Frankreich: LCR hilft CGT-Gewerkschaft gegen die Sans Papiers

Hunderte Sans Papiers (Einwanderer ohne Papiere) halten seit dem 2. Mai das Gebäude des Gewerkschaftsverbands CGT im Zentrum von Paris besetzt. Sie fordern die Unterstützung der Gewerkschaft für ihre Anträge auf Aufenthaltsrecht.

Die CGT, die der stalinistischen Kommunistischen Partei nahe steht, ist nur bereit, die Fälle von undokumentierten Arbeitern aufzugreifen, die Mitglieder ihrer Gewerkschaft sind. Die Pariser Präfektur wiederum verlangt, dass alle Anträge auf Aufenthaltsrecht über die CGT eingereicht werden, wodurch der Gewerkschaft quasi ein Vermittlerstatus zwischen der Regierung und den Sans Papier zugewiesen wird. Die Weigerung der CGT, auch jene Fälle undokumentierter Arbeiter aufzugreifen, die vom Sans-Papiers -Koordinationskomitee von Paris, CSP 75, repräsentiert werden, lässt diese im Regen stehen.

Die Haltung der CGT gegenüber diesen Arbeitern hat die Billigung der LCR (Ligue Communiste Révolutionnaire), der Partei von Olivier Besancenot.

Die CGT hat etwa 900 Anträge eigener Mitglieder auf Gewährung von Aufenthaltsrecht bei der Pariser Präfektur eingereicht. Es wurde vereinbart, dass sie von Fall zu Fall "wohlwollend" geprüft werden. Das bedeutet, dass sie den strikten Kriterien der Regierung für die Legalisierung und der willkürlichen Entscheidung des Präfekten, des örtlichen Vertreters des Staates, unterliegen. Der Vereinbarung gingen Streiks und Besetzungen von mehr als Eintausend undokumentierten Arbeitern in der ganzen Region von Paris seit dem 15. April voraus, die von der CGT und der Bürgerrechtsorganisation Droits Devant geführt wurden. In vielen Fällen wurden die Arbeiter auch von ihren Arbeitgebern unterstützt, die diese Arbeiter dringend brauchen.

Eine weitere Liste mit 1.000 Anträgen des Pariser Koordinationskomitees CSP 75 wies die Präfektur mit der Maßgabe zurück, sie über die CGT einzureichen. Infolgedessen bat das CSP 75 die Gewerkschaft, auch ihre Liste einzureichen. Als die Gewerkschaft das ablehnte, besetzten bis zu 300 Mitglieder des CSP 75 am 2. Mai das CGT-Gebäude im 3. Pariser Arrondissement und beschuldigten die Gewerkschaft, sich "der Sans Papiers -Bewegung bemächtigt zu haben". Sie versicherten, sie würden solange bleiben, bis die CGT sich einverstanden erkläre, auch sie zu vertreten.

Das CSP 75 lehnt den Kuhhandel zwischen der CGT und dem französischen Staat ab, der die Masse der undokumentierten Einwanderer ausschließt und die CGT zum einzigen anerkannten Vermittler für die Sans Papiers macht. In ihrer Erklärung vom 15. Mai heißt es: "Das CSP kann nicht akzeptieren, dass die CGT offenbar das exklusive Recht erhalten hat, kollektive Anträge bei den Präfekturen der Region Paris zu stellen."

Laut der Erklärung hielten am 12. Tag der Besetzung 600 Sans Papiers und Sympathisanten das Gebäude besetzt. Sie forderten einen nationalen Streik aller Arbeiter ohne Dokumente für den 16. Mai und eine Kundgebung im Pariser Gewerkschaftshaus La Bourse du Travail.

Die Erklärung erinnert daran, dass "dieses Gebäude historische Kämpfe ALLER Arbeiter erlebt hat", und fordert die CGT auf, die Streik- und Besetzungsbewegung der vielen Tausend Sans Papiers zu unterstützen. Der Kampf ihrer Bewegung, so heißt es, richte sich "gegen die Zerstörung von Arbeiterrechten" überhaupt.

Weiter heißt es: "Wir fordern die Legalisierung aller Sans Papiers, Männer und Frauen, Flüchtlinge und Arbeitslose; wir fordern - und die CGT muss das unterstützen -, dass uns [der Einwanderungsminister Brice] Hortefeux und [der Pariser Polizeichef] Michel Gaudin empfangen; wir fordern die Schließung der Abschiebezentren; wir fordern die Rücknahme der fremdenfeindlichen Einwanderungsgesetze; wir fordern ein Ende der Razzien und Polizeikontrollen nur aufgrund der Hautfarbe; wir fordern die Rücknahme der diskriminierenden und illegalen ANAEM-Steuer, die Arbeitgeber für die Beschäftigung jedes Ausländers abführen müssen!"

