König Hassan von Marokko: Nachruf auf einen skrupellosen Despoten

Mit König Hassan II. von Marokko, der am Freitag, den 23. Juli nach 38 Jahren auf dem Thron im Alter von 70 Jahren starb, ist im letzten halben Jahr nach König Hussein von Jordanien schon die zweite Marionette des europäischen und amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten gestorben.

Delegationen und Repräsentanten aus mehr als 60 Ländern strömten in Marokkos Hauptstadt Rabat, um einem loyalen Diener ihren Respekt zu bekunden. Nicht wenige mussten zu diesem Zweck ihre öffentlichen Streitigkeiten untereinander und mit Marokko zurückstellen - ein Zeichen für die Instabilität der internationalen Beziehungen.

Die Delegation aus den USA bestand u.a. aus Bill und Hillary Clinton, die dafür eine Tour zur Sammlung von Wahlkampfgeldern abbrachen, Ex-Präsident George Bush und den zwei früheren Außenministern James Baker und Warren Christopher, die beide eine Schlüsselrolle im sogenannten Friedensprozess spielten.

"König Hassan hat unermüdlich für das Wohl seines Volkes gearbeitet", schwadronierte Clinton. "Er hat wichtige Schritte zur Vergrößerung der Freiheit in seinem Land unternommen", fügte er hinzu, offenbar in Anspielung auf die Freilassung einiger politischer Gegner aus dem Gefängnis.

Präsident Jacques Chirac vertrat Frankreich, das nach dem Vertrag von Fez von 1912 bis 1956 über Marokko geherrscht hatte. "Wir haben einen Mann verloren, der Frankreich und das französische Volk liebte - wir empfinden unermeßlichen Schmerz", so Chirac. Für Spanien, das einst ebenfalls einen Teil Marokkos beherrscht hatte, kamen König Juan Carlos und Königin Sofia. Großbritannien schickte Prinz Charles und Außenminister Robin Cook.

Aus Palästina kam Jassir Arafat, während der syrische Präsident Hafez el-Assad sich im letzten Moment entschuldigen ließ, aber seinen Stellvertreter Mohammed Zuhair Masharqua schickte. Ägypten wurde von Präsident Hosni Mubarak vertreten. Zumindest in der Öffentlichkeit hatten all diese Führer Hassan für seine freundschaftlichen Beziehungen zu Israel angegriffen, dessen Premierminister Ehud Barak und Außenminister David Levy ebenfalls zur Beerdigung kamen. Schimon Peres, ein früherer israelischer Premierminister, erklärte: "Mit seinem Tod haben wir einen der erfahrensten und weisesten Führer dieser Region des letzten halben Jahrhunderts verloren."

Mit Hassans nordafrikanischen Nachbarn standen seine Beziehungen alles andere als zum Besten, aber nichtsdestotrotz kamen auch sie. Mohamed Abdelazziz, der Präsident der Arabischen Demokratischen Republik Sahara (SADR), deren Territorium von Marokko kontrolliert wird, war einer der Trauergäste. Die Polisario-Front hat gegen Marokko mehr als ein Jahrzehnt lang einen erbitterten Krieg um die West-Sahara geführt, welche Marokko als sein Territorium beansprucht.

Aus Algerien kam Präsident Mohammed Bouteflika. Es war der erste offizielle Besuch seit zwei Jahrzehnten. Wegen der Auseinandersetzung um die West-Sahara hatten die beiden Länder ihre Grenzen zueinander für Menschen und Güterverkehr geschlossen.

Oberst Muammar Gadaffi wies Major Khouildi Hamidi, ein Mitglied des Revolutionären Rats des Landes an, seinen Besuch in Gambia abzukürzen, um die libysche Regierung zu vertreten, obwohl es in den Beziehungen der beiden Länder in den letzten drei Jahrzehnten sehr auf und ab gegangen war. Libyen befindet sich formal im Kriegszustand mit Israel.

Alle Staaten des Nahen Ostens, einschließlich des Irak, und andere moslemische Länder entsandten Delegationen. Aus 14 afrikanischen Ländern kamen Staatsoberhäupter. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) schickte eine Beileidsbotschaft, obwohl Marokko die OAU vor mehr als 20 Jahren verlassen hatte, als diese die SADR anerkannte.

