Weniger Asylsuchende und verstärkte Abschiebungen

Die Folgen der rotgrünen Flüchtlingspolitik

Am 13. Juli präsentierte das Bundesinnenministerium die Asylbewerberstatistiken für das erste Halbjahr 2003. Danach haben in den ersten sechs Monaten diesen Jahres nur noch 26.452 Personen um Asyl in Deutschland nachgesucht. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2002 bedeutet dies einen Rückgang von 27 Prozent, und auch gegenüber dem 2. Halbjahr 2002 liegen die Zahlen um 24 Prozent niedriger.

Dabei war bereits im letzten Jahr die Zahl der Asylbewerber gegenüber den Vorjahren drastisch gefallen. Da auch die monatlichen Entwicklungen weiter einen Abwärtstrend anzeigen, dürfte für 2003 die Zahl der Asylsuchenden auf den niedrigsten Stand seit 1985 fallen.

Die Quote der als politisch verfolgt anerkannten Asylbewerber hielt sich dagegen auf dem eklatant niedrigen Niveau des Vorjahres. Insgesamt 48.045 Asylentscheidungen wurden vom Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge getroffen. Nur bei etwa 2.000 Flüchtlingen wurde der Asylantrag als berechtigt angesehen oder ein befristeter Abschiebeschutz aus politischen oder humanitären Gründen gewährt. Die Anerkennungsquote beläuft sich damit auf 4,2 Prozent

Noch 2001 hatte knapp ein Viertel der Flüchtlinge in Deutschland zumindest vorübergehenden Schutz erhalten und Mitte der 80er-Jahre waren bei annähernd gleichen Zahlen von Asylanträgen wie heute bis zu 30 Prozent der Antragsteller als voll asylberechtigt anerkannt worden.

Diese erschreckende Entwicklung, die von der rot-grünen Bundesregierung als Erfolg gefeiert wird, ist eine direkte Folge ihrer Politik der Flüchtlingsabwehr. Die rot-grüne Koalition hat die menschenverachtende Politik ihrer konservativen Vorgänger noch verschärft und in nur fünf Jahren die Zahl der Asylsuchenden um fast zwei Drittel gedrückt. Die Beibehaltung der restriktivsten Drittstaatenregelung Europas, das Konzept der "sicheren Herkunftsländer", die Ausklammerung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Asylverfahren und die Durchsetzung heimatnaher Unterbringung von Flüchtlingen haben es den schutzbedürftigen Menschen mehr und mehr unmöglich gemacht, in Deutschland überhaupt in das Asylverfahren zu gelangen. Wenn es ihnen dennoch gelingt, erwarten die Flüchtlinge dann weitere Abschreckungsmechanismen, wie das rechtlich mehr als zweifelhafte Flughafenschnellverfahren und eine Festlegung von sozialen Leistungen, die 30 Prozent unter dem Sozialhilfesatz liegen, bei gleichzeitigem Verbot jeglicher Arbeitsaufnahme.

Dass die dramatischen Rückgänge der Asylbewerberzahlen und der Anerkennungsquoten der Asylgesuche tatsächlich nichts mit einer weltweit verbesserten Sicherheitslage zu tun haben, macht ein Blick auf die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge deutlich. Hier finden sich Staaten wie die Türkei, China und der Iran, die immer wieder auch von der Bundesregierung pro forma für ihre Verstöße gegen die Menschenrechte und die Anwendung von Folter gerügt werden.

Und auch wenn die Türkei mittlerweile den Irak als Hauptherkunftsland abgelöst hat, kommen immer noch fast 12 Prozent der Asylsuchenden aus dem Land am Persischen Golf, dessen Bevölkerung unter dem brutalen Regime der amerikanischen und britischen Besatzungstruppen leidet. Die Versorgungslage der Bevölkerung hat sich seit Kriegsbeginn katastrophal verschlechtert und die Besatzungsarmeen greifen mit dem an Härte zunehmenden Guerillakrieg, mit dem sich die Bevölkerung gegen die Okkupation wehrt, immer häufiger zum Mittel willkürlicher Verhaftungen. Amnesty International hat inzwischen schwere Fälle von Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Folter durch die US-amerikanischen und britischen Besatzungsmächte dokumentiert.

