Eine entlarvende Episode: Wie die britischen Radikalen Ken Livingstone hofieren

Am 9. Januar prüfte ein eigens einberufenes, fünfköpfiges Gremium des Nationalen Exekutivkomitees der Labour Party einen Antrag des Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone auf Wiederaufnahme in die Labour Party.

Livingstone war 2000 für fünf Jahre aus der Partei ausgeschlossen worden, als er sich als unabhängiger Kandidat um das Londoner Bürgermeisteramt bewarb, obwohl die Partei sich weigerte, ihn offiziell zu unterstützen. Die Art und Weise, wie die Labour Party die Kandidatenwahl manipulierte, und ihr plumpes Vorgehen beim Rauswurf dieses langgedienten Abgeordneten führten dazu, dass Livingstone die Bürgermeisterwahlen gewann und den offiziellen Labour-Kandidaten auf den vierten Platz verwies.

Nun sieht es so aus, dass der sündige Bürgermeister zwei Jahre früher als vorgesehen auf der Grundlage einer zwischen ihm und der Parteiführung ausgekungelten Vereinbarung wieder in die Partei aufgenommen wird. Die Labour Party ist bereit, ihre eigenen Regeln zu beugen, damit Livingstone zu den Bürgermeisterwahlen 2004 als offizieller Kandidat der Partei antreten kann. Die Partei hofft, dies werde sie davor bewahren, die Wahl ein zweites Mal zu verlieren, während Livingstone erwartet, von der Unterstützung der Parteimaschinerie zu profitieren.

Livingstone ist begeistert von der Aussicht auf eine Rückkehr und beschreibt seinen Ausschluss als einen unglückseligen Fehler. "Es gibt Leute, die heiraten, sich scheiden lassen und dann, nach ein paar getrennten Jahren, zum Schluss kommen, dass sie einander schrecklich vermissen... und sich wieder heiraten", sagte er über seine Beziehung zur Labour Party.

Während sich die Vereinbarung ihren Weg durch die bürokratische Labourmaschinerie bahnt, lohnt es sich, noch einmal auf die euphorischen Reaktionen zurückzublicken, mit denen die radikalen Gruppen aus der Mittelklasse auf Livingstones Entscheidung reagiert hatten, als unabhängiger Kandidat anzutreten.

Obwohl Livingstone seit seiner Auseinandersetzung mit der konservativen Regierung von Margaret Thatcher in den achtziger Jahren als "Roter Ken" bekannt war, hatte er sich danach mit der Rechtswende der Labour Party unter Blair arrangiert. Er opponierte erst dagegen, als sie mit seiner eigenen Karriere als Bürgermeister von London in Konflikt kam. Dennoch begrüßten die Socialist Workers Party und andere Livingstones Kandidatur und erklärten sie zum Beginn einer sozialistischen Erneuerung in der Arbeiterklasse.

Die SWP argumentierte, Livingstones Kandidatur biete trotz dessen politischer Bilanz eine Alternative zu New Labour, und sie könne entweder für eine Rückeroberung der Partei für die Linke oder als Ausgangspunkt für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei genutzt werden. Sie warnte: "Es wäre der schlimmste Fehler eines Sozialisten, sich von diesem Gärungsprozess fernzuhalten, weil Livingstone davor zurückschreckt, wirklich sozialistische Argumente vorzubringen."

Die Communist Party of Great Britain, Herausgeberin des Weekly Worker, behauptete: "Die besondere Bewegung, die sich um Livingstone herum schart, stellt eine Rebellion der Arbeiterklasse dar, wie unartikuliert und widersprüchlich sie auch immer sein mag."

Livingstone war jedoch gar nicht besonders erpicht darauf, der ungekrönte Champion einer neuen Parteibewegung zu werden. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er beabsichtige, so schnell wie möglich wieder in die Labour Party aufgenommen zu werden. "Ich werde keine neue politische Partei gründen, und ich hoffe immer noch, dass ich eines Tages in die Labour Party zurückkehren kann", sagte er damals.

