Hollywood ehrt Elia Kazan

Teil 2: Antikommunismus und Filmindustrie

"Jetzt habe ich mich beschmutzt, war Hendriks bestürztes Gefühl. Jetzt habe ich einen Flecken auf meiner Hand, den bekomme ich nie mehr weg... Jetzt habe ich mich verkauft... jetzt bin ich gezeichnet!" - Klaus Mann, "Mephisto"

Spätestens seit Beginn der großen Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre wurden die Behörden in den USA auf die potentielle Gefahr aufmerksam, die vom Kino ausging. Sie versuchten ständig, jede radikale oder sozialkritische Tendenz in der Filmproduktion abzuschwächen oder, wenn nötig, zu unterdrücken. Der Kinokodex von 1934 sollte, wie ein Historiker feststellte, sexuelle Handlungen und Gewalt von der Leinwand verbannen und mit Hilfe "populärer Unterhaltungsfilme konservative moralische und politische Wertvorstellungen festigen". Um diesen Kodex einzuhalten, ließ MGM beispielsweise das Projekt fallen, Sinclair Lewis' Das ist bei uns nicht möglich zu verfilmen. In diesem Buch hatte der Autor seine Vision eines aufsteigenden amerikanischen Faschismus formuliert. Die Hüter des Kinokodex bestanden darauf, daß Fritz Langs Film gegen das Lynchen, Fury(1936), kein schwarzes Opfer zeigen und keinerlei Kritik an den rassistischen Südstaaten üben durfte.

Der "Ausschuß für unamerikanische Umtriebe" (HUAC) wurde im Mai 1938 gegründet. Unter dem Vorsitz des Abgeordneten Martin Dies (eines Demokraten aus Texas) wurden zahlreiche Methoden eingeführt, die unter Senator Joseph McCarthy später zur Perfektion gelangten: So wurden Menschen wahllos beschuldigt, Zeugen wurden unter Druck gesetzt, damit sie frühere Bekannte denunzierten, und es galt bereits als Schuldindiz, wenn man zur Anhörung zitiert wurde oder wenn nur jemandes Name erwähnt wurde. Der Ausschuß wurde vom Repräsentantenhaus 1945 zur festen Institution gemacht. Zwei Jahre später bestätigte ein Bundesberufungsgericht sein Recht, unkooperative Zeugen wegen Mißachtung des Kongresses zu belangen.

In den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren nahm der "kalifornische Vereinigte Untersuchungsausschuß für unamerikanische Umtriebe" des Senators Jack Tenney alle Linken in der Filmindustrie aufs Korn. Der Abgeordnete Dies stellte sich an die Spitze der Angriffe auf das Federal Theatre Project (Bundesweites Theaterprojekt), dem daraufhin im Juni 1939 die Finanzierung gestrichen wurde. Als führende liberale und fortschrittliche Persönlichkeiten Hollywoods die Aktivitäten des Ausschusses anprangerten, erklärte der texanische Abgeordnete vor der Presse, die Filmindustrie sei eine "Brutstätte des Kommunismus". Aus Protest gegen diese Tirade versammelten sich am 27. Februar 1940 2.500 Menschen im Philharmonischen Auditorium von Los Angeles.

Im folgenden Jahr verkündete Tenney - Dies' kalifornischer Statthalter -, er werde eine Untersuchung über die "Roten" in der Filmindustrie anstellen. Diese Untersuchung diente unter anderem auch der Zerschlagung der Gewerkschaft. Walt Disney, dessen Unternehmen kurz vorher von Cartoonisten und Trickfilm-Zeichnern bestreikt worden war, zeigte besonderes Interesse daran, die politisch Aktiven auszurotten. Tenneys Anhörungen endeten halbwegs in einem Fiasko.

1941 führten William Randolph Hearst und die Klatsch-Kolumnisten, die die Drecksarbeit für ihn erledigten, eine Kampagne, um Citizen Kane zu unterdrücken. Die Verleumdung Orson Welles' als "radikaler Roter" wurde zum Präzedenzfall.