Überhaupt ist es auffällig, dass nahezu jeder vierte Flüchtling aus den Ländern stammt, die in den letzten Jahren von der NATO bzw. wechselnden Koalitionen unter der Federführung der USA mit Krieg überzogen wurden: Neben dem Irak sind hier vor allem noch Serbien und Montenegro und Afghanistan zu nennen. In der offiziellen Rhetorik als Kriege zur Befreiung von diktatorischen Regimen und zur Herstellung von "Demokratie" und "Freiheit" angepriesen, sprechen die anhaltenden Flüchtlingszahlen aus genau diesen Ländern eine andere Sprache: Ein Unterdrückungsregime wurde durch ein anderes abgelöst. Hinzu kommt ein mit den Kriegen verbundener dramatischer ökonomischer Niedergang. In der dadurch entstehenden desolaten sozialen Lage werden Minderheiten schnell zu Sündenböcken auserkoren und zu Zielen von Diskriminierungen und gewaltsamen Übergriffen.

Beispielhaft sind hier die Roma in Serbien und Montenegro zu nennen. Ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes stellte dazu im letzten Jahr fest: "Die Lage der Minderheiten in der BRJ [Bundesrepublik Jugoslawien, mittlerweile Serbien und Montenegro] entspricht... bislang nicht den internationalen Standards." Trotzdem liegen die Anerkennungsquoten für Flüchtlinge aus Serbien und Montenegro bei gerade einmal 0,1 Prozent. Und obwohl es in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien bereits Hunderttausende von Binnenflüchtlingen gibt und weitere Rückkehrer zu einem Leben in Armut und Not verurteilt sind, hat die Bundesregierung im November 2002 ein Rücknahmeabkommen mit dem damaligen Jugoslawien geschlossen, wodurch bis auf wenige Ausnahmen alle Flüchtlinge zur Rückkehr gezwungen werden.

Abschiebungspolitik wird weiter forciert

Wohin die Abschiebungen führen, machte ein Bericht der Frankfurter Rundschau vom 23. Juni diesen Jahres deutlich. Die Roma-Familie Vasdet, die zwölf Jahre im niedersächsischen Syke lebte, wurde nachts von der Polizei abgeholt und nach Belgrad abgeschoben. Dort leben sie mit Tausenden anderen Flüchtlingen in der illegalen Elendssiedlung Deponia. Dominiert von Karton- und Wellblechhütten sind in der Elendssiedlung weder befestigte Wege noch Wasser- und Stromversorgung vorhanden. Da es keine Arbeit gibt, werden die Müllcontainer Belgrads nach Flaschen, Brot und Papier durchsucht. Die Kinder werden zum Betteln in die Straßen der serbischen Metropole geschickt.

Die Grünenpolitikerin Claudia Roth, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, die sich bei einem Besuch in Belgrad ein Bild von der Lage der abgeschobenen Flüchtlinge machte, hielt eine Weiterführung der Rückkehrpolitik für humanitär nicht verantwortlich und politisch nicht vertretbar. Doch diese heuchlerischen Worte waren eher für die sie begleitenden Pressevertreter bestimmt als für die eigene Regierungskoalition, denn die hält an der menschenverachtenden Abschiebungspolitik auch in Krisengebiete ungehindert fest.

Von den Innenministern des Bundes und der Länder angestachelt greifen die deutschen Behörden dabei immer mehr zu willkürlichen und illegalen Maßnahmen, um die Abschiebungen durchzuführen.

Am 26. Juni scheiterte eine Abschiebung von 64 Flüchtlingen von Düsseldorf in den Kosovo. Angehörige von Minderheitengruppen wie Roma, Ashkali oder Ägypter dürfen entweder gar nicht oder erst nach Einzelfallprüfung durch die UN-Interimsverwaltung im Kosovo (UNMIK) abgeschoben werden. Dazu wird der UNMIK vor jeder Abschiebung eine detaillierte Liste der abzuschiebenden Flüchtlinge übermittelt. Und genau diese Liste fehlte am 26. Juni, offensichtlich weil die Behörden versuchten, Angehörige von Minderheitengruppen illegal abzuschieben.

Als das Flugzeug Richtung Kosovo startete, verweigerte die UNMIK die Landeerlaubnis. Kurzerhand wurde der Flug nach Podgorica in Montenegro umgeleitet, um die Abzuschiebenden per Bussen auf dem Landweg in den Kosovo zu bringen. Da die UNMIK auch dieses Vorgehen ablehnte, flogen die Flüchtlinge schließlich wieder unverrichteter Dinge nach Düsseldorf zurück. Die Flüchtlinge mussten während der ganzen Prozedur fast zehn Stunden bei brütender Hitze in einem Flugzeughangar, dessen Fenster und Türen fest verschlossen waren, ausharren. Während der ganzen Zeit wurde ihnen jegliche Nahrung verweigert.