Dies hinderte die Radikalen nicht daran, sich zusammenzuschließen und eine gemeinsame Kandidatenliste, die London Socialist Alliance (LSA), aufzustellen, die bei den Wahlen zum Londoner Magistrat unter Arbeitern für Livingstones Kandidatur warb.

Dieser Opportunismus ist typisch für die Perspektive der Socialist Alliance.

Jahrelang betonten die radikalen Gruppen, dass Blairs New Labour zwar eine pro-kapitalistische Partei sei, deren Programm sich kaum von dem der Konservativen unterscheide, wegen ihren Verbindungen zu den Gewerkschaften jedoch weiterhin eine Arbeiterpartei bleibe. Die Feindschaft breiter Schichten der Arbeiterklasse gegenüber Blairs Regierung zwang sie zwar, sich organisatorisch zögernd gegen Labour zu stellen, ihre grundlegende Orientierung richtete sich aber weiterhin auf die Labour-Bürokratie.

Die Radikalen sind der Meinung, dass die rechte Führung der Labour Party lediglich ein vorübergehendes Krebsgeschwür am ansonsten gesunden Körper der offiziellen Arbeiterbewegung sei - den Gewerkschaften als Massenorganisationen der Arbeiterklasse.

Sie erklärten es deshalb zur zentralen Aufgabe der Socialist Alliance, abtrünnige Labour-Mitglieder und vor allem linke Gewerkschaftsführer für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei zu gewinnen. Der Charakter einer solchen Partei war dergestalt, dass die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die alten Bürokratien nicht gefährdet wurde. Sie behaupteten, der Aufruf zum Aufbau einer revolutionären sozialistischen Partei sei sektiererisch, weil er die organisatorische Einheit mit den linksreformistischen Bürokraten verhindere. Bevor Arbeiter revolutionär werden könnten, so argumentierten sie, müssten sie durch ein zentristisches Stadium zwischen Reform und Revolution hindurchgehen. Es sei die Aufgabe der Sozialisten, dafür zu sorgen, dass diese Phase durch die Schaffung eines "breiten Bündnisses" linker Tendenzen - durch Abkommen mit Leuten wie Livingstone - ermöglicht werde, in denen Revolutionäre für ihre richtige Politik eintreten könnten.

Diesem Schema zufolge waren die radikalen Gruppen zu außerordentlichen politischen Verrenkungen gezwungen, um Livingstones tatsächliche politische Ziele zu verschleiern. Sie erklärten, seine politische Bilanz und seine subjektiven Absichten seien bedeutungslos. Wichtig sei die objektive Bedeutung seines Ausschlusses aus der Partei, und dass er ohne Zweifel nur der erste von mehreren Linken sei, die gezwungen sein würden, sich gegen Labour aufzulehnen.

Was ist aus diesen politischen Phantasien über linke Rebellionen in der Bürokratie nach drei Jahren geworden?

Livingstone, der über keine von Labour unabhängige politische Grundlage für die notwendige Basisarbeit für seinen Wahlkampf verfügte, war gerne bereit, die LSA als Fußvolk zu benutzen - eine Rolle, die zu spielen die Radikalen nur allzu gern bereit waren.

Aber von Anfang an verschmähte er den Wusch der LSA, eine gemeinsame Wahlliste aufzustellen. Er war bereit, seinen Ruf als Blair-Gegner, den ihm die Radikalen verschafft hatten, zu nutzen, um Unterstützung bei der arbeitenden Bevölkerung zu gewinnen, er war aber nicht bereit, Londons Wirtschaftsbosse mit einer zu großen Nähe zu einer dem Namen nach sozialistischen Politik zu vergrätzen. Außerdem wollte er seine Pläne nicht gefährden, zu einem späteren Zeitpunkt mit der Labour-Führung über seine Wiederaufnahme in die Partei zu verhandeln.

Als Bürgermeister hat Livingstone von der Wirtschaft nur Lob geerntet - für die Wirtschaftsförderung der City oder den Vorschlag, die Privatisierung der Londoner U-Bahn durch Schuldverschreibungen zu verwirklichen. Angesichts der drohenden Labour-Niederlage bei der Wahl zum Stadtrat von Groß-London und bei den Europawahlen sieht er nun die Chance, wieder in die Partei aufgenommen zu werden.

