Imperialistische Diplomatie: Irak und US-Außenpolitik

Teil drei: Die irakische Baath-Partei von ihren Anfängen bis zur Übernahme der politischen Macht

Dies ist der dritte Teil einer neunteiligen Artikelserie, die die Geschichte des Irak und seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten untersucht. Der erste Artikel, der am 10. April veröffentlicht wurde, erörterte die gesellschaftlichen Beziehungen des Landes und seine Geschichte bis in die 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der zweite Teil, veröffentlicht am 13. April, beschäftigte sich mit der Geschichte des Irak nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hintergrund der Ära des Kalten Kriegs. Dieser Artikel untersucht die Geschichte der Baath-Partei und ihre Herrschaft in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Die Ursprünge der Baath-Partei

Die Baath- ("Wiedergeburts-") Partei, die schließlich in den 60er Jahren an die Macht kam, war selbst das Produkt einer langen historischen Entwicklung. Sie wurde in den späten 30er Jahren aus der Vereinigung einiger kleinerer Gruppen unter der ideologischen Führung von Michel Aflaq gebildet. Ursprünglich genoss sie hauptsächlich in Syrien Einfluss, breitete sich dann aber allmählich in andere arabische Länder aus, darunter Ägypten, Jemen und Irak.

Die ideologische Entwicklung Aflaqs ist bezeichnend und spiegelt zweifellos die politische Entwicklung vieler junger Araber während der 30er und 40er Jahre wieder. Aflaq wurde in Frankreich ausgebildet, wo er in den späten 20er Jahren die Ideen von Marx und Lenin kennen lernte. In einem Bericht von 1944, den Aflaq und ein weiterer früher Führer der Partei, Salah al Din Bitar, geschrieben hatten, heißt es: "Wir kamen über den Weg der Ideen und der Wissenschaft zum Sozialismus und sahen uns einer neuen, meisterhaften und faszinierenden Erklärung sämtlicher politischer und sozialer Probleme gegenüber, welche die Welt im Allgemeinen quälen und unter denen wir Araber ganz besonders leiden."

Die Verrätereien des Stalinismus und der Französischen Kommunistischen Partei in den 30er Jahren sorgten jedoch dafür, dass sie sich von der KP abwandten. Das war die Periode der Volksfront in Frankreich, als die französische KP aktiv die bürgerliche Koalitionsregierung des Premierministers Leon Blum von der Sozialistischen Partei unterstützte. Sie bedeutete in der Praxis, dass die KP die Bewegungen der Arbeiterklasse in den von Frankreich beherrschten Regionen - einschließlich Syriens - den außenpolitischen Interessen des französischen Imperialismus unterordnete.

Aflar und Bitar führen die wachsenden Anzeichen der "Verwandlung der Sowjetunion in einen nationalistischen Staat" und seine "Abkehr vom internationalen Kommunismus" als Gründe dafür an, dass sie versuchten, eine neue Bewegung aufzubauen.

Die Bewegung, die sie gründeten und die nach 1952 den Namen Arabische Sozialistische Baath-Partei trug, bot keine wirkliche Alternative zur KP und zu den bürgerlich nationalistischen Parteien der Region. Sie war von Anfang an eine in sich widersprüchliche Organisation, die Appelle an die sozialistischen Bestrebungen breiter Schichten der Bevölkerung mit einer pan-arabischen Ideologie kombinierte, die leugnete, dass es einen grundlegenden Konflikt zwischen den Interessen der arabischen Bourgeoisie und denen der Arbeiterklasse gab.

Diese Widersprüche drückten sich in den drei von der Partei vertretenen Grundsätzen aus: "Einheit, Freiheit, Sozialismus." Die "Einheit" wurde von Aflaq folgendermaßen begründet: "Sämtliche Unterschiede zwischen den Söhnen [der Nation] sind nebensächlich und trügerisch und werden mit dem Erwachen des arabischen Bewusstseins verschwinden." [2] Doch die Ideale des Sozialismus können nur verwirklicht werden, wenn sich die Arbeiterklasse ihre grundlegenden Differenzen mit der Kapitalistenklasse bewusst ist, selbst in Ländern mit einer begrenzten wirtschaftlichen Entwicklung.

