Wahlerfolg der Rechten in Brandenburg

Wie schon bei der Bundestagswahl vor einem Jahr und den Europawahlen vor drei Monaten, war ein wichtiger Faktor bei den Landtagswahlen in Brandenburg das Wahlverhalten der mit der herrschenden Politik unzufriedenen Wähler. Eine immer größere Zahl von Menschen steht der offiziellen Politik feindlich gegenüber.

Als es vor einem Jahr darum ging, Kohls rigorose Kürzungspolitik zu beenden, konnten SPD und Grüne viele unzufriedene Wähler an sich binden. Viele Arbeiter und Jugendliche hatten Hoffnungen in eine Rot-Grüne Koalition gesetzt. Die hohe Wahlbeteiligung war direkt auf die Mobilisierung eben dieser Schichten zurückzuführen. Nachdem klar wurde, dass die neue Regierung den Kurs ihrer Vorgängerin nicht ändert, sondern bei voller Kraft beibehält, wich die Hoffnung schnell der Ernüchterung. Eine Sparmaßnahme nach der anderen und nicht zuletzt die Beteiligung am Angriffskrieg gegen Jugoslawien haben zu einer Abkehr großer Teile der Bevölkerung von der Politik der neuen Regierung geführt. Eben das war die Bedeutung der schwindend geringen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen im Juni dieses Jahres. Die Rot-Grüne Koalition hat sich als unfähig erwiesen, die brennenden sozialen Probleme auch nur anzugehen. Das Fehlen jeder wirklichen Opposition und Perspektive gegen diese Politik hat ein politisches Vakuum erzeugt, das in einem wachsenden Nichtwähleranteil seinen Ausdruck fand.

Auch in Brandenburg war die mit Abstand größte Partei die der Nichtwähler. Gerade einmal 54% der wahlberechtigten Brandenburger gaben am letzten Sonntag ihre Stimme ab. Das ist die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer bundesdeutschen Landtagswahl. Anders als bei den Europawahlen, wo die Rechten zusammen weniger als drei Prozent der Stimmen erhielten, war es der rechtsextremen DVU diesmal möglich, mit 5,3% in den Landtag einzuziehen.

Brandenburg ist in der jüngsten Vergangenheit immer wieder durch rechtsextreme Gewalttaten in die Schlagzeilen geraten, die sich nicht so sehr in der Anzahl, dafür aber in ihrer Brutalität oft über den Durchschnitt in anderen Bundesländern erhoben. Es begann, als 1991 in Hoyerswerda unter den Augen der Polizei ein Asylbewerberheim überfallen und Ausländer brutal verprügelt wurden mit dem Ergebnis, dass die Asylbewerber schließlich unter dem Beifall der Nazis außerhalb der Stadt untergebracht wurden, und endet vorerst mit dem Tod des 28jährigen Omar Ben Noui im Frühjahr dieses Jahres, nachdem er in Guben des nachts von 15 Rechtsradikalen durch die halbe Stadt gehetzt worden war.

Weder die Initiative "Tolerantes Brandenburg" des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, noch die Schaffung einer besonderen Mobilen Eingreiftruppe gegen Gewalt durch den Innenminister Alwin Ziel konnten die traurige Berühmtheit Brandenburgs einschränken.

Die in Brandenburg laut Verfassungsschutz etwa 200 Mitglieder zählende DVU hatte es geschafft, mit einer 2,5 Mio. DM teuren Materialschlacht Protestwähler für sich zu gewinnen. Indem sie ihre rassistische Hetze mit der sozialen Frage verknüpft hat, war es ihr möglich in das politische Vakuum vorzudringen. "Deutsches Geld für deutsche Arbeit" oder "Arbeit zuerst für Deutsche" lauteten ihre Parolen, mit denen sie in ganz Brandenburg die Laternenmasten übersäten.

Die darin enthaltene Unterstellung, dass ausländische Arbeiter den deutschen die Arbeit wegnehmen würden, ist natürlich absurd. Wie in den anderen Bundesländern im Osten Deutschlands, so ist auch in Brandenburg der Anteil an Ausländern verschwindend gering. Unter etwa 2,5 Millionen Einwohnern leben gerade mal 58.000 Ausländer. Dies entspricht 2,2% der Bevölkerung. Und sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer gab es 1997 in Brandenburg nur 7125. Bei einem Blick auf die gesamte Arbeitslosigkeit von über 225.000 erübrigt sich jeder weitere Kommentar zum "Lösungsvorschlag" der DVU.

Aber, dass sie die Frage der Arbeitslosigkeit aufgegriffen und gegen die etablierten Parteien gerichtet hat, machte sie zum Anziehungspunkt für verzweifelte Schichten gerade unter Arbeitslosen, auch unter Arbeitern und Jugendlichen.