Der Kosovo-Koordinator des UNHCR, Karsten Lüthke, erklärte im Zuge dieses Vorfalls, dass die Bundesregierung immer wieder Flüchtlinge in den Kosovo abschiebe, die überhaupt nicht von dort stammen.

Ebenfalls bereits im Juni wurde aus dem westfälischen Soest eine Mutter mit ihren sieben Kindern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Türkei abgeschoben. Im Morgengrauen wurde bei der Familie die Wohnungstür aufgebrochen und die acht Personen wurden per Flugzeug nach Istanbul verfrachtet, ohne dass ihnen Kontakt mit einem Anwalt oder ein notdürftiges Kofferpacken gestattet wurde.

Doch die Abschiebung verstößt nicht nur wegen der Verweigerung rechtlichen Gehörs gegen geltendes Recht. Die Mutter und ihre Kinder wurden in die Türkei abgeschoben, obwohl sie kurdische Libanesen sind, die vor Jahren vor den Bürgerkriegswirren aus dem Libanon geflohen sind. Die Behauptung der Behörden, dass es sich bei der Familie um Türken handelt, ist rein willkürlich und dient nur dem Zweck, die Abschiebung unerwünschter Flüchtlinge zu vollstrecken.

Hinzu kommt, dass gegen nationales und internationales Recht die Familie auseinandergerissen wurde, da der Familienvater von der Abschiebung ausgenommen wurde. Die Behörden erklärten dazu, das der Vater sich selbst um Familienzusammenführung bemühen könne, indem er in die Türkei nachreise.

Im Zuge einer gescheiterten Abschiebung des Kongolesen Raphael Botoba am 15. Juli wurde zudem bekannt, dass trotz der eskalierenden Gewalt im Kongo und der Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention weiterhin Flüchtlinge in den zentralafrikanischen Staat deportiert werden. Ein Abschiebestopp in den Kongo wird von der Bundesregierung nach Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper zurzeit nicht erwogen.

Nach der verqueren Logik der Bundesregierung führt eine militärische Intervention durch die imperialistischen Staaten automatisch zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage. Durchexerziert wurde dies bisher in Ex-Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak, wo nach Militärinterventionen jeweils die Anerkennungsquoten von Asylsuchenden so rapide sanken wie die Abschiebungen forciert wurden. Im Kongo wird es nicht anders sein.

Dabei verzichtet die Regierung sogar darauf, die Doppelzüngigkeit ihrer Argumentation zu kaschieren. Während ihre Beteiligung an einer militärischen Intervention mit der zunehmenden Gewalt im Kongo legitimiert wird, werden Abschiebungen gnadenlos durchgesetzt mit dem Hinweis, dass es in der Hauptstadt relativ sicher sei. Dabei weisen die kongolesischen Kirchen und internationale Menschenrechtsorganisationen nach Informationen des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein schon seit Wochen darauf hin, dass für zurückkehrende Personen "ein ungefährdetes Überleben kaum möglich sei".

Die immer rücksichtslosere Durchsetzung der Abschiebungen richtet sich aber nicht nur gegen die betroffenen Flüchtlinge selbst. Die Bundesregierung setzt mit ihrer ausländerfeindlichen Politik auch gegenüber potenziellen Flüchtlingen ein deutliches Zeichen, was sie in Deutschland zu erwarten haben. Schutz vor Verfolgung, das machen die drastisch gesunkenen Asylbewerberzahlen deutlich, jedenfalls immer weniger, statt dessen ein Leben unter vergleichsweise erbärmlichen sozialen Bedingungen, mit stark eingeschränkten Rechten und unter ständiger Angst der Abschiebung in ein Land mit noch unerträglicheren Zuständen.

Siehe auch:
Innenminister drängen auf rasche Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Irak Afghanistan und Kosovo
(21. Mai 2003)
Zahl der Asylsuchenden und anerkannten Asylbewerber auf niedrigstem Stand seit 1987
( 15. Januar 2003)
Innenministerkonferenz beschließt verstärkte Ausweisungen und Abschiebungen von Roma und anderen Minderheiten nach Kosovo
( 13. Juni 2002)
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