Die PDS wählt Lothar Bisky wieder zum Vorsitzenden

Am letzten Juni-Wochenende hielt die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) in Berlin ihren Sonderparteitag ab und brachte zu Ende, was sie vor zwei Monaten mit einer Kampagne gegen den eigenen Parteivorstand in die Wege geleitet hatte: Die "Reformer" in der PDS lösten den erst acht Monate amtierenden Vorstand ab, den sie nie wirklich akzeptiert hatten. Die "Realpolitiker" um die ostdeutschen Landtagsfraktionen mit ihren Ministern und Senatoren geben in der Partei nun wieder den Ton an.

Sowohl die Wahl des neuen Vorstandes als auch die Grundstimmung, die auf dem Parteitag herrschte, kennzeichnen eine beschleunigte Rechtsentwicklung der SED-Nachfolgepartei. Sie läuft auf eine vorbehaltlose Verteidigung der Regierungsbündnisse hinaus, welche die PDS auf Landesebene eingegangen ist und deren Politik sich von anderen Landesregierungen nur insofern unterscheidet, als sie sich noch zynischer und skrupelloser gegen die Interessen der breiten Bevölkerung richtet.

Zum neuen Vorsitzenden der Partei wurde Lothar Bisky gewählt, der schon einmal, von 1993 bis 2000, die PDS geführt hat. Bei der Wahl des Vorstandes folgte der Parteitag weitgehend dem von Bisky vorgelegten Personalvorschlag. Das war nicht überraschend. In den Wochen zuvor hatte Bisky nämlich ultimativ erklärt, er werde nur mit einem Vorstand arbeiten, der ihm genehm sei. Zentrale Figuren des alten Vorstandes hatte er noch während seiner Rede auf dem Parteitag aufgefordert, dieses Mal nicht zu kandidieren. In Ermangelung nicht nur eines besseren, sondern überhaupt eines zweiten Kandidaten für den Vorsitz, ließen sich die Delegierten widerspruchslos auf dieses, selbst nach den Maßstäben der PDS undemokratische Verfahren ein.

Normalerweise werden die Kandidaten von den Landesverbänden und den Arbeitsgemeinschaften in der PDS vorgeschlagen und von den Delegierten gewählt. Das gibt dem Vorsitzenden einen recht geringen Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstandes und bereitet ihm entsprechend Schwierigkeiten, die auseinander strebenden Interessen innerhalb des Gremiums in Schach zu halten. Bisky ist bereits einmal an diesem Problem gescheitert. Bei seinem Rücktritt vor drei Jahren hatte er erklärt, er habe die Nase voll davon, der "finale Mülleimer" der Partei zu sein. In seiner jetzigen Parteitagsrede klang das so: "Das Problem besteht darin, dass die PDS vor und nach Gera ein Spielplatz für interne Reibereien und für Selbstbeschäftigung war und ist." Das zu überwinden, sei er angetreten.

Der neue Vorstand gehört ihm allein. Nur zwei von zwanzig Mitgliedern der Führung entsprechen nicht seinem Vorschlag. Der engere Kreis besteht aus langjährigen Vertrauten, die ihm ergeben sind oder dem so genannten Reformflügel angehören. Der neue Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz zum Beispiel gilt als Wirtschaftsexperte und führt einen lokalen Unternehmerverband. Er strebte schon 1993 den Posten des Oberbürgermeisters von Potsdam an, den er damals nur um wenige Stimmen verfehlte. Der erste Stellvertreter Biskys ist Wolfgang Methling, Landesminister und Stellvertretender Ministerpräsident in der SPD-PDS-Regierung von Mecklenburg-Vorpommern. Mit Rolf Kutzmutz, dem Schatzmeister Uwe Hobler und Dagmar Enkelmann als Stellvertreterin entstammen allein drei der wichtigsten künftigen Entscheidungsträger aus dem Landesverband Brandenburg, wo der neue Vorsitzende bisher die PDS-Fraktion im Landtag führte.

