Israel verschärft den militärischen und wirtschaftlichen Krieg gegen die Palästinenser

Nach beinahe zwei Monaten der Konfrontation hat Israel wiederum seine militärische Offensive gegen die Palästinenser ausgeweitet.

Die anhaltende Gewalt ließ die Zahl der Todesopfer auf über 250 steigen, nachdem am Mittwoch eine Autobombe in Israel explodiert war und israelische Truppen vier Palästinenser erschossen hatten, darunter ein führendes Mitglied der Fatah-Miliz.

Die Kämpfe steigerten sich ein weiteres Mal nach israelischen Raketenangriffen auf palästinensische Sicherheitsziele - die als Vergeltungsmaßnahme für ein Bombenattentat auf einen Schulbus von jüdischen Siedlern in Gaza am 20. November unternommen wurden. Die israelische Regierung machte umgehend "Tanzim"-Kämpfer von Präsident Arafats Fatah-Organisation für das Bombenattentat verantwortlich, bei dem zwei Israelis getötet und vier Kinder verletzt wurden - obwohl die Fatah jede Beteiligung an dem Attentat leugnete. Dieses wurde von Israel als Vorwand benutzt, um mit fünf Hubschraubern Raketenangriffe auf Einrichtungen der Marine, zivilen Verteidigung und Polizei in Gaza und auf das Hauptquartier der palästinensischen Polizei durchzuführen.

In dessen Nähe traf sich zur gleichen Zeit Miguel Angel Moratinos, der EU-Gesandte für den Mittleren Osten, mit Arafat in dessen persönlichen Büro. Am nächsten Tag erschossen israelische Soldaten drei Palästinenser, ein vierter erlag später seinen Verletzungen. Ägypten hat aus Protest gegen die jüngsten Raketenangriffe seinen Botschafter aus Israel abgezogen und die palästinensischen Autoritäten gaben bekannt, dass sie ihre Polizei anweisen, auf israelische Soldaten zu schießen, um die Protestierenden zu beschützen.

Auch die Angriffe von israelischen Siedlern auf Palästinenser haben in den vergangenen Wochen ständig zugenommen. Die palästinensisch-israelische Organisation Alternative Information Center berichtete von zahlreichen Angriffen von Siedlern auf Palästinenser, die ihrem täglichen Leben nachgehen. Diese Siedler fühlen sich frei, andere Menschen einzuschüchtern, Menschen und ihr Eigentum anzugreifen und schrecken selbst vor Mord nicht zurück, denn sie können sicher sein, dass das israelische Militär und Justizsystem sie nur ungern verhaften, anklagen und bestrafen.

In den Wochen, seit die Gewalt einsetzte, haben Siedler Hunderte Hektar palästinensischen Bodens verbrannt und die jetzt anstehende Olivenernte der Palästinenser verhindert. Sie haben Wasserleitungen zu Dörfern unterbrochen und auf Palästinenser in Wohngebieten geschossen, über die seit mehr als einem Monat eine Ausgangssperre verhängt ist.

Mary Robinson, die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, reiste vor zwei Wochen durch die palästinensischen Territorien. Sie sah Kinder in Krankenhäusern, deren Augenlicht durch israelische Geschosse zerstört worden war, und 40.000 Palästinenser, die in Hebron seit sechs Wochen unter Ausgangssperre stehen, damit die bis an die Zähne bewaffnete Enklave von 400 Israelis weiter ihren Geschäften nachgehen kann. Robinson sagte, dass selten ein Volk so offensichtlich des internationalen Schutzes bedurfte.

Wirtschaftsblockade

Israel hat nicht nur die Macht einer der weltweit am stärksten bewaffneten Armeen gegen unbewaffnete Menschen eingesetzt, sondern hält auch die palästinensischen Territorien seit beinahe zwei Monaten im Belagerungszustand. Israel verweigert 120.000 Palästinensern, die Arbeitsplätze in Israel haben, die Einreise, blockiert palästinensischen Exporte, die durch israelische Häfen transportiert werden müssen, und hat die Überweisung von Steuergeldern an die palästinensischen Autoritäten eingestellt.

Seit Beginn der Kämpfe hat Israel die West Bank und den Gazastreifen vom Rest der Welt abgeschnitten. Alle Landrouten nach Ägypten und Jordanien wurden geschlossen, wodurch der Außenhandel zum Erliegen kam. Die Schließung der Exportmärkte führte zu einer Warenschwemme und damit zu einem Verfall der Preise, die die Produzenten auf den lokalen Märkten erzielen können. Palästinenser im Gazastreifen, wo es wenig Lagermöglichkeiten gibt, sehen ihre landwirtschaftlichen Produkte verrotten.

Die israelischen Autoritäten haben die Löschung palästinensischer Importe in den Häfen von Ashdod und Haifa verweigert. Laut Angaben des palästinensischen Informationsministers wurden am Ende des vergangenen Monats 800 Container mit Waren, von Baubedarf bis Medizin, und etwa 1.000 Autos in Ashdod festgehalten. Palästinensische Exporte, die israelische Kontrollpunkte durchqueren müssen, werden gestoppt.

