"Live 8" - ein politischer Betrug zugunsten des Imperialismus

Der folgende Text wurde als Flugblatt von Unterstützern der Socialist Equality Party (GB) bei der Edinburgher Kundgebung "Lasst die Armut Geschichte werden" verteilt, die vor dem Live 8 Konzert in der Stadt stattfand.

Live 8 veranstaltete Konzerte in London, Edinburgh, Paris, Berlin, Rom, Philadelphia, Barrie (Kanada), Tokio, Johannesburg und Moskau als Bestandteil einer Reihe von Veranstaltungen, die dem G8-Gipfel der führenden Industrienationen am 6-8. Juli im schottischen Gleneagles vorgeschaltet waren. Live 8 sprach vor allem die Armut in Afrika an.

Die Live 8-Veranstaltungen, die im Zentrum der Kampagne "Lasst die Armut Geschichte werden" stehen, sind ein politischer Betrug an all jenen, die aufrichtig die schreckliche Situation der Armen in Afrika überwinden wollen. Die Organisatoren und Sprecher versuchen nicht nur, dem britischen Premierminister Tony Blair und dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush ein humanitäres Gesicht zu verleihen, sondern auch die Pläne der imperialistischen Mächte für Afrika zu rechtfertigen.

Live 8 kommt einer Millionen Dollar schweren Propagandakampagne zugunsten von Blair und Bush gleich, zu einem Zeitpunkt, da beide darum bemüht sind, mit der Besetzung des Irak, die sich als politisches Desaster herausstellt, nicht zu eng in Verbindung gebracht zu werden. Sämtliche Führer der Großmächte werden glücklich darüber sein, dass an die Stelle der feindseligen Proteste anlässlich früherer G8-Gipfeltreffen ein derartig unterwürfiges Betteln getreten ist.

Einige, die den Appell an die angebliche Großmut der Führer der Großmächte unterstützen, die vom 6.-8. Juli in Edinburgh zusammentreffen, argumentieren, dass der Irak zwar ein Beispiel dafür war, wie Macht und Reichtum für reaktionäre Ziele missbraucht werden, dass jedoch öffentlicher Druck dafür sorgen könne, die Führer der Welt für die Sache des Fortschritts zu gewinnen. Dies ist Schwindel. Die Pläne des Imperialismus bezüglich Afrikas stehen nicht im Gegensatz zu seiner Offensive im Nahen Osten, sondern bilden Teil ein- und derselben geopolitischen Strategie.

Blair und Bush haben sich zu Recht den Hass vieler Millionen für ihre Kriegstreiberei im Nahen Osten und ihre Angriffe auf soziale und demokratische Rechte im eigenen Land zugezogen. Doch Bob Geldof, U2 Frontmann Bono und die Koalition von Nicht-Regierungs-Organisationen wollen uns weismachen, sie könnten jetzt für die Sache der Armen und Unterdrückten gewonnen werden.

Sie versuchen, jedes Anzeichen wirklichen Protests bei den Live8-Veranstaltungen zu unterbinden. Ein Manager einer der Bands, die in London auftraten, sagte gegenüber der Zeitung Telegraph, dass Geldof die Künstler angewiesen habe, Bush nicht zu kritisieren. Die Konzerte wurden ja auch mit dem ausdrücklichen Ziel organisiert, für die Vorschläge der Afrika-Initiative (Comission for Africa), die Blair und Schatzmeister Gordon Brown unter Beteiligung Geldofs ausgearbeitet haben, öffentliche Unterstützung zu gewinnen. Aus demselben Grund wird Brown eine bevorzugte Rolle bei der Kundgebung in Edinburgh am 2. Juli eingeräumt.

Als Gegenleistung wurden Geldof und Bono eingeladen, am G8-Gipfel teilzunehmen. Nahezu jede Äußerung der beiden stellt Blair und Bush als mögliche Retter Afrikas dar, während sie zum Irakkrieg schweigen. Bono bezeichnete Blair und Brown als "John (Lennon) und Paul (McCartney) der Weltentwicklungspolitik" und meinte, wenn Bush "während seiner zweiten Amtszeit in seinem Engagement für Afrika ebenso kühn ist wie in seiner ersten, dann verdient er in der Tat einen Platz in der Geschichte, weil er das Schicksal dieses Kontinents zum Guten wendet".

