Bundesanwaltschaft lehnt Ermittlungen gegen Rumsfeld ab

Rechtzeitig vor der Sicherheitskonferenz, die Freitagabend in München begann, hat Generalsbundesanwalt Kay Nehm eine Strafanzeige gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zurückgewiesen. "Der Strafanzeige wird keine Folge gegeben," heißt es in einer Presseerklärung des Generalbundesanwalts vom Donnerstag.

Rumsfeld hatte gedroht, nicht nach Deutschland zu kommen, solange die Anzeige anhängig sei. Auch deutsche Regierungskreise hatten erheblichen Druck auf die Karlsruher Ermittlungsbehörden ausgeübt, der Anzeige nicht stattzugeben. Verteidigungsminister Peter Struck hatte öffentlich erklärt, er erachte die Aufnahme von Ermittlungen nicht für sinnvoll. Nach dem ablehnenden Bescheid aus Karlsruhe nimmt Rumsfeld nunan der Sicherheitskonferenz teil. Er ist auf dem Rückweg von einem Irakbesuch direkt nach München geflogen.

Eingebracht hatte die Anzeige, die sich auch gegen Ex-CIA-Chef George Tenet und weitere hohe Vertreter der amerikanischen Regierung, Armee und Geheimdienste richtet, das Berliner Rechtsanwaltsbüro Kaleck im Auftrag der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional Rights (CCR). Der CCR war von vier Irakern mandatiert worden, die in Abu Ghraib von amerikanischen Sicherheitskräften schwer gefoltert wurden.

Weil die amerikanische Justiz nur gegen einige der untersten Glieder in der Befehlskette vorging, sich aber nicht gewillt zeigte, die verantwortlichen Vorgesetzten für die Taten zur Rechenschaft zu ziehen, entschloss sich der CCR, in Deutschland Anzeige zu erstatten. Das 2002 eingeführte Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) erlaubt es, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann zu verfolgen, wenn Täter und Opfer keine Deutschen sind und der Tatort sich nicht in Deutschland befindet.

Der Generalbundesanwalt bejaht zwar ausdrücklich, dass "es für die Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches keines wie immer gearteten Bezuges zum Inland" bedürfe. Das Weltrechtsprinzip legalisiere aber "nicht ohne weiteres eine uneingeschränkte Strafverfolgung". Nach dem Grundsatz der Subsidiarität sei nicht die deutsche, sondern die amerikanische Justiz für die Verfolgung der angezeigten Taten verantwortlich. Daher bedürfe es keiner Prüfung, ob ein die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigender Anfangsverdacht bestehe.

Das zentrale Argument der Strafanzeige, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit seien, gegen die politischen und militärischen Verantwortlichen und Vorgesetzten zu ermitteln, weist der Bundesanwalt explizit zurück.

Der Begriff der Verfolgung der Tat sei "auf den Gesamtkomplex und nicht auf einen einzelnen Tatverdächtigen und seinen speziellen Tatbeitrag bezogen auszulegen", heißt es in der Karlsruher Presseerklärung. "Hier bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Behörden und Gerichte der Vereinigten Staaten von Amerika wegen der in der Strafanzeige geschilderten Übergriffe von strafrechtlichen Maßnahmen Abstand genommen hätten oder Abstand nehmen würden. So wurden wegen der Vorgänge von Abu Ghraib bereits mehrere Verfahren gegen Tatbeteiligte... durchgeführt. Mit welchen Mitteln und zu welchem Zeitpunkt gegen weitere mögliche Tatverdächtige im Zusammenhang mit den in der Strafanzeige geschilderten Übergriffen ermittelt wird, muss dabei den Justizbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika überlassen bleiben."

Der Republikanische Anwaltsverein, der die Strafanzeige unterstützt und dessen Vorsitzender Kaleck sie eingebracht hat, nahm dazu in einer ersten Pressemitteilung wie folgt Stellung: "Mit der Begründung, dass in den Vereinigten Staaten gegen England, Graner und andere - einfache Soldaten - ermittelt und ein Strafverfahren geführt werde, macht er [der Generalbundesanwalt] sich die Behauptung des Pentagon zu eigen, es hätten nur eine handvoll schwarzer Schafe gefoltert. Danach hätte es keine Anweisungen von Vorgesetzten und keine Politik gegeben, die Gefangene demSchutz der Genfer Konventionen beraubt und Folterpraktiken ausgeliefert hat. Genau gegen diese Argumentation offizieller Stellen aus den Vereinigten Staaten wendet sich die Strafanzeige."

In den Prozessen, die sich in den USA mit den Folterpraktiken in Abu Ghraib befassten, hatten alle Verurteilten ausgesagt, sie hätten Befehle ausgeführt. Die Gerichte hatten sich aber geweigert, die Befehlshaber auch nur als Zeugen zu laden. Einige der in der Anzeige genannten Verantwortlichen sind inzwischen sogar befördert worden. Darauf war die 170-seitige Anzeige ausführlich eingegangen. Außerdem war ihr ein Sachverständigengutachten von Professor Scott Horton beigefügt, das anhand eigener Recherchen nachweist, dass jede Verfolgung der Verantwortlichen in den USA blockiert wird. Die Bundesanwaltschaft geht darauf in ihrer Begründung nicht ein.

Auch der neue Justizminister und oberste Verantwortliche für die Verfolgung, Alberto Gonzales, weckt wenig Vertrauen, dass die Vorgesetzten jemals zur Verantwortung gezogen werden. Aus seinem Büro stammt das berüchtigte Memorandum, wonach verbotene Folter erst bei "einer schweren Verletzung wie einem Organschaden, einer Lähmung körperlicher Funktionen oder sogar dem Tod" anfängt.

Die Anzeigenerstatter haben angekündigt, gegen den ablehnenden Bescheid des Generalbundesanwalts Rechtsmittel einzulegen. In der Presseerklärung des Republikanischen Anwaltvereins heißt es: "Eine solche Entscheidung kann nicht hingenommen werden. Mit dieser Entscheidung beugt sich das Recht der Macht. Die Rechte der Gefolterten bleiben auf der Strecke. Gegenwärtige und zukünftige Despoten werden den Bescheid des GBA [Generalbundesanwalts] abschreiben und ihre Schlussfolgerung daraus ziehen: die Kleinen hängen und die Großen lässt dann der GBA (unter Hinweis auf die Verfahren gegen die Kleinen) schon laufen."

Siehe auch:
Amerikanische Menschenrechtsgruppe erstattet in Deutschland Strafanzeige gegen Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen
(25. Januar 2005)
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