Das Bündnis der USA mit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg führte dazu, daß solche Aktivitäten vorübergehend eingestellt wurden. Am Vorabend der US-Intervention versuchten rechte, isolationistische Senatoren, Einzelpersonen und ganze Gruppen aus Hollywood vor Gericht zu zerren, weil diese Amerikas Kriegseintritt befürworteten. Obwohl darunter auch "Antifaschisten" und Stalinisten waren, wurde dieser Vorstoß interessanterweise von den Filmstudios zurückgewiesen und von den Medien negativ aufgenommen. Die Filmproduzenten ließen sich nach wie vor im Unterausschuß des Senats von Wendell Wilkie vertreten. In den Kriegsjahren brachte Hollywood sogar einige pro-sowjetische Filme heraus, zum Beispiel Botschafter in Moskau(1943), The North Star(1943) und Song of Russia(1944).

Im Oktober 1947 wurde es ernst mit der Kommunistenjagd in der Filmindustrie, als das HUAC eine Reihe von Anhörungen zum Thema "Unterwanderung der Filmindustrie" abhielt. Nachdem "verbündete" Zeugen - antikommunistische Produzenten, Regisseure und Schauspieler - mehrere Tage lang ausgesagt hatten, schritt das HUAC zur Vernehmung der "feindlichen" Zeugen, der Gruppe, die als die "Zehn von Hollywood" bekannt wurde. Diese linksgerichteten Drehbuchautoren und Regisseure - Mitglieder oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei - verweigerten ihre Kooperation und wurden ein paar Wochen später der Mißachtung des Kongresses angeklagt. (Viele von ihnen verbüßten später einjährige Haftstrafen.) Angesichts der unnachgiebigen Haltung des HUAC und der Rückendeckung, die der Untersuchungsausschuß von der Presse erhielt, schmolz die Unterstützung liberaler Kreise für die Zehn von Hollywood dahin wie Schnee an der Sonne.

Eine Konferenz der Filmproduzenten am 24./25. November 1947 im Hotel Waldorf-Astoria in New York verabschiedete eine Resolution, in der es heißt: "Wir werden wissentlich keinen Kommunisten beschäftigen." Damit war die Schwarze Liste offiziell in Kraft - oder besser inoffiziell, denn natürlich durfte es eine Liste von Menschen, die nicht eingestellt werden sollten, nicht geben. Ellen Schrecker berichtet, wie das aussah: "Autoren erhielten keine telefonischen Bestellungen mehr, Schauspieler mußten sich anhören, sie seien ‘zu gut für eine Rolle'." Eine Vielzahl reaktionärer Organisationen, wie z.B. die Amerikanische Legion und Hollywoods eigenes Netz von Antikommunisten und Informanten, arbeiteten eng mit den Studios zusammen, um die Schwarze Liste durchzusetzen. Von da an ließen die vereinten Bemühungen der Regierung, der Industrie und der rechten und klerikalen Kreise nicht mehr nach, bis die Zunft der Filmemacher systematisch von linken und progressiven Elementen gesäubert war.

Dies war nur Teil einer allgemeinen Tendenz der amerikanischen herrschenden Klasse, nach Jahrzehnten der politischen Instabilität mit dem ganzen Radikalismus und Sozialismus aufzuräumen. Der Antikommunismus wurde damals in den Vereinigten Staaten buchstäblich zur Staatsreligion. 1947 rief Präsident Harry Truman die Loyalitätsverpflichtung für Staatsbeschäftigte aus und forderte den Generalstaatsanwalt auf, eine Liste aller "subversiven" Organisationen aufzustellen. Von März 1947 bis Dezember 1952 wurden ca. 6,6 Millionen staatliche Bedienstete verhört. In dieser Periode - 1947-52 - veranstalteten Ausschüsse des Kongresses 84 Anhörungen über "kommunistische Subversion". Der HUAC lieferte Informationen über 60.000 Personen an die Arbeitgeber. Mindestens 15.000 Angestellte im öffentlichen Dienst wurden von den zuständigen Gesinnungsbehörden entlassen oder zur Kündigung gezwungen. Man schätzt, daß 13,5 Millionen Amerikaner von nationalen, regionalen oder lokalen Schnüffelprogrammen erfaßt wurden. Nahezu zwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung mußten einen Eid leisten oder einen Persilschein ausgestellt bekommen, um einen Arbeitsvertrag zu erhalten.

