Verlagerung von US-Truppenstandorten: Bush und Kerry rasseln mit dem Säbel

Nachdem US-Präsident George W. Bush vergangene Woche die Verlagerung von US-Truppenstandorten in Europa und Asien angekündigt hat, ist es zu heftigen Auseinandersetzungen mit seinem demokratischen Herausforderer John Kerry gekommen. Doch diese zeigen nur, dass beide Parteien entschlossen sind, die Eskalation des amerikanischen Militarismus voranzutreiben.

Bush stellte seinen Plan in einer Rede vor einer Kriegsveteranen-Organisation, den Veterans of Foreign Wars (VFW), in Cincinnati, Ohio, vor. Er sieht vor, 60 bis 70.000 Soldaten hauptsächlich aus Standorten in Deutschland und Südkorea abzuziehen und in die USA zurück zu verlegen.

Bush sagte, das gegenwärtige System der Truppenstationierung im Ausland sei nicht mehr zeitgemäß, da es entwickelt worden sei, um der militärischen Macht der UdSSR entgegenzuwirken, die heute nicht mehr existiere. Er fügte hinzu, dass die amerikanischen Streitkräfte "beweglicher und tödlicher" geworden seien; heute seien sie "besser in der Lage, über große Entfernungen in kurzer Zeit überall auf der Welt zuzuschlagen".

Im Bemühen, sich an die Soldaten anzubiedern und ihre Stimmen zu gewinnen, behauptete er, die Rückverlegung von Truppen in die USA werde es den Soldaten und ihren Familien ermöglichen, "mehr Zeit miteinander zu verbringen".

Bush machte in seiner Rede klar, dass die Verlegungspläne nicht neu sind. Er sagte, der Plan sei Teil einer "umfassenden Neubewertung der globalen amerikanischen Truppenpräsenz", die 2001 in die Wege geleitet worden sei.

Gestützt auf diese Neubewertung war 2002 die "Nationalen Sicherheitsstrategie" entstanden, die Washingtons Absicht verkündete, seine Truppen nach Belieben gegen jedes Land einzusetzen, das es für eine Bedrohung amerikanischer Interessen hält. Diese Doktrin des "präemptiven Kriegs" fand ihren konkreten Ausdruck in der unprovozierten Invasion des Irak.

Grundlage dieser Politik ist die Auffassung, seine unangefochtene militärische Überlegenheit gebe Washington freie Hand, die globale Hegemonie des amerikanischen Kapitalismus mit gewaltsamen Mitteln zu verteidigen. Nachdem die Auflösung der Sowjetunion der bisherigen Strategie der "Vorneverteidigung" zur Abwehr möglicher Bedrohungen den Boden entzogen hatte, erklärte Washington unverhüllt seine Absicht, die Kriege der Zukunft selbst auszulösen.

Die geplante Reduzierung der Truppen in Westeuropa, Südkorea und an anderen langjährigen überseeischen Standorten ist Bestandteil eines Plans, US-Militärstützpunkte in völlig neuen Weltregionen zu etablieren, besonders in Zentralasien. Mit dem Überfall auf Afghanistan ebneten die USA den Weg für die Errichtung einer ganzen Reihe neuer Basen in den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die enge Allianz Washingtons mit dem Polizeistaatsregime in Usbekistan.

Auch im Mittleren Osten sowie in Nordafrika sind neue Basen entstanden. Und im Irak wollen die USA eine permanente Militärpräsenz aufrecht erhalten.

Zusammengenommen belegen diese neuen Stützpunkte die Absicht des amerikanischen Imperialismus, die riesigen Öl- und Gasreserven des persischen Golfs und des Kaukasus sowie die Schifffahrtsrouten und Pipelines zu kontrollieren, mittels derer diese strategischen Rohstoffe auf die Weltmärkte gelangen.

Weitere Stützpunkte werden in den Ländern des - in den Worten von Verteidigungsminister Rumsfeld -"neuen Europa" errichtet, in den ehemaligen Ostblockländern, die anders als Amerikas traditionelle NATO-Verbündete die Besetzung des Irak unterstützt haben.

