Österreich

Sozialdemokraten bilden in Kärnten Koalition mit Haider

Nur eine Woche nach den Landtagswahlen in Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs, hat die sozialdemokratische SPÖ am vergangenen Wochenende beschlossen, in eine Regierungskoalition mit der rechtsextremen FPÖ von Jörg Haider einzutreten.

Haider ist seit zehn Jahren Regierungschef in Kärnten. Im Wahlkampf hatten die Sozialdemokraten noch die Parole ausgegeben: "Jede Stimme für die SPÖ ist eine Stimme um Haider abzulösen". Nun hat die SPÖ eine Vereinbarung mit der FPÖ getroffen, am 1. April Haider bei der Wahl des Landeshauptmanns (Ministerpräsidenten) die nötige Mehrheit verschaffen und eine gemeinsame Regierung zu bilden.

Zwar werden die sozialdemokratischen Abgeordneten nicht direkt für Haider stimmen, aber es wurde abgesprochen, dass so viele von ihnen während der Abstimmung den Plenarsaal verlassen, dass die Haider-Partei die Mehrheit hat. Selten zuvor wurden die Wähler derart getäuscht und nach Strich und Faden belogen.

Obwohl eine Dreier-Koalition aus SPÖ, der konservativen Volkspartei (ÖVP) und den Grünen über eine parlamentarische Mehrheit verfügt und Haider in seinem Stammland von der Macht verdrängt hätte, verwarfen die Sozialdemokraten diese Option. Mehrere Pressemeldungen berichten, dass die SPÖ diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht zog. SPÖ-Landeschef Peter Ambrozy begründete dies mit der Behauptung, eine Dreierkoalition gegen die FPÖ widerspreche dem Wählerwillen.

Ein Blick auf das Wahlergebnis zeigt etwas ganz anderes. Obwohl Haider die 425.000 Wahlberechtigten in diesem kleinen Bundesland mit Propagandamaterial überhäufte und seine Funktion als Landesregierungschef skrupellos ausnutzte, stimmten weniger Kärntner für ihn, als fünf Jahre zuvor. Nur die niedrigere Wahlbeteiligung führte dazu, dass sich das prozentuale Ergebnis der FPÖ geringfügig auf 42,5 Prozent verbesserte.

Bei der Landtagswahl in Salzburg, die am selben Tag stattfand, musste die FPÖ eine vernichtende Niederlage hinnehmen und verlor mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Sie sackte um 10,9 Prozent auf 8,7 Prozent ab. Schon bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr in Nieder- und Oberösterreich und in Tirol erlitt die Haider-Partei durchweg zweistellige Verluste und fiel auf der Parteienliste auf Platz vier - hinter die Grünen - zurück.

Die Wähler quittierten damit die drastischen Sozialkürzungen, welche die FPÖ im Bündnis mit der konservativen Volkspartei (ÖVP) auf Bundesebene durchgesetzt hatte. In seiner bekannt demagogischen Weise konzentrierte Haider seinen Wahlkampf in Kärnten auf Angriffe gegen die Volkspartei, mit der seine FPÖ auf Bundesebene eine Koalition bildet. Daraufhin verlor die ÖVP in Kärnten fast die Hälfte ihrer Wähler und erzielte mit 11,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt.

Die weit verbreitete Opposition gegen die Wiener Bundesregierung kam vor allem der SPÖ und den Grünen zugute. Die SPÖ gewann in Kärnten 5,6 Prozent hinzu und erzielte mit 38,4 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in diesem Bundesland, während die Grünen, die vor fünf Jahren noch nicht angetreten waren, auf Anhieb 6,7 Prozent erhielten. In Salzburg legte die SPÖ sogar um 13 Prozent, auf 45,4 Prozent zu und wird dort in Zukunft die Landesregierung stellen.

Die Entscheidung der SPÖ, in Kärnten eine gemeinsame Regierung mit Haider zu bilden, ist ein Schlag ins Gesicht vieler Wähler und stößt auch in der Parteimitgliedschaft auf heftigen Widerstand. Es gebe unzählige Anrufe von enttäuschten und verärgerten SPÖ-Wählern, berichtet die Wiener Tageszeitung Der Standard. Der Zorn der SP-Basis sei sehr groß. In den "SPÖ-Bezirksstellen laufen die Telefone heiß. Und überall der selbe Tenor: ‚Wir haben Ambrozy (SPÖ-Spitzenkandidat und Landeschef) gewählt, um Haider zu verhindern. Wir sind getäuscht worden'".

