DaimlerChrysler plant 26.000 Arbeitsplätze im Chrysler-Sektor zu vernichten

Sechs Werke sollen in den nächsten zwei Jahren geschlossen werden

Das Management von DaimlerChrysler gab am Montag einen drastischen Arbeitsplatzabbau und Betriebsschließungen bei der amerikanischen Chrysler-Gruppe bekannt, die in den nächsten drei Jahren zur Vernichtung von 26.000 Arbeitsplätzen führen werden. Der von Dieter Zetsche, dem Präsidenten und Vorstandsvorsitzenden der Chrysler-Gruppe, vorgestellte Umstrukturierungsplan beinhaltet die Schließung von sechs Fabriken in den USA, Kanada, Mexiko, Argentinien und Brasilien in den kommenden beiden Jahren.

Die Streichung von zwanzig Prozent der Arbeitsplätze bei Chrysler werde 19.000 Arbeiter und 6.800 Angestellte betreffen, darunter 1.800 Leiharbeiter, sagte Zetsche. 75 Prozent dieses Arbeitsplatzabbaus soll bis Ende 2001 realisiert werden; Angestellte oder Leiharbeiter, die keine Tarifverträge oder Kündigungsschutz aufgrund langer Betriebszugehörigkeit haben, wolle man sofort entlassen.

Die Entlassungen werden in Städten wie Detroit, wo Chrysler der größte Arbeitgeber ist, verheerende Auswirkungen haben. Die Maßnahmen, die die Produktionskapazität des Unternehmens um fünfzehn Prozent reduzieren sollen, werden auch in der Zulieferindustrie, bei den Händlern, bei Werbeagenturen und in anderen von der Autoindustrie abhängigen Bereichen Arbeitsplätze kosten. 25 Prozent aller Arbeitsplätze in der kanadischen Provinz Ontario sind von der Autoindustrie abhängig.

Dreiviertel der Streichungen sollen zwar nach Angaben von Dieter Zetsche über Vorruhestandsregelungen, Abfindungen und unter Ausnutzung der natürlichen Fluktuation realisiert werden; doch mehrere tausend Arbeiter sind direkt von Entlassungen bedroht. Zetsche lehnte es ab, eine Zahl zu nennen; diese sei davon abhängig, wie viele Beschäftigte den Ruhestand wählten. Andere Firmensprecher sagten allerdings, von den Entlassungen seien auch die etwa 3.000 Arbeiter in den USA und Kanada betroffen, die erst seit Oktober 1999 eingestellt worden sind, sowie 4.300 Angestellte und Leiharbeiter, die meisten davon aus der Hauptverwaltung in den nördlichen Vororten Detroits. Weitere 3.100 Produktionsarbeiter werden in Mexiko und Südamerika ihre Arbeitsplätze verlieren.

Zusätzlich zu den Betriebsschließungen und der Einführung von Kurzarbeit durch Abbau von Schichten werden in allen Chrysler-Betriebsstätten "neue Produktivitäts- und Qualitätsziele festgelegt". Wie die Firma mitteilte, will sie dadurch in Zukunft "effektiver und mit einer weit verbesserten Kostenstruktur operieren". Um ihrer Forderung nach erhöhter Produktivität Nachdruck zu verleihen, hat Chrysler klar gemacht, dass sich noch mehrere Werke "in der Überprüfung" befänden und die Frage noch nicht entschieden sei, ob ihnen ein neues Modell zugewiesen, oder ob sie endgültig geschlossen werden.

Auf der Pressekonferenz am Montag Morgen begründete Zetsche die geplanten Maßnahmen damit, dass der Konzern beweglicher werden und schneller auf gegenwärtige und zukünftige Marktentwicklungen reagieren müsse, wenn er unter den heutigen Bedingungen der Autoindustrie wettbewerbsfähig bleiben wolle. Für die schlechte geschäftliche Situation der Firma machte er den "brutalen Konkurrenzkampf" in der Branche, den "Importdruck auf den amerikanischen Markt" und einen ruinösen Preiskampf verantwortlich, in dem die Autoproduzenten ihren Konkurrenten durch die Gewährung von Kundenrabatten Marktanteile abzujagen versuchen.

