Athener Stahlstreik geht in den fünften Monat

Streikposten in Halyvourgia Streikposten in Halyvourgia

An einem kalten Frühlingstag stehen im Athener Industriegebiet Halyvourgia fünfzehn streikende Stahlarbeiter auf der Straße. Gegenüber der Stahlfabrik Hellenic Steel steht die große Hulips-Zementfabrik – auch sie ist zurzeit nur einen Tag pro Woche in Betrieb. Ein Reporterteam der World Socialist Website hat einen Tag mit den Streikenden verbracht.

Für die Stahlarbeiter, die in der Stahlfabrik Hellenic Steel beschäftigt sind, hat mit dieser Woche der fünfte Monat eines erbitterten Streiks begonnen. Hellenic Steel gehört John Manessis und ist eins von drei Unternehmen, welche in Griechenland die Stahlproduktion kontrollieren. Der Streik begann am 31. Oktober, als die Arbeiter der Fabrik mit vierhundert Beschäftigten sich weigerten, die Kürzung ihres Arbeitstages von acht auf fünf Stunden und eine vierzigprozentige Lohnsenkung zu akzeptieren.

Dimitros Dimitros

Dimitrios ist seit siebzehn Jahren in der Fertigung beschäftigt. Wie er sagt, verdient er nur 1.100 Euro pro Monat. Ein neu eingestellter Arbeiter verdiene „gerade einmal 650 Euro pro Monat, aber durch den neuen Mindestlohn ist der Verdienst auf 550 Euro gesunken. Uns bleibt keine andere Waffe als zu streiken“.

Nachdem die Arbeiter sich ihren Plänen widersetzten, begann die Firma mit Entlassungen. Hellenic Steel war der erste Arbeitgeber, der sich auf ein neues Gesetz berief, das es Firmen erlaubt, jeden Monat fünf statt wie bisher zwei Prozent der Belegschaft zu entlassen. Seitdem der Streik begann, hat Hellenic Steel 93 Arbeiter entlassen und plant, weitere 180 auf die Straße zu werfen.

Seit der Durchsetzung der Sparmaßnahmen durch die sozialdemokratische PASOK-Regierung im Oktober 2009 dauert der Stahlstreik von allen Streiks bisher am längsten. Doch trotz des militanten Kampfs zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihrer Lebensgrundlage hat die Föderation der Metallarbeiter (POEM), die der größten Privatsektor-Gewerkschaft Konföderation Griechischer Arbeiter (GSEE) angeschlossen ist, den Streik systematisch sabotiert und isoliert.

Die POEM unternahm alles, um die Einheit der Arbeiter in der Fabrik in Halyvourgia mit den Arbeitern in den beiden anderen Fabriken in der Stadt Volos zu verhindern. In Volos akzeptierte die POEM eine geringere Bezahlung bei reduzierter Arbeitszeit. Dieselben Bedingungen werden auch von den Arbeitern der Halyvourgia-Fabrik verlangt. Der Verrat von GSEE/POEM in Volos wurde von der pseudo-linken SYRIZA-Koalition unterstützt, die darauf bestand, dass die Arbeiter keinen gemeinsamen Streik mit ihren Kollegen in Volos organisieren sollten.

Panagiotis Panagiotis

Panagiotis, ein streikender Arbeiter, der seit 31 Jahren in der Fabrik beschäftigt ist, sagte, die Arbeiter seien der GSEE gegenüber im Allgemeinen sehr feindselig eingestellt. Ihn habe das Verhalten der Gewerkschaft nicht überrascht. „Was die offiziellen Gewerkschaften tun, ist doch nur reiner Schwindel. Sie sind in der Fabrik nie aufgetaucht. Die begrenzten Aktionen wie die Generalstreiks, die sie ausrufen, vermitteln doch nur die Illusion, sie würden etwas tun“, sagte er. „Wir werden noch viele Streiks brauchen, um zu gewinnen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“

Die Allgemeine Stahlarbeitergewerkschaft ist der Militanten Arbeiterfront (PAME) angeschlossen, das ist die Gewerkschaftsföderation der stalinistischen Kommunistischen Partei (KKE). PAME hat versucht, den unverfrorenen Verrat der GSEE zu benutzen, um sich selbst als militante Alternative darzustellen. Weil PAME die Föderation der Metallarbeiter verurteilt, sie tue nichts zur Verteidigung der Arbeiter, ist es ihr gelungen, unter den Arbeiter von Halyvourgia Einfluss zu gewinnen.

Stahlfabrik Hellenic Steel Halyvourgia Stahlfabrik Hellenic Steel Halyvourgia

In einer Resolution, welche die Generalversammlung der Stahlarbeiter von Helliniki Halyvourgia am 16. November verabschiedet hat, wird PAME unterstützt. Darin heißt es: „PAME steht auf unserer Seite“, während die Föderation der Metallarbeiter angegriffen wird: „Sie hat nicht ein einziges Treffen einberufen, um eine Solidaritätskampagne zu organisieren.“

Die Resolution ruft dazu auf, “die Stahlarbeiter auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen: durch Resolutionen, Bekanntmachungen, Pressemitteilungen der Gewerkschaften, in den Stadtvierteln, durch Jugend- und Frauenorganisationen, überall, außerhalb der Fabriktore, durch finanzielle Hilfe und das Sammeln von Nahrungsmitteln für die Familien der streikenden Arbeiter“.