Auf die amerikanische Bevölkerung wurde ein umfassender ideologischer Angriff geführt. Begriffe wie Sozialismus, Marxismus und Revolution wurden verteufelt, indem man diese im allgemeinen Bewußtsein mit allem Bösen und der sozialen Katastrophe schlechthin identifizierte und ganz allgemein eine Atmosphäre von erstickendem Konformismus begünstigte. Ein Kommunist war nach der offiziellen Doktrin ein Nicht-Amerikaner, ein Antichrist, ein Fremder, so etwas wie der Leibhaftige selbst.

Dieser Angriff nahm die verschiedensten Formen an. Der HUAC verteilte in Millionenauflage eine Broschüre mit dem Titel: "Hundert Dinge, die man über den Kommunismus wissen muß". ("Wo sind Kommunisten zu finden? - Überall.") Eine Spielfilmserie namens I Led Three Lives, die sich auf die Karriere des FBI-Agenten Herbert Philbrick stützte, lief drei Jahre lang im Fernsehen. Hollywood spuckte am Laufmeter Filme gegen die "Roten" aus, zum Beispiel Die rote Gefahr(1949), Ich heiratete einen Kommunisten(1950), I Was a Communist for the FBI(1951), Walk East on Beacon(1952), My Son John(1952), Big Jim McClain(1952) und Trial(1952).

Im September 1950 traten die letzten der Zehn von Hollywood ihre Haftstrafen an. Schon im Frühjahr 1951 kamen die HUAC-Schergen wieder nach Hollywood. Ceplair und Englund schreiben in ihrer Geschichte des politischen Lebens in der Filmindustrie von 1930-60, daß den neuen Untersuchungen mehrere Ereignisse vorausgingen, welche die Stellung des Ausschusses noch stärkten: "die Verurteilung des [sowjetischen Spions in den USA] Alger Hiss, Chinas Fall an die Kommunisten , die erste erfolgreiche Atomzündung der Sowjets, die Verhaftung des Atomspions Klaus Fuchs in England, das Aufblühen von Joseph McCarthys spezieller Version des Antikommunismus, die Verabschiedung von McCarrens Gesetz über Innere Sicherheit, ... der Ausbruch des Koreakrieg, die Bestätigung des Smith Act durch das Oberste Gericht [nach dem Smith Act waren 1941 die Trotzkisten verfolgt worden] ... und die Festnahme der Rosenbergs."

Hundertzehn Männer und Frauen wurden während der zweiten Runde der HUAC-Anhörungen von 1951 bis 1953 vor Gericht geladen; 58 erwiesen sich als Informanten. Die prominentesten unter ihnen - 31 Personen, die jeweils mindestens vier Filme gedreht hatten - gaben dem Ausschuß durchschnittlich 29 Namen preis. Die meisten kapitulierten erbärmlich. Der erste Zeuge, der Schauspieler Larry Parks, "erniedrigte sich und winselte um Gnade", als der Ausschuß Namen von ihm hören wollte. Schließlich, nach gebührendem inneren Ringen, nannte er zehn Personen. Für sein Zögern zahlte er einen hohen Preis. Der Los Angeles Examiner titelte zwei Tage danach: "Larry Parks verliert eine 75.000-Dollar-Rolle". Parks Karriere war damit so gut wie abgeschlossen. Das war den anderen Zeugen eine gründliche Lehre.

