Kriegslüsterner Bush spricht vor UNO

Washington droht mit großem Nahostkrieg

In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am Dienstag richtete US-Präsident George W. Bush eine bemerkenswert kriegerische Warnung an die Völker des Nahen Ostens und drohte ihnen mit der Fortsetzung und sogar Ausweitung der militärischen Aggression.

Die entscheidende Botschaft der Rede steckte in der impliziten Drohung gegen Syrien und den Iran, ihnen könne bald das gleiche Schicksal drohen wie Afghanistan und dem Irak.

Getreu den Traditionen der UN-Diplomatie - und der Rückgratlosigkeit der Regierungen dieser Welt - applaudierten die Delegierten dieses Gremiums Bush auch noch höflich, als er sich in die absurde Pose eines Befreiers der arabischen Massen warf. Die unprovozierten Aggressionen, die militärischen Besetzungen und die Folterpolitik seiner Regierung stehen in krassem Gegensatz zur UN-Charta. Es sind Kriegsverbrechen, für die er und andere hohe US-Politiker vor Gericht gestellt werden müssten.

Mehrere tausend Kriegsgegner zogen durch die Straßen Manhattans und versammelten sich auf dem Dag-Hammarskjöld-Platz in der Nähe des UNO-Gebäudes, wo Bush seine Rede hielt.

Er tischte der UN-Versammlung sein übliches Gebräu von Lügen, Drohungen und Heuchelei auf. Seine Rede griff viele der Themen und Redewendungen auf, mit denen Bush auf seiner Propagandatour in den letzten Wochen in den USA versucht hatte, die schwindende Unterstützung für den Irakkrieg zu retten.

Unvermeidlich griff der US-Präsident in seinem ersten Satz auf den 11. September 2001 zurück. Erneut beutete er den Terroranschlag jenes Tages aus, um damit die Gesetzlosigkeit der Politik Washingtons in den folgenden fünf Jahren zu rechtfertigen. Wieder verkündete er, die Welt befinde sich im "großen ideologischen Kampf des 21. Jahrhunderts", und das Weiße Haus sei mit "Extremisten" konfrontiert. Unter dieser Kategorie fasste er al-Qaida-Terroristen, die libanesische Massenbewegung Hisbollah und die Hamas zusammen, die gegenwärtig die palästinensische Regierung in den von Israel besetzten Gebieten stellt.

Wenn Bush sich vor so einem internationalen Auditorium auf "Tod und Leiden" amerikanischer Zivilisten vor fünf Jahren beruft, zieht dies zwangsläufig die Frage nach dem wesentlich größeren "Tod und Leiden" nach sich, das der US-Militarismus seit dem 11. September über die Welt gebracht hat.

Einem kürzlich erschienenen UN-Bericht zufolge werden jeden Tag mehr als hundert Iraker unter der US-Besatzung getötet. Das bedeutet, dass der Irak praktisch jeden Monat einen 11. September erleidet. Seit die USA vor dreieinhalb Jahren in das Land eingefallen sind, wurden Hunderttausende Iraker getötet. Mehrere Tausend Zivilisten sind außerdem in Afghanistan getötet worden. Die Anzahl gefallener amerikanischer Soldaten hat inzwischen ebenfalls die Zahl der Opfer des 11. September übertroffen.

Bush wollte in seiner Rede den Eindruck erwecken, als habe sich seine Regierung durch den Schock des 11. September gezwungen gesehen, "die Zivilisation zu verteidigen und eine hoffnungsvollere Zukunft zu gestalten". Er behauptete, Washington strebe nach einer "Welt ohne Terror", deren "Prinzipien... im ersten Satz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind. In diesem Dokument sind die ‚gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen [als] Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt’ dargelegt."

Mit gutem Grund ging der Präsident nicht näher auf diese Deklaration ein, die auch folgende Bestimmung enthält: "Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden." Kurz vor seinem Besuch der UN hatte Bush noch einen Streit mit Mitgliedern seiner eigenen Partei im Senat auszufechten, um ein Gesetz durchzubringen, das die Verpflichtungen der USA nach den Genfer Konventionen "präzisieren" soll - das, mit anderen Worten, ausdrücklich Formen der Folter erlauben soll, die diese Verträge verbieten.

