Erneut protestieren Tausende gegen den israelischen Bombenkrieg im Libanon

Auch am vergangenen Samstag fanden wieder mehrere Demonstrationen und Kundgebungen gegen die israelische Aggression und die Kriegsverbrechen im Libanon und in den Palästinensergebieten statt. In mehreren deutschen Städten, darunter Berlin, Köln, Düsseldorf und Frankfurt gingen Tausende Menschen auf die Straße. Der 12. August war zum internationalen Protesttag erklärt worden, an dem in den USA, Australien, Großbritannien und Lateinamerika demonstriert wurde.

An der größten deutschen Demonstration in Berlin beteiligten sich ungefähr 6.000 Menschen an einem Marsch durch das Stadtzentrum und einer Kundgebung am Potsdamer Platz. Viele Jugendliche und ganze Familien nahmen teil und verurteilten in Slogans, Transparenten und Plakaten den brutalen Bombenkrieg und die Tötung libanesischer und palästinensischer Zivilisten.

Vor der Demonstration hatte der Berliner Innensenator Ehrhart Körting eine Weisung herausgegeben, es dürfe während der Aktion zu keiner Sympathiekundgebung für die Hisbollah kommen. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und Unterdrückung einer Organisation, die in Deutschland nicht verboten ist. Die Weisung entspricht jedoch der Unterstützung für den israelisch-amerikanischen Krieg, die vom ganzen politischen Establishment geteilt wird.

Körting wollte offenbar jede Kritik an Israel im Keim ersticken. So war die Demonstration vom Samstag mit einem allgegenwärtigen Polizeiaufgebot konfrontiert. Als sich die Teilnehmer vor Beginn am Roten Rathaus versammelten, griffen Dutzende Polizisten ein und nahmen einige Männer fest, die es gewagt hatten, eine Hisbollah-Fahne sehen zu lassen.

Wie schon bei früheren Antikriegsaktionen der letzten Wochen fiel die Kundgebung vom 12. August durch das völlige Fehlen der offiziellen linken Parteien und Gewerkschaften auf, obwohl Oskar Lafontaine von der Linkspartei.PDS letzte Woche noch seine Bereitschaft geäußert hatte, am Samstag auf der Abschlusskundgebung als Sprecher aufzutreten.

Die Berliner Linkspartei.PDS hatte erklärt, sie werde die Antikriegdemonstration nicht unterstützen und ihre Mitglieder auch nicht zur Teilnahme auffordern. Lafontaine war offensichtlich nicht bereit, die von der Berliner PDS eingenommene Haltung offen zu kritisieren, und verzichtete darauf, am Samstag zu der Kundgebung zu sprechen. So nahm keine offizielle Linkspartei.PDS-Delegation daran teil.

Eine ähnliche Haltung wurde von Ver.di eingenommen. Während der Bezirksverband seine Bereitschaft erklärte, die Demonstration zu unterstützen, begründete der Verdi-Bundesvorstand seine Ablehnung mit dem Argument, der Demonstrationsaufruf bekenne sich nicht ausdrücklich zum Existenzrecht Israels. Deshalb waren an der Demonstration keine Gewerkschaftsfahnen zu sehen.

Mitglieder der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) verteilten einen Handzettel, in dem die Verletzung der Meinungsfreiheit durch den Berliner Innensenator verurteilt wurde.

Auf der Abschlusskundgebung sprach ein Mitglied der Linkspartei.PDS, Wolfgang Gehrcke, der jedoch mit keinem Wort auf die Weigerung seiner Partei einging, die Kundgebung zu unterstützen. Stattdessen sprach Gehrcke im Namen einer Delegation der "Europäischen Linken", die vor kurzem den Libanon besucht hatte.

Zwar enthielten mehrere Transparente Kritik an der deutschen Regierung wegen ihrer Unterstützung des amerikanisch-israelischen Kriegs und ihrer Mitverantwortung für den Verlust von Menschenleben im Libanon. Gehrcke dagegen äußerte sich nicht über die Unterstützung der Merkel-Regierung für den Krieg im Libanon selbst, sondern beschränkte seine Kritik auf ihre Waffenlieferungen an die israelische Regierung. Er kritisierte auch die jüngste UN-Resolution nicht, sondern appellierte stattdessen vage an ein Ende des Hasses und an "gutnachbarliche Beziehungen" in der Region.

