Die politischen Interessen hinter der jüngsten Terrorhysterie

Vor einer Woche verhafteten die Sicherheitsbehörden in Großbritannien vierundzwanzig britische Muslime und brüsteten sich, zusammen mit ihren US-amerikanischen Kollegen einen Terroranschlag vereitelt zu haben, bei dem angeblich transatlantische Flüge auf dem Weg von London nach Amerika in die Luft gesprengt werden sollten. Bis heute hat weder die britische noch die amerikanische Regierung aussagekräftige Beweise vorgelegt, um ihre entsetzlichen Behauptungen zu belegen.

Es liegen keine Einzelheiten über die angebliche Verschwörung und keine stichhaltigen Beweise vor, mit denen die Verhaftung so vieler Menschen oder auch die Durchsetzung derart einschneidender Sicherheitsvorkehrungen zu rechtfertigen wäre, die mehrere Flughäfen in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien lahm legten.

Mittlerweile wurden Linienflüge auf der Hälfte ihres Weges zur Umkehr gezwungen, und die Zeitungen sind voller wilder Vermutungen über neue Verschwörungen. Der jüngste Skandal ist die Festnahme von drei Amerikanern palästinensischer Herkunft, die im US-Bundesstaat Michigan ins Gefängnis geworfen wurden, nachdem sie bei Wal-Mart etwa achtzig Handys gekauft hatten. Die örtliche Polizei entdeckte bei einem von ihnen eine Digitalkamera mit einem Bild von der Mackinac-Brücke, die die beiden Halbinseln Michigans miteinander verbindet. Dies reichte aus, um ihnen zur Last zu legen, sie hätten sich verschworen, diese Brücke mit Hilfe von Mobiltelefonen in die Luft zu sprengen.

Dieses unwahrscheinliche "Komplott" brach am Montag in sich zusammen, als das FBI eine Erklärung herausgab, der zufolge keiner der drei Verbindungen zu einer terroristischen Vereinigung habe und der Kauf von Mobiltelefonen nicht strafbar sei. Die Mackinac-Brücke sei zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gewesen. Familienangehörige erklärten, die drei bestritten ihren Lebensunterhalt mit dem An- und Verkauf von Handys. Der Zwischenfall ist jedoch bezeichnend für die hysterische Stimmung, die von der Bush-Regierung geschürt wird. (Während dieser Artikel geschrieben wird, sitzen die drei Verdächtigten immer noch in Haft.)

Solange keine harten Fakten vorliegen, muss der ganzen Terrorverschwörung, die die britischen Behörden jüngst aufgedeckt haben wollen, mit größtem Misstrauen begegnet werden.

In der NBC-Sendung Today berichtete Lisa Myers am Montagmorgen aus London, dass britische Vertreter klagten, weniger Beweise als erhofft gegen die Verdächtigen in der Hand zu haben. Schuld daran sei die Bush-Regierung, die verlangt habe, den Zeitpunkt der Verhaftungen um eine Woche vorzuverlegen. Laut Myers wollten die Briten eigentlich so lange warten, bis die mutmaßlichen Verschwörer einen "Testlauf" ihres geplanten Anschlags gestartet hätten.

Wenn britische Vertreter im Privaten Besorgnis über den Mangel an Beweisen äußern, dann wirft das die ernste Frage auf, ob wirklich eindeutige und überzeugende Fakten vorliegen. Haben die Verhafteten wirklich etwas mit der angeblichen Verschwörung zu tun gehabt, und gab es überhaupt eine solche Verschwörung?

Myers Enthüllung untermauert andere Berichte, dass sich die britische Regierung der Behauptung amerikanischer Politiker widersetzt habe, der vorgebliche Anschlag stehe mit Al Qaida in Verbindung. Es liegt nunmehr eher der Schluss nahe, dass die britischen Behörden keineswegs ein ruchloses Komplott unmittelbar vor seiner Ausführung vereitelt haben. Vielmehr scheinen die Briten von Seiten Washingtons unter Druck geraten zu sein, sich an einer gewaltigen Provokation zu beteiligen, und wieder einmal klein beigegeben zu haben.

Der Mangel an Beweisen hat besonders in den USA die Mainstream-Medien nicht daran gehindert, die offizielle Darstellung kritiklos zu übernehmen. Verschiedene "Terrorspezialisten" schmücken sie mit Kommentaren über Al-Qaida-Verbindungen, inländische Terrorzellen und ähnliche Hypothesen aus, die alle das Ziel haben, ein Klima der Angst und Einschüchterung zu erzeugen.