Das Ziel der nationalen Bourgeoisie war - ob es nun von Nasser in Ägypten, Kasim im Irak oder der Baath-Partei selbst formuliert wurde -, bessere Bedingungen mit dem Imperialismus auszuhandeln. Die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse erfordern jedoch den Sturz des Imperialismus und des Kapitalismus, auf dem er basiert. Die Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung, die enorme soziale Ungleichheit in der Region und die Unterdrückung der nationalen Bestrebungen der Massen konnten nur durch eine umfassende Veränderung der gesellschaftlichen Beziehungen überwunden werden - eine Veränderung, die die Bourgeoisie nicht durchführen kann und der sie organisch feindlich gegenübersteht.

In der Praxis ließ die Baath-Partei, sobald sie an die Macht kam - so wie in Syrien in den späten 50er Jahren und im Irak in den 60ern - den Sozialismus zugunsten der "Einheit" fallen, d. h. zugunsten der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die nationale Bourgeoisie.

Der Weg an die Macht

Der Aufstieg der Baath-Partei, erzeugte tiefe Spaltungen in der politisch sehr uneinheitlichen Organisation. Ein Teil der Partei vertrat eine linke Position und gewann auf dem sechsten nationalen Parteikongress in Syrien im Oktober 1963 für kurze Zeit die Oberhand. Diese Kräfte forderten eine "sozialistische Planung" und die " demokratische Arbeiterkontrolle über die Produktion". Sie warfen der Partei vor, ihre sozialistischen Wurzeln und ihre Verpflichtung gegenüber den Interessen der arbeitenden Massen aufzugeben.

In der irakischen Partei vertraten Offiziere aus der Armee den rechten Flügel. Sie begannen damit, die Anhänger der linken Fraktion aus dem Land zu verbannen und ihre Kontrolle zu festigen. Die Spaltung "wurde dadurch vertieft, dass in diesem Augenblick die von der Baath-Partei kontrollierte Gewerkschaft General Union of Workers forderte,,die Köpfe der Bourgeoisie, die die Partei verraten hat, einzuschlagen‘, die Männer des Kapitals, die ihr Geld außer Landes geschafft haben, hinzurichten, sowie sofort die Fabriken zu verstaatlichen und die Landwirtschaft zu kollektivieren." [3]

Die Festigung der Kontrolle des rechten Flügels war noch in anderer Hinsicht bedeutsam: Sie kennzeichnete den Aufstieg Saddam Husseins in der Partei. Hussein war 1963 gerade aus dem Exil zurückgekehrt und nahm in der Partei eine Position ein, die nur noch Ahmed Hassan Bakr untergeordnet war. Husseins Aufstieg war eng verbunden mit dem wachsenden Einfluss des Militärs innerhalb der Partei - insbesondere einer großen Gruppe von Offizieren aus Husseins Heimatstadt Tikrit. Saddam Hussein spielte eine entscheidende Rolle beim Angriff auf die linke Fraktion während des Kongresses von 1963.

Angesichts seiner Rolle in der Baath-Partei ist es nicht verwunderlich, dass Saddam Hussein Interesse beim amerikanischen und britischen Imperialismus weckte. Die britische Botschaft in Bagdad erstellte 1969 eine biographische Skizze des zukünftigen Diktators. Darin wird berichtet, Hussein sei bekannt geworden, weil ihn die Führung der Baath-Partei 1959 dazu ausersehen habe, sich an der Ermordung von Kasim zu beteiligen.

Im weiteren Text wird sein Weg nach oben festgehalten: "Von November 1963 an provisorischer Generalsekretär der regionalen Leitung der Baath-Partei. Etablierte sich danach als führender Partei-Theoretiker im Hintergrund und erschien seit 1969 zunehmend im Rampenlicht... Im November 1969 wird er zum zweiten Vorsitzenden des R.C.C. [Revolutionary Command Council] und zum Stellvertreter des Präsidenten ernannt sowie als stellvertretender Generalsekretär der Baath-Partei bestätigt." [4]

In einem aufschlussreichen Kommentar beschrieben ihn die Briten als "respektablen jungen Mann. Anfänglich als Partei-Extremist eingeschätzt, aber die Verantwortung könnte ihn zur Reife bringen." Das bedeutet, die Briten sahen in Hussein einen Mann, mit dem man Geschäfte machen konnte. Trotz Konflikten und Kontroversen war das auch die grundlegende Einstellung der USA für den größten Teil der 70er und 80er Jahre.

