Die irakische Opposition und die US- Pläne für einen "Regimewechsel" in Bagdad

Die Bush-Regierung behauptet, dass eine amerikanische Invasion im Irak und die Absetzung von Saddam Hussein einen Akt der Befreiung darstellen und das hart geprüfte irakische Volk in eine neue Periode des Friedens und der Demokratie führen werden. Derzeit entfalten amerikanische Vertreter eine hektische Aktivität in irakischen Exilkreisen, mit dem Ziel ein Ersatzregime zu formen.

Aber die Installation eines von den Vereinigten Staaten gestützten Regimes in Bagdad hätte nichts mit Demokratie zu tun. Der Bevölkerung des Irak würde auf gleiche Weise ein neuer Führer aufgezwungen wie derjenigen Afghanistans, wo Washington die langjährige CIA-Trumpfkarte Hamid Karzai aus dem Hut gezaubert und zum Präsidenten gemacht hat. Ebenso wie das jetzige Regime in Kabul bestände die neue Regierung in Bagdad aus sorgfältig verlesenem Personal. Vielleicht gäbe es sogar ein irakisches Pendant zu der inszenierten loya jirga (der in Kabul veranstalteten großen Stammesversammlung), um dem Verfahren einen Anschein von Legitimität zu verleihen.

Der Prozess ist in vollem Gange. Schlüsselfiguren und Hardliner in der Bush-Regierung, wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein Stellvertreter Paul Wolfowitz und der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Richard Perle, treten seit langem für die Bewaffnung irakischer Oppositionsgruppen zum Sturz Husseins ein. Bald nachdem Bush das Präsidentenamt übernommen hatte, wurden die Summen, die verschiedenen irakischen Oppositionellen zufließen, beträchtlich erhöht.

Der klare Favorit ist dabei der Irakische Nationalkongress (INC), der seit mehr als einem Jahrzehnt der Bezugspunkt für amerikanische Intrigen im Irak ist. Seine Operationsbasis sind zurzeit Büros in London, aber sein Vorsitzender Ahmad Chalabi, ein zwielichtiger Finanzier, der von einem jordanischen Gericht bereits wegen Betrugs im großen Stil verurteilt wurde, ist in Washington wohlbekannt und zählt Leute wie Richard Perle zu seinen langjährigen amerikanischen Freunden.

In den vergangenen Monaten haben die CIA, das amerikanische Außenministerium und andere Stellen die verschiedenen anderen irakischen Oppositionsgruppen eingeschüchtert, bestochen und umschmeichelt, um ihre Unterstützung für die Kriegspläne der Bush-Regierung zu gewinnen. Das Ziel besteht darin, eine geschlossene Front zu errichten, die - zumindest oberflächlich - eine klare und plausible Alternative zu Hussein anbieten kann. Die Vereinigten Staaten suchen ebenfalls nach geheimdienstlichen Informanten, Milizen und Stützpunkten im Irak selbst, die eine amerikanische Invasion mit planen und erleichtern können.

Im April traf sich die CIA mit zwei kurdischen Gruppen - der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) - um mit ihrer Erlaubnis Stützpunkte in zwei Städten im Nordirak aufbauen zu können. Nach einem Bericht, der in der britischen Tageszeitung Guardian erschienen ist, waren die beiden Gruppen misstrauisch, weil die CIA mit ihnen schon einmal ein falsches Spiel getrieben hatte. Der Norden des Iraks, der seit 1991 effektiv von den zwei kurdischen Milizen kontrolliert wird, ist im vergangenen Jahrzehnt eine Brutstätte amerikanischer Intrigen gewesen.

Im Juni veranstaltete das Außenministerium in Washington ein erstes offizielles Treffen mit dem schiitisch ausgerichteten Höchsten Rat für die Islamische Revolution im Irak (SCIRI). Der SCIRI ist nur eine von vielen Organisationen, der sich auf die mehrheitlich schiitische Bevölkerung des Iraks beruft, und unterhält Verbindungen zum Iran, wo sich auch ihr Führer Muhammad Bakir Hakim aufhält. Obwohl der SCIRI zunächst davor zurückschreckte, eine amerikanische Invasion im Irak offen zu unterstützen, scheint er sich nun Washingtons Anti-Hussein-Front angeschlossen zu haben.