Dennoch sind in der Flut von Zeitungsartikeln und den stundenlangen TV-Hintergrundsendungen immer auch kleine informative Hinweise zu finden, die weitere Zweifel am Wahrheitsgehalt der offiziellen Darstellung nähren. So schrieb die amerikanische Zeitung USA Today am Montag in einem Artikel mit der Überschrift "US-Ermittler im Wettlauf mit der Zeit" den folgenden Satz: "Auch gibt es keine direkten Beweise, dass einer der Verdächtigen Tickets für künftige Flüge gekauft hat, obwohl britische Behörden davon ausgehen, dass einige Verdächtige vermutlich Flugpläne studiert haben und dabei waren, sich auf bestimmte Flüge festzulegen."

Dabei erklärten britische und amerikanische Sprecher letzte Woche anlässlich der Festnahmen, ein Anschlag auf den Flugverkehr habe "unmittelbar bevorgestanden".

Ein Umstand macht die ganze Affäre noch verdächtiger: Am Montagabend berichtete NBC, britische Behörden hätten "neue Beweise" entdeckt, durch die den laufenden Ermittlungen eine neue Richtung geben würden. Was sind diese "neuen Beweise"? Und wie können sie wichtige Veränderungen bei den Ermittlungen bewirken, die doch angeblich einen unmittelbar drohenden Anschlag vereitelt haben? Diese Fragen werden von NBC nicht einmal gestellt.

Obwohl es an stichhaltigen Beweisen völlig fehlt, wurden die offiziellen Alarmstufen angehoben und so genannte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, die den Luftverkehr ins Chaos stürzten. Amerikanische und britische Bürger werden Polizeistaatsmethoden ausgesetzt, die ihre Privatsphäre und ihre demokratischen Grundrechte verletzten.

Dreiundzwanzig britische Bürger sitzen immer noch im Gefängnis, laut ihren Anwälten unter Bedingungen, die jedem rechtsstaatlichen Prozedere und demokratischen Rechten Hohn sprechen. Jeder Kontakt zu ihren Familien wird ihnen verweigert und sie können sich praktisch auch nicht mit ihren Anwälten besprechen. Sie werden in entwürdigender Weise behandelt, so zum Beispiel in eiskalte Zellen eingesperrt. Sie werden keiner konkreten Verbrechen beschuldigt und können nach dem kürzlich verabschiedeten britischen Antiterrorgesetz 28 Tage lang ohne Anklage inhaftiert bleiben.

Die Namen und Fotos der meisten dieser Gefangenen wurden in den Medien wieder und wieder veröffentlicht und ihre Guthaben vom britischen Finanzministerium beschlagnahmt. Es zeigt sich, dass die Unschuldsvermutung sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten nur noch ein Fetzen Papier ist.

Solche Methoden wendet die Polizei an, um Verdächtige zu terrorisieren und nachteilige Erklärungen oder Geständnisse aus ihnen herauszuquetschen. Diese werden dann benutzt, um die Anklage zu "beweisen" und die Angeklagten zu verurteilen.

Dabei ist eines klar: Das angebliche Komplott wird für sehr durchsichtige und äußerst reaktionäre Zwecke benutzt.

Am Montag setzte der britische Innenminister John Reid die offizielle Alarmstufe in Großbritannien von "kritisch" auf "ernst" herab. Gleichzeitig erklärte er jedoch, in Großbritannien seien noch viele Terrorzellen aktiv, und erneuerte die Forderung der Labour-Regierung nach einer Ausweitung der Vorbeugehaft auf bis zu neunzig Tage.

Am Vortag trat Michael Chertoff, der amerikanische Minister für Heimatschutz, in mehreren sonntäglichen Talkshows auf und forderte für die USA zusätzliche Gesetzesänderungen. Demnach soll die Regierung noch bessere Möglichkeiten erhalten, die Bevölkerung auszuspionieren, und die Vorbeugehaft soll dem britischen Modell entsprechend erweitert werden.

Warum drängte die Bush-Regierung so darauf, die angebliche Verschwörung am Donnerstag zu enthüllen? Es ging dabei nicht um Sicherheitsfragen. Dahinter stehen vielmehr die Absichten und Machenschaften der politischen Gangsterbande, die die Regierungsgeschäfte in den USA lenkt und zu der u.a. Dick Cheney und Karl Rove gehören.

Nicht unbedeutend ist auch, dass ihr Lieblingsdemokrat Senator Joseph Lieberman, der entschiedene Kriegsbefürworter und frühere Vizepräsidentschaftskandidat, kürzlich die Vorwahlen der Demokratischen Partei in Connecticut gegen den Politnovizen Ned Lamont verloren hat, der als Gegner des Irakkriegs kandidiert hatte. Die Antikriegs- und Anti-Bush-Stimmung in großen Teilen der Bevölkerung, die darin zum Ausdruck kam, musste aus Sicht der Regierung dringend durch eine neue Angst- und Hysteriekampagne von den Titelseiten der Presse verdrängt werden.

Ebenso soll von den Enthüllungen zu amerikanischen Kriegsverbrechen im Irak und der Folter an Gefangenen in Guantánamo abgelenkt werden.