Unmittelbar nach dem Verbot von Folter folgt in der Erklärung der Menschenrechte folgende Bestimmung: "Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden." Diese Bestimmung hat die Bush-Regierung ausdrücklich zurückgewiesen, als sie das Recht forderte, so genannte "feindliche Kämpfer" vor Militärtribunale stellen und auf der Grundlage von geheim gehaltenen Beweisen und ohne Berufungsrecht zum Tode verurteilen zu dürfen.

In der Erklärung heißt es weiter: "Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden." Nur einen Tag vor Bushs UNO-Rede hatte eine kanadische Regierungskommission einen scharf formulierten Bericht über den Fall des kanadischen Computerexperten Maher Arar veröffentlicht, der von US-Behörden grundlos und ohne Beweise verhaftet, dann für zehn Monate nach Syrien geflogen und dort gefoltert und verhört wurde. Dies ist nur einer der bekanntesten Fälle aus der berüchtigten Praxis "außerordentlicher Überstellungen".

Nachdem er sich zuerst als Apostel der Freiheit und der allgemeinen Menschenrechte gefeiert hatte, beschrieb Bush dann die Lage in Irak und Afghanistan phantasievoll in rosigen Farben und sagte den Ländern eine "leuchtende Zukunft" voraus, die "im Nahen Osten schon auf breiter Front Fuß zu fassen" beginne.

Die Realität in den beiden Ländern ist eine völlig andere. Die US-Kriege für die Beherrschung der Ölvorräte Zentralasiens und des persischen Golfs haben zu einer humanitären Katastrophe geführt und Washington selbst ein politisches und militärisches Fiasko beschert.

Am Vorabend von Bushs Auftritt vor den Vereinten Nationen warnte UN-Generalsekretär Kofi Annan, der erst vor kurzem von einer Reise durch den Nahen Osten zurückgekehrt war, vor einem Abgleiten des Iraks in einen "ausgewachsenen Bürgerkrieg". Vergangene Woche hatte er berichtet, politische Führer in der Region hätten ihm erklärt, die amerikanische Invasion und Besatzung seien eine Katastrophe und hätten den gesamten Nahen Osten destabilisiert.

Am Tag von Bushs Rede gab der Kommandant der US-Truppen in der Region, General John Abizaid, zu verstehen, dass die US-Truppen im Irak sicher nicht vor Mitte des nächsten Jahres verringert werden könnten, weil sowohl die religiös motivierte Gewalt, als auch die Angriffe auf die Besatzungstruppen selbst weiter zunähmen. In die gleiche Richtung ging ein vor ein paar Tagen durchgesickerter Bericht des Marinegeheimdienstes, der feststellt, dass die US-Armee den Kampf um die Schlüsselprovinz Anbar im Westen des Landes praktisch verloren hat.

In Afghanistan haben die vom US-Militär angeführten Besatzungstruppen die Kontrolle über den größten Teil des Landes verloren, weil der nationalistische Widerstand gegen ausländische Vorherrschaft zunimmt. Die Verluste der Besatzungstruppen haben sich in den letzten beiden Jahren vervierfacht.

Deshalb wirkte es erbärmlich und lächerlich, als Bush Hamid Karzai, den bedrängten US-Lakaien in Afghanistan, sowie den irakischen Präsidenten Jalal Talabani als Beispiele für den angeblichen Vormarsch der Demokratie hinstellte. Beide befanden sich unter seinen Zuhörern.

Bei seiner Charakterisierung des übrigen Nahen und Mittleren Ostens verband Bush grobe Beleidigungen mit schamloser Heuchelei. Er wies den Vorwurf zurück, der US-Militarismus habe die Region destabilisiert, und verkündete: "Die Stabilität, die wir im Nahen Osten zu sehen glaubten, war ein Trugbild." Er erklärte, die Region sei ein "Nährboden für Extremismus", in der die Leute mit "Propaganda und Verschwörungstheorien" bombardiert würden und bereit seien, "sich für Selbstmordanschläge herzugeben".