Das bedeutendste Treffen fand am 10. August im Weißen Haus statt. Es brachte die sechs Gruppen, die im Mittelpunkt der amerikanischen Pläne für ein Regime nach Hussein stehen, mit höchsten Vertretern der Bush-Regierung zusammen. An diesem Spitzengespräch nahmen von amerikanischer Seite unter anderem Außenminister Powell, Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney teil. Das Treffen, das vom Außen- und Verteidigungsministerium sowie von der CIA und dem Nationalen Sicherheitsrat gemeinsam organisiert worden war, Gelobte, zusammen für einen "Freien Irak" arbeiten zu wollen.

Unter den Gruppen befanden sich Chalabis INC, die zwei kurdischen Gruppen und der SCIRI sowie zwei weitere Exilorganisationen - der Irakische Nationale Einklang (INA) und die Konstitutionelle Monarchiebewegung (CMM). Der INA ist eine undurchsichtige Gruppe von Abtrünnigen aus Husseins Baath Partei und dem irakischen Militär- und Sicherheitsapparat mit engen Kontakten zur CIA, dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6 wie auch dem saudischen Geheimdienst. Er unterhält Büros in London und dem Nahen Osten. Die CMM beabsichtigt, Thronfolger Sharif Ali Bin Al-Hussein im Irak als König zu inthronisieren.

Seit dem Treffen im Weißen Haus haben die Vorbereitungen an Fahrt gewonnen. Eine Woche später berichtete die Sunday Times, dass die Vereinigten Staaten den irakischen Oppositionsgruppen zusätzliche Gelder zur Verfügung stellen wollen, damit diese verdeckte Operationen im Irak durchführen können, um geheimdienstliche Informationen zu sammeln und mehr hochrangige Vertreter des Iraks zum Treuebruch zu ermutigen.

Das "Projekt Zukunft des Iraks" des amerikanischen Außenministeriums, das vom Guardian im Juli noch als eine kleine "unterfinanzierte und unterbesetzte" Abteilung beschrieben wurde, ist stark gewachsen und besteht inzwischen aus sechs Arbeitsgruppen, die in den Vereinigten Staaten und Großbritannien Treffen abhalten. In der vergangenen Woche berichteten die amerikanischen Medien, dass die Bush-Regierung die Zustimmung des Kongresses erbitten wolle, um 10.000 Mitglieder von irakischen Oppositionsgruppen militärisch auszubilden.

Nach dem Golfkrieg

Ein Blick auf die Ansammlung von abtrünnigen Militärs, dubiosen Geschäftsleuten, hochstrebenden Monarchisten, politischen Opportunisten und Verbrechern, aus denen die irakische Opposition besteht, lässt das korrupte Wesen des Regimes, das die Vereinigten Staaten in Bagdad installieren möchten, bereits klar hervortreten.

Alle von ihnen haben seit dem Krieg im Persischen Golf 1990-1991 in dem einen oder anderen Maße mit Washington kollaboriert und gemeinsame Sache gemacht. Einige stehen direkt auf Washingtons Gehaltsliste und waren an verschiedenen gescheiterten Intrigen und Verschwörungen zur Absetzung Husseins beteiligt. Andere, wie die schiitischen und kurdischen Gruppen, haben die Möglichkeiten genutzt, die sich nach dem Krieg eröffneten, um einen gewissen Grad an Autonomie durchzusetzen und mit den Vereinigten Staaten und verschiedenen regionalen Mächten zu manövrieren.

Weder die Vereinigten Staaten noch ihre irakische Klientel wollen eine Rebellion der Bevölkerung oder einen wirklichen Ausdruck von Demokratie, denn dies hätte einen zutiefst destabilisierenden Effekt auf den Irak und die gesamte Region. Im Februar 1991, inmitten des Golfkriegs, rief George Bush Senior zu einer Revolte gegen Hussein auf, machte aber sofort eine Kehrtwende, als sich die Schiiten im Süden und die Kurden im Norden erhoben. Das amerikanische Militär sah tatenlos zu, als Husseins Elitetruppen, die Republikanische Garde die Aufständischen niedermetzelten und Scharen von Flüchtlingen in Richtung der Grenzen strömten.

