Amerikanische Kriegsführung droht Saudi Arabien zu destabilisieren

Vergangene Woche flog US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach Saudi Arabien, um bei dem zentralen Verbündeten Washingtons im Nahen Osten um Unterstützung für den bevorstehenden Krieg der USA gegen Afghanistan zu werben.

Das saudische Regime hatte die Befürchtung geäußert, dass eine solche Unterstützung der amerikanischen Kriegspläne in Zentralasien eine soziale Explosion entfesseln und seine Herrschaft bedrohen könne, nachdem die amerikanische Beihilfe für Israels brutale Unterdrückung der schon ein Jahr andauernden Intifada bereits große Wut bei den arabischen Massen hervorgerufen hat.

Saudi Arabien hat zwar den amerikanischen Feldzug gegen den Terrorismus öffentlich begrüßt, doch erlaubten seine Herrscher dem Pentagon nicht, von saudischem Boden aus Luftschläge gegen Afghanistan zu führen. Nur wenige Tage vor dieser Weigerung hatte der Kommandant der Air Force, Generalleutnant Charles F. Wald, sein Hauptquartier von South Carolina nach Saudi Arabien verlegt, um die Luftschläge von einem Kommandoposten auf dem Luftwaffenstützpunkt Prinz Sultan bei Al Kharj aus zu leiten, 110 Kilometer von der Hauptstadt Riad entfernt.

Die Bush-Regierung wurde von dieser Weigerung völlig überrascht. Das Pentagon hatte sich offenbar nicht einmal die Mühe gemacht, die Erlaubnis der saudischen Herrscher einzuholen. Weil amerikanische Flugzeuge täglich von saudischen Basen aus zur Überwachung der Flugverbotszonen im Irak starten, nahm sie ganz selbstverständlich an, dass sie auch für militärische Operationen im jüngsten Feldzug genutzt werden könnten. Aber ohne das Feigenblatt einer UNO-Resolution zur Unterstützung des bevorstehenden Kriegs gegen Afghanistan sah sich Riad nicht in der Lage, sich dem Zorn seiner arabischen Nachbarn und seines eigenen Volkes auszusetzen.

Obwohl Saudi Arabien für Washingtons langfristige strategische Interessen in der Region eine zentrale Rolle spielt, hat die gegenwärtige Krise gezeigt, mit welcher Kurzsichtigkeit die Bush-Regierung Politik macht. Die USA standen plötzlich ohne einen erfahrenen Botschafter in Riad da, weil der vorherige Botschafter, der unter Präsident Clinton gedient hatte, den Posten aufgegeben und ein Interregnum hinterlassen hatte. Sein Nachfolger Robert W. Jordan, ein Anwalt der Ölindustrie und Freund der Bush-Familie aus Houston, Texas, wurde erst am 12. September, dem Tag nach den Terrorangriffen, nominiert.

Bei seinem ersten Besuch als Verteidigungsminister bemühte sich Rumsfeld um einen betont versöhnlichen Ton. Er zeigte Verständnis für die Empfindlichkeiten in der Region und äußerte seine Dankbarkeit für die Unterstützung durch Saudi Arabien. Er betonte, dass Unterstützung in verschiedenen Ländern unterschiedliche Formen annehmen könne und nicht von allen Mitgliedern der "Koalition gegen den Terrorismus" notwendigerweise militärische Unterstützung erwartet werde.

Rumsfeld scheint eine Art Modus Operandi ausgehandelt zu haben, wonach die USA die Unterstützung Saudi Arabiens erhalten, solange sie es nicht an die große Glocke hängen. Er lehnte es ab, Details über den Inhalt seiner Gespräche mitzuteilen, sagte aber, dass er sicher davon ausgehe, die Erlaubnis zur Nutzung saudischer Basen für militärische Aktionen zu bekommen. "Solche Sachen regelt man", sagte er. Prinz Sultan, der saudische Verteidigungsminister, wies die Vermutung zurück, dass die USA die Nutzung der Luftwaffenstützpunkte seines Landes erbeten hätten; er sagte, diese Frage sei nicht Thema der Erörterungen gewesen.