Insgesamt verfügen die USA nun über mehr als 700 ausländische Militärbasen in 130 Ländern.

Vertreter des Pentagon verteidigen den Umstrukturierungsplan mit dem Argument, er diene der Stärkung und nicht der Schwächung der militärischen Möglichkeiten der USA. Sie betonen besonders, dass die Verringerung der Truppenstärke in Südkorea um 12.500 auf 24.500 der kriegerischen Haltung Nordkorea gegenüber keinen Abbruch tun werde. Vertreter des Verteidigungsministeriums versicherten, die "Kriegsführungskapazitäten" der USA auf der koreanischen Halbinsel seien stärker denn je. Als Beleg führten sie die erhöhte Verfügbarkeit von präzisionsgesteuerten "Smart Bombs" und von Marinekräften an.

Der Abzug von Truppen aus Südkorea ist ohnehin keine neue Entscheidung. Er wurde schon im Juni angekündigt, als 3.600 der dort stationierten US-Soldaten zum Kampfeinsatz in den Irak befohlen wurden.

Zwei Tage nach Bushs Rede trat der demokratische Kandidat Kerry vor dem gleichen Publikum auf und griff die Position des republikanischen Präsidenten weitgehend von rechts an.

"Der vage angedeutete Plan des Präsidenten stärkt unseren Kampf gegen den Terror nicht", erklärte Kerry. "Er bedeutet keinerlei Erleichterung für unser überbeanspruchtes Militärpersonal. Und dieser übereilt bekannt gegebene Plan wirft mehr Fragen über unsere Absichten und Verpflichtungen auf, als er politische Antworten gibt."

Kerry richtete seine Kritik vor allem auf die geplante Truppenreduzierung in Korea und fragte: "Warum ziehen wir genau in dem Moment einseitig 12.000 Soldaten von der koreanischen Halbinsel ab, in dem wir mit Nordkorea verhandeln - einem Land, das tatsächlich Atomwaffen hat?... Das ist wahrlich ein falsches Signal zur falschen Zeit."

Vermutlich möchte Kerry ein kriegerisches Signal senden und den Konflikt mit dem Regime in Pjöngjang eskalieren, den die Bush-Regierung wegen der katastrophalen Entwicklung im Irak auf Sparflamme setzen musste.

Kerry nutzte die Rede, um seine eigenen Vorschläge für einen verschärften Militarismus der USA im Ausland zu propagieren. Seine "Pläne, das amerikanische Militär in die Lage zu versetzen, die Kriege von morgen zu führen," beinhalten, wie Kerry seinem VFW-Publikum mitteilte, eine Vergrößerung der Truppenstärke um 40.000 Mann und eine Verdoppelung der Special Forces der Armee.

Was Kerry in seiner Rede nicht sagte, war mindestens so bezeichnend wie das Gesagte. Der demokratische Kandidat verschwieg das Offensichtliche: Der Rückzug von bis zu 70.000 Soldaten aus Europa und Ostasien in den nächsten zehn Jahren wird nichts dazu beitragen, den US-Krieg im Irak zu beenden und die 136.000 amerikanischen Soldaten nach Hause zu bringen, die dort töten und sterben. Vielmehr soll er diesen Krieg, wie auch zukünftige militärische Aggressionen der USA, erleichtern.

Der Grund für das Verschweigen ist ebenso offensichtlich: Kerry unterstützt die Fortsetzung dieses Kriegs.

Die Differenzen des demokratischen Kandidaten mit dem Plan der Bush-Regierung sind rein taktischer Natur. Seine Berater und Wahlhelfer haben klar zum Ausdruck gebracht, dass sie vor allem befürchten, der Truppenabzug könnte die Kluft zwischen Washington und seinen traditionellen Verbündeten Deutschland und Frankreich weiter vertiefen. Man bezweifelt, dass die Schließung alter Militärstützpunkte und die Eröffnung neuer wirklich ein kostengünstiges Mittel zur Förderung amerikanischer Militärmacht sei.