Washington hatte nicht die Absicht, irgendwelche Zugeständnisse an die kurdische Forderung nach Unabhängigkeit zu machen oder die Schiiten, die 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, bei ihrem Wunsch nach mehr Mitbestimmung in den politischen Angelegenheiten des Landes zu unterstützen. Die amerikanischen Verbündeten in der Region, die Türkei sowie der Iran und Syrien, reagierten äußerst empfindlich auf alles, was die kurdische Minderheit in ihren Ländern hätte stärken können. Was die Schiiten betrifft, so waren die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Saudi Arabien gegen jeden Schritt, der die Position des vorrangig schiitischen Iran in der Region aufwerten konnte.

Die Vereinigten Staaten nutzten mit britischer Unterstützung das Elend der Kurden und Schiiten aus, um unabhängig von den Vereinten Nationen "Flugverbotszonen" im Norden (ab April 1991) und Süden (ab August 1992) des Landes einzurichten. Die für irakisches Militär gesperrten Zonen spalteten das Land effektiv in drei Teile und gaben Washington den Vorwand, weiter mit Kampffliegern über dem Irak patrouillieren und militärische Ziele angreifen zu können.

Nachdem sie 1991 von einer Einnahme Bagdads abgesehen hatte, konzentrierte sich die Regierung von Bush Senior darauf, Hussein durch eine Palastrevolte oder einen Militärputsch abzusetzen. Washington spielte eine wesentlich Rolle bei der Gründung des Irakischen Nationalkongresses (INC) in Wien im Juni 1992. Der INC war sowohl eine Dachorganisation für Anti-Hussein-Gruppen wie auch eine Front für Geheimaktivitäten im Irak.

Der INC und die CIA richteten in Irbul eine Operationsbasis ein. Irbul befindet sich in der nördlichen Flugverbotszone, die die irakischen Gebiete oberhalb des 36. Breitengrads umfasst und in der einige, aber nicht alle der größeren kurdischen Städte liegen. Die zwei kurdischen Gruppen - die KDP und die PUK - hatten die militärische Verbotszone genutzt, um eine de facto autonome kurdische Region zu errichten. 1992 fanden Wahlen für eine kurdische Regionalregierung statt, deren Ergebnis zu einer instabilen Teilung der Macht zwischen dem KDP-Führer Massoud Barzani und seinem Gegenspieler von der PUK Jalal Talabani führte.

Trotz der bitteren Erfahrungen im Zuge der kurdischen und schiitischen Aufstände des vorausgegangenen Jahres schlossen sich die beiden kurdischen Gruppen - KDP und PUK - dem INC an. Die stalinistische Irakische Kommunistische Partei, die islamisch-fundamentalistische Al Daawa Partei und der Vorläufer des SCIRI, die Höchste Versammlung der Islamischen Revolution im Irak, traten ihm während einer Konferenz bei, die im Oktober 1992 im Nordirak stattfand.

Nach Schätzungen haben die Vereinigten Staaten 100 Millionen Dollar bereitgestellt, um die Aktivitäten der irakischen Oppositionsgruppen in den frühen 1990-er Jahren zu finanzieren - der größte Teil hiervon ist angeblich für Propaganda und Public Relations ausgegeben worden. Aber die Bemühungen der CIA, eine Revolte in Bagdad zu schüren, scheiterten schmählich. In den Jahren 1992 und 1993 wurde von Putschversuchen berichtet, aber sie endeten mit Verhaftungen, Hinrichtungen und einer weiteren Stärkung von Husseins Sicherheitsapparat.

