Canberra reagiert teilnahmslos auf Naturkatastrophe auf Pazifikinseln

Die erste direkte Nachricht über das Schicksal der vier entfernt gelegenen südpazifischen Inseln, die kurz vor Jahresende durch einen schweren Tropensturm verwüstet wurden, kam nicht von den Regierungen der Salomonen, Vanuatus, Australiens oder Neuseelands, sondern von einem Journalisten, der am 3. Januar auf der Insel Tikopia landete.

Geoff Mackley, der schon die ersten Bilder von den Zerstörungen geliefert hatte, die der Zyklon Zoe angerichtet hatte, fand heraus, dass alle 1.300 Einwohner von Tikopia überlebten, weil sie in Berghöhlen Schutz gefunden hatten. Häuser, Ernten und Obstbäume waren dagegen vernichtet und der Süßwassersee der Insel versalzen worden, so dass die Einwohner den Saft junger Kokosnüsse trinken mussten.

Mackley kam von Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu, und flog einen von der Zeitung Australian gecharterten Hubschrauber. "Alle Bäume sind abgeknickt worden - da ist nur noch nackte Erde. Zehn Meter hohe Wellen kamen hier durch, so dass das Dorf vollkommen zerstört wurde", erklärte er der Zeitung. Er warnte, der Mangel an sanitären Einrichtungen könne zu Krankheiten führen.

Das Schicksal der Einwohnern der drei Nachbarinseln - Anuta und Fataka, die wie Tikopia zu den Salomonen gehören, und Mota Lava, das zu Vanuatu gehört - ist nach wie vor ungewiss. Keine der entfernten Inseln verfügt über einen Landeplatz oder Funkkontakt.

In einer Zuschaustellung schockierender Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben von mehreren Tausend Menschen weigerten sich die beiden wichtigsten Staaten der Region - Australien und Neuseeland - den Inseln schnelle Hilfe zu leisten. Die ersten Lieferungen von Hilfsgütern und medizinisches Personal sollten erst eine Woche nach dem verheerenden Zyklon in Tikopia ankommen, an Bord eines von Australien finanzierten Patrouillenbootes der Salomoneninseln. Ein französischer Marinehelikopter wurde am 3. Januar nach Mota Lava geschickt.

Seitdem Zyklon Zoe, ein Tropensturm der Kategorie fünf und einer der größten, der je registriert wurde, das Gebiet am 29. Dezember heimgesucht hatte, wurde für die Insulaner das Schlimmste befürchtet. Winde bis zu 350 Stundenkilometer und über zehn Meter hohe Wellen schlugen zwei Tage lang über die Inseln und zerstörten Gebäude, entwurzelten Bäume und kontaminierten die lebenswichtigen Trinkwasserreservoirs.

Jeff Callaghan, ein erfahrener Meteorologe im australischen Zyklon-Warnzentrum, sagte dazu: "Es ist der schlimmstmögliche Zyklon. Eine Kategorie fünf kann Gebäude dem Erdboden gleichmachen. Man kann sicher sein, dass es sehr schwere Schäden gibt." Er sagte, sein Zentrum habe das australische Außenministerium und die Regierung der Salomonen über die bedrohliche Lage am letzten Wochenende informiert.

Aber tagelang ergriff keine der Regierungen Maßnahmen, obwohl keine Kommunikation mit den Einwohnern der Inseln zustande kam. Der australische Außenminister Alexander Downer versuchte, diese Reaktion zu rechtfertigen, indem er auf logistische Schwierigkeiten hinwies. Der freie Journalist Mackley erreichte Tikopia jedoch am Mittwoch von der Hauptstadt der Salomonen, Honiara aus, indem er ein kleines, einmotoriges Flugzeug charterte.

Mackley konnte nicht landen, berichtete jedoch von "einem Bild der völligen Verwüstung". "Die Insel Tikopia war im Auge des Zyklons Zoe, als er seine höchste Gewalt erreicht hatte. Die Insel ist vollkommen ihrer Vegetation beraubt, fast jedes Gebäude wurde beschädigt, einige wenige stehen noch, während andere zu Kleinholz gemacht wurden, und das Meer ist mitten durch einige Dörfer geflossen und hat sich in den See ergossen, der das einzige Wasserreservoir der Insel bildet."

