Aktenfälschung in Cloppenburger Ausländerbehörde

Beispiele aus der alltäglichen Praxis der Abschiebung

Den deutschen Behörden ist mittlerweile jedes Mittel recht, um Ausländer abschieben zu können. Selbst vor Urkundenfälschung schrecken die Beamten nicht mehr zurück, zumal sie davon ausgehen können, dass die Justiz im Zweifel für den Beamten und gegen den Ausländer entscheidet. Das legt zumindest ein Urteil des Amtsgerichtes Cloppenburg nahe, dass Herrn B. von der dortigen Ausländerbehörde vom Vorwurf der Falschbeurkundung und Freiheitsberaubung freigesprochen hat.

Herr B. hatte im Sommer 2000 bei einem abgelehnten Asylbewerber Identitätsangaben gefälscht, um eine Abschiebung zu ermöglichen. Der Schwarzafrikaner hatte keinen Pass, und die Elfenbeinküste, wo er geboren wurde, weigerte sich, die nötigen Rückreisepapiere auszustellen, da seine Eltern aus Mali stammen. Eine übliche Praxis der Botschaft der Elfenbeinküste, wo seinerzeit aufgrund der politischen Konflikte Angehörige von Minderheiten und Ausländer verstärkt diskriminiert und ausgebürgert wurden.

Nachdem auch die Botschaft Malis keine Papiere ausstellen wollte, da für den Flüchtling keine Geburtsurkunde vorlag, versuchte es der zuständige Beamte in seinem Amtseifer bei der Botschaft der Republik Kongo, angeblich weil der Afrikaner häufig mit Kongolesen gesehen wurde. Und dort ging es dann sehr schnell. Herr B. trug einfach den Namen des Abzuschiebenden in ein Formular ein, erfand einen Geburtsort und eine fiktive Adresse in Kinshasa, überbrachte das so gefälschte Formular mitsamt einer Bearbeitungsgebühr von 100 DM, für die keine Quittung verlangt wurde, der kongolesischen Botschaft - und erhielt einen Tag später die notwendigen Passersatzpapiere.

Mit diesem Dokument bewaffnet betrieb der Beamte nun die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo. Auf Anordnung des Amtsgerichts Cloppenburg wurde der verdutzte Schwarzafrikaner sogar für zwei Wochen in Abschiebehaft genommen. Nur knapp konnte die drohende Abschiebung in den Kongo, ein Land, das der Schwarzafrikaner nie zuvor betreten hatte, durch den Anwalt des Flüchtlings Jan Sürig verhindert werden.

Der Bremer Anwalt stellte eine Strafanzeige gegen die Cloppenburger Ausländerbehörde wegen mittelbarer Falschbeurkundung und Freiheitsberaubung. Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren zunächst einstellen, doch eine Beschwerde führte schließlich zur Anklageerhebung.

Das Verfahren endete nun in einem Freispruch für den Beamten der Ausländerbehörde, obwohl dieser selbst das Erfinden der Daten zugegeben hatte. Die Vorsitzende Richterin Hildegard Wurmbach-Svatek erklärte das Urteil damit, dass der Angeklagte die kongolesische Botschaft ja nicht getäuscht habe, sondern erst von dieser angeregt worden sei, die Identität des Abzuschiebenden zu fälschen. Weiter hätte der Beamte darauf vertrauen können, dass die Botschaft die Angaben ordentlich überprüft und nur dann Passersatzpapiere ausstellt, wenn der Betroffene tatsächlich Kongolese sei. Mit anderen Worten: Die Botschaft sei ja nicht getäuscht worden, sondern letztlich der Beamte selbst.

Die Auswirkungen der Personalienfälschung für den Schwarzafrikaner scheint das Gericht dagegen nichts anzugehen. Dieser hätte, so die Richterin, schließlich auch ohne die gefälschten Papiere in Abschiebehaft genommen werden können, um seine Identitätsfeststellung vorzunehmen. Eine Sprachanalyse hat inzwischen ergeben, dass der Afrikaner tatsächlich aus der Elfenbeinküste kommt.

Das Fälschen von Papieren, um Abschiebungen vornehmen zu können, wird immer mehr zur gängigen Praxis der Ausländerbehörden. Bereits im Jahr 2000 hatte eine Sprecherin der Kreisverwaltung Cloppenburg verkündet, dass das Erfinden von Daten durchaus üblich sei, um Ausreisepapiere beschaffen zu können. Später behauptete dieselbe Behörde, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt habe. Das traf nachweislich nicht zu, denn in mindestens einem weiteren Fall hatte der gleiche Beamte einem abgelehnten Asylbewerber ebenfalls eine falsche kongolesische Identität untergeschoben. Die bereits erfolgte Abschiebung musste rückgängig gemacht werden.

