor dem Militärputsch erklärten die Moreno-Anhänger wiederholt gemeinsam mit den Stalinisten, den bürgerlichen Parteien und der Peronistischen Regierung ihre Treue zur „verfassungsmäßigen Stabilität“. Während sich die argentinische Bourgeoisie und ihre Armee darauf vorbereiteten, die Revolution in Blut zu baden, richteten die Moreno-Anhänger ihre gesamten Anstrengungen darauf, die Arbeiterklasse an die verrottete Hülle der bürgerlichen Demokratie zu ketten und sabotierten damit den abhängigen Kampf um die Macht, der allein die Konterrevolution hätte besiegen können.
In Peru hat sich nun die Liga Comunista aufgrund einer ebensolchen Plattform des Verrats an der peruanischen Arbeiterklasse mit den Moreno-Anhängern vereinigt.
Diese verräterische Politik entlarvt in aller Schärfe die wirkliche Politik von Cliff Slaughter, dem abtrünnigen früheren Sekretär des IKVI. Slaughter ha sich zwar seit der Spaltung geweigert, seine politische Pläne offen zu legen. Aber die schmutzigen Manöver der Liga Comunista sind das direkte Ergebnis seiner internationalen Operationen. Nachdem er die anti-trotzkistischen Dokumente der Liga Comunista erhalten hatte, flog Slaughter übereilt nach Peru, um die Gelegenheit auszunutzen, seine Operationen gegen das Internationale Komitee voranzutreiben.
Die Liga Comunista schloss das verrottete Bündnis mit der Moreno-Gruppe, das nur ein Mittel zur Kapitulation vor der Volksfront ist, unter Slaughters Anleitung. Die in Lima eingeführte Linie erlaubt einen tieferen Einblick in die Politik, die Slaughter für die Liquidierung der trotzkistischen Bewegung in Großbritannien und international bereithält.
Was die Liga Comunista betrifft, so verfolgt sie weiterhin den Kurs des opportunistischen Liquidatorentums und der Kapitulation vor der nationalen Bourgeoisie, den sie schon unter der Führung Healys eingeschlagen hatte. Nachdem sie sich für eine kurze Zeit mit dem IK gegen die Healy-Banda-Slaughter-Renegaten verbündet hatte, kam die Führung der Liga Comunista schnell zum Schluss, dass sie sich auf der falschen Seite der Barrikaden befinde. Sie sprang zu den Positionen der Klassenzusammenarbeit zurück, mit denen schon Healy versucht hatte, das Internationale Komitee zu zerschlagen.
Schlussfolgerung
Die Krise, die im Oktober 1985 ausbrach, setzte eine Folge von Ereignissen in Gang, die unerbittlich zu einer unwiderruflichen Spaltung zwischen dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale und allen mit der Healy-Banda-Slaughter-Führung der Workers Revolutionary Party verbündeten Fraktionen führte. Die Umwälzung in der WRP fand eine Echo im Internationalen Komitee selbst, als drei Sektionen abtrünnig wurden. Im Verlauf von nur einem Jahr sind die wesentlichen Klassengrundlagen der Spaltung deutlich geworden.
Die grundlegende politische Bedeutung der Spaltung wird durch eine bemerkenswerte Tatsache enthüllt: Nicht eine der Gruppen, die mit dem IKVI brachen, haben den Vorwurf erhoben, das Internationale Komitee habe mit dem Trotzkismus gebrochen. Im Gegenteil: in der einen oder anderen Form greifen sie es an, weil es sich weigert, die Prinzipien aufzugeben, auf denen sich die trotzkistische Bewegung gründet. Healys Fraktion wirft dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale vor, es halte einen „reinen Sozialismus“hoch. Bei all seinen wütenden Angriffen gegen das IK, hat er noch nicht einen einzigen Artikel verfasst, der behauptet – oder gar beweist –, dass sich das Internationale Komitee von den grundlegenden Lehren Leo Trotzkis entfernt hätte.
Ebenso wenig hat Slaughters Fraktion das Internationale Komitee beschuldigt, den Trotzkismus zu verraten. Während der dritten Sitzungsperiode ihres berüchtigten Achten Kongresses verabschiedete die WRP eine Resolution, in der sie zugab, dass sie auf einer vollständig prinzipienlosen Grundlage vom Internationalen Komitee gespalten habe. Sie widerrief die „demagogischen Verleumdungen“ der ursprünglichen Spaltungsresolution, in der stand, die WRP „verwirft die Tradition des IKVI als antikommunistisch“. Sie gab zu, dass die Spaltung von jenen Kräften innerhalb der WRP provoziert worden sei, „die eine Diskussion über ihre eigene verrottete Politik fürchteten“.