Die verschiedenen Politiker stellten König Hassan, ähnlich wie vor ihm schon den Anfang diesen Jahres verstorbenen König Hussein als eine Art großen Staatsmann der nahöstlichen Politik dar. Dabei hatte Hassan wesentlich weniger öffentliche Aufmerksamkeit als Hussein erregt. Sein Land lag näher bei London als Jerusalem und war ärmer als alle anderen in Nordafrika.

Nach dem Tod Husseins war Hassan, von seinen politischen Gegnern "der große Überlebenskünstler" genannt, der am längsten regierende Monarch der arabischen Welt. Er war 1961 nach dem Tod seines Vaters König geworden. Er behielt seinen Thron, während jene von Libyen, Ägypten, Iran und Irak gestürzt wurden. Er überlebte ein halbes dutzend Staatsstreiche und Anschläge.

Während der 38 Jahre seiner despotischen Herrschaft spielte er eine Schlüsselrolle für das Überleben des zionistischen Staats auf Kosten der Palästinenser. Er unterdrückte die Polisario in der am Rohstoff Phosphat reichen West-Sahara und den islamischen Fundamentalismus in Marokko selbst. Er machte die marokkanische Wirtschaft zu einer Plattform besonders des europäischen Markts für billige Rohstoffe und Fertigwaren, insbesondere Kleidung.

Zum Zeitpunkt seines Todes steckt nicht nur der "Friedensprozess" im Nahen Osten in der Krise, sondern auch die Maghreb-Länder Nordwestafrikas, die den Handel mit den arabischen Ländern wiederbeleben wollen. In Afrika destabilisieren Rivalitäten zwischen den USA und den früheren Kolonialmächten die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen.

Aus all diesen Gründen sind die Führer aus aller Welt nach Rabat gekommen. Während sie offiziell anreisten, um zu trauern und Hassan Tribut zu zollen, nutzten nicht wenige die Gelegenheit zu formellen oder informellen Gesprächen mit denjenigen, mit denen sie seit Jahren nicht gesprochen hatten. Viele kamen, um den neuen König kennenzulernen - über den bis jetzt wenig bekannt ist - und zu sehen, ob sie mit ihm ins Geschäft kommen können.

Eine Marionette der Franzosen

Die offiziellen Lobreden auf Hassans staatsmännische Qualitäten schwiegen höflich über seine brutale Unterdrückung politischer Gegner, massive Menschenrechtsverletzungen, die Lebensbedingungen des marokkanischen Volkes, dem ärmsten Nordafrikas, und seine Rolle bei der Isolation und dem Verrat an den Palästinensern.

Der 1929 als Moulay Hassan geborene war das älteste von sechs Kindern des Sultans Sidi Mohammed ben Youssef - der seine Abstammung direkt auf den Propheten Mohammed zurückführte. Zu dieser Zeit war Marokko ein Protektorat Frankreichs, mit Ausnahme zweier von Spanien regierter Regionen im Nordwesten und an der Südküste sowie der Stadt Tangier, einer internationalen Zone. Als Sultan war Sidi Mohammed für lokale und religiöse Angelegenheiten zuständig.

Während des ganzen nächsten Jahrzehnts dauerte der Widerstand gegen den Kolonialismus an. Nach der Niederlage Frankreichs im Zweiten Weltkrieg trafen sich US-Präsident Roosevelt, Großbritanniens Premier Winston Churchill und Charles de Gaulle für Frankreich in Casablanca und versprachen Marokko, es werde nach 10 Jahren die Unabhängigkeit erhalten, wenn es sich am Krieg gegen die Achsenmächte beteilige. Es sollte sich herausstellen, dass die Franzosen dieses Versprechen nicht einhalten wollten.

Nach einer Ausbildung in Frankreich und Dienst in der französischen Marine, auf dem Schlachtschiff Jeanne d'Arc, wurde Moulay ein Playboy, der sich in Kasinos von Europa vergnügte und das typische Lotterleben von - gekrönten oder ungekrönten - Monarchen führte: Pferderennen, Sportwagen, Flugzeuge und Filmstars als Freundinnen.

Als die Forderungen nach Selbstbestimmung schließlich immer lauter wurden, stellte sich der Sultan an die Spitze der Bewegung. Im Jahr 1953 wiesen ihn die Franzosen schließlich erst nach Korsika und dann Madagaskar aus. Unruhen und Guerillakrieg nahmen jedoch immer weiter zu, und die tief in den algerischen Unabhängigkeitskrieg verstrickten Franzosen gaben nach. Um ihre Interessen zu wahren, nahmen sie der Arbeiterklasse und der nationalistischen Bewegung für die Vereinigung des Maghreb den Wind aus den Segeln, indem sie Marokko die Unabhängigkeit gewährten. So akzeptierten sie schließlich Sidi Mohammed als Beherrscher Marokkos.

