Autoarbeiter brauchen eine sozialistische Strategie

Vor dem Hintergrund des drohenden Bankrotts amerikanischer Autokonzerne und einer schärfer werdenden Rezession bereiten Kongress und Weißes Haus einen historischen Angriff auf die Arbeiterklasse vor. Die amerikanische herrschende Klasse will die Wirtschaftskrise nutzen, um die Klassenbeziehungen in den USA derart umzugestalten, dass sie die Möglichkeit erhält, alle noch verbliebenen Errungenschaften der Kämpfe früherer Arbeitergenerationen abzuschaffen.

Bei allen Differenzen zwischen den verschiedenen Washingtoner Fraktionen bestehen sie alle darauf, dass die drastische Senkung des Lebensstandards der Arbeiter Voraussetzung für die "Überlebensfähigkeit" der Autoindustrie ist. Sie meinen damit, dass die Ausbeutung der Arbeiter verschärft werden muss. Die Arbeiter sollen in die Verarmung getrieben werden, um die daniederliegende Autoindustrie zu einer profitablen Investitionsquelle für die Finanzelite zu machen

Das letzte Woche im Senat gescheiterte Darlehen für die Autoindustrie, das von den Demokraten, der Regierung Bush und der Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) unterstützt wurde, hätte General Motors und Chrysler 14 Milliarden Dollar zugestanden. Als Gegenleistung wurden Fabrikschließungen, die Vernichtung von Zehntausenden Arbeitsplätzen, die Abschaffung von Gesundheitsversorgung, Rentenzahlungen und Lohnkürzungen unter der Regie eines "Autozaren" verlangt. Jetzt deutet die Regierung Bush an, sie könne Finanzen aus dem Schatzamt freigeben, wenn die Arbeiter zu solch durchgreifenden Zugeständnissen bereit seien. Gleichzeitig droht ein Teil der Republikanischen Partei, die Firmen in den Bankrott zu treiben. Dann läge es in den Händen eines Richters, entweder bestehende Tarifverträge zu annullieren und Zugeständnisse zu erzwingen, oder die Liquidierung der drei großen Automobilfirmen zu überwachen.

Medien und Politiker sprechen davon, die Löhne der Arbeiter "konkurrenzfähig" zu machen. Was heißt das? Wer jetzt bei GM, Chrysler und Ford neu eingestellt wird, bekommt 14 Dollar die Stunde. Dies soll zum Bezugspunkt für alle Autoarbeiter gemacht werden.

1967 war der durchschnittliche Wochenverdienst eines Arbeiters bei Ford 178 Dollar, oder ca. 4,45 Dollar pro Stunde. Nach dem amerikanischen Büro für Arbeitsstatistik (US Bureau of Labor Statistics) entspricht das heute etwa 27,70 Dollar - ungefähr dem derzeitigen Stundenlohn eines langjährigen Autoarbeiters. In Folge der von der Regierung Bush, den Demokraten und der UAW vorgeschlagenen Rettungsaktion werden die Automobilarbeiter einen Lohn erhalten, der ungefähr der Hälfte dessen entspricht, was ihre Väter und Großväter vor 40 Jahren verdienten.

Der Angriff auf die Automobilarbeiter wird zum Ausgangspunkt für eine Flut von Lohnsenkungen in allen anderen Wirtschaftsbereichen werden, ähnlich wie die Rettungsaktion für Chrysler und die Niederlage im PATCO-Fluglotsenstreik vor fast drei Jahrzehnten eine Welle von Lohnsenkungen einleiteten. Lohnsenkungen werden aber nur der Anfang sein. Sie öffnen die Schleusen für erneute Angriffe auf die Renten, die Gesundheitsversorgung und andere soziale Rechte - auf alle Programme, die die Profite der Wirtschaft schmälern.

Was derzeit bei den Automobilarbeitern abläuft ist ein Teilaspekt einer für die Arbeiterklasse verheerenden, umfassenden Krise. Die Arbeitslosenraten schnellen in die Höhe, Millionen verlieren ihre Wohnung, Städte und Bundesstaaten wanken am Rande des Bankrotts. Unverzichtbare soziale Dienste, auch die Schulen für die Jugend, werden finanziell ausgetrocknet.

Diese Tatsachen belegen das völlige Versagen der Politik der Autogewerkschaft UAW sowie der gesamten amerikanischen Gewerkschaftsbürokratie. Im Jahr 1979 akzeptierte die UAW Massenentlassungen und Zugeständnisse im Rahmen der Chrysler-Rettungsaktion, als Gegenleistung erhielt sie einen Sitz im Aufsichtsrat. Seither hat sich die Gewerkschaft selbst mehr und mehr in eine korporatistische Struktur eingebunden und dabei jeden Gedanken daran fallengelassen, dass die Arbeiterklasse unabhängige Interessen hat, die gegen das Management durchgesetzt werden müssen.

Am Freitag berichtete der Vorsitzende der UAW, Ron Gettelfinger, über die Zugeständnisse, auf die sich die Gewerkschaft schon eingelassen hat, und auf welche sie sich noch einzulassen gedenkt: Die Abschaffung der Personalauffanggesellschaft, das Ausschlachten des Gesundheitsfonds der Rentner, die weitere Senkung von Löhnen und Zuwendungen, einschließlich der Einstellung ergänzender Zahlungen an Arbeitslose. Geht man von Gettelfingers Äußerungen aus, so besteht der einzige Unterschied zwischen der UAW und den arbeiterfeindlichsten Teilen des politischen Establishments nicht in der Frage, ob die Vergütungen der Arbeiter auf das Niveau gewerkschaftlich unorganisierter Betriebe reduziert werden sollen, sondern lediglich, in welchem Tempo das geschehen soll.