Bisky wird im neuen Vorstand viel weniger Widerspruch erfahren und noch weniger dulden als in seiner ersten Amtszeit. Das war die eigentliche Bedingung für seine Kandidatur und der Hintergrund seines Geredes über den "Teamgeist", der im Vorstand nötig sei. Da es längst unmöglich geworden ist, die praktische Politik der PDS mit dem Label von Demokratie und Sozialismus zu überkleben, will er verhindern, dass irgendjemand an diese Prädikate erinnert.

Der Brandenburger Landesverband hat eine höchst aktive Rolle dabei gespielt, den vor acht Monaten in Gera gewählten Bundesvorstand zu kippen. Erinnert sei nur daran, dass sein Vorsitzender, Ralf Christoffers, die öffentliche Kampagne gegen den alten Vorstand gestartet hat. Dennoch gehen die Ergebnisse des Sonderparteitages nicht auf die Initiative einer Clique innerhalb der Partei zurück, sondern bringen eine Wandlung der gesamten PDS zum Ausdruck, die mit den weltweiten Antikriegsdemonstrationen gegen die US-Invasion im Irak begann und sich seither beschleunigte.

Schon eine Woche nach den ersten Demonstrationen hatte ein Parteitag der Berliner PDS demonstrativ die Parteivertreter in der Landesregierung unterstützt, die seit einem Jahr gemeinsam mit der SPD den sozialen Kahlschlag in der Hauptstadt organisieren. Bezeichnend ist auch, dass die Delegierten für den Sonderparteitag nicht neu gewählt wurden. Dieselben Delegierten, die im Oktober des letzten Jahres die Reformer aus der Parteispitze vertrieben, haben nun Bisky mit 78 Prozent in sein neues Amt gewählt. Biskys Stellvertreter erhielten sogar bis zu 88 Prozent der Stimmen.

Gregor Gysi, einstige Leitfigur der PDS und seit zwei Jahren auf keinem PDS-Parteitag gesichtet, hielt eine Rede, in der er zur Solidarität mit dem Berliner Landesverband aufrief. Selbst Dietmar Bartsch, bis zum Geraer Parteitag Bundesgeschäftsführer und dort zentrales Zielobjekt der Kritiker, durfte als Redner auftreten und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der Sozialkassen fordern. In den letzten Monaten hatte sich Bartsch, inzwischen Berater einer Immobilienfirma, mit der Bemerkung ins Gespräch gebracht, nie wieder so wenig verdienen zu wollen wie als Abgeordneter des Bundestags.

Bei der Vorstandswahl wurde Bisky von den Delegierten teilweise sogar noch rechts überholt. Über die Hälfte verweigerten Sylvia-Yvonne Kaufmann die Stimme, obwohl sie auf Biskys Wunschliste stand, und verhinderten damit ihren Einzug in den Vorstand.

Die PDS-Abgeordnete im Europäischen Parlament hatte sich vor drei Jahren auf dem Parteitag in Münster als Widersacherin von Gysi und Bisky profiliert. Sie warb für ein grundsätzliches Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, ob mit oder ohne UNO-Mandat, während sich Gysi für eine Einzelfallprüfung einsetzte und damit der PDS-Fraktion die Zustimmung zu Militäreinsätzen ermöglichen wollte. Kaufmann setzte sich zur eigenen Überraschung durch. Als Ergebnis des Münsteraner Parteitages zogen sich sowohl Gysi, der zu diesem Zeitpunkt die Bundestagsfraktion führte, als auch Bisky aus der Führung der PDS zurück.

Am deutlichsten kam die Haltung des Parteitages aber in der Frage der Regierungsbeteiligung in Berlin zum Ausdruck, die sich wie ein roter Faden die gesamte Debatte durchzog.