Aber die australische Regierung und ihr Hilfspersonal taten nichts. Gestützt auf Berichte eines späteren Überflugs durch eine Herkules-Maschine der Armee erklärte Außenminister Downer, dass der Schaden und mögliche Todesopfer nicht so schlimm seien, wie ursprünglich befürchtet. Wie er zugab, war er alles andere als sicher: "Vom Flugzeug aus, das in 500 Meter Höhe flog, schien es nicht so, als wären Menschen verletzt oder gäbe es Todesopfer, aber natürlich wäre es dennoch möglich. Wir sind nur nicht sicher," sagte er.

Keine Hilfsgüter aus der Luft

Die aus der Luft gewonnenen Erkenntnisse über Tikopia waren im besten Fall unklar. Die Situation auf den andern Inseln blieb unbekannt. Dennoch entschied sich die australische Regierung gegen den Abwurf von Hilfsgütern und Funkanlagen aus der Luft auf die Inseln. Alan March, stellvertretender Direktor der Hilfsorganisation AusAid, verteidigte die Entscheidung mit den Worten: "Was die Sachlage angeht: Wie wir gesehen haben, gibt es - obgleich aus 500 Metern Höhe - keine Hinweise auf Verletzte oder Tote." Er sagte, einige Insulaner hätten dem Flugzeug zugewunken, einige hätten geangelt und es habe "keine Anzeichen von Hilferufen" gegeben.

Stattdessen entschieden die australische und die neuseeländische Regierung, ihre Hilfe auf die Zahlung von Hilfsgütern zu beschränken, die per Schiff von Honiara transportiert werden sollten - das zwei Tage von den sturmverwüsteten Inseln entfernt liegt. Das Patrouillenboot der Salomonen startete am 3. Januar, nachdem die Streitfrage über die Bezahlung der begleitenden Polizeitruppe geklärt war, und ein weiteres Schiff, die Isabella, sollte am 5. Januar in See stechen. Die Hilfsaktion wird die australische Regierung etwa 40.000 Euro kosten, und Neuseeland hat sich zu einer ähnlichen Summe verpflichtet.

Die Entscheidung löste sofort Kritik aus. Sinclair Dinnin, ein Experte für die Salomonen an der Australischen Nationaluniversität, sagte, Australien habe seine humanitäre Verantwortung missachtet. "Nicht nur ich bin überrascht über die extrem zurückhaltende Reaktion auf eine Situation, die nach einer sehr schweren humanitären Krise aussieht. Es scheint ziemlich unglaublich, dass man nur versucht hat, die Lage von der Luft aus zu erkunden, während man doch annehmen müsste, dass es möglich sei, Leute auf der Insel abzusetzen, um die Lage zu erkunden."

Eine andere Akademikerin, Judith Macdonald, die auf Tikopia gelebt hatte, verurteilte die Entschuldigung der australischen Regierung als "blanken Unsinn". Die Luftaufnahmen, die veröffentlicht wurden, zeigten, wie sie sagte, dass mindestens 15 Dörfer zerstört seien. "Die Bilder scheinen diese wundervolle lange Sandküste zu zeigen - aber das ist keine Sandküste, das ist der absolute Ruin. Alles ist vernichtet, und das Land muss von Salz durchdrungen sein. Die Frischwasserfische im See sind sicherlich vom Salzwasser zerstört," sagte sie.

Dr. Hermann Oberli, der das medizinische Team an Bord des Patrouillenbootes der Salomoneninseln leitet, erklärte den Medien, dass "schwer verletzte Menschen nicht überleben können, sie werden wahrscheinlich inzwischen schon tot sein". Oberli sagte, es gebe nur eine einzige Klinik auf Tikopia, "die schon vor der Katastrophe nicht gerade in gutem Zustand war". Er sagte, seine erste Priorität werde es sein, die Verletzten zu untersuchen und zu behandeln, dann werde er Präventivmaßnahmen gegen den Ausbruch von Seuchen ergreifen.