Zu den wirtschaftlichen Folgen der Grenzschließungen sagte Mohammad Shtayyeh, der Leiter der Abteilung für den privaten Sektor des Palästinensischen Wirtschaftsrats für Entwicklung und Wiederaufbau: "Ein große Gefahr besteht darin, dass sie eine Strategie zur Isolierung und Schwächung der palästinensischen Wirtschaft beinhalten, die wiederum nur den Kreislauf der Gewalt und den Konflikts verstärken wird."

Noch zerstörerischer wirkt sich aus, dass 120.000 Palästinenser nicht zu ihren Arbeitsplätzen in Israel fahren können, die ein Viertel der 600.000 erwerbstätigen Palästinenser ausmachen. Bei einer Arbeitslosigkeit von 40 Prozent waren diese oft die Hauptverdiener in ihren Familien. Nun ist diese Lebensader unterbrochen. 3,4 Millionen US-Dollar an Geldsendungen von denen, die in Israel arbeiten, fehlen nun täglich. Da die Löhne in Israel höher sind, bedeutet dies einen Einkommensverlust von 30 Prozent für die palästinensische Ökonomie, was sowohl die Armut wie auch die Spannungen wachsen lässt.

Ein System von Kontrollpunkten des israelischen Militärs, Barrikaden aus Beton und aufgerissenen Straßen unterbindet alle Bewegungen zwischen palästinensischen Dörfern und Städten, während der Zutritt zu Jerusalem für Bewohner der West Bank strikt verboten ist. Vertreter der palästinensischen Autoritäten, Manager, Händler und Fabrikarbeiter können ihren Arbeitsplatz in den besetzten Gebieten nicht erreichen. Palästinenser sind in ihren Gemeinden eingesperrt und nicht in der Lage zu arbeiten, ihre Produkte zum Markt zu bringen oder ihre Familien zu sehen. Kinder können nicht zur Schule gehen.

Die Produktion ist um 80 Prozent zurückgegangen und der Dienstleistungssektor um 70 Prozent geschrumpft. Die Banken können Schecks nichts einwechseln, da die Leute nicht zur Arbeit gehen können und Bezahlungen ausstehen, wodurch die Situation weiter verschlimmert wird. Der Tourismus ist vollständig zum Erliegen gekommen. Die Vorbereitungen für die Millenniumsfeier in Bethlehem wurden eingestellt.

Nach Schätzungen des palästinensischen Wirtschafts- und Handelsministeriums kostete dieser Belagerungszustand im ersten Monat mindestens 345 Millionen US-Dollar. Ein Bericht der Unterstützungs- und Arbeitsvermittlungsstelle für palästinensische Flüchtlinge der Vereinten Nationen gibt die Verluste mit 4 Millionen Dollar pro Tag an und rechnet weitere 229 Millionen Dollar an Verlusten durch die israelischen Handelsbeschränkungen hinzu. Die Weltbank sagte, dass der Niedergang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr 630 Millionen Dollar erreichen könnte, was eine Senkung des Pro-Kopf-Einkommens um 11 Prozent bedeuten würde.

Es gibt auch Berichte von Soldaten, die Olivenhaine und Bananenplantagen am Stadtrand von Jericho planieren, angeblich aus "Sicherheitsgründen".

Nachdem Israel über mehrere Wochen hinweg die fällige Übermittlung von Steuergeldern an die palästinensischen Autoritäten auf legalem Wege verringert hatte, wurden diese Zahlungen nun völlig eingestellt. Am Sonntag hauchte Israels Premierminister Ehud Barak der Politik seines Vorgängers Benjamin Netanjahu neues Leben ein, der die Transfers 1997 gestoppt hatte. Barak sagte, er halte die Zahlung von monatlichen 60 Millionen Dollar zurück "als Teil unserer Forderung, dass auch die andere Seite an den Vereinbarungen festhalten soll".

Nach dem 1994 in Paris unterzeichneten Wirtschaftsprotokoll muss Israel jeden Monat Öl, Waren und Steuern übergeben, die den palästinensischen Autoritäten als Schulden gezahlt werden. Durchschnittlich bezahlt Israel den palästinensischen Autoritäten 160 Millionen ILS (Israelische Neue Schekel; entsprechen 39 Millionen US-Dollar) an Steuern zurück, nachdem beide Seiten ihre Importsteuern abgerechnet haben. Gewöhnlich zieht Israel dann noch die ausstehenden Rechnungen für Elektrizität und Telekommunikation ab, die von israelischen Monopolen geliefert werden. Im vergangenen Monat überwies Israel nur 30 Millionen ILS und nun wurden die Zahlungen gänzlich eingestellt.