Zudem begann die wackelige Allianz aus Oppositionsparteien, aus denen sich der INC zusammensetzte, schnell auseinander zu fallen. Die beiden kurdischen Gruppen gerieten in Konflikt über die Aufteilung der Gewinne aus lukrativen Schmuggeloperationen, die dazu dienten, die von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen gegen den Irak zu umgehen, und in enormen Maße zunahmen. LKWs mit Gütern aus der Türkei passierten täglich reihenweise die nördliche Flugverbotszone in Richtung Irak und kehrten beladen mit billigem Öl und Petroleumprodukten zurück. Die Route verlief durch das Territorium der KDP und Barzani weigerte sich, die hohen Zolleinnahmen mit seinen Rivalen von der PUK zu teilen.

1993 brachen Kämpfe zwischen den Gruppen aus, die zunehmend eskalierten. Jede Gruppe manövrierte und intrigierte gegen die andere und versuchte die Unterstützung regionaler Mächte - des Irans, der Türkei, Syriens, Jordaniens und Saudi Arabiens - zu erlangen. Der Konflikt destabilisierte den INC und führte dazu, dass andere Gruppen ihn verließen, darunter die schiitischen Organisationen und die Irakische Kommunistische Partei.

Gleichzeitig begann die CIA sich vermehrt auf ihre Aktivitäten im INA zu konzentrieren, der 1990 mit der Unterstützung des britischen MI6 und des saudischen Geheimdienstes gegründet worden war. Der INA, der seine Hauptaufgabe in der Errichtung eines geheimen Militärnetzwerkes in Bagdad sah, entsprach eher den Bedürfnissen der CIA als die ziemlich amorphe und zunehmend instabile Frontorganisation INC.

Die größte CIA-Operation fand wahrscheinlich im März 1995 statt und stützte sich auf den INC und den INA in Irbul und andere ihrer Mitarbeiter im von Hussein kontrollierten Irak. Soweit Details bekannt geworden sind, umfasste der Plan sowohl eine Militäroffensive im Norden wie auch einen Putschversuch in Bagdad. Die CIA konspirierte mit Elementen des INA und anderen Kontakten, um einen Staatsstreich in der Hauptstadt zu organisieren.

Parallel dazu gewann Chalabi das Einverständnis der kurdischen Milizen, die kurdischen Städte Kirkuk und Mosul zu erobern, die außerhalb der nördlichen Flugverbotszone liegen, nachdem er durchblicken ließ, dass die Vereinigten Staaten den Angreifern Deckung aus der Luft geben würden. Die KDP und die PUK waren besonders darauf erpicht, Kirkuk unter ihre Kontrolle zu bringen, da diese Stadt im Zentrum der ergiebigen Öl- und Gasfelder des Nordiraks liegt. Tausende schlecht ausgebildeter und unzureichend ausgestatteter Mitglieder des Milizen wurden ausgesandt, um die irakische Armee zu bekämpfen.

Die ganze Affäre - sowohl der Putschversuch in Bagdad als auch die Militäroffensive im Norden - scheiterten erbärmlich, was zu bitteren und anhaltenden Schuldzuweisungen auf allen Seiten führte. Mit der Unterstützung der amerikanischen und britischen Geheimdienste reorganisierte der INA 1996 seine Operationen und erhielt die Erlaubnis, Jordanien als Basis zu benutzen. Sein Netzwerk wurde allerdings vom irakischen Geheimdienst infiltriert, mit verheerenden Folgen. Im Juni 1996 wurden mehr als 100 Militäroffiziere mit Verbindungen zum INA festgenommen, und mindestens 30 von ihnen hingerichtet.

Im Nordirak verschlechterten sich die Dinge für die CIA und ihre irakischen Stützen zunehmend. Die blutigen Kämpfe zwischen KDP und PUK erreichten ihren Höhepunkt im August 1996. Barzani behauptete, dass sein Rivale vom iranischen Militär unterstützt würde, und lud das irakische Militär in die kurdischen Gebiete ein, um Irbul von der PUK zurückzuerobern. Die irakischen Sicherheitskräfte nahmen nicht nur die Stadt ein, sondern nutzten die Gelegenheit auch, um die irakische Opposition zu zerschlagen.