Mit anderen Worten wird Washington sicherstellen, dass seine Militäraktionen so durchgeführt werden, dass sie seine saudischen Verbündeten nicht in Verlegenheit bringen. Man sollte sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die saudische Regierung in der Öffentlichkeit immer auf die Feststellung Wert gelegt hat, dass sie den USA nicht erlaube, von ihren östlichen Luftwaffenstützpunkten Militäraktionen gegen den Irak zu starten, und dass die Flüge zur Durchsetzung der Flugverbotszonen im Irak unter UN-Mandat erfolgen würden. Es gibt jedoch Beweise, dass amerikanische und britische Flugzeuge ihre Angriffe von den Stützpunkten im Westen Saudi Arabiens geflogen haben. Außerdem hat die UNO ihre Resolution zu den Flugverbotszonen schon 1992 fallen gelassen.

Heimlichtuerei ist für die herrschende Clique der Saudis lebenswichtig, da sie nur eine schwache politische Legitimität hat und zunehmend mit Opposition konfrontiert ist. Nachdem es Washingtons Bitten, seine Basen nutzen zu dürfe, zurückgewiesen hatte, beeilte sich das saudische Regime, seine Beziehungen zu den Taliban zu kappen und gleichzeitig Präsident Bush aufzufordern, einer Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts hohe Priorität einzuräumen. Kronprinz Abdullah äußerte gegenüber Bush: "Der Nahost-Friedensprozess erfordert von der amerikanischen Regierung und von allen ehrenhaften Menschen auf der Welt, Stellung zu beziehen."

Die Herrscherfamilie der Sauds

Die feudale Clique, die über Saudi Arabien und seine 22 Millionen Einwohner herrscht, wird manchmal als das größtes Familienunternehmen der Welt bezeichnet. Es ist frei von allen Institutionen und demokratischen Normen eines modernen Staates. Es gibt Differenzen innerhalb der königlichen Familie über das Ausmaß an Offenheit über ihre Abhängigkeit von den USA, aber dessen ungeachtet ist das Haus Saud seit 1943 von Washington abhängig. Mit der Entdeckung von Ölvorkommen in den dreißiger Jahren, die von der amerikanischen Ölgesellschaft Aramco gefördert und vermarktet wurden, erklärte Washington: "Die Verteidigung Saudi Arabiens ist für die Verteidigung der Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung."

In den vergangenen zehn Jahren war Saudi Arabien der größte Empfänger amerikanischer Militärhilfe; es erhielt für 33,5 Mrd. Dollar (73,7 Mrd. DM) Ausrüstung, was sogar die Summe in den Schatten stellt, die Washington Israel gewährte.

Nominell herrscht der alte und kränkelnde König Fahd. Sein Vater Abdul al Asis al Saud, Saudi Arabiens erster König, eroberte 1902 Riad und führte dreißig Jahre lang Kämpfe, um die arabische Halbinsel zu vereinen. Er eroberte die Nomadenstämme, die 1926 in den ehemals osmanischen Gebieten der arabischen Halbinsel lebten, gründete 1932 das Königreich Saudi Arabien unter seiner eigenen autokratischen Herrschaft und gab dem Land sogar seinen eigenen Namen.

Er und seine Erben haben die Wächterrolle des Landes für die heiligen Stätten des Islam, Mekka und Medina, und den Glauben ihrer eigenen islamischen Sekte, der Wahabis, als ideologischen Kitt genutzt, um die Bürger des Landes zusammenzuschweißen, die dem in der Wüste der arabischen Halbinsel gegründeten Staat gegenüber keine nationale Verbundenheit empfanden. Das ist um so wichtiger geworden, als ein zunehmender Teil der Bevölkerung aus eingewanderten Arbeitern besteht.

Aber weil König Abdul al Asis al Saud mehrere Frauen und mehr als vierzig Söhne hatte, ist die inzwischen 7.000-köpfige königliche Familie von Fraktionen und Fehden zerrissen. Sie verteidigt ihre Herrschaft mittels ständig wechselnder Koalitionen. Seit König Fahd 1995 einen Herzanfall erlitt, wird das Land von seinem 77-jährigen Halbbruder Kronprinz Abdullah regiert, dem wiederum König Fahds leiblicher Bruder Prinz Sultan, der gegenwärtige Verteidigungsminister, nachfolgen wird, dessen Sohn Botschafter in den USA ist.