Alles, was die Radikalen erreicht haben, ist das Schüren gefährlicher Illusionen über den fortschrittlichen Charakter einiger verstimmter Karrieristen, die trotz einiger halblauter Proteste gegen die schlimmsten Exzesse von Blair loyal zum Apparat der Labour Party stehen. Statt einen Kristallisationspunkt für eine allgemeine Rebellion gegen Labour zu schaffen, hat die Unterstützung der Socialist Alliance für Livingstone nur einem der übelsten Repräsentanten dieser Schicht eine Machtposition verschafft, von der aus er die Rückkehr in die Partei betreiben kann.

Aber selbst jetzt, während Livingstone seine Wiederaufnahme in die Labour Party betreibt, machen die radikalen Gruppen keine Anstalten, ihre bisherige Politik kritisch zu überdenken.

Als Livingstone beim Nationalen Exekutivkomitee den Antrag stellte, wieder in die Labour Party aufgenommen zu werden, wusste die SWP in der Ausgabe ihrer Wochenzeitung vom 22. November dazu wenig zu sagen. Sie stellten die Frage: "Macht Livingstone eine neue Wende?" Dabei kannten sie die Antwort schon, denn sie zitierten ihn mit den Worten: "Wenn man mir die Mitgliedschaft anbietet, werde ich sie akzeptieren. Ich glaube der Premierminister und ich wissen, dass wir uns beide gegenseitig nicht ändern werden. Wir haben gelernt, uns zu akzeptieren."

Als hätte sie ihn nie unterstützt, klagt die SWP jetzt: "Sein Gerede, Blair ‚zu akzeptieren' und neben ihm zu arbeiten, ist nicht gerade, was die Millionen hören möchten, die Blair loswerden wollen. Wir brauchen eine klare sozialistische Alternative zu Blair und seiner in jeder Frage trostlosen Politik. Wenn Livingstone wieder in die Labour Party eintritt, dann wird er dieser Stimmung und vielen, die für ihn gestimmt haben, den Rücken zuwenden."

Die SWP argumentiert im Wesentlichen dafür, so weiterzumachen wie bisher: "Dass Livingstone wieder eintreten will, bedeutet, dass wir unsere Anstrengung verdoppeln müssen, eine praktikable Wahlalternative zu Labour zu schaffen, die ein Kristallisationspunkt für alle sein kann, die über Blair empört sind."

Politischer Gedächtnisschwund ist für die SWP doppelt notwendig, weil sie und andere radikale Gruppen - trotz der Enttäuschung über Livingstone - ihre Aufmerksamkeit wie launenhafte Kurtisanen bereits einem neuen Objekt der Begierde zugewandt haben.

Der Kommentar vom 22. November zu Livingstone erschien neben einem größeren Artikel, der eine Wahlfront gegen Labour für die diesjährigen Europawahlen ankündigt. Der kürzlich von Labour verstoßene George Galloway wird zum neuen Spitzenmann dieser Gruppierung mit dem provisorischen Namen RESPECT (Abkürzungen für "Respekt, Gleichheit, Sozialismus, Friede, Umweltschutz, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften") ernannt.

Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass das Projekt einer neuen Partei, die sich auf die Verherrlichung der politischen Glaubwürdigkeit von George Galloway gründet, auch nur ein bisschen lebensfähiger wäre als eine Partei mit Livingstone. Galloway ist aus demselben politischen Holz wie Livingstone geschnitzt. Der Mann, der sich vor allem selbst in Szene setzt, ist als prominenter Kritiker von Blairs Unterstützung für den Irakkrieg bekannt. Aber gleichzeitig unterhält er eine Reihe opportunistischer Beziehungen zur arabischen Bourgeoisie. Als Mann mit starker politischer Affinität zu den alten stalinistischen Parteien ist er der Labour Party über drei Jahrzehnte lang treu geblieben und hat außerdem deutlichgemacht, dass er zu einem späteren Zeitpunkt wieder in ihre Reihen einzutreten hofft.