Als Gastgeber die Gelegenheit der Begrüßungsrede nutzend, ging der Vorsitzende des Berliner Landesverbandes Stefan Liebich in die Offensive und forderte offen Unterstützung für eine Politik ein, die sich schamlos an den Ärmsten der Armen vergreift. Während der Berliner Senat Leistungseinschränkungen für Sozialhilfeempfänger beschließt, Studiengebühren einführt, die Lehrmittelfreiheit abschafft, die Gehälter im Öffentlichen Dienst senkt usw., klärte Liebich die Delegierten darüber auf, dass Berlin zu viele Lehrer, Opern, Universitäten und Jugendeinrichtungen habe - und alles "auf Pump".

"Ist es sozialistisch, 27 Prozent der Steuereinnahmen Berlins als Zinsen für Schulden direkt an die Banken weiterzuleiten? Dieses Geld fehlt uns, um soziale Standards aufrecht zu erhalten", rief er in den Saal, um dann zu erklären, dass "Konsolidierung in Berlin kein neoliberales Teufelszeug, sondern Bedingung für soziale Gerechtigkeit" sei!

Dass Liebich damit keineswegs allein stand, erwies der weitere Verlauf der Debatte.

Der Sprecher der Berliner Attac-Hochschulgruppe, Pedram Shahyar, der als Gast Rederecht erhielt, warf dem Berliner Kultursenator Thomas Flierl vor, dass auf seine Initiative Studiengebühren eingeführt werden, während gleichzeitig einer privaten Universität das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR kostenlos zur Nutzung überlassen wird. Nachdem ein PDS-Bürgermeister aus den Reihen der Delegierten Shahyar die "unflätige Beschimpfung eines verdienten Genossen" vorgeworfen hatte, erhielt auch Flierl die Gelegenheit, diese "Denunziation" von sich zu weisen und seine Politik als Senator zu verteidigen.

Das Beispiel macht deutlich, welcher Geist auf dem Parteitag herrschte. Sein Tenor lief auf die Forderung hinaus, "unseren Abgeordneten, Ministerinnen und Ministern jede Unterstützung durch ihre Partei" zu geben. Er hat die rechtesten Tendenzen in der PDS gestärkt, die jetzt umso entschlossener zur Tagesordnung übergehen werden.

Der so genannte linke Flügel um die Kommunistische Plattform (KPF) hat sich problemlos, wenn nicht sogar dankbar in sein Schicksal ergeben. Er durfte die Berliner Sanierungspolitik kritisieren und die Senatoren anprangern, ohne dass sich die Mehrheit der Delegierten davon hätte beeindrucken lassen.

Die Galionsfigur der KPF, Sahra Wagenknecht, ist wieder in den Vorstand gewählt worden und dürfte wohl inzwischen dienstälteste Vorständlerin in der PDS sein. Entgegen der in manchen Zeitungen vertretenen Auffassung wurde sie nicht gegen den Willen von Bisky in den Vorstand gewählt. Sie stand ebenfalls auf seinem Wunschzettel. Das sagt mehr über Wagenknecht und die KPF aus, als über Bisky. Sie haben sich über ein Jahrzehnt lang für jeden Vorstand als ungefährlich bewährt und dienen noch immer brav als linkes Feigenblatt der rechten PDS-Politik.

Auf ihrer Bundeskonferenz Ende Mai stellte die KPF fest: "Alle Grundsätze der innerparteilichen Demokratie wurden mit Füßen getreten, es wurde gelogen und manipuliert, dass die Schwarte kracht." Dennoch sei die PDS für deutsche Linke von elementarer Bedeutung. "Nicht wir sollten im gegebenen Falle vor der Geschichte als diejenigen dastehen, die der Partei den entscheidenden Stoß versetzt haben."

Siehe auch:
Die PDS in der Krise - Reformer bringen den Vorstand zu Fall
(21. Mai 2003)
PDS-Basis unterstützt die unsoziale Politik des SPD/PDS-Senats in Berlin
( 6. März 2003)
Niederlage der "Reformer" auf dem Parteitag von Gera
( 16. Oktober 2002)
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - September/Oktober 2003 enthalten.)
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