Nach Angaben des Anwalts Sürig wurde in Cloppenburg häufig "zum Notnagel Kongo gegriffen", da deren Botschaft für eine "Bearbeitungsgebühr" von 100 DM ohne Quittung jede Identität bestätigte. In den Amtsstuben soll extra ein Stadtplan von Kinshasa ausliegen, um Adressen fälschen zu können.

Die Kreisverwaltung Cloppenburg reagierte auf ihre Weise auf die Vorwürfe gegen ihren Beamten. Dieser wurde zum Dank dafür, dass er dem Stadtsäckel die Sozialhilfekosten für die illegal Abgeschobenen gespart hatte, in das Sozialamt versetzt, inklusive Beförderung auf einen höheren Posten.

Raphael Batoba nach Abschiebung im Kongo inhaftiert

Die Skrupellosigkeit, mit der derzeit Abschiebungen aus Deutschland durchgeführt werden, machen weitere Fälle deutlich.

Im vierten Versuch wurde der Kongolese Raphael Batoba von der Berliner Ausländerbehörde Ende August via Brüssel mit einer Linienmaschine der Air Gabun abgeschoben. Bei den drei vorherigen Versuchen hatte sich der Pilot der niederländischen Fluglinie KLM geweigert, den sich heftig wehrenden Batoba zu transportieren. Der Pilot der Air Gabun scheint nun weniger Skrupel gehabt zu haben. Vielleicht beruhigte ihn auch die Anwesenheit von vier BGS-Beamten, die den gefesselten Batoba bei seiner Abschiebung begleiteten. Die Abschiebung erfolgte trotz des im Kongo wütenden Bürgerkriegs und der dort herrschenden unsicheren Menschenrechtslage, die der Bundesregierung selbst als Vorwand dienen, um mit einem Bundeswehrkontingent in dem afrikanischen Land zu intervenieren.

Innensenator Körting verteidigte die Abschiebung durch einen Verweis auf den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes, nach dem bei zurückgeführten Personen nicht mit Repressionen zu rechnen sei. Dabei heißt es in dem Bericht, dass "grundlegende Menschenrechte... weiterhin verletzt" würden, die "Entwicklung der politischen Situation weiterhin unsicher" und die wirtschaftliche Lage "verheerend" sei. Aber es gebe ja "Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Landes".

Wie Raphael Batoba diese wahrnehmen soll, bleibt ein Geheimnis des Berliner Innensenators. Er hat im Kongo keine Familie mehr und verfügte bei der Abschiebung nur über 15 Euro, die er im Abschiebegewahrsam bekommen hatte. Körting wischte entsprechende Bedenken in einem Interview mit der tageszeitung brüsk mit den Worten zurück: "Er stand auch vor dem Nichts, als er vor elf Jahren in die Bundesrepublik Deutschland kam."

Im selben Interview verstieg sich der Innensenator zu der Behauptung, dass eine mögliche Familienzusammenführung mit Batobas Geschwistern in Frankreich nicht möglich gewesen sei, weil der Kongolese bis dahin in Abschiebegewahrsam hätte sitzen müssen, und das, so Körting, wäre "Freiheitsberaubung" gewesen.

Körting behauptete auch, er habe keinen Ermessensspielraum gehabt und hätte die Abschiebung aus humanitären Gründen nicht aussetzen können. Doch das ist falsch. Ein Blick in den Jahresbericht von amnesty international zur Lage im Kongo oder in den Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums hätte genügend Anhaltspunkte für eine Aussetzung der Abschiebung geliefert.

Amnesty berictet, dass Folter in den Gefängnissen üblich ist und dass alleine in dem Zeitraum von März bis Juli 2002 im Hauptgefängnis Kinshasas mindestens 46 Gefangene den Misshandlungen, der fehlenden medizinischen Versorgung und der Verweigerung von Nahrung zum Opfer gefallen sind. Im Bericht des US-Außenministeriums wird von illegalen Tötungen, Folter, Schlägen, Vergewaltigungen, Vertreibungen und willkürlichen Festnahmen von Zivilisten durch die Sicherheitskräfte der Regierung Kabila berichtet.

Hinzu kommt, dass Raphael Batoba als Mitglied der oppositionellen "Vereinigung für Demokratie und sozialen Fortschritt" (UDPS) vor der politischen Verfolgung durch den damaligen Präsidenten Mobutu Sese Seko nach Deutschland geflohen war. Eben diese UDPS erkennt auch die jetzige Regierung unter Kabila nicht an. Nach Informationen der Internationalen Menschenrechtsliga sind noch Anfang dieses Jahres zwei Demonstrationen der UDPS gewaltsam durch Polizeikräfte aufgelöst worden, mehrere Anhänger der UDPS sind seitdem verschwunden.