In einem Interview im Fernsehen am 8. Mai ignorierte Christian Khalifa, ein CGT-Vertreter der Pariser Region, die Ablehnung der Anträge des CSP 75 durch die Präfektur und weigerte sich in typisch gewerkschaftlicher Engstirnigkeit, diese Arbeiter zu verteidigen: "Wir bemächtigen uns niemanden! Wir halten niemanden davon ab, etwas für die Sans Papiers zu tun. Aber die CGT kann nicht die Anträge auf Legalisierung aller Sans Papiers einreichen. Wir sind eine Gewerkschaft und keine Vereinigung von Sans Papiers. Wir sind in den Betrieben aktiv... Wir gehen koordiniert und durchdacht vor. Unsere Büros zu besetzen, ist nicht der richtige Weg, besonders nicht jetzt, wo höchste Betriebsamkeit herrscht, weil die Aktionen vom 15. Mai und vom 22. Mai vorbereitet werden müssen."

Nicht nur die Pariser Präfektur nutzt die CGT als Vermittler zu den Sans Papiers, sondern auch Premierminister François Fillon. Fillon schrieb einen Brief an CGT-Generalsekretär Bernard Thibault, in dem er sich über "die große Anzahl unvollständiger Anträge" beschwerte, wie auch darüber, dass oft die Bestätigung eines Arbeitgebers fehle, der bereit sei, den Antragsteller einzustellen. Er kritisierte die Gewerkschaften und die Sans Papiers -Unterstützerorganisationen wegen angeblich mangelnder Dialogbereitschaft, "um die besten Lösungen für die betroffenen Arbeiter zu finden".

Artikel 40 des Gesetzes vom November 2007 und eine Ausführungsbestimmung der Regierung vom Januar 2008 ermöglichen die Legalisierung auf Antrag eines Arbeitgebers unter der Bedingung, dass der Arbeiter in einem Bereich tätig ist, in dem Arbeitskräftemangel herrscht. Wie der Minister für Einwanderung und Nationale Identität, Brice Hortefeux, betonte, wird es "nur wenige hundert Legalisierungen in strenger Übereinstimmung mit diesen Regeln geben".

Thibault antwortete auf Radio Europe 1. Er verlangte keineswegs die Legalisierung aller Sans Papiers, noch nicht einmal aller seiner Mitglieder, sondern bat die Regierung lediglich, "die Bearbeitung der Anträge zu beschleunigen", und ersuchte um ein Treffen, "damit die Kriterien, die für die Legalisierung dieser Sans Papiers erarbeitet werden, in allen Departements zur Anwendung kommen".

Khalifa und Thibault lassen auf diese Weise ein grundlegendes Prinzip der Solidarität fallen: die Verteidigung schwächsten Teile der Gesellschaft durch die Arbeiterklasse. Sie wissen genau, dass die herrschende Klasse zuerst die Schwächsten angreift, um sich dann gegen die demokratischen Rechte Aller zu wenden. Die Missachtung der Rechte der Sans Papiers ist Teil des Versuchs, eine Reservearmee eingeschüchterter, rechtloser Arbeiter zu schaffen, die völlig der Gnade ihrer Arbeitgeber ausgeliefert sind, um so das allgemeine Niveau der Löhne und sozialen Bedingungen anzugreifen.

Es ist klar, dass die Regierung die CGT und Droits Devant nutzt, um die zunehmend kampfbereiten Sans Papiers unter Kontrolle zu halten, zu spalten und von anderen Teilen der Arbeiterklasse fernzuhalten. Überall, wo Arbeiter für ihre unabhängigen Interessen kämpfen, spielt die CGT, wie auch andere Gewerkschaften, eine solche Rolle. Das war auch beim Kampf der Eisenbahner und der Arbeiter in der Energiewirtschaft zur Verteidigung ihrer Renten im vergangenen Oktober und Dezember zu beobachten.

Die stalinistische Kommunistische Partei und die CGT verfolgen in der Einwanderungsfrage seit den 1970er Jahren einen restriktiven, chauvinistischen Kurs und behaupten, mit nationalem Protektionismus, der den französischen Kapitalismus stärken soll, gegen Arbeitslosigkeit zu kämpfen. In den 1970er Jahren führten sie eine Kampagne unter dem Motto, "französisch kaufen und französisch produzieren". 1979 sprach sich die KPF für einen Einwanderungsstopp aus. Anstatt die Arbeiterklasse für die Verteidigung der Rechte aller Arbeiter zu mobilisieren, verbündete sie sich mit den Unternehmern gegen ausländische Konzerne und deren Arbeiter.