In allen Bereichen der Politik gibt es Spannungen. König Fahd und die Sultan-Fraktion, die zur Familie der al Sudairi gehören, haben enge Beziehungen zu den USA und wollen mehr ausländische Direktinvestitionen ins Land holen sowie die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WHO erreichen. Letztes Jahr gab es Zusagen für Investitionen über 9,2 Mrd. Dollar, neunzig Prozent davon aus dem Ausland. Die Regierung hat die Unternehmenssteuern von 45 auf 39 Prozent gesenkt, in einigen Bereichen der Wirtschaft hundertprozentige Auslandsbeteiligungen zugelassen und weitere Erleichterungen versprochen.

Kronprinz Abdullah, der der saudischen Nationalgarde vorsteht, unterhält engere Beziehungen zu den religiösen Führern und ist konservativer. Seit er 1995 die Regierung übernahm, sind die Beziehungen zu den USA leicht abgekühlt. Im August entließ er Sultans leiblichen Bruder, Prinz Turki al Feisal, der 25 Jahre lang den Geheimdienst geleitet hatte, und ersetzte ihn durch seinen eigenen Halbbruder Prinz Nawwaf. Prinz Turki war für die Beziehungen Saudi Arabiens zu Afghanistan und Pakistan und für den Kontakt mit dem US-Geheimdienst verantwortlich. Er scheint das Opfer eines Machtkampfs über die Frage geworden zu sein, wie mit den Aufforderungen der USA umzugehen sei, die Aktivitäten Osama bin Ladens einzudämmen. Es wird berichtet, dass kurz darauf König Fahd das Land mit großem Gefolge verlassen habe, um sich in Europa einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, und dass er bisher nicht zurückgekehrt sei.

Wirtschaftliche und soziale Spannungen

Der Kern dieser Spaltungen in der königlichen Familie ist die Furcht, dass eine allzu öffentliche Unterstützung Washingtons bei einem Angriff auf ein arabisches oder islamisches Land ihre eigene tyrannische Herrschaft unterminieren könnte.

Saudi Arabiens Bevölkerung wächst jährlich um 4,4 Prozent und ist von 1980 bis 1999 von neun Millionen auf mehr als 22 Millionen angestiegen. Aber das Wirtschaftswachstum hat besonders nach dem Rückgang der Ölpreise in den achtziger Jahren mit dem Wachstum der Bevölkerung nicht mitgehalten. In Saudi Arabien operierende Unternehmen haben billige Arbeitskräfte mitgebracht - hauptsächlich aus Pakistan, Indien, Südkorea, Indonesien, Nigeria oder den Philippinen - um Arbeiter zu ersetzen, die bis dahin aus den benachbarten arabischen Staaten kamen. Eingewanderte Arbeiter machen mindestens 35 Prozent der Altersgruppe der 15- bis 64-jährigen aus. Sie füllen viele niedrig bezahlte Arbeitsplätze aus, stellen aber auch etwa 84 Prozent der Ärzte, 80 Prozent der Krankenschwestern, 55 Prozent der Pharmazeuten und 25 Prozent aller Lehrer. Seit kurzem hat die Regierung begonnen, ausländische Arbeitskräfte wieder durch einheimische zu ersetzen und Tausende Arbeitsemigranten zu verhaften und zu deportieren.

Das Land hat in den letzten zwanzig Jahren Defizite angehäuft. Mit jedem Dollar, um den der Preis eines Barrels Rohöl fällt, soll Saudi Arabien Einnahmen in Höhe von 2,5 Mrd. Dollar pro Jahr einbüßen. Die herrschende Familie nutzt ihre de facto Kontrolle über die Ölreserven weltweit, um die Preise niedrig zu halten und ihren amerikanischen Hintermännern zu Diensten zu sein. Darüber hinaus tragen ökonomisches Missmanagement, Korruption und das offene Ausplündern der Ölreserven zu der schlechten Finanzlage des Landes bei. Die Staatsverschuldung beträgt 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), und 1999 belief sich das Haushaltsdefizit auf 6,5 Prozent des BIP.