Das Ergebnis war ein komplettes Desaster für die CIA, den INC und den INA. Nach einer Schätzung wurden 200 Oppositionelle von der irakischen Armee hingerichtet und nicht weniger als 2.000 verhaftet. Weitere 650, hauptsächlich INC-Mitglieder mit ihren CIA-Betreuern, konnten fliehen und wurden in den Vereinigten Staaten aufgenommen. Als Dachorganisation war der INC nun vollständig auseinandergefallen. Und im Laufe eines Jahres hatte der INA sowohl sein Netzwerk in Bagdad als auch seine Operationsbasis im Nordirak verloren.

Das erniedrigende Debakel, dass die CIA und die irakischen Oppositionsgruppen 1996 im Nordirak erlitten, sollte Nachwirkungen in Washington haben. Der rechte Flügel der Republikaner hatte die Clinton-Regierung bereits unter Beschuss genommen, da sie ihrer Meinung nach die amerikanischen Interessen im Nahen Osten nicht aggressiv genug vertrat. Der Zusammenbruch der irakischen Opposition war nur ein weiterer Punkt in Clintons Sündenregister, und die rechte Kampagne im Kongress gipfelte schließlich 1998 in der Annahme des "Gesetzes zur Befreiung des Iraks" (Iraq Liberation Act). Der "Regimewechsel" im Irak wurde zum amerikanischen Gesetz erklärt - ein beispielloser Schritt - und Militärhilfe in Höhe von 97 Millionen Dollar wurde ausgewählten Oppositionsgruppen gewährt.

Unter denjenigen, die den Iraq Liberation Act unterstützten und später Clinton angriffen, weil er das Gesetz nicht vollständig umsetze, befanden sich die heutigen Hauptorganisatoren eines Kriegs gegen den Irak - Rumsfeld, Wolfowitz und Perle. Nachdem die Gesetzesvorlage das Parlament passiert hatte, schrieben Rumsfeld und Wolfowitz als Privatmänner an Clinton und forderten ihn auf, die Gelder für Operationen im Irak zu verwenden. 1998 erklärte Wolfowitz vor dem Kongress: "Der Kern des Problems besteht darin, dass die Vereinigten Staaten nicht willens oder fähig sind, eine ernsthafte Politik im Irak zu verfolgen."

Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2000 erklärte Perle in seiner Rolle als außenpolitischer Berater Bushs: "Gouverneur Bush hat gesagt, [...] dass er den Iraq Liberation Act vollständig umsetzen will. Wir wissen alle, was das bedeutet. Es bedeutet ernsthafte und dauerhafte Bemühungen, um die Opposition mit dem Ziel zu unterstützen, dass Saddams Regime gestürzt wird." Perle machte sich über die Clinton-Regierung lustig, weil sie der irakischen Opposition keine militärische Hilfe gewährt habe, und beschuldigte sie der "anhaltenden Heuchelei" wegen der Nichtumsetzung des Gesetzes.

Der Irak war Teil eines wesentlich umfassenderen Programms. Bushs Wahlkampf wurde zum Medium für jene Schichten der herrschenden Elite Amerikas, die entschlossen waren, das amerikanischer Militär zur Durchsetzung einer unangefochtenen globalen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten zu benutzen, vor allem in den strategisch wichtigen und ölreichen Regionen in Zentralasien und im Nahen Osten. Nachdem sie auf undemokratischen Wege an die Macht gelangt war, verfolgte die Bush-Regierung diese außenpolitischen Ziele mit Nachdruck.

Die Gelder, die nach dem Iraq Liberation Act zur Verfügung standen, flossen nun an die irakischen Oppositionellen. Die Terroranschläge vom 11. September auf das World Trade Center und das Pentagon wurden von Rumsfeld, Perle, Wolfowitz und anderen benutzt, um ihre lang gehegten Pläne für einen Regimewechsel im Irak voranzutreiben - unabhängig von der Frage, ob Saddam Hussein tatsächlich an den Anschlägen beteiligt war.

Der Hauptnutznießer der wieder einsetzenden Aktivitäten war der Irakische Nationalkongress (INC). Nach 1996 hatte er sich in London neu gegründet. Nach Angaben des amerikanischen Außenministeriums von Februar 2002 hat der INC über die Hälfte der 24 Millionen Dollar erhalten, die nach dem Iraq Liberation Act bereitgestellt wurden.