1980 kam es zu dem berüchtigten Zwischenfall von Vitry, als der stalinistische Bürgermeister der Stadt ein Ausländerwohnheim in seinem Bezirk niederreißen ließ, weil eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Einwanderern in den Kommunen unter KPF-Verwaltung angeblich zu Problemen führten.

Die Unterstützung der französischen Linken für Zuwanderungsbeschränkungen und für den zwangsläufig damit einhergehenden polizeilichen Unterdrückungsapparat zwang die Sans Papiers lange Zeit zu der Taktik, Kirchen zu besetzen, sich auf Appelle an den Klerus zu verlegen und die traditionelle Rolle dieser Gebäude als Zufluchtsstätten zu nutzen. Die Erinnerung an Äxte schwingende CRS-Bereitschaftspolizisten, die am 22. August 1996 die Türen der Kirche St. Bernard in Paris zertrümmerten, um dorthin geflüchtete Einwanderer, unter ihnen schwangere Frauen; Babys und Kinder, zu vertreiben, ist in Frankreich noch sehr lebendig. Die CRS war vom damaligen gaullistischen Premierminister Alain Juppé geschickt worden. Die Empörung der französischen Bevölkerung über dieses brutale Vorgehen trug zur Niederlage der Gaullisten bei der Parlamentswahl von 1997 bei.

Die heutige Bewegung der Sans Papiers zeigt eine Hinwendung zur französischen Arbeiterklasse. Die prinzipielle Erklärung des CSP 75 vom 15. Mai warnt, dass die Unterdrückung der demokratischen Rechte der Einwanderer die Rechte aller Arbeiter bedroht.

Die Tatsache, dass die Präfektur nur einer Handvoll Sans Papiers, deren Arbeitgeber bestätigt hatten, dass sie ihre Arbeitskraft dringend benötigen, Aufenthaltsgenehmigungen erteilt hat - und das oft nur für einen sehr kurzen Zeitraum - wird von der CGT als großer Sieg verkauft.

Dabei wird sie von der Wochenzeitung Rouge der LCR vom 9. Mai unterstützt, die behauptet: "Die Streiks und Besetzungen von Hunderten Sans Papiers seit dem 15. April haben eine schwere Bresche in die Politik Sarkozys und seines Ministers für Nationale Identität, Brice Hortefeux, geschlagen. Die Beteiligung der Gewerkschaftsbewegung, besonders der CGT, hat dabei eine wesentliche Rolle gespielt."

Rouge eilt den CGT-Bürokraten zu Hilfe und greift "die schädliche Besetzung des Pariser Gewerkschaftshauses durch das Koordinationskomitee 75" an. Die Zeitung beschuldigt die Koordination, sie mache sich schuldig, "das Gift der Zwietracht zu sähen".

Eine Erklärung der LCR auf ihrer Web Site mit dem Titel "Die Sans Papiers -Bewegung: Die Position der LCR". unterstellt, dass das Vorgehen des CSP 75 der Regierung zu Gute komme: "Vielleicht hat die Regierung damit einen Weg gefunden, die Bewegung zu spalten und zu neutralisieren."

Die LCR geht stillschweigend darüber hinweg, dass die CGT elementare Grundsätze der Arbeitersolidarität und die Verteidigung demokratischer Rechte aufgibt. Stattdessen gibt sie sich als Feigenblatt der Gewerkschaftsbürokratie her. Damit entlarvt sie ihren Anspruch als Betrug, die wichtigste Gegnerin des Rassismus und Verteidigerin der Sans Papiers zu sein. In allen Bereichen - von der Verteidigung der Sonderrenten im öffentlichen Sektor bis zu den Kämpfen der Schüler und Studenten - dienen die LCR und die neue "antikapitalistische Partei", die sie aufbauen will, als Deckmantel für die rechten Arbeiterbürokratien.

Die WSWS ruft die Arbeiterklasse auf, allen Einwanderern zu Hilfe zu kommen und für ihre vollen Bürgerrechte zu kämpfen. Das beinhaltet, eine Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen, die für die Interessen aller Arbeiter kämpft, gleich woher sie kommen.

Nur wenn alle Teile der Arbeiterklasse für die Forderung der Sans Papiers nach vollen Bürgerrechten mobilisiert werden, können diese Rechte als Teil des Kampfs gegen Sarkozy und die Einwanderer-feindliche Politik der Europäischen Union verteidigt und erweitert werden.

Siehe auch:
LCR-Kongress beschließt Gründung einer neuen Partei
(5. März 2008)
Die Gewerkschaftsreform und das Bündnis zwischen Sarkozy und der CGT
(2. Mai 2008)
Loading