Natürlich gab es an diesem Widerruf nichts Prinzipienhaftes. Er war nur ein weiteres fraktionelles Manöver mit dem Zweck – laut internen Dokumenten der WRP – ein Mittel zur Isolierung der Workers League und zur Spaltung des Internationalen Komitees zu finden. Der Widerruf beendete auch nicht, wie wir gesehen haben, die wöchentliche Zurückweisung trotzkistischer Prinzipien in den Seiten der Workers Press.
Die Slaughter-Fraktion der WRP hat, bis auf eine Ausnahme, keine Analyse der politischen Linien der IK-Sektionen durchgeführt, um die Spaltung zu Rechtfertigen. Sie haben weder versucht nachzuweisen, dass die Workers League in den Vereinigten Staaten, der BSA in der Bundesrepublik, die ICP in Großbritannien oder die SLL in Australien eine falsche politische Linie verfolgen, die dem Interesse der Arbeiterklasse in diesen Ländern widerspricht, noch haben sie eine alternative Linie vorgeschlagen.
Die Linie einer Sektion des Internationalen Komitees hat die WRP dagegen bewertet. In einer verspäteten Erklärung, in der das Zentralkomitee der WRP fast zwei Monate nach ihrer Verhaftung die Freilassung der in Sri Lanka eingesperrten Mitglieder der Revolutionary Communist League forderte, erklärte dieses:
Die Trotzkisten der RCL sind vor allem wegen ihrer Opposition gegen die der Klassenzusammenarbeit verpflichtete Führung der Arbeiterbewegung in Sri Lanka und wegen ihrem unbeugsamen Standpunkt zur Unterstützung des Rechts auf Selbstbestimmung der tamilischen Nation ständig Opfer einer wütenden Repression geworden. (Workers Press, 20. September, 1986) .
Eine erstaunliche Erklärung! Wenn es ein Land gibt, in dem der politische Charakter einer Partei, die behauptet, revolutionär zu sein, auf die Probe gestellt wird, dann ist es Sri Lanka, wo die Regierung einen Ausrottungskrieg gegen die tamilische Nation führt und alle, die ihr Recht auf Selbstbestimmung verteidigen, brutal verfolgt. Unter diesen Bedingungen führt das Internationale Komitee auf der Grundlage eines trotzkistischen Programms eine beispielhafte revolutionäre Arbeit durch. Die politische Linie der RCL ist direkte Ergebnis des Kampfs gegen den pablistischen Revisionismus, dessen konterrevolutionäre Rolle am Beispiel der Politik der LSSP (die von der WRP als „der Klassenzusammenarbeit verpflichtete Führung der Arbeiterbewegung in Sri Lanka“ bezeichnet wird) musterhaft zum Ausdruck kommt.
Das Programm der RCL war außerdem, wie das IKVI jetzt dokumentiert hat, in Opposition zu Healy, Banda und Slaughter ausgearbeitet worden. Diese hatten es den Trotzkisten in Sri Lanka zwischen 1972 und 1979 untersagt, das Recht der Tamilen auf Selbstbestimmung zu verteidigen.
Der Lobgesang der WRP auf die RCL ist der endgültige Beweis ihres eigenen nationalen Opportunismus. Wir fragen: Wenn die RCL eine revolutionäre Organisation ist, weshalb hat dann die WRP vom Internationalen Komitee gespalten? Trotzki hatte es so lange abgelehnt, von der Kommunistischen Internationale zu spalten, wie eine Möglichkeit bestand, dass eine Veränderung der Linie die Arbeiterklasse in Deutschland an die Macht bringen könnte. Er wartete sogar ab, ob in der Kommunistischen Internationale irgendeine Tendenz gegen den Verrat von 1933 rebellieren würde.