Die Umstrukturierung von DaimlerChrysler war schon lange erwartet worden. Zur Zeit des Zusammenschlusses der amerikanischen und der deutschen Firma 1998 steuerte Chrysler noch beinahe die Hälfte des Profits der neuen Firma bei. Im vergangenen Jahr hingegen wies Chrysler aufgrund der immer langsameren US-Konjunktur im dritten Quartal einen Verlust von 512 Millionen Dollar aus, der sich im vierten Quartal vermutlich verdoppelt haben wird.

Mit dem nun schon einen Monat vor der angekündigten "Wende" bekannt gegebenen Schließungsplan will DaimlerChrysler der Wall Street versichern, dass das Management zu brutalen Maßnahmen zur Kostensenkung bereit sei. Im letzten Jahr haben große Investoren den Konzern abgestraft und die Aktien von 103 Dollar im Januar 1999 auf 48 Dollar fallen lassen. Anfang diesen Monats hatte der milliardenschwere Investor Kirk Kerkorian, der vor der Fusion einen vergeblichen Versuch unternommen hatte, den Konzern zu kaufen, mehr als die Hälfte seiner Chrysler-Aktien auf den Markt geworfen.

Wallstreet-Investoren haben allerdings ihre Unzufriedenheit mit dem Umfang der Kürzungen deutlich gemacht und durchblicken lassen, dass sie sich weitere Einschnitte wünschen. Die Chrysler-Aktien fielen am Montag weiter und verloren fast zwei Prozent. Der Analyst David Garrity von Dresdner Kleinwort Benson in New York sagte, es sei kurzsichtig von dem Konzern gewesen, die Produktion am stärksten in Kanada und Mexiko zu kürzen, wo die Kosten niedriger seien, und höher bezahlte Arbeitsplätze in den USA zu schonen. "Wir haben hier eine Firma, die gewissermaßen durch den Tarifvertrag mit der UAW [Autoarbeitergewerkschaft] gelähmt ist", beschwerte sich Garrity.

Nach dem laufenden Tarifvertrag mit der UAW erhalten Arbeiter, die vor Oktober 1999 eingestellt worden sind, für die Laufzeit des Tarifvertrags weiterhin 95 Prozent ihres Nettogrundlohns. Der Konzern führte Verhandlungen mit der UAW, die einen Sitz im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler innehat, um den Weg für den Restrukturierungsplan frei zu machen. Zetsche erklärte dazu, der Plan könne "im Rahmen der bestehenden Tarifverträge" umgesetzt werden. In Presseberichten hieß es, das Verbot von Betriebsschließungen sei im Vertrag durch die Formulierung "auf unbestimmte Zeit außer Betrieb gesetzte Werke" umgangen worden.

Die Detroit Free Press berichtete am Montag: "In den vergangenen Wochen haben die Direktoren von Chrysler die Kürzungen in aller Ruhe mit den Vertretern der Gewerkschaften der Autoarbeiter der USA, Kanadas und Mexikos diskutiert. Die Gewerkschaften werden zwar wahrscheinlich öffentlich gegen die Kürzungen protestieren, privat sollen sie aber durchaus die heikle Geschäftslage verstanden haben, die diese scharfe Kostensenkung erzwungen hat."

Zetsche gab nicht bekannt, welche zusätzlichen Zugeständnisse die Gewerkschaften versprochen haben. Er sagte aber, Chrysler werde die Auszahlung der Erfolgsbeteiligung an die Mitarbeiter für 2000 bis zum Jahr 2002 hinauszögern. Anfang der achtziger Jahre, als Chrysler vor dem Bankrott stand, stimmte die UAW zum ersten Mal einem Tarifvertrag zu, der die Schließung Dutzender Betriebe, die Vernichtung von 45.000 Arbeitsplätzen und die Kürzung von Löhnen und anderer Leistungen um Tausende Dollar für jeden Arbeiter vorsah.

Die UAW-Bürokratie hielt es am Montag nicht für nötig, zum Verlust der Arbeitsplätze für Tausende ihrer Mitglieder Stellung zu nehmen. Der Führer der kanadischen Autoarbeitergewerkschaft Basil "Buzz" Hargrove sagte, seine Gewerkschaft stehe der Zerstörung von 3.000 Arbeitsplätzen in Kanada hilflos gegenüber. "Wir haben einen Tarifvertrag unterschrieben. Wir können nicht streiken. Es gibt nicht viel, womit wir ihnen drohen könnten", erklärte Hargrove am Montag auf einer Pressekonferenz in Toronto und fügte hinzu, es sei unfair, mehr Entlassungen in Kanada als in den USA durchzuführen.

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