Zweifellos ist Chalabi für Perle, Rumsfeld und Co. der bevorzugte Ersatz für Hussein. Doch selbst innerhalb der Bush-Regierung ist man über diese Frage gespalten. Wie ein treuer Unterstützer Chalabis bemerkte, genießt dieser unter Vertretern der CIA und des Außenministeriums den Ruf eines "kleinen Opportunisten", der "seine Position im INC nutzt, um etwas aus sich zu machen".

Diese Beurteilung wird durch seine Verurteilung wegen Finanzbetrugs im Zuge des Zusammenbruchs der Petra Bank unterstützt. Chalabi floh 1989 aus Jordanien und obwohl er seine Unschuld beteuerte, kehrte er nicht zurück, um sich 1992 vor Gericht gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass er die Bank um 200 Millionen Dollar geschröpft habe. Kritiker des INC weisen auch darauf hin, dass die Gruppe über keine wirkliche Unterstützung im Irak verfügt.

Es ist bezeichnend, dass die offensichtlichen Defizite Chalabis und des INC ihre Unterstützer in der Bush-Regierung anscheinend nicht beunruhigen. In einem kürzlich in der australischen Fernsehsendung Four Corners ausgestrahlten Interview lobte Perle Chalabi in den höchsten Tönen und erklärte, dieser "reflektiert in großem Maße westliche Werte". Als Danielle Plekta von der American Heritage Foundation, eine von Perles Mitarbeiterinnen, in der gleichen Sendung nach Chalabis Verurteilung in Jordanien gefragt wurde, erklärte sie: "Das spielt absolut keine Rolle."

In den Augen von Hardlinern wie Perle werden Chalabis Schwächen durch seine Loyalität gegenüber amerikanischen Interessen mehr als wettgemacht. Er tritt seit langem für eine Militärinvasion der Vereinigten Staaten im Irak ein und unterstützt die Politik der Bush-Regierung im Rest des Nahen Ostens, auch ihren Beistand für den Staat Israel. Hinsichtlich einer der wichtigsten Fragen - wer kontrolliert das irakische Öl - hat Chalabi bereits seinen Standpunkt deutlich gemacht. Er sagte kürzlich gegenüber der Washington Post, dass er für die Gründung eines Konsortium unter amerikanischer Führung eintrete, um irakische Ölfelder zu erschließen. "Amerikanische Konzerne werden beim irakischen Öl eine große Rolle spielen," erklärte er.

Die abtrünnigen Militärs

Diejenigen in der CIA und dem Außenministerium, die Perle, Rumsfeld und Wolfowitz kritisch gegenüber stehen, sind keine grundsätzlichen Gegner einer amerikanischen Invasion im Irak. Aber sie halten es für eine überaus leichtfertige Vorstellung, dass die amerikanische Armee in Bagdad einmarschieren und eine Figur wie Chalabi installieren könne, ohne den Irak oder gar die gesamte Region ernsthaft zu erschüttern.

Bob Baer, ein ehemaliger CIA-Fachmann mit 20-jähriger Erfahrung im Nahen Osten, gab diesen Standpunkt wieder, als er in der Sendung Four Corners die "Neokonservativen" mit aller Schärfe angriff. "Was jeder in Washington weiß, ist, dass es keinen Plan für die Schlussphase gibt. Wer wird Saddam ersetzen? Sie haben nicht die geringste Ahnung... Muss man dort hineingehen und das Militär zerschlagen, was ein Vakuum im Irak hervorrufen würde? Niemand beschäftigt sich damit," wetterte er.

Kritiker von Bushs "Regimewechsel" befürchten, dass das Land schnell auseinanderfallen könnte, wenn die irakische Regierung komplett zerstört würde. Sie verweisen auf die Erfahrung von Bushs Vater, der 1991 kurz vor der Absetzung Husseins halt machte, als die Revolten der Kurden und Schiiten das Land zu zerbrechen drohten. Ihre Alternative besteht darin, den abtrünnigen Militärs eine größere Rolle zu geben und eine besiegte irakische Armee zu einem Schlüsselinstrument der amerikanischen Politik zu machen.