Obwohl Cheney mit der britischen Blair-Regierung in intensiver Diskussion über die bevorstehende Terrorgefahr stand, fand er Zeit für einen seiner seltenen Pressetermine, um die Wahl von Lamont als einen Segen für Al Qaida zu bezeichnen. Diese Hexenjagd wurde dann von Lieberman selbst fortgesetzt, der jede Opposition gegen den Irakkrieg als Unterstützung für den Terrorismus brandmarkte.

Zweifellos gibt es eine Verschwörung. Sie hat das Ziel, die amerikanische Bevölkerung mit echter oder eingebildeter Terrorgefahr in Angst und Schrecken zu versetzen, einzuschüchtern, zu desorientieren und sie daran zu gewöhnen, dass jeder Aspekt des Alltags militarisiert wird und demokratische Rechte verweigert werden. Diese Verschwörung geht von der amerikanischen Regierung aus.

Wenn es nach Cheney und Konsorten geht, sollen in einer solchen Atmosphäre auch die Kongresswahlen im November stattfinden.

Was ist der politische Hintergrund der jüngsten Terrorhysterie? Der Irak gleitet unter dem Stiefel der amerikanischen Militärbesatzung in den Bürgerkrieg ab, Afghanistan gerät außer Kontrolle, der amerikanisch-israelische Krieg im Libanon endet in einer politischen Niederlage, Meinungsumfragen zeigen Bushs Beliebtheit auf einem historischen Tiefstand und die Antikriegsstimmung nimmt täglich zu.

Ein Artikel in der Washington Post vom Montag berichtete, dass republikanische Abgeordnete im Nordosten des Landes fürchten, infolge des Hasses in der Bevölkerung auf Bush und den Krieg reihenweise abgewählt zu werden.

Die Cheney-Rove-Kamarilla reagiert darauf mit dem Versuch, eine neue Welle von Panik und Furcht hervorzurufen, um die Wähler erneut hinter Bushs "Krieg gegen den Terror" zu sammeln. Das gleiche machten sie im Jahre 2004, als die Regierung im Vorfeld der Präsidentschaftswahl plötzlich verkündete, es existierten Anschlagspläne gegen große Finanzinstitutionen in New York, Washington, Newark und New Jersey - eine Verschwörung, die sich letztlich in Luft auflöste. Und dann wandte sich passend kurz vor den Wahlen plötzlich Osama bin Laden wieder mit einem Video an die Öffentlichkeit und erinnerte das amerikanische Volk daran, dass er entschlossen sei, es auszulöschen.

Amerikas heimliche Regierung, die vom faschistischen Denken gekennzeichnet ist, kann sich auf die Feigheit und Mithilfe der Demokratischen Partei ebenso verlassen wie auf die Dienste der vollkommen servilen und korrupten Medien, die selbst stark von Agenten der US-Geheimdienste durchsetzt sind. Nicht eine der etablierten Zeitungen hat die Behauptungen der Regierung zur jüngsten angeblichen Terrorverschwörung hinterfragt.

Was ist mit dem vierundzwanzigsten Verschwörer, der von den britischen Behörden vergangene Woche in aller Stille wieder freigelassen wurde? Wer ist er? Warum wurde er freigelassen? War er vielleicht jener Agent des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, der die angebliche Verschwörergruppe infiltriert haben soll? Diese Fragen werden nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet.

Warum glauben die Medien der amerikanischen und britischen Regierung aufs Wort? Immerhin haben diese ihre Länder auf der Grundlage von Lügen in einen Krieg geführt. Bush log vor dem Kongress, vor dem Obersten Gerichtshof und vor dem amerikanischen Volk in seiner Rede zur Lage der Nation 2003, als er sagte, der Irak habe versucht Uran in Niger zu kaufen. Der amerikanische Außenminister präsentierte der Vollversammlung der Vereinten Nationen einen umfangreichen Bericht, der den Krieg begründen sollte und vor Lügen nur so strotzte. Und Cheney ist ein Gewohnheitslügner.

Was Tony Blair angeht, so log nicht nur bezüglich der irakischen Massenvernichtungswaffen, er genehmigte auch die Todesschüsse, der nach den Bombenanschlägen auf die Londoner U-Bahn im vergangenen Jahr von der Polizei auf den unschuldigen Arbeiter Jean Charles de Menezes abgegeben wurden.

An dem jüngsten Terroralarm ist vor allem abzulesen, wie weit die Polizeistaatsverschwörung in den Vereinigten Staaten schon fortgeschritten ist und mit welch kriminellen Methoden das Land regiert wird.

Siehe auch:
Nach den Verhaftungen in Großbritannien: Was ist die Ursache für Terrorgefahr?
(15. August 2006)
Der britische Fluglinien-Terroralarm: Viele offene Fragen
( 12. August 2006)
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