Geldof rühmte die vor dem Gipfel gemachte Ankündigung eines Schuldenerlasses für einige afrikanische Länder südlich der Sahara, als "einen Sieg für Millionen" und behauptete: "Morgen werden 280 Millionen Afrikaner zum ersten Mal in ihrem Leben aufwachen, ohne einem von uns einen Cent zu schulden."

Was für ein Unsinn! Zunächst einmal schulden Afrikas Arme "einem von uns" gar nichts. Ihre Schulden haben sie gegenüber großen Unternehmen, Finanzinstituten, imperialistischen Regierungen und multilateralen Organisationen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond. Keine dieser Mächte erwägt Maßnahmen, die das Joch Afrikas ernsthaft mildern würden, weil sie auch in Zukunft den Kontinent ausbeuten wollen. Die Vereinbarung der G8-Staaten vom 11. Juni bezieht sich nur auf 18 Länder, die außerdem die marktorientierten Kriterien erfüllen müssen, die von der Initiative für hoch verschuldete arme Länder (HIPC - Highly Indebted Poor Countries Initiative) festgelegt wurden, und höchstens 1,5 Milliarden Dollar Rückzahlung jährlich betreffen, vielleicht sogar nur halb so viel. Die Maßnahme dient vor allem dazu, Kritik an den führenden Nationen wegen mangelnder Erfüllung anderer Hilfszusagen abzublocken.

Alle Zugeständnisse müssen durch entsprechende Kürzungen der Hilfeleistungen an die armen Länder ausgeglichen werden, so dass diese in Wirklichkeit nichts zusätzlich bekommen. Um Erleichterung zu erhalten, müssen sie weiterhin "die Entwicklung des privaten Sektors fördern" und alle "Hemmnisse für private Investitionen, im eigenen und anderen Ländern" beseitigen.

Verglichen mit dem genannten Schuldenerlass von 40 Mrd. Dollar über einen Zeitraum von 10 Jahren, haben die Länder südlich der Sahara allein 230 Mrd. Dollar Auslandsschulden, und die so genannten "Entwicklungs"-Länder schulden insgesamt 2,4 Billionen Dollar. Für jeden Dollar offizieller Hilfe an Afrika werden 3 Dollar von den westlichen Banken, Institutionen und Regierungen einkassiert. Und noch viel mehr wird von den transnationalen Unternehmen, die in diesen Ländern operieren, geplündert.

Die politischen Führer in Washington, London, Berlin, Paris, Rom, Ottawa, Tokio und Moskau können genauso wenig überzeugt werden, gegenüber Afrika altruistisch zu handeln, wie sie aus ihrer eigenen Haut schlüpfen können. Sie sind die Vertreter von Finanzeliten, deren Interessen unvereinbar sind mit jenen der arbeitenden Bevölkerung überall auf der Welt.

Das hohe Niveau der Verschuldung, unter dem die ärmsten Länder der Welt leiden, hat die gleiche Ursache wie ihre ökonomische Rückständigkeit. Die Länder in Europa, Amerika und Japan, in denen der Kapitalismus zuerst die Bühne betrat, konnten ihre ökonomische und militärische Macht nutzen, um die Märkte und Ressourcen der ganzen Welt auszubeuten. Diese imperialistischen Mächte betrachten Afrika immer noch als Quelle wertvoller Rohstoffe und Märkte für Fertigprodukte. Sie können nicht die Entwicklung einer einheimischen Konkurrenz in diesen Regionen dulden, noch echte Demokratie für die unterdrückten Massen.

Die herrschenden Eliten in den ökonomisch rückständigen Ländern erhalten ihre privilegierte Stellung durch ihre Beziehungen mit den Großmächten und den multinationalen Unternehmen. Im Gegenzug wird von ihnen erwartet, dass sie die Diktate der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds gegen die Arbeiterklasse und die Bauernschaft durchsetzen, um sicherzustellen, dass Öl, Bodenschätze, landwirtschaftliche Produkte und weitere Rohstoffe die fortgeschrittenen Länder oder Produktionsstätten der transnationalen Unternehmen erreichen.