Vier berühmte Regisseure wurden Informanten: Frank Tuttle, ein solider Handwerker, der vielleicht durch seinen Film Die Narbenhand(1942) mit Alan Ladd und Veronica Lake am bekanntesten wurde; Edward Dmytryk, der "Judas" der Zehn von Hollywood, Regisseur von Murder My Sweet(1944) und Cornered(1945); Robert Rossen - von ihm stammen die Filme Mit Leib und Seele(1947) und Haie der Großstadt(1961), - der sich 1951 noch geweigert hatte, Namen zu nennen, jedoch 1953 kapitulierte und offensichtlich sein ganzes weiteres Leben lang unter dieser Entscheidung litt; und eben Kazan.

Von diesen vier und vielleicht von allen Informanten hatte Kazan mit Sicherheit die größte Statur als Künstler und als Intellektueller. Seine Entscheidung, mit den Inquisitoren zusammen zu arbeiten, hatte weitreichende Konsequenzen. Ein "Regisseurs-Opfer" erzählte Victor Navasky für dessen Buch "Naming Names" ("Namen nennen"): "Wenn Kazan sich geweigert hätte, auszusagen,... hätte er zwar den Ausschuß nicht kippen können, aber er hätte möglicherweise die Schwarze Liste geknackt. Er war zu wichtig, als daß man ihn hätte übergehen können." Navasky kommentiert: "Wahrscheinlich hätte keine Einzelperson im April 1952 die Schwarze Liste knacken können, aber es war doch niemand in einer günstigeren strategischen Position als Kazan, um Kraft seines Prestiges und seiner wirtschaftlich unangreifbaren Stellung den Versuch zu wagen, eine symbolische Kampagne zu eröffnen und durch sein Beispiel Hunderte Unentschlossener für die Opposition zu gewinnen."

Es stellte sich jedoch heraus, daß Kazan hierfür nicht der richtige Mann war. In den vielen Versuchen, sich zu rechtfertigen, die er über all die Jahre unternommen hat, versicherte er immer, daß Prinzipienfragen - Opposition gegen die verschwörerischen Methoden der Kommunistischen Partei und die Verbrechen Stalins - ihn dazu veranlaßt hätten, Namen zu nennen. In seiner Autobiographie bestreitet Kazan, er habe es "für Geld" gemacht. Er schreibt: "Dies [die Erhaltung seiner Karriere in Hollywood] war nicht der Grund. Wenn ich schließlich getan habe, was ich tat, hatte ich meine eigenen guten Gründe dafür, und ich tat es - nach reiflicher Überlegung -aufgrund meiner eigenen Erfahrungen."

Die Aussagen seiner Zeitgenossen lassen einen andern Schluß zu. Lillian Hellman, zugegebenermaßen nicht die vertrauenswürdigste Zeugin, berichtete, Kazan habe ihr gesagt: "Ich habe im letzten Jahr über 400.000 Dollar durch die Schauspielerei verdient. Aber Skouras [Spyros Skouras, Präsident von Twentieth-Century-Fox] sagt mir, ich werde nie mehr einen Film drehen [falls ich nicht mitziehe]." Der Produzent Kermit Bloomgarden berichtete Navasky, daß Kazan ihm erzählt habe, "er sei in Washington gewesen und habe J. Edgar Hoover und Spyros Skouras getroffen, die von ihm verlangt hätten, Namen zu nennen... Er sagte: ‘Ich muß doch an meine Kinder denken'. Und ich erwiderte: ‘Das wird auch vorbeigehen, und dann wirst du in den Augen deiner Kinder als Informant dastehen, denk daran'." Kazan erwähnt in seiner Autobiographie, daß Skouras ihm ein Treffen mit Hoover vorgeschlagen habe, äußert sich aber nicht dazu, ob es tatsächlich stattfand.