Der Sultan änderte seinen Titel in König und erklärte sich zu Mohammed V., um seinem Thron einen Anschein von Legitimität zu verschaffen. Sein Sohn wurde Kommandeur der Königlich Marokkanischen Armee, die zwischen loyal zu Frankreich Stehenden und früheren Aufständischen gespalten war.

Moulay Hassan organisierte die Armee um, vergrößerte sie auf das Doppelte und setzte sie für zivile Arbeiten ein. Die Monarchie war jedoch in den schmutzigen Elendsvierteln von Rabat, Casablanca und anderen Städten alles andere als populär. Er wurde 1961 König, nachdem sein Vater unerwartet nach einer kleineren Operation gestorben war, und nahm den Titel Hassan II. an. Die "Erfolge" seiner Herrschaft lassen sich an den folgenden Statistiken ablesen.

Die beiden Hauptprobleme des Landes 1961 waren Arbeitslosigkeit und Analphabetismus. Nach fast vierzig Jahren, in denen sich die Bevölkerung auf knapp 30 Millionen verdreifacht hat, steht die Jugendarbeitslosigkeit offiziell bei 25 Prozent, während die tatsächliche Rate wohl doppelt so hoch ist. Mindest 55 Prozent der Marokkaner können nicht lesen und schreiben, 40 Prozent der Kinder haben noch nie die Schule besucht. Die Kindersterblichkeit hat sich auf 64 pro 1.000 halbiert, ist aber immer noch die höchste in Nordafrika und mehr als doppelt so hoch wie in Algerien. Nur die Hälfte der Landbevölkerung hat Zugang zu einem vernünftigen Gesundheitssystem und nur ein Fünftel zu sauberem Wasser.

Im Jahr 1997 nahm Marokko auf dem Entwicklungsindex der UNO Platz 119 ein, nur wenige Plätze vor dem Irak (Platz 126) nach jahrelangen Sanktionen. Die Leichen jener, die verzweifelt jeden Monat versuchen, in kleinen Booten über die Strasse von Gibraltar nach Europa zu gelangen, und dann an der Küste Südspaniens angetrieben werden, sind ein eindeutiges Zeugnis für das Erbe Hassans. Dem käuflichen Monarch selbst gehörten zehn Paläste und 20 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes.

Wie Hassan mit der Opposition fertig wurde

Aufgrund der schlechten sozialen Verhältnisse gab es während seiner Herrschaft ständig oppositionelle Bewegungen. Bereits 1965 fanden in Casablanca und anderen Städten gewalttätige Studentenproteste gegen Kürzungen im Bildungsbereich statt. Darauf folgten Verhaftungen, Einkerkerungen, Exil und Hinrichtung von Oppositionsführern. Mehdi Ben Barka, ein bekannter Nationalist und oppositioneller Führer der Union des Forces Populaires, der vier Jahre Mathematiklehrer des Königs gewesen war, wurde in Apris gekidnappt und ermordet. Israelischen Geheimdienstexperten zufolge half der israelische Geheimdienst Mossad bei dem Attentat. Innenminister Mohamed Oufkir, die rechte Hand des Königs, wurde in weiten Kreisen für den Mord verantwortlich gemacht, dennoch wurde nie ermittelt.

Hassan löste das Parlament auf und rief den Ausnahmezustand aus, was ihm bis zur Annahme einer neuen Verfassung absolute Macht in die Hände gab. Die meiste Zeit seiner Herrschaft regierte er mit eiserner Faust und hielt sie mit Hilfe aus dem Westen aufrecht. Viele Jahre stand er auf der Gehaltsliste der CIA.

Als er 1971 anlässlich seines 42. Geburtstages in seinem Sommerpalast ein Festbankett für 800 Gäste gab, stürmten 1.400 bewaffnete Kadetten den Palast und schossen wild um sich. Sie töteten mehr als 100 Menschen, darunter den belgischen Botschafter, und verwundeten 200 weitere. Hassan wartete das Ende der Schiesserei in einem Badezimmer versteckt ab. Loyale Truppen schlugen die Revolte nieder, töteten mehr als 150 Aufständische und nahmen 900 weitere gefangen. Ein dutzend hochrangige, konservative Offiziere wurden später hingerichtet. Der König ernannte General Oufkir zum Verteidigungsminister.