WSWS -Reporter sprachen auf der Berliner Kundgebung mit mehreren Teilnehmern, darunter Ali Sleiman Machoun. Ali hat zwanzig Jahre lang in Schweden gelebt, ehe er vor fünf Jahren nach Deutschland gezogen ist.

"Mein Vater, meine Mutter, meine ganze Familie lebt in Beirut", sagte Ali. "Aber seit Wochen habe ich keine Nachrichten von ihnen, und ich bin in großer Sorge um sie. Ich habe anzurufen versucht, aber die Telefonverbindungen funktionieren nicht mehr. Der aktuelle Krieg ist barbarisch und muss beendet werden. Ich hasse das Blutbad und die Zerstörung so vieler Leben und besonders die Tötung der Kinder, die ich im Fernsehen sehe.

Als Kind lebte ich in Beirut. Meine Mutter schickte mich oft zu einem jüdischen Bäcker in der Nachbarschaft, um Brot zu holen. Damals lebten wir alle harmonisch miteinander, Muslime, Christen und Juden. Schau dir heute mal die Situation an: Jeder geht jedem an die Kehle. Und im Irak kämpfen die Sunniten gegen die Schiiten.

Hinter der israelischen Offensive steht Amerika. Ich gehöre einer Generation an, die einst großen Respekt vor Amerika hatte. Ich war ein Anhänger von John F. Kennedy, ich habe sogar geweint, als er starb. Aber die jetzige Regierung in Washington hat nichts mit der amerikanischen Vergangenheit zu tun. Es sind nur Kriegstreiber und Diebe.

Zuerst haben sie den Irak vergewaltigt, jetzt haben sie Israel grünes Licht für die Invasion im Libanon gegeben, und als nächstes planen sie, Syrien und den Iran anzugreifen. Ich weiß nicht, wie das alles enden wird, aber ich habe große Angst. Von dem amerikanischen und israelischen Expansionismus geht meiner Meinung die Gefahr eines weltweiten Flächenbrandes aus."

Demonstration in Frankfurt

An diesem Samstag gingen auch in Frankfurt am Main erneut etwa 500 Menschen gegen den israelischen Bombenkrieg im Libanon auf die Straße. Zur Demonstration und Kundgebung hatte die Palästinensische Gemeinde Hessen, die Gruppe Solidarität mit Libanon und verschiedene weitere Organisationen aufgerufen. Auch in Frankfurt gab es keine Beteiligung offizieller politischer Parteien oder der Gewerkschaften.

Wie schon zuvor weigerte sich die Presse, besonders die Frankfurter Rundschau, die Demonstration bekannt zu machen und darüber zu berichten. Auch die Hessenschau des Hessischen Rundfunks ging erneut mit keinem Wort auf die Antikriegsaktionen dieses Tages ein.

Die wichtigsten Forderungen waren: "Sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand", "Keine Waffenlieferungen in die Kriegsregion" und "Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten". Die größten Transparente wandten sich sowohl gegen den israelischen Krieg im Libanon, als auch gegen die ständige Aggression in Palästina. Weitere, zum Teil handgeschriebene Plakate hatten Aufschriften wie "War in Iraq, Afghanistan, Libanon - Not in our Name!", "Stop the new war of Bush and his puppets - it kills the people", "Schluss mit deutscher Unterstützung für Bushs ‚New War’!", "Israel zerstört den Libanon oder "Bush und Olmert = Kindermörder".

Arabische Kinder trugen Pappschilder mit Texten wie: "Haben wir kein Recht auf Leben?" Unter brutalen Bildern von getöteten und verwundeten Kleinkindern stand: "Frau Rice, ist das die ‚Selbstverteidigung’ Israels?" oder bloß: "No comment". Ein junger Mann trug ein Pappschild, dessen Aufschrift lautete: "Kritik an der Brutalität von Israels Armee hat mit Antisemitismus nichts zu tun".