Im gleichen Buch zeigt der Regisseur recht gut seine wirkliche Einstellung, indem er einen Tagebucheintrag von 1952 über eine Unterhaltung mit Arthur Miller zitiert: "Ich erwähnte, daß Skouras mir bedeutet habe, daß ich keine Filme mehr machen könne, wenn ich nicht andere Linke aus dem Group nennen würde; darauf sagte ich zu Art, ich bereite mich schon auf eine Zeit ohne Filmarbeit oder Geld vor... Ich hatte jedoch überhaupt kein gutes Gefühl dabei. Ich sagte (zu mir selbst): Warum zum Teufel gebe ich dies alles auf? Um einer Heimlichkeit willen, die ich nicht für richtig halte, und um Leute zu schützen, die bereits entlarvt sind oder über kurz oder lang von jemand anderem angezeigt werden? Ich sagte mir, schließlich hasse ich die Kommunisten seit Jahren und halte es nicht für richtig, meine Karriere zu opfern, um sie zu verteidigen."

Mehrere Personen zögerten offensichtlich, als sie dem Ausschuß gegenüber Namen nannten, und einige verurteilten später ihr eigenes Verhalten (zum Beispiel der Schauspieler Sterling Hayden); andere wurden durch ihre Entscheidung völlig aus dem Gleis geworfen. Kazan mußte sich einreden, er handle nicht aus Egoismus, sondern aufgrund von Prinzipien. Zwei Tage nach seinem Auftritt vor dem HUAC ließ Kazan durch seine erste Frau eine Anzeige in die New York Times setzen, in der er sein Verhalten rechtfertigte - ein ziemlich ekelhaftes Dokument.

Kazans wesentliche Behauptung lautet, "kommunistische Aktivitäten" stellten "eine gefährliche ausländische Verschwörung" dar, die entlarvt werden müsse. Das amerikanische Volk könne dieses Problem nur vernünftig lösen, wenn es alle Fakten über den Kommunismus kenne. Er versicherte, daß "jeder Amerikaner, der solche Fakten kennt, verpflichtet ist, sie mitzuteilen, entweder der Öffentlichkeit oder den entsprechenden Regierungsbehörden." Offensichtlich hat Kazan selbst so gehandelt, als er die Fakten aus seinem eigenen Leben "ohne Vorbehalt vor dem Ausschuß für unamerikanische Umtriebe ausgebreitet" hat.

Er erklärt in seiner Anzeige, daß er bisher darauf verzichtet habe, seine Geschichte schon früher zu erzählen, weil er zurückgehalten worden sei durch eine "besondere Argumentationsweise, die viele Liberale vom Reden abhält. Sie lautet wie folgt: ‘Du magst die Kommunisten hassen, aber du darfst sie nicht angreifen oder entlarven, denn wenn du das Recht angreifst, unpopuläre Meinungen zu vertreten, machst du mit denjenigen gemeinsame Sache, welche die demokratischen Grundrechte angreifen.'"

Dieses Argument, so sei ihm nun bewußt geworden, sei "eine Lüge. Die Geheimhaltung nützt den Kommunisten. Auf der andern Seite nützt sie denjenigen, die ein Interesse daran haben, liberale Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Anstellung vieler guter Liberaler ist in Gefahr, weil sie zugelassen haben, daß man sie mit den Kommunisten in einen Topf wirft oder daß diese sie zum Schweigen verurteilten. Die Liberalen müssen reden."

Kazans Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei hätte ihm "Erfahrungen aus erster Hand über Diktatur und Gesinnungskontrolle verliehen... Sie haben in mir einen bleibenden Haß auf kommunistische Philosophie und Methoden erzeugt und die Erkenntnis geweckt, daß man ihnen unter allen Umständen widerstehen muß."

Die Auffassung, die Kommunistische Partei sei nichts weiter als eine GPU-Verschwörung gewesen, ist waschechte politische Reaktion von der Sorte McCarthys. Budd Schulberg, Kazans Mitinformant und Drehbuchautor, versuchte in einem Gespräch mit Victor Navasky, seiner eigenen Aussage eine schönere Seite abzugewinnen. Er behauptete, ihn habe das tragische Schicksal der sowjetischen Künstler dazu veranlaßt, und er habe gehandelt, um das Wachstum einer totalitären Bewegung in den USA zu unterbinden. Die Informanten, so sagte er, seien "frühe Anti-Stalinisten" gewesen.

