Bush's Programm für Arbeitsimmigranten

In einer zynischen politischen Geste legte Präsdident Bush vergangene Woche einen vagen Vorschlag vor, bis zu zwölf Millionen Einwanderern ohne Papiere einen begrenzten und zeitlich beschränkten legalen Status zu gewähren. Bush behauptete, der Plan sehe ein "humaneres" Vorgehen vor, als die gegenwärtige Praxis. In Wirklichkeit ist der Vorschlag des US-Präsidenten aber stark auf die Interessen der Konzerne und Unternehmen zugeschnitten. Wenn er umgesetzt werden sollte, würde er den rechtlichen Rahmen für eine Zweiklassengesellschaft mit einer Schicht von überausgebeuteten Arbeitern in Amerika schaffen.

In einer Rede im Weißen Haus gab Bush Sprechblasen über den "amerikanischen Traum" von sich wie auch darüber, dass man "missbrauchte und ausgebeutete Arbeiter aus dem Schatten holen" müsse. Interessenvertreter der Einwanderer verurteilten den Plan jedoch als ein System der vertraglich festgelegten Knechtschaft, das einer verstärkten Unterdrückung und Massendeportationen den Weg ebnen könnte.

In dem Plan ist nicht vorgesehen, dass heute in den USA lebende Arbeiter ohne Papiere einen dauerhaften Aufenthalt und die Staatsbürgerschaft bekommen können. Bush machte ausdrücklich klar, dass er "eine Amnestie und einen automatischen Weg für Arbeiter ohne Papiere zur Staatsbürgerschaft" ablehne. Stattdessen würde der Plan eine neue Kategorie von "Zeitarbeitern" mit begrenzten Rechten schaffen, die von der Gnade ihrer Arbeitgeber und der Regierung abhängen.

Die Ankündigung wurde weithin als billiger Trick im Wahljahr gesehen, um Unterstützung bei der hispanischen Bevölkerung zu gewinnen, der von den Republikanern in einigen Staaten - wie Kalifornien, Texas und Florida - eine Schlüsselrolle zugemessen wird. Der Vorschlag ging kaum auf Details ein und stellte keinen Bezug zu anderen Gesetzentwürfen zur Einwanderungsfragen her, die bereits im Kongress beraten werden.

Nach dem von Bush vorgestellten Plan könnten sowohl Arbeiter ohne Papiere, die schon in den USA sind, als auch Arbeiter, die in die USA einreisen wollen, den Status von Zeitarbeitern beantragen, der dann für drei Jahre mit der Möglichkeit mindestens einmaliger Verlängerung gewährt würde, solange sie eine Beschäftigung haben.

Arbeiter ohne Papiere, die sich schon in den USA aufhalten, müssten beweisen, dass sie einen Arbeitsplatz haben, sich einem Sicherheitscheck unterziehen und eine Gebühr zahlen. Antragsteller aus dem Ausland wären nur berechtigt, wenn sie für Arbeitsplätze eingestellt werden, für die nach von der Regierung festzulegenden Kriterien keine amerikanischen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Diese Arbeitsplätze sollen vom US-Arbeitsministerium aufgelistet und mit der Hilfe von Arbeitsvermittlern vergeben werden.

Behauptungen der Regierung und von Teilen der Medien, dass die Vorschläge dem Schutz eingewanderter Arbeiter vor Missbrauch dienen, sind ziemlich zweifelhaft. Es werden keine neuen Rechte am Arbeitsplatz eingeführt. Schon die heute geltenden Gesetze gestehen Arbeitern ohne Papiere offiziell das Recht auf den Mindestlohn, auf Schutz gegen Entlassung, auf Gesundheits- und Sicherheitsstandards, die Bezahlung von Überstunden und auf Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Einhaltung dieser Bestimmungen nach Verwirklichung des neuen Programms strikter überwacht werden, als das heute der Fall ist. Tatsächlich würde Bushs Plan diese Arbeiter noch stärker von ihren Arbeitgebern abhängig machen, von denen sie gesponsert werden müssen.

"Unter dieser Art Gesetzgebung werden wir eine große Anzahl vertraglich verpflichteter Arbeitssklaven schaffen", erklärte Susan F. Martin, eine Spezialistin für Einwanderungsrecht an der Universität von Georgetown, gegenüber der Washington Post. Bushs Plan, fügte sie hinzu, "ist der besorgniserregendste Vorschlag in Einwanderungsfragen der letzten 25 Jahre".

Raul Yzaguirre, Präsident des Nationalrats von La Raza, einer Initiative für die Rechte hispanischer Einwanderer, nannte Bushs Vorschlag "eine wiederaufgewärmte Version des Bracero-Programms", eines Programms aus dem zweiten Weltkriegs, das Millionen mexikanischer Landarbeiter mit Zeitverträgen in die USA holte, wo sie auf den Feldern brutal ausgebeutet wurden. Der Bush-Plan, fügte er hinzu, "scheint der Geschäftswelt ungehinderten Zugriff auf eingewanderte Arbeitskräfte zu bieten, während für die Arbeiter selbst sehr schlecht gesorgt ist".

Nach einem zeitlich befristeten Aufenthalt von drei Jahren und nach Ablauf aller möglichen Verlängerungen würden diese Arbeiter abgeschoben werden. Zwar könnten sie sich um eine Green Card - eine permanente Aufenthaltsgenehmigung - bewerben, doch dauert für die meisten Mexikaner die Wartefrist für ein solches Dokument mit acht bis 15 Jahren enorm lang.

Während Bush behauptete, seine Regierung werde die Anzahl der Green Cards - der Dokumente, die es Nicht-US-Bürgern erlauben, auf Dauer in den USA zu leben und zu arbeiten - in jedem Jahr erhöhen, machte er keine näheren zahlenmäßigen Angaben darüber.