Jean Breteche, der Repräsentant der Europäischen Kommission in West Bank und Gaza, sagte: "Israel verletzt das Pariser Wirtschaftsprotokoll". Trotz der Tatsache, dass dieses zu anderen Verletzungen von EU-Handelsabkommen und -konventionen durch Israel hinzukommt, weigert sich die Europäische Union allerdings, irgendwelche Handlungen gegen Israel zu unternehmen. Ihre einzige Aktion bestand in der Freigabe von 27 Millionen Euro aus einem "Speziellen Geldfond", damit der Vorsitzende der palästinensischen Autoritäten Arafat in der Lage ist, die hohe Summe an Löhnen für seine zahlreichen Polizisten und Sicherheitskräfte zu begleichen. Das Letzte, was die imperialistischen Mächte wollen, ist dass Arafat die Möglichkeit genommen wird, die soziale und politische Unzufriedenheit der palästinensischen Bevölkerung unter Polizeikontrolle zu halten.

Die Hinterlassenschaft des Osloer Abkommens

All dies ist nur eine Dreingabe zu dem schrecklichen Niedergang des Lebensstandards seit der Unterzeichnung des Osloer Abkommens im Jahre 1993. Die Fiktion einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung für die Palästinenser hat der Mehrheit eine immer größer werdende Armut gebracht. Die Situation verschlimmerte sich drastisch nach 1996, als die Israelis eine Politik der Abschottung verfolgten, die die palästinensische Wirtschaft ruinierte. Die Produktion fiel, der Markt schrumpfte. Der Lebensstandard fiel um fast die Hälfte.

Der Zusammenbruch des Lebensstandards wurde begleitet von Bestechung, Unterschlagung, Fehlplanung und Korruption im großen Stil durch Arafats Regierung und Verwaltung. Ausländische Hilfsgelder erreichen kaum ihr Ziel. Vieles landet auf der Konten von Arafats Kumpanen. Trotz der entsetzlichen Wohnsituation für die Mehrheit der Bevölkerung, die zu großen Teilen in Flüchtlingslagern lebt, wurden in Gaza vor allem Luxusvillen an der Küste gebaut - für Arafat und seine Gefolgsleute. Seine 14 Sicherheitskräfte beanspruchen den größten Teil des Budgets für den öffentlichen Sektor.

Unter solchen Bedingungen gibt es keinen Platz für Demokratie, Gleichheit und politische Rechte. Meinungsverschiedenheiten werden unterdrückt durch die Routine von mitternächtlichen Verhaftungen, Gewahrsam, Folter und Hinrichtungen ohne Urteil.

Aber all dies ist nur ein Teil der Wirtschaftskatastrophe, die der zionistische Staat ausgelöst hat. Das verzweifelte Elend der 3,4 Millionen palästinensischen Flüchtlinge ist vollständig ignoriert worden. Mehr als 50 Jahre nach ihrer Vertreibung und Zerstreuung über den gesamten Mittleren Osten 1948 sind sie weiterhin heimatlos, staatenlos und niemals entschädigt worden. 32 Jahre israelischer Besatzung brachten den Palästinensern weitere ungezählte Verluste. Häuser wurden im Rahmen einer Art Kollektivstrafe zerstört, die Wirtschaft in der West Bank und im Gazastreifen ruiniert und Tausende Hektar Land ihren Eigentümern genommen.

Das Abkommen mit den Palästinensern, das in Oslo getroffen wurde, war auch mitschuldig an weiteren Aneignungen von Land für zionistische Siedlungen - was immer eine von Israels Hauptabsichten war. Diese Aneignungen verletzen internationale Vereinbarungen über Land, das im Krieg erobert wird, und zahlreiche UN-Resolutionen. Wie der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu gegenüber dem Fernsehsender CNN sagte: "Rabin, der mein Vorgänger war und das Osloer Abkommen unterzeichnete, prahlte damit, dass er unter dem Abkommen Siedlungen bauen konnte. Tatsächlich dehnte er die Bevölkerung in den Siedlungen um 50 Prozent aus. Wir [Likud] kommen da nicht heran."

Unter Barak wurden die Siedlungen weiter ausgedehnt. Die Siedler, die von der Armee beschützt werden, führen eine extra-territoriale, privilegierte Existenz, während den Palästinensern ihre Rechte verweigert werden und sowohl ihre Wasserversorgung wie ihre Bewegungen durch Israel kontrolliert werden.

Israels Fähigkeit, diese ökonomische Verwüstung auszuüben, verweist auf das betrügerische Wesen des Osloer Abkommens und der palästinensischen "Autonomie". Anstatt einen neue Ära des Friedens und Wohlstands einzuleiten, haben die Vereinbarungen nach 1993 die Palästinenser in isolierte Käfige gesperrt, die zionistischen Siedlungen gestärkt und das wirtschaftliche Wachstum in den besetzten Gebieten an die palästinensischen Akzeptanz einer neuen Form von israelischer Herrschaft gebunden.

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