PDS unterstützt drastische Sparmaßnahmen

Inzwischen ist es wohl nur noch eine Formsache, wenn Mitte Februar der neue Landeshaushalt von Sachsen-Anhalt für das Jahr 1999 im Magdeburger Landtag beschlossen wird. Die PDS hat am vergangenen Wochenende auf ihrem Landesparteitag den Grundstein für ihre Zustimmung gelegt.

Die SPD-Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der PDS angewiesen, um für ihren Etatentwurf im Landtag eine Mehrheit zu bekommen - eine Unterstützung übrigens, welche die PDS zum fünften Mal in Folge geben wird.

Doch weder diese Treue zur SPD noch das Abstimmungsergebnis am Wochenende, als sich über 80% der Delegierten des PDS-Parteitages für eine Fortsetzung des sogenannten "Magdeburger Modells" aussprachen, können darüber hinwegtäuschen, daß die Spannungen innerhalb der PDS in den letzten Wochen kaum noch unter Kontrolle zu bekommen waren und die Partei zu bersten drohte.

In der Tat beschreitet die PDS in diesem Jahr neue Wege bei ihrer Zusammenarbeit mit der SPD-Regierung. Zwar hat inzwischen wohl jeder, der diese Partei beobachtet, erkannt, daß sie stets zu Beginn der Debatten ein medienwirksames Spektakel veranstaltet, um dann nach ein paar von der Regierung längst eingeplanten Korrekturen still ihr Einverständnis zu bekunden.

Doch diesmal hat die PDS gewisse Grenzen überschritten. Der neue Haushalt beinhaltet neben Streichungen bei der kommunalen Finanzausstattung und bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erstmalig einschneidende Kürzungen im Bereich der Kinderbetreuung, einer Bastion der PDS, die ihr stets dazu diente, ihren oppositionellen Charakter in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Folglich gab es zum ersten Mal Demonstrationen gegen den geplanten Sparhaushalt, die sich ausdrücklich auch gegen die PDS richteten.

Die Fraktionsvorsitzende Sitte hatte noch im Oktober letzten Jahres von "Grausamkeiten" gesprochen, denen die PDS auf keinen Fall zustimmen werde. Die Landesvorsitzende Hein hatte gesagt, der Entwurf sei nicht hinnehmbar, weil damit alle Kompromisse zwischen SPD und PDS zur Kinderbetreuung zunichte gemacht würden.

So sollen die Zuschüsse aus dem Landeshaushalt für Kinderkrippenplätze von bisher 514 DM auf 360 DM bis zum Jahr 2002 gesenkt werden, für Kindergärten entsprechend von 380 DM auf 270 DM und für einen Hortplatz von 118 DM auf 85 DM, also um fast ein Drittel der bisherigen Aufwendungen. Nach dem bisher geltenden Gesetz müßte das Land für die Kinderbetreuung im Jahr 2002 468 Millionen Mark bereitstellen, durch diesen Kompromiß wären es nur noch 307 Millionen Mark.

Hinter den genannten Zahlen verbergen sich laut Gewerkschaftsangaben massive Erhöhungen der Elternbeiträge für die Zukunft, Erhöhung der Kinderzahlen pro Gruppe, und damit auch pro Erzieher um bis zu 25%, Streichung von bis zu 3000 Erzieherstellen, Ersatz von ausgebildeten Erzieherinnen durch Praktikantinnen. Hinzu kommen ersatzlose Streichungen von gesetzlichen Vorgaben für Größe und Ausstattung von Kindertagesstätten.

Elternverbände, Studentenräte und Gewerkschaften riefen Mitte Januar zu einer Demonstration in Magdeburg auf, wo der PDS vorgeworfen wurde, daß sie dem Kompromiß in der geplanten Härte zugestimmt hätte, obwohl sie noch vier Wochen zuvor erklärt habe, daß Kürzungen in der Kinderbetreuung mit ihr nicht zu machen seien.

Eine Woche nach dieser Kundgebung kamen einige tausend Studenten und Dozenten auf einer Demonstration zusammen, um auf das Schicksal der Universitäten hinzuweisen, das sich aus den geplanten Kürzungen von etwa 65 Millionen DM im künftigen Haushalt ergeben wird. So werden Professorenstellen nicht neu besetzt, der Bibliotheksbereich wäre von Kürzungen betroffen, selbst die Versorgung der Gebäude mit Strom und Wärme würde gefährdet.

Der Vorsitzende des Studentenrates der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität, Roland Jesse, verlieh seiner Enttäuschung über die PDS in einem Interview mit der junge Welt Ausdruck: "Das ist ein harter Schlag. Gerade in die PDS hatten wir doch ganz große Hoffnungen gesetzt."

Diese wachsende Stimmung gegen die PDS innerhalb der Bevölkerung findet ihren Niederschlag in den Reihen der Partei selbst. Schließlich sind die zahlreichen PDS-Stadträte als kommunale Arbeitgeber für Beschäftigte in Kindereinrichtungen in der Zukunft damit konfrontiert, Kürzungen an der Basis durchzusetzen, die sie selbst mitbeschlossen haben. Ihre Hände in Unschuld zu waschen, sind sie nun aufgrund einer fehlenden Bonner CDU-Regierung nicht mehr in der Lage.

So gab es im Vorfeld des Magdeburger Parteitages auf einer offenen Mitgliederversammlung heftige Auseinandersetzungen um die Fortführung der Tolerierung der SPD. Das Magdeburger Modell sei "gescheitert", die Einigung zur Kinderbetreuung sei ein "fauler Kompromiß", die Niederlagen "werden immer dramatischer".

Angesichts dieser sehr verbreiteten, ablehnenden Haltung der Mitglieder der PDS zur Unterstützung der SPD-Regierung scheint es auf den ersten Blick verwunderlich, daß dennoch die übergroße Mehrheit der Parteitagsdelegierten der Fortsetzung des Magdeburger Modells ihren Segen gab. Die alte Gewohnheit zur Ja-Sagerei dürfte nur bedingt erklären, weshalb die PDS am Ende immer recht eindeutige Abstimungsergebnisse erzielt.

In Wirklichkeit hat sie dem Magdeburger Modell nichts entgegen zu setzen. Die PDS reagiert zwar sehr empfindlich auf jede Regung aus der Bevölkerung, betätigt sich aber wie alle anderen Staatsparteien auch als Organ des Staates gegenüber den Bürgern. Nie würde sie sich auf Proteste von unten stützen, um all den "Sachzwängen" ein Ende zu bereiten, die sie stets für ihre eigene Teilnahme an der Verteilungspolitik von unten nach oben anführt.

Nur von diesem Standpunkt aus erscheint ihre Behauptung plausibel, daß jeder Bruch mit der SPD zu einer CDU-SPD-Regierung führen würde, die dann "noch viel schlimmer" wäre. Das Ergebnis dieses Selbstverständnisses der PDS als "kleineres Übel" ist, daß nicht die PDS, wie sie so gern behauptet, von links Druck auf die SPD ausübt, sondern umgekehrt die SPD die PDS beliebig von rechts unter Druck setzen kann.

Siehe auch:
Die PDS in der Zerreißprobe
(20. Januar 1999)
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