Die Regierung hat ihre Sozialprogramme gekürzt und Investitionen in die Ölförderung, den Energiesektor und die Infrastruktur zurückgefahren. Die Arbeitslosenrate beträgt unter männlichen Saudis ca. 25 bis 30 Prozent. Viele haben keine anständige Ausbildung, was besonders auf Frauen zutrifft. Wirtschaftsanalysten zufolge werden in den nächsten fünf Jahren eine Million neuer Arbeitsplätze für saudische Männer benötigt (Frauen werden bei den Berechnungen nicht berücksichtigt). Die Einkommen sind katastrophal gefallen; das BIP pro Kopf ist von 18.000 Dollar Anfang der achtziger Jahre auf 6.000 Dollar im Jahre 2000 gefallen, was die soziale Unzufriedenheit schürte.

Aber diese Unzufriedenheit findet gegenwärtig keinen zugelassenen politischen Ausdruck. Ein Bericht von Amnesty International erklärte vor kurzem: "Geheimhaltung und Furcht durchdringen jeden Aspekt der staatlichen Struktur Saudi Arabiens. Es gibt keine politischen Parteien, keine Wahlen, kein unabhängiges Parlament, keine Gewerkschaften, keinen Anwaltsverein, keine unabhängige Justiz und keine unabhängigen Menschenrechtsorganisationen. Jeder, der in Saudi Arabien lebt und das System kritisiert, wird hart bestraft. Politische und religiöse Gegner der Regierung werden nach der Verhaftung für unbegrenzte Zeit ohne Prozess festgehalten oder nach völlig unfairen Prozessen eingesperrt. Folter ist allgegenwärtig. Fremdarbeiter sind ständig bedroht."

Viele Shia- und sunnitische Moslems sitzen im Gefängnis. Die Shia-Sekte wird mit großem Argwohn beobachtet, besonders seit die iranische Revolution von 1979 die Shia-Mullahs unter Ajatollah Khomeini an die Macht brachte. Sie leidet unter ständiger Diskriminierung, hat nur beschränkten Zugang zu Sozialleistungen und staatlichen Arbeitsplätzen und darf nur selten eigene Moscheen oder Gemeindezentren bauen.

Die Regierung kontrolliert alle Radio- und Fernsehsender und überwacht die privaten Printmedien genau. Sie erlaubt keine Kritik am Islam, an der herrschenden Familie oder an der Regierung. Das saudische Regime ernennt und entlässt Chefredakteure und diktiert in heiklen Fragen den Inhalt der Presseerzeugnisse. Ausländische Publikationen werden immer wieder zensiert oder verboten. Häufig werden Telefone abgehört und die Post kontrolliert. Das Internet wird von offizieller Seite nicht gefördert, so dass es nur acht Internet Service Provider und nur 100.000 Abonnenten gibt.

Äußerst barbarische Formen der Bestrafung wie öffentliche Hinrichtungen und Amputationen sind keine Seltenheit. Systematische Folter und Einschüchterung und offenkundige Verletzung demokratischer Grundrechte durch die saudischen Herrscher sind für die Verteidigung ihrer Privilegein und ihres Reichtums unabdingbar. Bis zu vierzig Prozent der Öleinnahmen des Landes fließen direkt in die Taschen der herrschenden Familie.

Diese sozialen Bedingungen und die Abneigung gegen die Anwesenheit amerikanischer Truppen im Land - deren wichtigste Funktion darin besteht, der königlichen Familie im Fall eines Volksaufstands beizustehen - haben dazu geführt, dass das reaktionäre Programm bin Ladens und ähnlicher Gruppen einen gewissen Widerhall findet.

Osama bin Laden

Osama bin Laden wurde 1957 als Sohn eines jemenitischen Vaters und einer syrischen Mutter geboren und ist der Sohn von Mohamed bin Laden, dem mächtigen Gründer des riesigen saudischen Baukonzerns, der Bin Laden Gruppe. Es waren Mohamed und seine Familie, die in den sechziger Jahren die Übertragung der Macht von dem korrupten König Saud auf König Feisal betrieben, um die herrschende Dynastie zu stützen.

Obwohl selbst zur Oberschicht der saudischen Gesellschaft gehörend, wurde Osama bin Laden schnell unzufrieden damit, von der Macht ausgeschlossen zu sein. Seine scheinbar widersprüchliche politische Karriere war die eines radikal antikommunistischen Abenteurers, der sich religiösem Fanatismus und später dem anti-Amerikanismus zuwandte; das Ziel war, sich und anderen Teilen der saudischen Elite eine soziale Basis zu verschaffen. In Afghanistan und im Sudan unterstützte er extrem reaktionäre, der Arbeiterklasse und den unterdrückten Massen völlig feindliche Regimes, was für die Völker dieser Region katastrophale Folgen hatte. Zeitweise war er ein nützliches Werkzeug des US-Imperialismus, doch ist er jetzt wie viele andere vor ihm in Ungnade gefallen, weil er dessen strategischen Interessen in der Region in die Quere gekommen ist.