Es scheint jetzt, dass die Bewohner von Tikopia den Sturm überlebt haben. Aber die Sache hätte auch ganz anders ausgehen können, und das könnte auf den übrigen Inseln auch der Fall sein. 1956 tötete ein schwerer Zyklon 200 Menschen auf Tikopia. Die Bewohner von Tikopia, die mit dem Journalisten Mackley sprachen, kritisierten die australischen Behörden, weil diese so taten, als sei ihr Leben schon zur Normalität zurückgekehrt. Sie waren außer sich, als die Herkulesmaschine der Armee am Mittwoch nur über die Insel geflogen war, ohne Lebensmittel und Trinkwasser abzuwerfen.

Nach der Kritik an Canberras Reaktion versuchten die australischen Medien, der Regierung der Salomonen die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil sie zu spät Hilfe angefordert hätte. Aber die Salomonen sind eine kleine verarmte Nation mit einer Bevölkerung von 450.000. Sie werden schon seit vier Jahren durch vernichtende Kämpfe und politische Instabilität erschüttert. Ihre Wirtschaft ist dem Zusammenbruch nahe. Die Regierung, die praktisch bankrott ist, hängt von einer geringen Summe finanzieller Hilfe aus Australien und Neuseeland ab.

Die Tatsache, dass die Funkstation von Tikopia seit November außer Betrieb und das Krankenhaus der Insel "nicht in gutem Zustand" ist, ist typisch für die Infrastruktur des Landes. Die Regierung konnte es sich nicht leisten, für das Benzin und die Crew des Patrouillenbootes zu zahlen, um zu den vom Zyklon verwüsteten Inseln hinzufahren. Ihr Rettungsdienst existiert praktisch nicht.

Der Direktor für den Katastrophenrat der Salomonen, Loti Yates, vernahm durch einen lokalen Radiosender, dass sich der Zyklon Zoe dem Land nähere. Seit 1999 hat er diesen Rat aus eigener Tasche finanziert und benutzt lokale Internetcafés, um Kontakt mit dem regionalen Katastrophenschutz aufrechtzuerhalten. "Wir haben kein Telefon oder andere Kommunikationsmittel, wir sind von allem abgeschnitten," sagte er.

Es ist absurd, die Hauptverantwortung für die langsame und unangemessene Reaktion der Regierung der Salomoneninseln anzulasten. Die australische und die neuseeländische Regierung verfügen über die nötigen finanziellen und materiellen Mittel, weigern sich aber, diese einzusetzen. Das Ausmaß der Hilfe - etwa 100.000 Euro - die den Opfern des Zyklons angeboten wurde, ist verschwindend klein. Zum Vergleich hat Australien 1997 Militärflugzeuge und ein Kriegsschiff aufgeboten und schätzungsweise sechs Millionen Euro ausgegeben, um den britischen Weltumsegler Tony Bullimore aufzuspüren und zu retten, als sein Schiff im südlichen Ozean kenterte.

Die empörende Gleichgültigkeit dem Schicksal der sturmgebeutelten Insulaner gegenüber widerspiegelt die Haltung, die offizielle Kreise in Canberra und Wellington der gesamten Region entgegenbringen. Diese zwei Länder haben auf die wachsende wirtschaftliche und politische Instabilität reagiert, indem sie ihre Interessen in Osttimor, auf Fidschi, den Salomonen, Papua Neu Guinea und anderswo mittels diplomatischer, wirtschaftlicher und notfalls auch militärischer Maßnahmen durchsetzten. Dabei nahmen sie keinerlei Rücksicht auf den tagtäglichen Kampf ums Dasein der einfachen Arbeiter und Bauern.

Siehe auch:
Weshalb Australien die Flüchtlinge auf der Tampa aufnehmen muss
(1. September 2001)
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