Die Arbeiter müssen den gesamten Rahmen der so genannten "Rettungsaktion", der von den zwei großen Parteien und der Gewerkschaft vorgeschlagen wurde, zurückweisen. Sie können nicht zulassen, dass Entscheidungen über das Leben von Millionen in den Händen von Konzernen und der politischen Führungsschicht bleiben. Die einzige Möglichkeit, wie Arbeiter eine Katastrophe vermeiden können, besteht darin, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen und für ihre eigenen Klasseninteressen zu kämpfen.

Notwendig ist eine von Grund auf neue Strategie mit einer Änderung der Kampfaktionen, der Politik und der Philosophie der Arbeiterbewegung. Dies sind die Vorschläge der Socialist Equality Party:

Wiederbelebung von Arbeitskämpfen auf der Grundlage der unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse.Die Arbeiter sollten Demonstrationen, Streiks und Fabrikbesetzungen organisieren - diese militante Tradition aus früheren Zeiten ist in den letzten Jahren von der Gewerkschaftsbürokratie unterdrückt worden. Die Werksbesetzung bei "Republic Windows and Doors" durch Arbeiter in Chicago ist wegweisend für Arbeiter anderswo und hat die Notwendigkeit von Kampfmaßnahmen deutlich gemacht. Dies gilt auch für die großen Sitzstreiks in den 1930er Jahren in der Autoindustrie.

Die SEP ruft die Arbeiter auf, unabhängige Fabrik-, Arbeitsplatz- und Nachbarschaftskomitees aufzubauen, um den Widerstand gegen die Vorhaben von Banken und großen Konzernen zu organisieren. Die Arbeiter sollten die Besetzung der Autofabriken vorbereiten und in Massenstreiks gegen Lohnkürzungen und weitere Schließungen und Entlassungen eintreten. Eine solche Strategie erfordert den Bruch mit der UAW und der ganzen Gewerkschaftsbürokratie, sowie die Bildung neuer, wirklich demokratischer Formen der Klassenorganisation.

2. Bruch mit der Demokratischen Partei und der Politik der Klassenzusammenarbeit.Arbeitskämpfe müssen von einer neuen politischen Strategie ausgehen. Jahrzehntelang haben die Gewerkschaften den Mythos verbreitet, die Demokratische Partei sei die Interessenvertreterin der Arbeiter. Die Demokraten vertreten nicht minder als die Republikaner die Interessen der Betriebe und Banken. Arbeiter dürfen kein Vertrauen in die neue Regierung Obamas setzen; sie unterstützt die Angriffe auf die Autoarbeiter ohne Vorbehalte. Die Arbeiter brauchen eine neue politische Partei, die nur von ihren unabhängigen Interessen ausgeht.

3. Ablehnung des kapitalistischen Marktes und Wiederbelebung einer internationalen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse. Die Arbeiter in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt sind mit den Folgen eines Wirtschaftssystems konfrontiert, dessen Dreh- und Angelpunkt das Streben nach privatem Profit ist - ohne jede Rücksicht auf die Folgen für die Gesellschaft als Ganzer. Als Antwort auf die um sich greifende Krise des Weltkapitalismus kämpft die SEP für die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft. Dies beinhaltet die Verstaatlichung der Automobilfirmen und der größten Banken, die in öffentliches Eigentum überführt und demokratischer Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung unterstellt werden müssen; das heißt, dass sie an den sozialen Bedürfnissen und nicht am privaten Profit ausgerichtet sein müssen.

Eine neu erstandene politische Bewegung der Arbeiterklasse muss ihren Kampf auf eine Arbeiterregierung hin ausrichten - eine Regierung der Arbeiterklasse, durch die Arbeiterklasse und für die Arbeiterklasse. Der ganzen Weltbevölkerung wird derzeit eine praktische Lektion in Sachen Klassencharakter des Staates im Kapitalismus erteilt. Billionen Dollar werden ohne Bedingungen an die größten Banken und Finanzinstitute verteilt. Indes wird jedes Darlehen an die Autoindustrie an gewaltige Zugeständnisse der Arbeiter geknüpft. In beiden Fällen agiert der Staat unmittelbar als Werkzeug der mächtigsten Teile der Finanzelite.

In jedem Land stellt sich die Zukunft den Arbeitern ähnlich dar: zunehmende Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne, wirtschaftlicher Niedergang. Die Arbeiter müssen jede Spielart des von den Gewerkschaften verbreiteten Nationalismus und Chauvinismus zurückweisen. Die Krise des Kapitalismus ist eine globale Krise und die Antwort der Arbeiterklasse darauf muss eine globale Antwort sein.

Automobilarbeiter und Arbeiter auf der ganzen Welt: Es ist an der Zeit, den Kampf aufzunehmen! Kraftvoller, unabhängiger Kampf wird in jedem Land Unterstützung finden. Überlasst die Initiative nicht den Konzernen und Banken! Beginnt jetzt mit der Organisierung der Verteidigung eurer unabhängigen Interessen!

Die Socialist Equality Party fordert die Arbeiter, die diese Perspektive richtig finden, auf, sich der SEP anzuschließen und den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen.

Siehe auch:
Lehren aus der Betriebsbesetzung in Chicago
(13. Dezember 2008)
American Axle Chef Dauch und das "Recht" auf Privateigentum
( 5. April 2008)
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