Dann hielt er den Regierungen der Region eine Predigt. Er sagte: "Wir wissen, dass Führer, die ihren Völkern Rechenschaft ablegen, nationale Größe eher in Errungenschaft für ihre Bürger erblicken als in Terror oder Eroberungen."

Woher will Bush das wissen? Er selbst hat wiederholt die Vorstellung zurückgewiesen, dass er auf die ablehnende Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung bezüglich des Irakkriegs Rücksicht nehmen müsse. Und seine gesamte Amtszeit im Weißen Haus war durch die Anwendung von Massenterror und durch Angriffskriege zur Stärkung der imperialistischen Hegemonie der USA geprägt.

Im Rest seiner Rede wandte er sich als Führer einer imperialistischen Macht, die erneut die Region zu kolonisieren versucht, "direkt an die Völker des Nahen und Mittleren Ostens", d.h. über die Köpfe ihrer Regierungen hinweg.

An das irakische Volk gewandt erklärte er: "Wir werden euch in eurem Kampf zum Aufbau eines freien Landes nicht im Stich lassen" - soll heißen: die US-Besatzung wird andauern. An das afghanische Volk gewandt: "Wir werden euch weiterhin bei der Verteidigung eurer demokratischen Errungenschaften zur Seite stehen" - Bedeutung: siehe oben.

Dem libanesischen Volk sprach Bush sein Beileid aus, weil seine "Häuser und Ortschaften in das Kreuzfeuer" der Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah geraten seien - in Wirklichkeit waren mehr als 1100 Libanesen in einem einmonatigen, von den USA unterstützten Bombenkrieg Israels getötet und ganze Dörfer und Stadtteile sowie große Teile der Infrastruktur des Landes zerstört worden.

Schließlich wandte er sich dem Iran und Syrien zu. Er erklärte, das "Regime" in Teheran habe "den Weg gewählt, euch eure Freiheit zu nehmen, und mit dem Reichtum eures Landes den Extremismus zu fördern und nach Atomwaffen zu streben". Er berief sich auf die Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die von Iran fordert, sein Programm zur Urananreicherung zu stoppen. Er schloss mit den Worten: "Wir freuen uns auf den Tag, an dem ihr in Freiheit leben könnt - und Amerika und der Iran gute Freunde und Partner in der Sache des Friedens sein werden."

Die Botschaft lautete: "Regimewechsel" wie in Irak und Afghanistan. Die "Freiheit", Freundschaft und Partnerschaft, die die Bush-Regierung meint, ist von der Art, wie sie mit der Schah-Diktatur gepflegt wurde, die den Iran mit Unterdrückung und Folter beherrschte und die amerikanischen Interessen in der Region vertrat.

Am Vorabend von Bushs Rede veröffentlichte das Magazin Time einen Bericht, der erkennen ließ, dass amerikanische Pläne für einen Krieg gegen Iran schon weit fortgeschritten sind. Der Artikel zitierte einen Bereitschaftsbefehl an eine aus U-Booten, einem Kreuzer und Minenräumschiffen bestehende Marinekampfgruppe für den 1. Oktober und die Neufassung eines Pentagon-Plans zur Blockade der iranischen Ölhäfen.

In dem Bericht heißt es, dass sich "vom Außenministerium über das Weiße Haus bis in die obersten Ränge des Militärs der Eindruck verfestigt, dass eine Konfrontation mit dem Iran - wegen seinem Streben nach Atomwaffen, seiner Bedrohung Israels und seinem Streben nach Vorherrschaft in der ölreichsten Region der Welt - möglicherweise nicht mehr zu vermeiden ist."

Angesichts der Krise des amerikanischen Militärs im Irak und in Afghanistan sei das Risiko eines Bodenkrieges zwar zu groß, heißt es, aber ein massiver Luftkrieg werde vorbereitet.