Bin Laden wurde als Student Mitglied der Moslem-Bruderschaft. Als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einfiel, ging er nach Pakistan, wo er sich der afghanischen Rebellion gegen das verhasste, von den Sowjets gestützte Regime in Kabul anschloss. Die Rebellion wurde vom US-Imperialismus im Rahmen des kalten Kriegs finanziert um die Sowjetunion zu destabilisieren. Bin Laden nutzte seine Verbindungen zu wohlhabenden Kreisen in Saudi Arabien, um Geld und Nachschub für den afghanischen Widerstand - die Mujaheddin - zu organisieren, rekrutierte arabische Kämpfer und half bei der Organisierung von Guerillaoperationen. Er richtete in Afghanistan ein ganzes Netz von Lagern ein - die al-Qaida - in denen im ganzem Nahen Osten rekrutierte Kämpfer für den Krieg gegen die pro-sowjetische Najibullah-Regierung ausgebildet wurden.

Als der irakische Präsident Saddam Hussein 1990 in Kuwait eindrang und auch Saudi Arabien bedrohte, kehrte bin Laden nach Saudi Arabien zurück und schlug einen Verteidigungsplan vor. Er ähnelte der Mobilisierung, zu der die USA, Pakistan und Saudi Arabien in Afghanistan beigetragen hatten. Obwohl die Saudis den afghanischen Widerstand erst unterstützten, waren die heimkehrenden arabischen Afghanen, wie man sie nannte, zu Hause keineswegs willkommen. Das letzte, was König Fahd wollte, war eine Bewaffnung der Massen. Er lehnte bin Ladens Plan ab und verwies ihn fortan des Landes.

Stattdessen wandte sich der König an die USA und lud Washington ein, seine Truppen in Saudi Arabien zu stationieren, obwohl nicht nur bin Laden, sondern auch viele hohe Religionsführer argumentierten, dass es nach islamischem Recht verboten sei, nicht muslimische ausländische Truppen unter ihrer eigenen Flagge in Saudi Arabien zu stationieren. Ihre Besorgnis wuchs, als nach der "Befreiung" Kuwaits 1991 das Pentagon nicht alle seiner 550.000 Soldaten zurückzog und die saudische Regierung dies stillschweigend hinnahm.

Zu Hause nicht mehr willkommen, ging bin Laden zuerst in den Sudan, wo er die nächsten fünf Jahre die reaktionäre islamische Regierung unterstützte, die im Süden des Landes einen wütenden Bürgerkrieg führte. Als seine Aktivitäten mit den zögernden Schritten des Sudan zu einer Wiederannäherung an den US-Imperialismus kollidierten, bot die sudanesische Regierung an, bin Laden festzusetzen und ihn an die Saudis auszuliefern. Riad wies diesen Plan aber zurück; stattdessen wurden bin Ladens Bankkonten eingefroren und er selbst ausgebürgert.

Aus dem Sudan vertrieben, kehrte bin Laden nach Afghanistan zurück, wo er ohne seine sudanesischen und saudischen Aufpasser seine radikal-fundamentalistische Rhetorik verschärfte. Er unterstützte die Taliban, deren soziale Basis die rückständigsten armen Stammesangehörigen und Dorfbewohner sind, in ihrem Krieg gegen die brüchige Allianz, die nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen 1992 an die Macht gekommen war. Mit ihrer Machtübernahme 1996 führten die Taliban die strenge islamische Schariah-Gesetzgebung im ganzen Land ein, verboten Frauen, sich auszubilden oder zu arbeiten, schrieben den Männern vor, sich Bärte wachsen zu lassen, verboten Filme, Videos und Musik und versuchten durch die Zerstörung der weltberühmten Buddhastatuen das vielfältige kulturelle Erbe Afghanistans auszulöschen.