Die unteren Parteifunktionäre können die aufgebrachten Mitglieder oft kaum beruhigen, weil auch sie von dem "Pakt mit dem Teufel" erst aus den Medien erfahren haben. Sowohl die SPÖ-Frauen-, Jugend-, und Studentenorganisationen, als auch der "Bund sozialistischer Akademiker" der sich im Wahlkampf stark für die SPÖ und gegen Haider engagiert hatte, protestierten heftig. Die Koalitionsentscheidung war im engsten Kreis der Parteiführung, völlig über die Köpfe der Mitgliedschaft hinweg getroffen worden.

Rechtsruck

Der SPÖ-Landesvorsitzende Peter Ambrozy versuchte anschließend abzuwiegeln und zu beruhigen. Es handele sich um eine Entscheidung, die auf das Bundesland Kärnten beschränkt sei und keinerlei bundespolitische Auswirkungen habe, betonte er in mehreren Interviews. Doch das ist reine Augenwischerei. Die Entscheidung der SPÖ, in eine Regierung mit der rechtsradikalen FPÖ einzutreten, bedeutet natürlich auch eine bundespolitische Aufwertung Jörg Haiders. Diese Entscheidung wurde nicht in der Landeshauptstadt Klagenfurt, sondern in Wien getroffen und leitet einen weiteren drastischen Rechtruck der österreichischen Sozialdemokraten ein.

Allen Dementis zum Trotz schließt die Koalitionsbereitschaft in Kärnten die Bereitschaft zur Regierungszusammenarbeit auf Bundesebene mit ein. Dies zeigt sich auch noch an anderer Stelle. Bei den Wahlen in Salzburg vertrat die SPÖ-Spitzenkandidatin Gabriele Burgstaller ein Programm, das sich nur geringfügig von dem der Freiheitlichen unterschied und in ähnlich demagogischer Weise "verkrustete Strukturen eines veralteten Sozialstaats" anprangerte und mehr Privatisierungen forderte.

Burgstaller befindet sich am rechten Rand ihrer Partei. Die Tochter einer Bauernfamilie aus Oberösterreich durchlief nicht wie die meisten Spitzenpolitiker der SPÖ den langen Weg durch Partei und Gewerkschaft. Sie gelangte 1994 als Quereinsteigerin in die Politik und wurde von einigen Gewerkschaftsfunktionären protegiert. Vor zwei Jahren machte sie von sich reden, als sie sich für eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene einsetzte und vor allem eine Zusammenarbeit mit dem mittlerweile parteilosen Finanzminister Karl-Heinz Grasser als erstrebenswert bezeichnete.

Auch der SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer, der sich bisher eher für eine Verbindung mit den Grünen einsetzte, schloss eine Koalition mit Haider in Wien nicht mehr aus. Als Demokrat dürfe man andere zugelassene Parteien nicht automatisch von der Regierungsbeteiligung ausgrenzen, erklärte er. Schon im vergangenen Herbst hatte Gusenbauer Aufsehen erregt, als er nach den heftigen Wahlniederlagen der FPÖ demonstrativ Jörg Haider zu einem Spargelessen einlud.

Die Bereitschaft der Sozialdemokraten zum Zusammengehen mit Haider steht auch im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen und politischen Umbruch, den die bevorstehende EU-Osterweiterung hervorruft. Vier der 10 EU-Beitrittskandidaten die am ersten Mai aufgenommen werden, grenzen an Österreich - Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Slowenien. Die stärkere Durchlässigkeit der Grenzen zu diesen Ländern führt dazu, dass das österreichischen Sozialgefüge stark erschüttert wird. Schon jetzt nutzen viele Unternehmen die Billiglöhne aus den osteuropäischen Nachbarländern als Hebel, um Löhne und soziale Standards drastisch zu drücken. Die Durchschnittslöhne in den grenznahen Ländern liegen weit unter dem österreichischen Lohnniveau.

Kleinere Unternehmen, Handwerksbetriebe, Landwirte und Selbstständige der unterschiedlichsten Art befürchten einen ruinösen Wettbewerb durch Billigprodukte und eine Gefährdung ihrer sozialen Existenz.

Ein Regierungsbündnis aus SPÖ und FPÖ würde auf der einen Seite die wachsende Existenzangst in Fremdenfeindlichkeit und nationalistische Stimmungen ummünzen, während die Sozialdemokraten mit Hilfe der Gewerkschaften die Arbeiter unter Kontrolle halten.

Hier zeigt sich die europäische Dimension der Kärntner Entscheidung. Vor vier Jahren, als Haiders FPÖ erstmals an der Wiener Regierung beteiligt wurde, organisierten die Sozialdemokraten, die damals noch in mehreren europäischen Hauptstädten an der Macht waren, einen politischen Boykott der Rechtspartei. Der war zwar damals schon inkonsequent und heuchlerisch. Doch heute schmieden die Sozialdemokraten selbst ein Bündnis mit der Rechtspartei. Deutlicher könnte man den Rechtsruck der offiziellen Politik in Europa kaum zu Ausdruck bringen.

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