Bush-Administration bekräftigt die Strategie des "Präventivkriegs"

Die nationale Sicherheitsstrategie, die das Weiße Haus am Donnerstag veröffentlichte, bekräftigt das Vorrecht der USA, potenzielle Angriffe vermeintlicher Gegner durch "präventive" Maßnahmen abzuwehren.

Im September 2002 erfand die Regierung Bush die Doktrin des "Präventivkriegs" als Rechtfertigung für den bevorstehenden Einmarsch in den Irak, ein Land, von dem keine reale oder absehbare, geschweige denn unmittelbare Gefahr für die USA ausging. Außerhalb der USA wurde diese Doktrin weithin verurteilt, weil es für sie keine völkerrechtliche Grundlage gab.

Mit der jüngsten Veröffentlichung einer Neuauflage der nationalen Sicherheitsstrategie hat die Bush-Regierung deutlich gemacht, dass sie nicht von der Doktrin des Präventivkriegs abweicht. Die USA behalten sich das Recht vor, zu jedem beliebigen Zeitpunkt jedes beliebige Land anzugreifen, von dem ihrer Ansicht nach eine Bedrohung oder auch nur potenzielle Bedrohung ausgeht, selbst wenn das betreffende Land keine offenen Feindseligkeiten ergriffen hat.

Unter Berufung auf "traditionelle Grundsätze der Selbstverteidigung" erklärt die Regierung Bush, die USA schlössen "den Einsatz vorbeugender Gewalt nicht aus, selbst wenn Zeit und Ort des gegnerischen Angriffs nicht feststehen".

In dem Papier heißt es: "Um Feindseligkeiten ihrer Gegner zuvorzukommen oder diese zu verhindern, werden die USA bei Bedarf gemäß ihrem ureigensten Recht auf Selbstverteidigung präventive Maßnahmen ergreifen".

Über den grundlegenden rechtlichen Widerspruch in dieser Doktrin geht die Regierung Bush hinweg: Wie können die USA einen Militärschlag gegen ein anderes Land mit ihrem Selbstverteidigungsrecht begründen, wenn dieses Land sich nicht offen feindlich verhalten hat und nicht einmal eindeutig erwiesen ist, dass ein Angriff auf die USA unmittelbar bevorsteht oder zumindest tatsächlich geplant wird.

Wie üblich malt das Weiße Haus das Gespenst von Massenvernichtungswaffen an die Wand, um einen Präventivkrieg zu rechtfertigen. "Angesichts des Vernichtungspotenzials, das ein Angriff mit Massenvernichtungswaffen birgt, können wir der Entstehung einer derart schwerwiegenden Gefahr nicht tatenlos zusehen. Darin bestehen der Grundsatz und die Logik des Präventivschlags. Die Stellung der Prävention in unserer nationalen Sicherheitsstrategie bleibt unangetastet bestehen."

Vor vier Jahren diente diese Doktrin dem Angriff auf den Irak. Heute ist der Iran das wahrscheinlichste Opfer eines Präventivschlags, er wird in dem Strategiepapier als die größte Herausforderung an die USA bezeichnet.

Die Bush-Administration wiederholt ihre Behauptung, dass der Iran insgeheim Atomwaffen entwickle, fährt allerdings fort, "die USA hegen bezüglich des Iran weiter gehende Befürchtungen", die über "die Nuklearproblematik hinausgehen". Anschließend wird die sattsam bekannte Litanei wiederholt: "Das iranische Regime unterstützt den Terrorismus, bedroht Israel, stemmt sich dem Frieden im Nahen Osten entgegen, unterhöhlt die Demokratie im Irak und unterdrückt das Freiheitsstreben des eigenen Volkes". Weiter heißt es: "Die Nuklearfrage und unsere übrigen Befürchtungen können nur dann abschließend beigelegt werden, wenn das iranische Regime die strategische Entscheidung trifft, seine Politik zu ändern, sein politisches System zu öffnen und seiner Bevölkerung die Freiheit zu gewähren. Hierin besteht letztlich das politische Ziel der USA."