Es gibt keinen Mangel an Kandidaten, die für einen solchen Job geeignet wären. Neben den Überresten des Irakischen Nationalen Einklangs (INA) existieren diverse Cliquen von ehemaligen irakischen Armeekommandeuren, die alle in Kontakt mit der CIA und/oder anderen Geheimdiensten stehen.

Die Liste umfasst Brigadegeneral Najib Al-Salhi, Führer der Bewegung Freier Offiziere, der Stabschef der ersten Panzergrenadierdivision des fünften Korps der irakischen Armee war, bis er vor sieben Jahren überlief. Er lebt bei Washington, behauptet 30.000 Kämpfer mobilisieren zu können und erklärt seinen detaillierten Plan für einen dreiseitigen Angriff auf Bagdad jedem, der es hören möchte. Er wird wegen des Einsatzes von chemischen Waffen während des Iran-Irak-Kriegs in Dänemark als Kriegsverbrecher gesucht.

Eine andere Gruppe ehemaliger irakischer Offiziere, die sich Irakische Nationale Koalition nennt, war an der Organisation eines Londoner Treffens von 80 Exil-Militärs im Juli beteiligt. Unter anderem beschloss die Versammlung mit großer Geste, einen Militärrat einzurichten, der ein Regime für die Zeit nach Hussein vorbereitet. General Fawzi Al-Shamari, der der Irakischen Offiziersbewegung vorsteht, nahm an dem Treffen in London nicht teil, weil er, wie er in Four Corners erklärte, bereits vor zwei Jahren seinen eigenen Militärrat eingerichtet hat. Er gibt zu, während des Iran-Irak-Kriegs chemische Kampfstoffe gegen iranische Soldaten eingesetzt zu haben.

Das amerikanische Außenministerium hat versucht, auch General Nizar Khazraji, ein weiterer abtrünniger Militär und der ehemalige Stabschef der irakischen Armee, zu gewinnen. Er wurde im vergangenen Dezember zu einem Treffen irakischer Oppositioneller bei einem amerikanischen Thinktank, dem Middle East Institute, eingeladen. In Dänemark wird untersucht, welche Rolle er bei dem Einsatz von Senf- und Nervengas gegen die kurdische Bevölkerung in Halabja 1988 spielte, der zum Tod von 3.000 Menschen führte. Khazraji führte die Armee während der monatelangen Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im Jahre 1988, bei der nach Schätzungen 100.000 Menschen getötet wurden.

Welchen Zweck man sich von den Diensten solcher Gestalten wie Khazraji und Al-Salhi verspricht, ist allzu klar. Ihre erwiesenen militärischen Fähigkeiten können benutzt werden, um Widerstand zu zerschlagen, und gleichzeitig können ihre Kontakte zum Militär als Grundlage für einen Neuaufbau der Armee dienen, die ein Regime von Amerikas Gnaden stützen würde. So stellte Baer in Bezug auf General Al-Salhi schonungslos fest: "Er könnte zurückgehen und eine Militärregierung aufbauen, die an Saddams Stelle tritt, was die logischste Sache ist, wenn man wirklich daran interessiert ist, das Land zusammenzuhalten. Was man nicht im Irak einführen kann, ist Demokratie. Es wäre das totale Chaos."

Was die anderen irakischen Oppositionsgruppen betrifft, so betrachtet die Bush-Regierung sie als nützliche, wenn auch entbehrliche Hilfstruppen.

Weil sie bei einem Arrangement für die Zeit nach Hussein auf keinen Fall außen vor gelassen werden wollen, haben sich die beiden kurdischen Organisationen hinter eine amerikanischen Invasion gestellt. Die KDP und die PUK beendeten ihre brutalen Kämpfe der Jahre 1993-96 durch ein von Washington vermitteltes Abkommen, das den Nordirak in separate kurdische Lehen teilte. Die ehemals erbitterten Feinde sind zu dem Schluss gekommen, dass sie am Verhandlungstisch mehr Gehör finden, wenn sie sich zusammentun. Zu diesem Zweck haben sich Barzani und Talabani Anfang September getroffen und sich sowohl auf einen Plan für einen kurdische Autonomie geeinigt als auch beschlossen, das kurdische Regionalparlament einzuberufen.