Die WRP führte dagegen eine Spaltung von ihrer internationalen Organisation durch, während eine ihrer Sektionen in einem Kampf auf Leben und Tod von welthistorischer Bedeutung stand. Jeder echte Revolutionär hätte den Kampf in Sri Lanka als Prüfstein der politischen Meinungsverschiedenheiten gesehen. Wäre das IKVI auf verrotteten Grundlagen aufgebaut worden oder zu einer entarteten Organisation geworden, wäre das unweigerlich in einem Land an der Schwelle einer revolutionären Krise am schärfsten zum Ausdruck gekommen. Die WRP wäre nicht nur verpflichtet gewesen, die Fehler des IKVI in Sri Lanka zu entlarven, sie hätte auch jede Spaltung vermieden, solange es eine Möglichkeit gegeben hätte, die Linie zu ändern und die Niederlage der Arbeiter und Bauern in einem halbkolonialen Land mit den ältesten trotzkistischen Traditionen zu verhindern.
Dass die WRP unter diesen Bedingungen spaltete – besonders nachdem sie nun zugibt, dass das IKVI eine revolutionäre Linie verfolgt – kommt einer Fahnenflucht vom Klassenkampf unter Feuer gleich.
Es ist zudem ein Ausdruck der übelsten Form des britischen Chauvinismus. Die WRP-Renegaten kümmern sich einen Dreck um das Schicksal der kolonialen Völker und bringen so die Arroganz der Mittelklasse und von privilegierten Teilen der Arbeiterbewegung zum Ausdruck, die sich im Abglanz des britischen Imperiums sonnen. Alle ihre fraktionellen Manöver gingen ausschließlich von nationalen Gesichtspunkten aus. Der wirkliche Grund, dass sie mit Sri Lanka nichts zu tun haben wollten, ist, dass das peinliche Fragen aufgeworfen hätte, die ihren Umgruppierungskurs in Großbritannien hätten stören können.
Wenn sich der Kampf, den das IKVI gegen den Pablismus führte, in Sri Lanka als Grundlage für die Entwicklung eines revolutionären Programms erwiesen hat, wie kann die WRP dann erklären, dass sie heute den Offenen Brief von 1953 und den Kampf gegen die Wiedervereinigung von 1961-63 zurückweist? Was wird aus Klein-Cyril Smith's Behauptung, der Begriff „Revisionist“ habe keine wissenschaftliche Bedeutung, wenn seine praktische Bedeutung an der Zahl der Leichen gemessen werden kann, die in Sri Lanka nach der von der LSSP unterstützten Niederschlagung des Bauernaufstands von 1971 und den zahlreichen Opfern des Tamilenkriegs in den blutverschmutzten Kelani-Fluss geworfen wurden? Während Smith schreibt, der Begriff „pablistisch“ sollte nicht mehr benutzt werden, tritt Colvin R. De Silva, der wichtigste Gegner von Cannons Offenem Brief und Architekt der späteren Wiedervereinigung, als nationaler Guru des singhalesischen Rassismus und ideologischer Ratgeber der srilankischen Bourgeoisie in Erscheinung.
Die Spaltung im IKVI war historisch notwendig und hat auf der Basis der grundlegendsten programmatischen Fragen stattgefunden. Seit der Spaltung hat das Internationale Komitee eine beständige theoretische Arbeit auf einem Niveau durchgeführt, wie es sie seit 1964 nicht mehr gab. Es hat das Internationale Komitee in ein echtes theoretisches Zentrum einer internationalen sozialistischen Organisation verwandelt und arbeitet geduldig daran, die programmatische und ideologische Einheit in der Weltbewegung wieder herzustellen. Es studiert sorgfältig die politischen Probleme, die in der Arbeit seiner nationalen Sektionen aufkommen, es arbeitet kollektiv daran, ihre Perspektiven zu entwickeln und ihnen die notwendige politische und organisatorische Unterstützung zu geben. Zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt können innerhalb des Internationalen Komitees die Prinzipien des Trotzkismus diskutiert, debattiert und entwickelt werden. Seine Resolutionen werden in jeder Parteizelle in gesamten Weltbewegung zum Studium und zur Diskussion vorgelegt.
Das Internationale Komitee schafft bewusst wieder jenen Typ der Weltorganisation, für dessen Aufbau Trotzki gekämpft hat. Eben weil sich das IKVI nun politisch auf die programmatischen Traditionen der Vierten Internationale gründet, blüht auch der demokratische Zentralismus. Die fraktionelle Falschheit, prinzipienlosen Manöver und Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten, die das Kennzeichen jeder zentristischen Organisation sind, werden in den dem Internationalen Komitee angeschlossenen Sektionen niemals wieder toleriert werden. Das Einzige, was uns unsere Gegner vorwerfen können, ist unsere Treue zum Banner des Trotzkismus – und zu dieser Anklage bekennen wir uns gerne schuldig.