1998 erließ bin Laden seine Fatwa (religiöses Urteil), in der er zum Krieg gegen die USA aufrief. Einige Monate später ereigneten sich die Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania. Zwar leugnete bin Laden selbst, für die Anschläge verantwortlich zu sein, aber diejenigen, die wegen dieser Angriffe verhaftet wurden, benannten ihn als einen ihrer Hintermänner.

Es werden ihm auch Verbindungen zum Bombenanschlag auf das World Trade Center von 1993 und zu dem Angriff vom vergangenen Jahr auf die USS Cole in jemenitischen Gewässern nachgesagt. Einem Bericht im Middle East Broadcasting, einem saudischen Satellitenfernsehsender, zufolge lobte bin Laden die Bombardierung der Cole, bei der 17 amerikanische Matrosen zu Tode kamen, und forderte seine Anhänger auf, "westliche und jüdische Ziele in der ganzen Welt" anzugreifen. Das amerikanische Außenministerium nannte ihn einen "Förderer des Terrorismus" und "den heute bedeutendsten Förderer extremistischer Aktivitäten weltweit".

Wachsende Opposition gegen das saudische Regime

In Saudi Arabien hat die wachsende wirtschaftliche und soziale Krise die Unzufriedenheit besonders unter eingewanderten Arbeitern und Shia-Moslems, doch nicht nur unter ihnen, angeheizt. Die Zunahme von Einschüchterung und Folter und das enorme Ansteigen von öffentlichen Hinrichtungen, über die Amnesty International und Human Rights Watch berichten, weisen auf eine wachsende soziale Unzufriedenheit hin. Die Pressezensur lässt jedoch nur wenige Informationen über die Formen und das Ausmaß der Opposition gegen die saudische Regierung durchsickern.

Bin Ladens Ansichten und Methoden scheinen bei vielen saudischen Dissidenten auf Widerhall zu stoßen, die ihn als Held sehen, weil er einen heiligen Krieg gegen die USA führt. In Saudi Arabien hat es in den letzten Jahren eine ganze Anzahl terroristischer Angriffe auf amerikanisches Eigentum gegeben. Im November 1995 tötete eine Bombe in Riad fünf Amerikaner und zwei Inder. 1996 gab es einen Bombenangriff auf die Khobar Towers, die Kaserne der US Air Force, bei dem 19 Soldaten getötet wurden. Dutzende wurden verhaftet und jahrelang ohne Prozess und Anklage eingesperrt. Vierzehn Personen wurden formell angeklagt, aber die saudische Regierung erlaubte es dem FBI nicht, sie zu verhören. Das widerspiegelte teilweise die Spannungen in den herrschenden Kreisen wegen der Unterordnung der Saudis unter die USA, aber noch mehr die Furcht, dass das Ausmaß der sozialen Unzufriedenheit im Land an die Öffentlichkeit dringen könnte.

Die Kriegsvorbereitungen der USA haben die antiamerikanische Stimmung im Land noch verschärft. Die schon ein Jahr dauernde Intifada mit ihrem enormen palästinensischen Blutzoll, den die israelische Armee verursacht - was, wie allgemein angenommen wird, von Washingtons unterstützt wird - hat eine starke Reaktion gegen die USA hervorgerufen. Den gleichen Effekt haben die harten Sanktionen gegen den Irak, die zum Tod von mehr als einer halben Million Kindern geführt haben, und die amerikanisch-britischen Bombenangriffe, die unschuldige irakische Zivilisten treffen.

Es besteht kein Zweifel, dass Teile der herrschenden saudischen Clique in der kommenden Periode versuchen werden, Nutzen aus diesen Stimmungen zu ziehen, und möglicherweise sogar Opposition gegen die Kriegspolitik Washingtons äußern werden, um die sozialen Spannungen zu Hause zu mildern. Aber da sie vom internationalen Kapitalismus abhängig ist, kann die saudische Königsfamilie die enormen Probleme des Nahen Ostens nicht lösen. Die Lösung dieser Probleme erfordert eine politische Bewegung, die die Völker der Region in einem gemeinsamen Kampf für die Vereinigten sozialistischen Staaten des Nahen Ostens zusammenschließt und die künstlichen Grenzen, die die Völker und Volkswirtschaften der Region zerschneiden, niederreißt, um die dortigen reichhaltigen Ressourcen für die Befriedigung der Bedürfnisse aller nutzen zu können.

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