"Ein Vertreter des Pentagon gibt an, es seien 1.500 ‚Ziele’ identifiziert worden, was bedeutet, dass praktisch jeder Flugzeugtyp im Arsenal der US-Streitkräfte zum Einsatz käme: Tarnkappenbomber und Kampfflugzeuge, landgestützte Bomber vom Typ B-1, B-2, F-15, F-16 und F-18 Bomber von Flugzeugträgern", berichtet Time.

Das Magazin fährt fort: "GPS-geleitete Munition und Laser-gesteuerte Bomben, von Satelliten, Spionageflugzeugen und unbemannten Flugobjekten gelenkt, sollen hauptsächlich Bunker aufsprengen. Aber weil viele Ziele durch meterdicken, verstärkten Beton geschützt sind, müssten sie wieder und wieder getroffen werden, um zerstört oder ausreichend beschädigt zu werden. [...] Amerikanische U-Boote könnten Cruise Missiles losschicken, aber ihre Sprengköpfe sind normalerweise zu klein, um verstärkten Beton zu brechen, und könnten eher gegen zweitrangige Ziele eingesetzt werden. Eine Operation von dieser Größenordnung könnte wohl kaum mit chirurgischer Präzision ausgeführt werden. Viele Anlagen liegen in dicht bewohnten Gebieten, und zivile Opfer wären unvermeidlich."

Mit anderen Worten: Washington bereitet ein weiteres schweres Kriegsverbrechen vor.

Bushs Botschaft an das syrische Volk war nicht weniger bedrohlich. Er behauptete, die syrische Regierung habe das Land in ein "Drehkreuz des Terrorismus" und "ein Werkzeug des Iran" verwandelt.

Die jährliche Ansprache des amerikanischen Präsidenten vor der UN-Generalversammlung konfrontiert die Welt mit der explosiven Gewalt des amerikanischen Militarismus.

Neue Aggressionskriege vom Zaun zu brechen, wenn beide jüngst von US-Truppen eroberten Länder außer Kontrolle geraten, mag völlig irrational erscheinen. Aber die Vorbereitung einer weiteren Runde von "Schock und Entsetzen" folgt der festen, wenn auch verqueren Logik militärischer Aggression.

Nach dem gescheiterten Versuch, Afghanistan und den Irak in verlässliche Halbkolonien der USA zu verwandeln und so die amerikanische Kontrolle über die Ölvorräte des Persischen Golfs und des Kaspischen Beckens zu festigen, wird Washington zur Ausweitung seiner Eroberungen getrieben. Deswegen nimmt es Irans Atomprogramm zum Vorwand, erneut militärische Gewalt einzusetzen, um seine Kontrolle über diese ölreiche Region und den Iran selbst zu behaupten. Der Iran verfügt über die weltweit drittgrößten Öl- und zweitgrößten Gasreserven und liegt im strategischen Schnittpunkt dieser beiden Regionen.

Diese blutigen Pläne, die Bush vor den Vereinten Nationen verteidigte, sind die gemeinsame Strategie der ganzen herrschenden Elite Amerikas. Das ist aus der kriegerischen Haltung der Demokraten ersichtlich, von denen viele die Republikanische Regierung von rechts angreifen. Sie argumentieren, die Linie der Regierung gegenüber dem Iran sei zu nachgiebig; außerdem habe Bush zugelassen, dass die amerikanischen Truppen im Irak gebunden seien, wo sie doch gegen den Iran benötigt werden könnten.

Die Demokratische Senatorin von New York, Hillary Clinton, ist eine klassische Repräsentantin dieser Haltung. In der Debatte Anfang des Jahres über mögliche Nuklearschläge gegen Ziele im Iran erklärte sie: "Wir können keine Option vom Tisch nehmen, denn wir müssen der aktuellen Führung im Iran die deutliche Botschaft senden, dass es ihr nicht erlaubt wird, Atomwaffen zu erwerben."

Siehe auch:
Bush Cheney Rumsfeld trommeln erneut für Krieg
(6. September 2006)
Amerikanische Geheimdienste werden gedrängt "Erkenntnisse" für Krieg gegen Iran zu liefern
( 2. September 2006)
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