Mit anderen Worten, die so genannte nukleare Bedrohung seitens des Iran ist ein bloßer Vorwand. In Wirklichkeit geht es darum, dass die gegenwärtige Regierung des Iran den globalen strategischen Zielen Amerikas im Wege steht. Das Ziel der Bush-Administration ist nicht die Abkehr von der atomaren Bewaffnung, sondern ein "Regimewechsel" in Teheran, der den Zustand aus der Zeit vor der iranischen Revolution wiederherstellen würde: eine Marionettenregierung, die den Iran auf den Status jenes Söldnerstaates der USA zurückführt, der er vor dem Sturz von Schah Reza Pahlewi war.

Hinter der blumigen Rhetorik über Freiheit und Demokratie lässt das Strategiepapier keinen Zweifel daran, dass das strategische Ziel der USA Hegemonie und eine Vormachtstellung sind. Die Regierung Bush setzt als selbstverständlich voraus, dass die Welt nach den Wünschen der USA neu geordnet werden muss. Alle anderen Ländern und Regionen haben sich danach zu richten.

Die Bevölkerung Lateinamerikas wird drohend aufgefordert, dem "trügerischen marktfeindlichen Populismus" zu widerstehen, mit dem der venezolanische Präsident Hugo Chavez identifiziert wird. Russland wird vor dem Versuch gewarnt, seine "geografische Lage und Stärke" einzusetzen, um den Einfluss Amerikas in Regionen zurückzudrängen, "die für uns von vitaler Bedeutung sind: der Nahe und Mittlere Osten, Süd- und Zentralasien sowie Ostasien". In einem anderen Absatz wird verkündet, dass "Afrika von zunehmender geostrategischer Bedeutung ist und für die jetzige Regierung hohe Priorität genießt". Und schließlich erklärt das Weiße Haus, die "Führung Chinas" müsse begreifen, dass sie nicht an "alten Denkweisen" festhalten könne, wenn sie eine Konfrontation mit den USA vermeiden wolle.

Die Errichtung der amerikanischen Hegemonie wird mit dem vollkommenen Siegeszug der kapitalistischen Marktwirtschaft gleichgesetzt, letztere sei "das effektivste Wirtschaftssystem und das beste Mittel gegen Armut". Und dies angesichts der Tatsache, dass die Massenarmut, die direkt auf die Unterordnung der Weltbevölkerung unter die Profitgesetze des kapitalistischen Marktes zurückzuführen ist, als globales Massenphänomen nie gekannte Ausmaße erreicht hat.

Mehr als ein Hauch von Wahnsinn durchzieht das Papier des Weißen Hauses. Diese Ansammlung von Lügen und Fehlschlüssen steht im Dienste einer Weltsicht, die ebenso paranoid wie reaktionär ist.

In der Einleitung des Strategiepapiers verkündet Präsident Bush: "Amerika befindet sich im Krieg." Dabei versäumt er zu erwähnen, dass dieser von ihm geführte Krieg niemals erklärt wurde und dass die Resolution des amerikanischen Kongresses, auf die sich seine Regierung zur Rechtfertigung des Krieges beruft, auf Fälschungen und Täuschungen beruht.

Die in dem Papier verkündete Strategie, so Bush weiter, "entspricht unserer heiligsten Pflicht: die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu schützen".

Rechtlich gesehen ist dies falsch. Die Aufgabe des Präsidenten besteht laut seinem Amtseid darin, "die Verfassung der Vereinigten Staaten zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen". Das ist kein Ausrutscher. Jeder beliebige militärische oder faschistische Diktator würde der Aussage zustimmen, dass seine "heiligste Pflicht" darin bestehe, die "Sicherheit" der Bevölkerung zu schützen - vorzugsweise ohne störende rechtliche Schranken.

Siehe auch:
Bush-Regierung verlangt Geld für Regimewechsel im Iran
(25. Februar 2006)
Pentagon legt Strategie für globale militärische Aggression vor
( 16. Febuar 2006)
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