In ihrer Wahlanalyse kommt infratest dimap zu dem Schluss: "In dieser unzureichenden Lösungskompetenz [Arbeitsplätze zu schaffen] liegt die Ursache sowohl für die niedrige Wahlbeteiligung als auch für das Abschneiden der extremen Rechten. Dabei hat die DVU bei den unter 30-jährigen elf Prozent erreicht, bei den Männern dieser Altersgruppe sogar 16 Prozent."

Auch der Parteisprecher der DVU, Bernd Dröse, gibt das Versagen der etablierten Parteien beim Thema Arbeitslosigkeit als Grund für den eigenen Wahlerfolg an: "Unser Erfolg ist zur Hälfte auf dem Mist gewachsen, den die anderen gebaut haben."

In den zahlreichen Postwurfsendungen, die fast jeder Brandenburger in seinem Briefkasten fand, rief die DVU die Bürger dazu auf, aus dem Stimmzettel einen Denkzettel zu machen und als Protest die DVU zu wählen. Finanziert wurde die Hetzkampagne von dem Gründer und Vorsitzenden der DVU Gerhard Frey, der seine Partei in erster Linie wie ein straff geführtes Unternehmen aufbaut. So wurden beim Wahlkampf auch immer Kataloge seines Verlags mit versendet. Mit ihrer Hetzkampagne konnte die DVU vor allem Nicht- und Erstwähler erreichen.

Es ist kein Zufall, dass die DVU ihren Wahlkampf ausschließlich auf Ostdeutschland konzentriert hat. Hier liegt die Arbeitslosigkeit - namentlich bei Jugendlichen - bald doppelt so hoch, wie im Westen. Es gibt Regionen wo de facto nur noch jeder zweite einer geregelten Arbeit nachgeht. Angesichts der sozialen Lage sind Wut und Verzweiflung hier stärker als in den alten Bundesländern. Und eben das ist die Grundlage für den Wahlerfolg der DVU. Sie hat es geschafft, die soziale Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung mit ihrer beispiellosen Propagandaschlacht für sich zu nutzen. Das ist nur durch die Unfähigkeit der etablierten Parteien, die sozialen Probleme zu lösen, möglich geworden. Keine von ihnen bietet der Mehrheit der Bevölkerung eine Perspektive. Sie alle haben auf die wachsenden Probleme nur eine Antwort: bereichert die Reichen! Die PDS unterscheidet sich hier nur in ihrer Rhetorik von den anderen Parteien. Überall dort, wo sie Regierungsverantwortung trägt, sei es in Kommunen, Gemeinden oder auch Ländern, trägt sie jede soziale Einsparung mit.

Die Unfähigkeit dieser Parteien, den rechten Demagogen etwas entgegen zu setzen, wurde schon im Vorfeld der Wahl mehr als deutlich. Es blieb bei ohnmächtigen Aufrufen an die Bevölkerung, doch eine der demokratischen Parteien zu wählen. Eine Begründung aber, warum ein potentieller Protestwähler seinen Protest nun dadurch ausdrücken soll, dass er eine der Parteien wählt, gegen die er protestieren will, blieb aus.

Die SPD hat mit ihrer Anti-DVU Kampagne die politische Hilflosigkeit am klarsten formuliert. Auf einem Flugblatt, dass in hoher Auflage verteilt wurde, warnt sie die Brandenburger davor, sich zu "verwählen". Die DVU trete "ohne konkretes Wahlprogramm für Brandenburg" an und weise undemokratische Strukturen auf. Gerhard Frey wolle mit seiner Partei nicht die Bevölkerung vertreten, sondern lediglich Geld verdienen. Auf dem gesamten Flugblatt findet man kein einziges Wort über die rechtsradikalen Inhalte der DVU. Die SPD - Kritik resultiert aus einem völlig unpolitischen Standpunkt. Sie ist unfähig der DVU eine politische Perspektive entgegenzustellen.

Die CDU entgegnet den Rechten immer öfter, indem sie offen ihre Parolen übernimmt. So fiel der Spitzenkandidat für Brandenburg Jörg Schönbohm schon als Senator in Berlin immer wieder durch ausländerfeindliche Äußerungen wie "Die Zeit der Gastfreundschaft geht zu Ende" oder "Deutschland ist kein Einwanderungsland und soll es auch nicht werden" auf. Diese Politik führt zu einer breiteren Akzeptanz rechter Parolen, die bei der Wahl der DVU keine unwichtige Rolle gespielt hat.

Die Landtagswahl in Brandenburg hat anschaulich gezeigt, was passiert, wenn die soziale Frage den rechten Demagogen überlassen wird. Man wird den Rechten nur mit einem entschlossenen Programm entgegentreten können, dass die Lebensinteressen der größten Teile der Bevölkerung vor die Profitinteressen der Unternehmer stellt.

Siehe auch:
Eine schallende Ohrfeige für Schröder - SPD verliert Wahlen im Saarland und in Brandenburg
(7. September 1999)
Loading