Aber all das konnte die Berliner Behörden nicht vom Vollzug der Abschiebung abhalten. Und so wurde Raphael Batoba direkt nach seiner Ankunft in Kinshasa festgenommen und inhaftiert. Nach Recherchen des Senders Radio Berlin Brandenburg (RBB) soll Batoba fünf Tage in einem Spezialgefängnis der kongolesischen Geheimpolizei verbracht haben. Er gab nach seiner Freilassung an, von den Sicherheitskräften misshandelt worden zu sein.

Abschiebung von Minderjährigen in Hamburg

Nicht weniger skrupellos ist das Vorgehen der Hamburger Behörden im Fall von vier Minderjährigen aus Ghana.

Nach dem Willen des Innensenats der Hafenstadt sollen Barbara O., Thomas Akabori A. (beide 14) und die Geschwister Silvia (13) und Gifty O. (14), die seit zwei Jahren bei ihren Müttern in Hamburg leben, nach Ghana abgeschoben und in die Obhut eines Waisenhauses gegeben werden. Alle vier Kinder waren ohne gültiges Visum zu ihren seit Jahren mit einem unbefristeten Bleiberecht in Deutschland lebenden Müttern gekommen, die jeweils mit deutschen Staatsbürgern verheiratet sind. Die Ausländerbehörde lehnte aber die Familienzusammenführung ab, da sich die Kinder in den Jahren der Trennung angeblich von ihren Müttern "entfremdet" hätten oder die Zusammenführung nicht ordnungsgemäß beantragt worden sei.

Die Kinder hätten somit kein Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis und müssten abgeschoben werden. Da aber in Ghana keine weiteren Angehörigen ausgemacht werden konnten, sollten sie in einem Waisenhaus untergebracht werden, was auch vom Oberverwaltungsgericht Hamburg in einem Urteil bestätigt wurde. Inzwischen musste aber der Sprecher der Hamburger Ausländerbehörde Norbert Smekal einräumen, dass es keine klaren Zusagen aus Ghana für die Unterbringung der Kinder gebe.

Ein trotzdem durchgeführter erster Abschiebungsversuch scheiterte daran, dass zwei der Kinder zum Termin nicht erschienen, worauf die Behörde bei nochmaligem Nichterscheinen die Inhaftierung der Kinder androhte. Unterdessen plant die Hamburger Behörde die Abschiebung weiterer Kinder, was selbst die Direktorin der ghanaischen Einwanderungsbehörde, Elizabeth Adjei, als grotesk bezeichnet. Es falle ihr schwer, "eine Abschiebung von Minderjährigen weg von ihren Erziehungsberechtigten nachzuvollziehen".

Die immer brutalere Abschiebepraxis kann nicht auf das Fehlverhalten einiger Beamter zurückgeführt werden. Vielmehr ist sie eine Folge des immer stärkeren Druckes, den das Bundesinnenministerium mit Minister Otto Schily (SPD) an der Spitze auf die Länder- und Kommunalbehörden ausübt.

Obwohl die Asylbewerberzahlen von Januar bis August 2003 mit 34.607 auf den niedrigsten Stand seit über 15 Jahren gesunken sind, werden die lokalen Behörden dazu angehalten, Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen, wodurch Standardablehnungen der Asylanträge immer mehr zur Regel werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass eine zu hohe Anerkennungsquote bei einzelnen Entscheidern deren Beförderung verzögert. Die Anerkennungsquote ist dementsprechend auf ein Rekordtief gesunken.

Ein Mitarbeiter machte seinem Ärger über den stetig wachsenden Druck Luft, indem er eine entsprechende E-Mail der übergeordneten Stelle an die Frankfurter Rundschau weiterleitete. Neben der Forderung der Effizienzsteigerung bei den Entscheidungen wird in dieser E-Mail darauf hingewiesen, dass angesichts der weiter sinkenden Flüchtlingszahlen demnächst Widerrufsverfahren gegen anerkannte Asylbewerber und gegen Flüchtlinge eingeleitet werden sollen, denen ein befristeter Abschiebeschutz aus politischen oder humanitären Gründen gewährt wurde. Betroffen wären vor allem Afghanen, Iraker und Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ihnen droht die Aberkennung des Schutzstatus in schnellen Standardverfahren und damit die Abschiebung in die Bürgerkriegsgebiete, aus denen sie geflohen sind.

Das Fälschen von Akten, die rücksichtslose Abschiebung von Flüchtlingen, die in desaströse politische und wirtschaftliche Verhältnisse zurückkehren oder ihren ehemaligen Häschern in die Hände fallen, und das Verweigern der rechtlich verbrieften Familienzusammenführung für Minderjährige sind ein eklatanter Ausdruck des unter der rot-grünen Bundesregierung stattfindenden dramatischen Abbaus des Flüchtlingsschutzes.

Siehe auch:
Weniger Asylsuchende und verstärkte Abschiebungen
(2. August 2003)
Jährlich werden 50.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben
( 24. September 2003)
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