Aber PAME hat den Streik nicht wirklich ausgeweitet, obwohl die Organisation über mehr als 400.000 Mitglieder verfügt. Sie unterstützte einen begrenzten vierstündigen Streik zur Solidarität mit den Stahlarbeitern am 27. November. Weitere von der PAME unterstützte Streiks wurden am 12. Dezember und am 17. Januar abgehalten.

Zum jüngsten Streik hieß es in einem Flugblatt der PAME: “Die Aufgabe, den Solidaritätsstreik am 17. Januar vorzubereiten und durchzuführen, ist weitgehend von den Mitgliedern von PAME geschultert worden.“ Der Streik war jedoch in Wahrheit keine unabhängige Aktion, zu der PAME aufgerufen hatte, sondern Teil des letzten symbolischen Generalstreiks, der von den immer stärker diskreditierten GSEE und Adedy organisiert worden war.

Die Angriffe auf die Arbeiter bei Hellenic Steel in Halyvourgia sind bezeichnend für die Vernichtung von Löhnen und Arbeitsplätzen im privaten Sektor in Griechenland. Vom Oktober 2010 bis zum Oktober 2011, als das Land in das fünfte Rezessionsjahr in Folge ging, wurden mehr als 250.000 Arbeitsplätze im privaten Sektor zerstört.

Die Arbeiter in Halyvourgia sind sich weitgehend darin einig, dass sie einen Kampf führen, der über die Angriffe auf ihre Löhne und die Arbeitsbedingungen in ihrer Fabrik hinausgeht. Während die Gewerkschaften, einschließlich PAME, versuchen, die Kämpfe der Arbeiter zu beschränken, meinten die Arbeiter, mit denen die World Socialist Website sprach, dass die Fragen, vor denen die griechische Arbeiterklasse steht, nach einer politischen Lösung verlangen.

Hulip-Zementfabrik – arbeitet noch einen Tag pro Woche Hulip-Zementfabrik – arbeitet noch einen Tag pro Woche

Panagiotis hat eine 28jährige Tochter und einen 29jährigen Sohn. Beide wollen Athen verlassen, um anderswo Arbeit zu finden. „Es gibt in Griechenland einfach keine Jobs mehr“, sagte er. „Dabei ist die Zukunft meiner Kinder für mich das Wichtigste.“

„Meine Frau verdient ganze 580 Euro im Monat. Sie arbeitet in einem Kindergarten.“ Er fügte hinzu: „Ich kann gar nicht glauben, wie schlecht die sozialen Bedingungen hier sind. Einige meiner Nachbarn machen regelmäßig mit einem Korb die Runde und bitten andere Menschen um Nahrungsmittel.“

Die Verschlechterung der Lebensverhältnisse ist so drastisch, dass Panagiotis sagte: “Die Situation ist viel schlechter als unter einer Diktatur.”

Auf die Frage, wie er Griechenlands Zukunft sehe, sagte er: “Die Politik des vergangenen Jahres wird zu einer sozialen Explosion führen. Im Vergleich zu dieser Explosion werden die Ereignisse in Ägypten wie ein Kaffeekränzchen wirken.“

Janis Janis

Janis arbeitet seit neun Jahren in der Fabrik. Bis zur Verabschiedung des letzten Haushaltes, so Janis, „konnten viele Arbeiter in Griechenland von ihrem Lohn anständig leben“. Mit dem letzten Haushalt verabschiedete das Parlament die bisher brutalsten Angriffe im Namen der Troika aus IWF, EU und EZB.

„Sie konnten sich eine Familie leisten. Aber das ist vorbei. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist immer größer geworden. Das Leben ist für alle härter geworden, aber die Reichen essen von goldenen Tellern. Das kann man jeden Tag sehen. Man sieht Leute, die Tag für Tag im Müll nach Essen suchen.“

Trotz der militanten Rhetorik von PAME und KKE ist ihre Rolle dem Wesen nach die eines pseudolinken Feigenblatts für die Zusammenarbeit der offiziellen Gewerkschaften mit den Regierungen. Diese haben in den vergangenen drei Jahren eine soziale Konterrevolution gegen die griechische Bevölkerung gestartet.

Die Arbeiterklasse braucht für ihren Kampf eine neue Perspektive. Die Arbeiter in allen Bereichen müssen sich zusammenschließen und die Regierung stürzen, um eine Arbeiterregierung zu errichten, die sozialistische Politik durchsetzt. Neue Aktionskomitees, die von allen Flügeln der Gewerkschaftsbewegung unabhängig sind, müssen an jedem Arbeitsplatz und an allen Wohnorten gebildet werden.

Die Arbeiter in Griechenland müssen ihren Kampf gegen die Sparmaßnahmen und die Verarmungspolitik als Teil des Kampfes gegen die sozialen Angriffe sehen, die in ganz Europa durchgeführt werden. Sie müssen alles tun, um die Unterstützung aller Arbeiter auf dem Kontinent, die den gleichen Kampf wie sie führen, zu gewinnen.

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