Die wahren Anti-Stalinisten waren, wie jeder weiß, der die Geschichte dieses Jahrhunderts kennt, die Trotzkisten, und sie haben ihre Bestimmung nicht erst 1952 entdeckt. Trotzki und seine Gesinnungsgenossen haben von 1923 bis 1933 für die Wiederbelebung der Sowjetmacht und der kommunistischen Internationale gekämpft, und danach, als diese offensichtlich für die soziale Revolution verloren waren, für die politische Revolution in der UdSSR und den Aufbau einer neuen sozialistischen Internationale. Ihre Opposition gegen Stalinismus war marxistisch, eine Opposition von links. Sie erklärten, daß das Regime in der Sowjetunion die Oktoberrevolution verraten habe, und daß seine Verbrechen nicht aus dem Vormarsch des sowjetischen Sozialismus entstanden seien, sondern im Gegenteil aus der Tatsache, daß die Entwicklung wieder zur Restauration des Kapitalismus tendiere. Alle folgenden Ereignisse haben diese Anschauung bestätigt.

Tausende Marxisten haben in der UdSSR für ihre Opposition gegen die bürokratische Diktatur mit dem Leben bezahlt. Andererseits haben viele derjenigen, die 1917 die bolschewistische Revolution und ihre Perspektive der Weltrevolution noch abgelehnt hatten, in den dreißiger Jahren das stalinistische Regime unterstützt, gerade weil es den Weg der sozialen Revolution verlassen hatte. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie respektable liberale Zeitungen wie die New York Times und die Nation die berüchtigten Moskauer Prozesse in ihrer Berichterstattung unterstützten.

Kazan und Schulberg schlossen sich in der Zeit der Volksfront der sowjetischen Bürokratie und ihrer amerikanischen Partei an, als die Stalinisten Roosevelt unterstützten und wichtige Positionen in den CIO-Gewerkschaften bekleideten. Stalinisten oder ihre Sympathisanten kontrollierten Theatertruppen, Verlagshäuser und eine Vielzahl von Publikationen. Kazan und viele andere waren zu keinem Zeitpunkt auch nur im Entferntesten Marxisten, vielmehr linke Reformisten. Ob der politische Werdegang dieser Individuen vorherbestimmt war, ob ihnen andere Wege offengestanden hätten, wenn die kommunistischen Parteien nicht durch und durch stalinisiert worden wären, darüber kann man heute streiten.

Schulbergs Vorstellung, daß die unterdrückten sowjetischen Künstler durch den starken amerikanischen Staat hätten gerettet werden können, beruhte auf einer definitiven politischen Lüge: daß die amerikanische "Demokratie" und der stalinistische "Totalitarismus" Todfeinde seien. Diese vulgäre, falsche und eigennützige Vorstellung diente dazu, während des kalten Kriegs jede Menge niederträchtige Gemeinheiten zu rechtfertigen. Schulberg hat sich nie darum bemüht, zu erklären, wie es der Befreiung der Menschheit dienen könnte, den Kampf gegen Totalitarismus Joseph McCarthy, John Foster Dulles, Dwight Eisenhower und Richard Nixon, der CIA, dem FBI und dem amerikanischen Militär zu überlassen.

Welche Folgen hatte die McCarthy-Ära innerhalb der USA? In seiner Anzeige in der Times behauptete Kazan, für ihn seien "freie Rede, eine freie Presse" wichtig. Unter dem Vorwand, die kommunistische Gefahr zu bekämpfen, bauten rechte und unternehmerfreundliche Kreise ihre Kontrolle über die Medien aus und trugen dazu bei, ein angepaßtes, pro-kapitalistisches Klima zu schaffen, wie es in keinem europäischen Land existiert. Die erstickende Beschränktheit, die das politische Leben Amerikas mit seinen zwei fast identischen kapitalistischen Parteien heute noch auszeichnet, kann auf jene Periode zurückgeführt werden.