Der letztendliche Erfolg der Partei in den späten 60er Jahren beruhte nicht auf wirklicher Massenunterstützung im Volk, sondern vielmehr auf ihrer Fähigkeit, eine ausreichende Anzahl von Leuten auf wichtigen Armeeposten auf ihre Seite zu gewinnen. Viele von ihnen kamen aus Tikrit.

Die Partei wurde zu dieser Zeit von sunnitischen Moslems aus der Gegend von Tikrit dominiert. Eine große Zahl von schiitischen Anhängern - besonders die aus den ärmeren Gegenden der südlichen Städte - hatten die Partei 1963 verlassen und waren der linken Fraktion, angeführt von ali Salih as Sadi, gefolgt. (Sadi gründete eine neue Partei, die Revolutionary Workers Party, die sich sehr schnell wieder auflöste.)

Während die Führung der Partei formell in den Händen von Bakr verblieb, hatte Hussein großen Einfluss auf den Geheimdienst- und Polizeiapparat. In wachsendem Maße kontrollierte Hussein die wichtigsten Hebel der Macht im neuen Regime. Die Befehlsgewalt über den Sicherheitsapparat war entscheidend, da die Partei auf Unterdrückung und Einschüchterung angewiesen war, um ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten. Jeder Andeutung einer unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse wurde mit Gewalt begegnet, meistens durch die Spezialeinheiten, die Husseins Nationalem Sicherheitsbüro angeschlossen waren.

Trotz seiner undemokratischen Methoden war das Baath-Regime jedoch keine Regierung der puren Reaktion. Es handelte sich um eine bürgerlich nationalistische Regierung, die sich, ähnlich wie andere Staaten, darum bemühte, zwischen den USA und der Sowjetunion zu manövrieren und die explosiven sozialen Widersprüche in der Region im Zaum zu halten.

Sie verabschiedete Reformmaßnahmen zugunsten der Bauernschaft, verringerte den Umfang an Land, den Großgrundbesitzer erwerben konnten, und schaffte die Entschädigungen für enteignete Ländereien ab. Sie führte eine Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen auf dem Land ein und behielt die staatlichen Brot-Subventionen bei, um die Preise niedrig zu halten. Die Regierung dehnte außerdem die Sozialversicherung und Invalidenrenten auf die Arbeiter der Städte aus.

Um diese sozialen Reformmaßnahmen zu bezahlen und eine gewisse Unabhängigkeit von den westlichen Ölgesellschaften zu erringen, weitete das Regime die Rolle der staatlich kontrollierten Ölgesellschaft aus. Im April 1972 startete sie mit Geldern, die sie von der Sowjetunion auslieh, ein Programm staatlicher Ölförderung in den nördlichen Rumailah-Ölfeldern. Als Antwort auf Schikanen und Drohungen der in ausländischem Besitz befindlichen Irak Petroleum Company verstaatlichte die Regierung die Gesellschaft im Juni desselben Jahres. Irak war das erste arabische Land, das einen in westlichem Besitz befindlichen Ölkonzern übernahm.

Die Öleinnahmen wuchsen in diesem Jahrzehnt stark an - von 75 Millionen Dollar 1972 auf 8 Milliarden Dollar 1975 und 26,3 Milliarden 1980. Diese Einnahmen erlaubten der Regierung, ihre staatlichen Sozialleistungen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Militär- und Sicherheitsapparat in hohem Maße auszubauen.

Fortsetzung

Anmerkungen:

1. Batatu, Hanna, The Old Social Classes and the Revolutionary Movements of Iraq, Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1978, S. 726

2. Ibid., S. 731

3. Ibid., S. 1,025

4. Confidential memo from the British Embassy, 15 November, 1969. Declassified and published by the National Security Archive, http://www.gwu.edu/~nsarchiv.

Siehe auch:
Teil eins: Der Irak zur Zeit der Monarchie und das Anwachsen gesellschaftlicher Gegensätze
(10. April 2004)
Teil zwei: Die nationalistischen Bewegungen im Irak die permanente Revolution und der Kalte Krieg
( 13. April 2004)
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