Weniger als 12 Monate danach griffen vier F-5 Kampfflugzeuge der Königlich Marokkanischen Luftwaffe das Flugzeug des Königs an, als es nach einem Besuch in Paris in Rabat landen wollte. Sie beschossen die Rollbahn auch noch nach seiner Notlandung, bis Hassan sich das Funkgerät griff und ihnen durchsagte, sie seien erfolgreich gewesen und der König tot. Die Aufrührer brachen den Angriff ab, nach wenigen Stunden wurden ihre Anführer verhaftet und erschossen.

Einer von ihnen war General Oufkir, der auch schon in den früheren Sturm auf den Palast verwickelt gewesen war. Offiziellen Berichten zufolge beging der General Selbstmord, sein Körper wies jedoch zahlreiche Wunden auf. Nachdem er ihr Haus in Rabat bis auf den Grund hatte niederbrennen lassen, verbannte Hassan Oufkirs Witwe und sechs Kinder in die Wüste, wo sie unter Hausarrest gestellt und erst 1991 wieder freigelassen wurden.

Unterdrückung der Polisario

Hassan bemühte sich in den siebziger Jahren, die Unruhen im Land auf verschiedene Weise zu dämpfen. 1973 setzte Maßnahmen durch, die marokkanisches Eigentum und Beschäftigung in Firmen, die in Marokko arbeiteten, erhöhen sollten, und verteilte Ackerland von Ausländern an einheimische Bauern. So versuchte er auf Kosten ausländischer Kapitalisten zwischen der nationalen Bourgeoisie und den Massen zu manövrieren.

1975 verlieh Hassan Marokkos Anspruch auf die West-Sahara, die im Norden von Marokko und im Süden von Mauretanien beansprucht wurde, offiziell jedoch immer noch unter spanischer Verwaltung stand, dadurch Nachdruck, dass er mit 350.000 Marokkanern, die nur mit dem Koran und Transparenten bewaffnet waren, über die Grenze marschierte.

Die West-Sahara umfasste lediglich ein Gebiet von 260.000 km² mit weniger als 75.000 Einwohnern, meist Nomaden. Das Land bestand zwar zum größten Teil aus Wüste, war aber reich an Rohstoffen.

Spanien zog sich zurück und übergab die Kontrolle an Marokko und Mauretanien. Dies löste einen brutalen und kostspieligen Krieg gegen die Polisario-Front aus, die für die Unabhängigkeit von Spanien gekämpft hatte und nicht von Marokko regiert werden wollte. Da Libyen und Algerien die Polisario unterstützten und sie mehr als 70 Regierungen weltweit anerkannten, schien ihr Sieg festzustehen. Hassan kümmerte sich jedoch nicht um die internationalen Proteste und besetzte das umstrittene Gebiet.

Wagte es irgendjemand, etwas gegen die marokkanische Besetzung zu sagen, reagierte der König umgehend mit äußerster Brutalität. Hunderte von Oppositionellen verschwanden. Viele tauchten nie wieder auf. Amnesty International veröffentlichte unzählige Berichte über Folter und Misshandlungen durch die marokkanischen Sicherheitskräfte.

Nach einem Staatsstreich gab die neue Regierung Mauretaniens 1979 ihre Ansprüche auf die West-Sahara auf. Marokko nutzte jedoch einfach die Gelegenheit, um seinen Anspruch auf das ganze Land auszudehnen.

Nachdem Oberst Gadaffi 1984 untätig zugesehen hatte, wie die Palästinenser in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila abgeschlachtet wurden, behandelte er die Sahara-Rebellen auf die gleiche Weise. Er unterschrieb einen Vertrag mit Marokko, der Libyens Unterstützung für die Polisario aufkündigte und damit ihrer Niederlage den Weg ebnete. Hassan baute einen hunderte Kilometer langen Befestigungswall zum Schutz seiner Bergbau-Minen in der West-Sahara gegen das Eindringen der Polisario. Algerien, das zunehmend mit seinen eigenen internen Problemen zu kämpfen hatte, konnte den Rebellen nur wenig Unterstützung leisten.

Nachdem die Polisario isoliert war, gewann Marokko schließlich die Kontrolle über den größten Teil der Region und stimmte 1991 einem Waffenstillstand der UNO zu. Die UNO hätte ein Referendum zur Lösung des Konflikts abhalten sollen, das aber wegen Streitigkeiten, wer wahlberechtigt sein sollte, nicht stattfand. Der 16jährige Krieg hat geschätzte 20 Mrd. Dollar gekostet, eben so viel wie die Schuldenlast, die zu den höchsten der arabischen Länder gehört.