Und doch wäre es trotz all dem Mist, der in Hollywood in den fünfziger Jahren produziert wurde, falsch zu behaupten, daß die Hexenjagd unmittelbar zum künstlerischen Kollaps der amerikanischen Filmindustrie geführt habe. Klassische Studioregisseure, deren Karriere schon vor der McCarthy-Ära begonnen hatte und die sich aus den politischen Kontroversen der frühen Fünfziger weitgehend heraus hielten, produzierten noch mindestens zehn Jahre lang ernst zu nehmende Arbeiten. Die folgenden Generationen hatten jedoch immer weniger zu sagen und verfügten ganz allgemein weder über politische noch über künstlerische Prinzipien.

Zu jener Zeit hatten die Herrschenden bereits begriffen, daß ein anderes Medium das Kino als mächtigstes und einflußreichstes Mittel der Massenmanipulation verdrängte: das Fernsehen. Obwohl auch einige boykottierte Schriftsteller in der neuen Industrie unter Pseudonym wieder Arbeit fanden, verbreitete das Fernsehen der fünfziger Jahre im großen Ganzen die autoritärsten Vorstellungen über den Menschen, die es je gegeben hat.

Kazan verpflichtete sich in seiner Erklärung dem "Arbeiterrecht". Und doch bestand das wichtigste Ziel der McCarthyisten darin, radikale Kräfte aus der Arbeiterbewegung zu entfernen und so die Widerstandskraft der Arbeiter zu schwächen. Obwohl die herrschende Klasse bei weitem nicht in der Lage war, den Arbeitern wieder wirtschaftliche Bedingungen wie in den dreißiger Jahren aufzuzwingen, war sie doch entschlossen, den Gewerkschaften in politischer Hinsicht die Zähne zu ziehen. Die Bourgeoisie war bereit, in puncto Löhne und Lebensstandard beträchtliche Zugeständnisse zu machen, wenn sie dafür die Vorherrschaft einer pro-kapitalistischen Bürokratie über die Arbeiterbewegung sicherstellen konnte.

Unternehmer arbeiteten eng mit den unterschiedlichen staatlichen Ermittlungsorganen zusammen, um "Unruhestifter" zu identifizieren. Gewerkschaften, welche sich weigerten, KP-Mitglieder aus ihrer Führung zu entfernen, wurden ausgeschlossen; in einigen Industriezweigen fanden Massenentlassungen statt. In der Autoindustrie nutzte Walter Reuther den Umstand aus, daß die Stalinisten ihre Popularität eingebüßt hatten, nachdem sie im Krieg als Polizisten des Streikverzichts aufgetreten waren, und schürte eine Pogromstimmung gegen Linke.

Das allgemeine Resultat dieses Prozesses war die politische Neutralisierung der Arbeiterbewegung und letztlich die Errichtung einer buchstäblichen Diktatur rechter Schläger in den Gewerkschaften und Fabriken. Dies hatte enorme und verheerende Konsequenzen für die amerikanische Gesellschaft. Die Arbeiter, deren Lebensstandard sich ständig verschlechtert, zahlen heute noch den Preis dafür, daß sie damals nicht in der Lage waren, sich als unabhängige politische Kraft zu organisieren, und stattdessen das kapitalistische System im allgemeinen hinnahmen. Es hat Folgen für die ganze Menschheit. Wäre es denn für den amerikanischen Staat nicht bedeutend schwieriger, seine Außenpolitik anderen aufzuzwingen - von seiner Unterstützung blutiger Diktaturen in Asien, Afrika und Lateinamerika über den zehnjährigen Krieg in Südostasien bis hin zu seiner unmittelbaren Beteiligung am Massenmord in Indonesien, Chile und anderswo - ohne die Unterstützung eines durch und durch unterwürfigen, pro-imperialistischen AFL-CIO, einer Organisation, die in Wirklichkeit aufs Innigste mit dem Geheimdienst und dem Militärapparat verbunden ist?

Siehe auch:
Teil 1: Die Entscheidung Elia Kazan den Ehren-Oscar zu verleihen
(27. März 1999)
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