Maurice Estephan, Sprecher der Palästinensergemeinde Hessen, erklärte, Israel habe den Angriff auf den Libanon von langer Hand und mit Unterstützung der Vereinigten Staaten vorbereitet. Der Krieg sei nicht wegen der zwei verschleppten israelischen Soldaten begonnen worden. "Israel verschleppt selbst seit über dreißig Jahren Palästinenser. Das jüngste Beispiel ist der Vorsitzende des palästinensischen Parlamentes. In den letzten acht Wochen hat Israel ein Drittel des palästinensischen Kabinetts und 34 demokratisch gewählte Bürgermeister und Abgeordnete, darunter auch Nicht-Hamas-Mitglieder, verschleppt und gefangengenommen."

Er erklärte, der wahre Grund für den Krieg habe mit der "Verwirklichung des Traums der Neuen Konservativen in den Vereinigten Staaten" zu tun; diese träumten von ihrer Hegemonie über die ölreiche Region: "Israel soll weiter den zuverlässigen Polizisten in der Region spielen, und Hisbollah und Hamas müssen ausgeschaltet werden. Das sind die wahren Ziele des Mordens im Libanon und in Palästina. Auf dieser Liste stehen auch Syrien und der Iran."

Nach ihm wurde ein Redetext vorgelesen, den Uri Avneri am 5. August in Tel Aviv gehalten hatte. Darauf sprach Matthias Jochheim, Vertreter der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs IPPNW. Er ging auf die Institutionen der sogenannten "Internationalen Gemeinschaft" - UN-Menschenrechtsrat, UNO-Vollversammlung, Weltsicherheitsrat - ein und zeigte ihre ganze Schizophrenie auf. Darauf zitierte er Kofi Annan, dass es "eine Schande" sei, dass der UNO-Sicherheitsrat nichts tun könne, um den Krieg im Libanon zu stoppen.

Jochheim fuhr fort: "An dieser Schande hat die deutsche Bundesregierung wesentlichen Anteil, indem sie den Kurs der Vereinigten Staaten unterstützt." Er ging auf die fortgesetzten Waffenlieferungen der Bundesregierung an Israel ein: "Damit verletzt sie ihre eigenen Richtlinien. Im Jahr 2000 wurde beschlossen: keine Waffenlieferungen an Länder, die Menschenrechte verletzen - aber genau das tut Israel. Weiter verbieten die deutschen Richtlinien alle Waffenlieferungen in Gebiete, wo Krieg oder Spannungszustand herrscht. Aber gerade das wird trotzdem getan."

Jochheim erklärte, dass Israel seit Jahrzehnten rechtsgültige Urteile der Vereinten Nationen missachtet, das Rückkehrrecht vertriebener Palästinenser verweigert und fortgesetzten Landraub in den besetzten Gebieten begeht. Dennoch wird es von der deutschen Bundesregierung aktiv unterstützt.

Jochheim nannte konkret zwei aktuelle Rüstungsprojekte: Erstens den Export von gepanzerten Mannschaftstransportmittel, d.h. Fahrzeugen zur Aufstandsbekämpfung, von denen bereits ein Probeexemplar an Israel ausgeliefert worden sei. Das zweite Beispiel betreffe U-Boote, die Cruise Missiles tragen könnten, d.h. die mit Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten. Drei solcher U-Boote seien schon an Israel geliefert worden, zwei weitere seien beschlossen. Die Finanzierung dieser U-Boote werde zu zwei Dritteln aus dem deutschen Bundesetat bezahlt, "- ein schändliches Geschäft", wie Jochheim sagte.

Siehe auch:
Der Libanonkonflikt und der Standpunkt der Arbeiterklasse
(12. August 2006)
"Europäische Linke" ruft nach europäischer Intervention im Libanon
( 12. August 2006)
Demonstranten fordern sofortige Beendigung von Israels Krieg gegen den Libanon
( 1. August 2006)
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