Selbst wenn dies niemals der Fall sein sollte und Galloway für einige Zeit mit seinen politischen Verbündeten zusammenbleibt, unterstützt er RESPECT nur, weil sich die SWP auf seine Forderung eingelassen hat, dass die Organisation nur für minimale Reformen eintritt, die weder das Profitsystem gefährden noch ernsthaft den Interessen der Wirtschaft entgegentreten. Die Gründungserklärung wendet sich an ein diffuses Publikum - an die Antikriegsbewegung, an "Rentner, Studenten, Gewerkschaftsmitglieder, Muslime und andere Glaubensgruppen, Sozialisten, ethnische Minderheiten und viele andere" - und verspricht lediglich, gegen eine "Krise der Repräsentation, gegen ein demokratisches Defizit im Kern der britischen Politik" aufzutreten.

Nur die politische Haltung der World Socialist Web Site gegenüber Livingstone hält einer kritischen Überprüfung stand. Als er für das Bürgermeisteramt kandidierte, erklärten wir:

"Livingstones wirkliches Publikum sind nicht die Millionen einfacher Menschen in London, sondern die Handvoll Wirtschaftsführer, die er davon zu überzeugen versucht, dass er die politische Lösung für alle Krankheiten des britischen Kapitalismus habe...

Eine Rede vor der Metropolenkonferenz 1999, einer Konferenz über die Zukunft der großen Städte der Welt, zeigte ganz klar die Ausrichtung Livingstones auf die Finanzelite Londons: ‚Der Bürgermeister und der Stadtrat von London müssen ein viel kundenfreundlicheres Planungssystem schaffen, das es dem privaten Sektor erlaubt, viel schneller in neue, technologisch fortschrittliche Gebiete vorzudringen.... London ist jetzt reif für eine Periode großer Reformen und Innovationen. Die alte, abgeschottete, an Privatschulen ausgebildete Finanzelite der City ist durch die Personalveränderung und die Veränderung der Arbeitsmethoden der letzten zwanzig Jahre aufgesprengt worden.'

Livingstone versucht auch, die Londoner City für sich zu gewinnen, indem er eine Umschichtung der öffentlichen Ausgaben zugunsten der Hauptstadt auf Kosten der britischen Regionen verlangt. ‚London subventioniert immer noch den Rest des Landes', sagte er. ‚Für jedes Pfund Steuern, das London an den Finanzminister zahlt, bekommen wir nur 75 Pence zurück. Es ist offensichtlich nicht länger akzeptabel, dass die Londoner ein Niveau an öffentlichen Ausgaben in Gordon Browns [schottischem] Wahlkreis finanzieren, das es - auf London übertragen - ermöglichen würde, durch den Zufluss von zusätzlichen 4,4 Milliarden Pfund pro Jahr durch Investitionen in die Modernisierung alle Probleme der Stadt zu lösen'."

Wir schlossen: "Ein Sieg von Livingstone würde die Sache der Arbeiterklasse keinen Schritt weiter bringen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre er nur das Vorspiel für eine Wiederannäherung von Livingstone und Blair... Arbeiter wissen, dass sie von der Regierung angegriffen und verraten worden sind. Aber sie verfügen noch über keine alternative sozialistische Perspektive, mit der sie dagegen kämpfen können. Um Labour ernsthaft herauszufordern, muss man sich dieser Frage zuwenden, anstatt sich zum Anhängsel der endlosen Streitereien in den Reihen der Parteibürokratie zu machen, wie einerseits der eigene Einfluss und andererseits die Interessen des Kapitals am besten gewahrt werden können."

Die Formulierung eines sozialistischen Programms als Grundlage für den Aufbau ihrer eigenen Partei bleibt die zentrale politische Herausforderung für die britische Arbeiterklasse. Sie kann nur gemeistert werden, wenn der Sirenengesang der Radikalen, dem einen oder anderen Flügel der Labour Bürokratie zu vertrauen und sich selbst auf ein politisches Programm zu beschränken, das für solche unverbesserliche Opportunisten akzeptabel ist, zurückgewiesen wird.

Siehe auch:
Labour-Parteitag wirft sich Blair zu Füßen
(8. Oktober 2003)
Livingstone bietet keine Alternative zum Rechtskurs der Labour-Partei
( 27. April 2000)
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