Die Formen, in denen der Imperialismus seine Herrschaft über die unterentwickelten Länder ausübt, haben einige Änderungen erfahren - die grundlegende wirtschaftliche und soziale Beziehung zwischen Unterdrücker- und unterdrückter Nation bleibt die gleiche.

Im neunzehnten Jahrhundert, im Zuge der Aufteilung der Welt zwischen den rivalisierenden imperialistischen Staaten, erfolgte die Unterjochung und Ausbeutung Afrikas durch Kolonialismus und Besetzung. Als mit den antikolonialen Massenbewegungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, und mit dem Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion der "Wind des Wandels" Afrika erfasste, waren die Großmächte gezwungen, von direkten kolonialen Herrschaftsformen abzugehen

Doch die unter der Führung der nationalen Bourgeoisie errichteten Regimes blieben den Großmächten sowohl ökonomisch wie politisch unterworfen. Sie waren nicht nur auf den Zugang zum Weltmarkt für den Absatz ihrer Waren angewiesen, wodurch ihre nationalistische Politik der Import-Substitution wirkungslos verpuffte, sondern standen auch jeder Entwicklung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die ihrer Herrschaft gefährlich werden konnte, feindlich gegenüber.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat zu einer Wiederbelebung des Neokolonialismus geführt. An der Spitze dieser Neuausrichtung steht die Bush-Regierung, die bestrebt ist, die unangefochtene Herrschaft der USA durch Gewaltanwendung durchzusetzen, wie dies beispielhaft durch die blutige Unterwerfung des Irak deutlich wird.

Jetzt sind wir Zeuge eines erneuten Kampfs um Afrika. Als Bestandteil eines globalen Kampfes um die Vorherrschaft zwischen den Großmächten geht es um die Kontrolle von lebenswichtigen Bodenschätzen, Ölreserven und andere Rohstoffe und Märkte. Deshalb ist jede Hilfsmaßnahme und jeder Schuldenerlass an Forderungen gebunden, den global operierenden Unternehmen freien Zugang zu den heimischen Märkten zu gewähren.

Wie im Irak auch, spielt der Zugang zum Öl eine herausragende Rolle für Bush, Blair & Co. Afrika besitzt 7,2 Prozent der nachgewiesenen weltweiten Ölvorkommen, einen höheren Anteil, als die USA oder die ehemalige Sowjetunion.

Im Jahr 2000 lag die Rohölförderung der Länder südlich der Sahara bei täglich über vier Mio. Barrel. 16 Prozent der Ölimporte der USA kommen aus dieser Region. Die Wichtigkeit des afrikanischen Öls für die strategischen Planungen Washingtons war Thema eines Seminars im Januar 2002 unter dem Titel: "Afrikanisches Öl - eine Priorität für die nationale Sicherheit der USA und die Entwicklung Afrikas".

Im viktorianischen Zeitalter gab es genügend angeblich aufgeklärte Leute, die den Kolonialismus mit der "Last des weißen Mannes" bei der Zivilisierung des "dunklen Kontinents" rechtfertigten. Ihre Nachfolger von heute sind die Liberalen und Prominenten, die lächerliche Hilfsleistungen unter dem "Vorbehalt" der Marktorientierung überschwänglich loben und die Forderung nach einer prowestlichen Politik der betreffenden Regierungen im Namen von "Transparenz" und "Demokratie" unterstützen.

Die wirklichen Verbündeten der Arbeiter und Bauern Afrikas wird man nicht in der luxuriösen Umgebung des G8-Gipfels in Gleneagles finden können, sondern in der Arbeiterklasse Englands, Europas, Asiens und des amerikanischen Kontinents. Hoffnung für die Zukunft Afrikas und aller unterdrückten Völker der Welt kann nicht aus Hilfsmaßnahmen oder gar vergeblichen Aufrufen zu "fairem Handel" kommen. Sie hängt am Aufbau einer antiimperialistischen, internationalistischen und sozialistischen Bewegung, deren Ziel es ist, das Profitsystem, die Quelle der Klassenherrschaft und des Mangels, durch eine geplante Produktion zur Befriedigung der Bedürfnisse aller zu ersetzen. Für diese Alternative kämpfen die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site.

Siehe auch:
Bushs Afrikareise und die Absichten des US-Imperialismus
(18. Juli 2003)
Afrika im Visier der deutschen Außenpolitik
( 31. Januar 2004)
Loading