Vor kurzem hielt die US-Regierung noch an der Obergrenze von 140.000 neuen Green Cards fest, die jährlich ausgegeben werden. Schon heute gibt es bis zu hundertmal so viele illegale Einwanderer in den USA, und Millionen weitere versuchen, sie vom Ausland her zu bekommen. Bei der letzten Green Card -Verlosung, die vergangene Woche zu Ende ging, hatten sich zehn Millionen Menschen um 110.000 Karten beworben.

In Anbetracht der Tatsache, dass das Resultat des vorgeschlagenen Programms nach ein paar Jahren die Deportation ist, muss man sich doch sehr fragen, ob tatsächlich eine große Zahl illegaler Immigranten bereit wären, daran teilzunehmen. Schließlich müssten sie sich ja auch einer Befragung und einer biometrischen Registrierung unterziehen.

Enthusiastische Zustimmung erhielt der Vorschlag von Wirtschaftsvertretern, die ihn als Mittel begrüßen, die Überausbeutung eingewanderter Arbeitskräfte zu regeln und zu legalisieren. Der Vorschlag enthält gewissermaßen eine Art "Amnestie" für Unternehmer wie etwa Wal-Mart, wo im letzten Jahr Razzien stattfanden und 245 Beschäftigte, die als Reinigungskräfte in den Läden beschäftigt waren, festgenommen wurden. Der Haupteffekt würde darin bestehen, die Ausbeutung billiger eingewanderter Arbeiter zu legalisieren.

"Die Wirtschaft kann sich nur ausdehnen, wenn wir Arbeiter haben, die die verfügbaren Stellen annehmen", sagte Randy Johnson, Vizepräsident der US-Wirtschaftskammer. "Die heutigen Ankündigungen sind eine gute Grundlage, vorwärts zu kommen und eine vernünftige und umfassende Reform der Einwanderung einzuführen."

Teile von Bushs eigener Republikanischer Partei wandten sich gegen den Plan, dessen Umgang mit Illegalen sie als zu wenig drakonisch erachten. Der parlamentarische Mehrheitsführer, Tom DeLay, ein Republikaner aus Texas, äußerte zum Beispiel Vorbehalte "gegen die Zulassung illegaler Einwanderer zu einem US-Gastarbeiterprogramm, weil sie illegales Verhalten belohnt".

Der Abgeordnete Elton Gallegly, ein Republikaner aus Kalifornien und Mitglied des Ausschusses für Einwanderungsfragen, erklärte, Bushs Vorschlag komme "einer Begnadigung für kriminelle Taten gleich, die sich nicht davon unterscheiden, in der eigenen Garage Hundertdollarnoten zu drucken".

Andere Mitglieder der republikanischen Mehrheit im Kongress wiesen darauf hin, der Vorschlag hätte keinerlei Dringlichkeit, und es sei unwahrscheinlich, dass er in irgendeiner Form in absehbarer Zukunft verabschiedet werde. Der Kongress hat erst vor kurzem eine viel weniger weit gehende Gesetzesreform für Einwanderer - die sich nur auf Landarbeiter bezog - im Ausschuss begraben.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Bush bereit ist, sich Ärger mit dem Kongress einzuhandeln, damit sein Vorschlag nicht das gleiche Schicksal erleidet. Während er sich in die Pose eines Freunds der Immigranten wirft, um die Sympathie der hispanischen Wählerschaft zu gewinnen, wird er gleichzeitig seine ultrarechte Basis mobilisieren, die sich durch fanatische Feindschaft gegen ausländische Arbeiter auszeichnet.

Die Ankündigung kam nur wenige Tage, bevor Bush an einem Nord-Süd-amerikanischen Gipfeltreffen im mexikanischen Monterrey teilnahm. Die mexikanische Regierung von Präsident Vicente Fox hat die Vernachlässigung der Einwandererfrage durch die Bush-Regierung nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001, der Kriegspolitik im Ausland und den Polizeirazzien gegen Immigranten in den USA scharf kritisiert.

Nachdem Bush zu Beginn seiner Präsidentschaft bilaterale Gespräche mit Vicente Fox über Vorschläge geführt hatte, den Status mexikanischer Immigranten zu legalisieren - die bis zu 70 Prozent der Arbeiter ohne Papiere in den USA ausmachen - wurden diese Gespräche abrupt beendet. Auch am letzten Mittwoch machte der US-Präsident klar, dass sein neuer Plan ein einseitiger Vorschlag sei, und dass es kein Gespräch mit Mexiko darüber geben werde.

Während es wenig Hinweise auf öffentliche Begeisterung für Bushs Vorschlag in Mexiko oder unter mexikanischen Arbeitern in den USA gibt, behandelte die Fox-Regierung ihn als eine positive Entwicklung. Dies trotz der Tatsache, dass die Hauptfrage, die sie in ihren Gesprächen mit Washington im Frühjahr und Sommer 2001 vorgebracht hatte - nämlich einen Weg für illegale Arbeiter zu schaffen, an eine permanente Aufenthaltserlaubnis zu kommen - im neuen Bush-Plan gar nicht enthalten ist.

Für die herrschende Klasse von Mexiko ist die Schlüsselfrage nicht die, den armen Immigranten nördlich der Grenze demokratische Rechte zu verschaffen, sondern vielmehr den Strom an Geldüberweisungen, die diese Arbeiter nach Mexiko heimschicken und der heute die zweitgrößte Einkommensquelle aus dem Ausland darstellt, nicht versiegen zu lassen. Die Fox-Regierung sieht im Zeitarbeiterprogramm ein Mittel, diese Einkommensquelle zu erhalten.

Siehe auch:
Wie George W. Bush zu seinen Millionen kam
(9. August 2002)
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