Was die allgemeinen Richtung der US-Politik - die Verwirklichung imperialistischer und neo-kolonialistischer Ziele mit militärischer Gewalt - angeht, so gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Wie die republikanische Regierung, beschwören auch Kerry und sein Lager ständig den globalen, endlosen "Krieg gegen den Terror", um Washingtons kriminelle Methoden und räuberische Absichten zu rechtfertigen.

Die Entscheidung, Zehntausende amerikanische Soldaten zurück in die USA zu bringen, hat noch eine andere - beunruhigende - Seite. Während sich die Wirtschaftskrise ständig verschärft und die Kluft zwischen der Finanzoligarchie und der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung immer tiefer wird, stellt sich die Frage: Werden diese Kräfte etwa auf amerikanischem Boden stationiert, um potentielle Unruhen im Inland zu unterdrücken?

Es gibt für den amerikanischen Kapitalismus keinen gangbaren Ausweg aus der sozialen und politischen Krise. Unabhängig davon, ob Bush oder Kerry die Wahl im November gewinnt, wird der politische Kurs fortgesetzt, der den Einsatz von Gewalt im Ausland mit verschärfter Repression im Innern verbindet. Allein schon die wirtschaftliche Last des US-Militarismus ist unerträglich, und beide Kandidaten sind entschlossen, die jetzigen Militärausgaben von 500 Mrd. Dollar pro Jahr noch zu erhöhen. Wenn sich die sozialen Spannungen weiter verschärfen, werden demokratische Regierungsformen sich als unhaltbar erweisen.

In Washington wurde bereits die Warnung laut - etwa durch den früheren Nahost-Kommandanten General Tommy Franks -, dass ein weiterer Terrorangriff in den Vereinigten Staaten die Absage der Präsidentschaftswahlen und die Verhängung des Kriegsrechts nach sich ziehen könnte.

Die Auseinandersetzung über den Plan zur Truppenverlagerung hat einmal mehr die Lüge entlarvt, dass eine Stimme für Kerry eine Stimme gegen Krieg und Unterdrückung sei. Eine Stimme für den demokratischen Kandidaten schwächt den US-Militarismus nicht, sondern unterstützt ihn.

Die Socialist Equality Party kandidiert in den Wahlen 2004 auf der Grundlage eines Programms, das den sofortigen und bedingungslosen Rückzug aller US-Truppen aus dem Irak, dem gesamten Nahen Osten und Zentralasien fordert. Unsere Partei befürwortet die Auflösung der Kriegsmaschinerie des Pentagon und die Schließung aller US-Militärstützpunkte weltweit. Die enormen Ressourcen, die für amerikanische Massenvernichtungswaffen verpulvert werden, müssen produktiv eingesetzt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen, für öffentliche Dienstleistungen und generell zur Verbesserung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung eingesetzt werden.

Washingtons imperialistische Außenpolitik muss durch eine Politik der friedlichen und brüderlichen Zusammenarbeit der Arbeiter in der ganzen Welt ersetzt werden.

Jeder, der diese Ziele unterstützt, sollte an unserer Kampagne teilnehmen und dafür kämpfen, dieses Programm so weit wie möglich bekannt zu machen. Weist die feige Politik all derer zurück, die Kerry als Alternative zur Bush-Regierung hinstellen wollen und dabei das rechte Wahlprogramm der Demokraten verschweigen.

Wir wollen die kommenden Wahlen nutzen, um den Kampf für eine neue politische Bewegung zu eröffnen, die sich auf die breite Mehrheit der arbeitenden Menschen stützt und sie mit einem sozialistischen und internationalistischen Programm ausrüstet. Nur eine solche, vom Zwei-Parteien-System unabhängige Bewegung, die für die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft kämpft, kann dem Krieg ein Ende setzen und die Gefahr der Diktatur bannen.

Siehe auch:
Der Ausbruch des Militarismus und die Krise des amerikanischen Kapitalismus
(21. August 2003)
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