Hassan isolierte die Palästinenser

Vor allem seine wichtigen Rolle bei der Unterstützung des zionistischen Staates Israel gegen die Palästinenser brachte ihm die Unterstützung der USA ein. Fast alle 250.000 in Marokko lebenden Juden wurden aufgefordert, nach Israel auszuwandern, für das die Einwanderung eine Überlebensfrage darstellte. Obwohl er in den arabisch-israelischen Kriegen von 1967 und 1973 ein paar Truppen zur Unterstützung Ägyptens und Syriens schickte, hielt Hassan seine informellen Kanäle zu Israel offen.

Israels Geschichte verzeichnet zahllose hochrangige geheime Besuche in Marokko, die sich als Schlüsselfaktor für den Friedensprozess erweisen sollten. Golda Meir, Moshe Dayan, Yitzhak Rabin und Schimon Peres gehörten zu den israelischen Führern, die in ausgeklügelten Verkleidungen während wichtiger Momente in Hassans Privatflugzeugen saßen.

Israelische Zeitungen haben erklärt, dass Hassan dem Mossad die Erlaubnis erteilt hatte, in Marokko eine Zentrale aufzubauen und enge Beziehungen mit den marokkanischen Sicherheitskräften anzuknüpfen. Wie Joseph Alpher, ein früherer Mossad-Agent und Leiter des amerikanisch-jüdischen Büros in Israel es ausdrückte: "In Marokko erhielt der König zusätzliche geheimdienstliche Informationen und Mittel, mit denen er sein Regime sichern konnte. Den Israelis diente es als Fenster zur arabischen Welt."

Dayans Besuch als Außenminister in Fez 1977 legte die Grundlage für den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag und ebnete den Weg für Anwar Sadats historischen Besuch in Jerusalem. Der erste Geheimbesuch von Peres 1978 war der Grundstein für den Dialog mit der PLO, und ein späterer brachte ihn mit PLO-Führer Jassir Arafat zusammen, um eine Krisensituation im Jahr 1995 zu bereinigen.

1982 organisierte Hassan in Fez ein Treffen arabischer Führer, wo er einen Friedensplan durchsetzte, der zwar zur Bildung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt aufrief, jedoch implizit das Existenzrecht Israels anerkannte. Obwohl der Plan von Israel abgelehnt wurde, wurde er zur Grundlage für den Besuch des Königs bei Premierminister Peres im Jahr 1986.

1993 erkannte der König dann Israel de facto an, indem er Premierminister Rabin empfing. Es war der erste offizielle Besuch eines israelischen Führers in einer anderen arabischen Nation als Ägypten. Er spielte eine Schlüsselrolle in dem Abkommen von Oslo 1993 und dem Frieden mit Jordanien ein Jahr später.

Trotz ritueller Proteste förderten andere arabische Nationen Hassans Beziehung mit Israel, weil sie Marokko, geographisch von den unmittelbaren Konflikten entfernt liegend, eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Abkommen mit den USA und Israel zuschrieben.

Marokkos instabile Zukunft

Die formale politische Unabhängigkeit hat im Rahmen der fortgesetzten imperialistischen Vorherrschaft und der Monarchie keines der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme gelöst, die Marokko vom Kolonialismus und der prä-kolonialen Rückständigkeit ererbt hat. Hassans 38jährige Herrschaft hinterlässt ein Land voller sozialer Probleme.

Wirtschaftlich wird das Abkommen mit der EU, das Marokkos Markt europäischen Produkten öffnet, zum Bankrott vieler einheimischer Unternehmen führen und die Arbeitslosigkeit steigern. Die USA arbeiten seit letztem Jahr ebenfalls daran, die Wirtschaftsbeziehungen zu den nordafrikanischen Ländern auszubauen. An der politischen Front ist der Konflikt mit der Polisario über die West-Sahara immer noch nicht beigelegt.

Einer nach dem anderen kommen die älteren Despoten, die jahrzehntelang innerlich zunehmend zerrissene Staaten zusammengehalten haben, ans Ende ihrer Tage. Sie hinterlassen einen Nahen Osten und ein Nordafrika, die am Abgrund entlang torkeln. Der vergebliche Versuch, einen solchen Staat aufrechtzuerhalten, führte die Staatschefs der Welt jüngst nach Rabat.

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