KDP und PUK behaupten, dass sie gemeinsam mindestens 40.000 Kämpfer mobilisieren können. Aber die Vereinigten Staaten betrachten die kurdische Miliz mit gemischten Gefühlen. Während sie vielleicht eine Hilfe bei der Absetzung Husseins sein können, stellen die kurdischen Kämpfer doch eine Gefahr für jedes Regime dar, das Washington in Bagdad einsetzt, und zudem betrachten die Türkei, der Iran und Syrien jede kurdische Truppe mit tiefem Argwohn. Außerdem haben die Gruppen Ambitionen, ihren Einflussbereich bis nach Kirkuk und seine ertragreichen Öl- und Gasfelder auszudehnen - ein Ziel, das den Plänen der Vereinigten Staaten zuwiderläuft, die das irakische Öl von Bagdad aus kontrollieren wollen.

Washington hat - abgesehen von unmittelbar taktischen Erwägungen - noch weniger Grund, mit dem schiitischen SCIRI zusammenzuarbeiten, der nach Schätzungen über 5.000 bis 10.000 Kämpfer verfügt. Als sie bei Four Corners gefragt wurde, ob die Vereinigten Staaten "einen Führer verdauen können, der schiitisch und damit möglicherweise an Teheran orientiert" ist, fasste Danielle Pletka von der American Heritage Foundation die generelle Einstellung in Washington zu den verschiedenen schiitischen Organisationen zusammen. "Wollen wir, dass die Iraner einen maßgeblichen Einfluss ausüben?" fragte sie zurück und antwortete selbst: "Nein. Keine Frage. Wir wollen nicht, dass die Iraner einen maßgeblichen Einfluss ausüben. Im Gegenteil, wir wollen, dass der Irak das Vorbild für den Iran wird, und dann wollen wir diese Kerle loswerden."

Die letzte bedeutende irakische Oppositionsgruppe ist die Konstitutionelle Monarchie Bewegung, die eng mit der INC zusammenhängt. Der Anwärter auf den irakischen Königsthron Sharif Ali Bin Hussein mag Mut gefasst haben als Sahir Schah, der greise ehemalige Monarch Afghanistans, aus seiner italienischen Villa gezerrt wurde, um im Juni der Loya Jirga des Landes vorzusitzen. Aber Sharif Ali Bin Hussein verfügt sogar über noch weniger Legitimität als sein afghanisches Gegenstück.

Die irakische Monarchie ist eine Erfindung des britischen Imperialismus. Die Briten erfanden sie in den 1920-er Jahren als bevorzugte Herrschaftsmethode für das neue Mandatsgebiet, das ihnen vom Völkerbund übertragen worden war. Dem Haschemiten Amir Faisal wurde angeboten, zu Faisal I zu werden. Als er 1933 starb, übernahm sein Playboy-Sohn Ghazi den Job als König, starb aber bei einem Autounfall im Jahre 1939. Der dritte König, Faisal II, bestieg den Thron 1953 und wurde bei einem Militärputsch im Jahre 1958 getötet. Auf der Grundlage dieser kurzen und unrühmlichen Geschichte bietet sich Sharif Ali Bin Hussein, der beim Tod seines Onkel zwei Jahre alt war, als "einigende Kraft" für den Irak an.

Die World Socialist Web Site hält nichts von Saddam Hussein. Doch die irakischen Oppositionsgruppen, die die Gönnerschaft der Vereinigten Staaten suchen, repräsentieren die Interessen und Hoffnungen der irakischen Massen ebenso wenig wie das Regime, das sie ersetzen wollen. Ihr durch und durch korrupter Charakter ist der deutlichste Hinweis darauf, was für eine Art von "Regimewechsel" die Bush-Regierung im Sinne hat. Wie Karsai in Kabul wird jeder neue Amtsinhaber in Bagdad nichts weiter als eine neokoloniale Marionette sein und auf Gedeih und Verderb von der militärischen, finanziellen und politischen Unterstützung Washingtons abhängen.

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