Parlamentswahlen in Griechenland

Konservative profitieren vom Niedergang der Sozialdemokraten

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen, die am Sonntag in Griechenland stattfanden, wurde die bisher regierende konservative Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Kostas Karamanlis knapp im Amt bestätigt. Sie erreichte 41,8 Prozent der Stimmen, vier Prozent weniger als 2004.

Da die stärkste Partei aufgrund eines neuen Wahlrechts automatisch 40 zusätzliche Mandate erhält, konnte die ND ihre parlamentarische Mehrheit trotz eines deutlichen Linksrutsches der Wähler mit 152 von 300 Sitzen knapp behaupten.

Die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) mit ihrem Spitzenkandidaten Georgious Papandreou erreichte 38,1 Prozent und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1977. Sie verlor gegenüber der letzten Wahl mehr als zwei Prozentpunkte und ist im neuen Parlament nur noch mit 102 Abgeordneten vertreten.

Deutlich zulegen konnten dagegen die Kommunistische Partei (KKE), die sich von 5,9 auf 8,1 Prozent (22 Sitze) steigerte, sowie die Radikale Linke (SYRIZA), deren Ergebnis von 3,3 auf 5 Prozent (14 Sitze) wuchs. Auf der äußersten Rechten schaffte mit 3,8 Prozent (10 Sitze) erstmals die nationalistisch-religiöse LAOS den Einzug ins Parlament.

Nachdem bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Karamanlis und Papandreou vorhergesagt worden und die Karamanlis-Regierung in den vergangenen Wochen massiv unter Druck geraten war, kam der Sieg der Konservativen für viele überraschend.

Karamanlis hatte sich Anfang August entschlossen, die eigentlich im nächsten Jahr anstehenden Parlamentswahlen vorzuziehen. Er begründete dies damit, dass er ein "starkes Mandat des Volkes" wolle, um anstehende Projekte zu bewältigen. Zu dieser Zeit lag die ND in Umfragen bis zu zehn Prozent vor der PASOK. Da aber die Konservativen aufgrund mehrerer politischer Skandale fürchteten, diesen Vorsprung bis zum nächsten Jahr einzubüßen, zogen sie die Wahlen kurzerhand vor.

Mit der Brandkatastrophe vom vergangenen Monat änderte sich die Situation schlagartig. Die Brände, die auf dem Festland um die Hauptstadt Athen, auf der Halbinsel Peloponnes und der Insel Euböa tobten und denen fast 70 Menschen zum Opfer fielen, warfen ein grelles Licht auf den Zustand der politischen Elite des Landes und vor allem der Regierung.

Die scharfe Kürzungspolitik der letzten Jahre, Korruption und Vetternwirtschaft waren ursächlich dafür, dass sich die Waldbrände zu einer Tragödie entwickelten, in der zigtausend Hektar Boden und Wald verbrannten und Tausende Menschen ihrer Existenz beraubt wurden. Durch die Brände wurden nicht nur die katastrophalen Zustände bei den Feuerwehren ersichtlich, die aus Kostengründen hoffnungslos unterbesetzt und unzureichend ausgestattet sind, sondern auch die Komplizenschaft der Politik mit den kriminellen Bodenspekulanten, die für die meisten Brandstiftungen verantwortlich sind. Diese zünden unbebaute Waldflächen an, errichten auf den abgebrannten Grundstücken illegal Fundamente von Häusern und lassen diese im Nachhinein von den Behörden absegnen. Die Methode ist altbekannt und wird von der Regierung in Athen seit jeher toleriert.

Zu Recht wurde die Regierung für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Während Karamanlis jede Verantwortung von sich wies und "Terroristen" der Brandstiftung bezichtigte, kam es, nachdem die Brände einigermaßen unter Kontrolle waren, zu Protesten gegen das Versagen der Regierung. In Athen, Thessaloniki und anderen Städten versammelten sich Zehntausende und machten ihrem Unmut Luft.

Bis heute wurde kein Politiker oder Funktionär zur Verantwortung gezogen. Keinerlei Ermittlungen oder Untersuchungen wurden angestrengt.

Binnen zwei Wochen fielen die Umfragewerte für Karamanlis um über 10 Prozentpunkte. Dabei spielte nicht nur die Brandkatastrophe eine Rolle. Die seit 2004 regierende ND wird in der Bevölkerung mit Angriffen auf Sozialleistungen, Löhne und Lebensstandard gleichgesetzt, die in der jüngeren Geschichte des Landes beispiellos sind.

Während das Land eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten in der EU und ein ständig sinkendes Haushaltsdefizit zu verzeichnen hat, ist die Bevölkerung mit Rentenkürzungen, Einschnitten in der Gesundheitsversorgung und Steuererhöhungen konfrontiert. Karamanlis rigider Sparkurs wurde mehrmals ausdrücklich von Brüssel gelobt. Für den Fall seiner Wiederwahl kündigte Karamanlis an, er werde an dem eingeschlagenen Kurs festhalten und im Steuer-, Bildungs- und Rentenbereich weitere "Reformen" anstrengen.

" Ihr habt laut und deutlich gesprochen und den Kurs gewählt, den das Land in den nächsten Jahren einschlagen soll", erklärte Karamanlis unmittelbar nach seinem Wahlsieg. Angesichts der vorbereiteten Regierungsprojekte ist das eine glatte Drohung. Die EU und der IWF fordern von Griechenland eine radikale Reform des Rentensystems, was mit weiteren Kürzungen und einer, zumindest teilweisen, Privatisierung einhergeht.

Bereits im vergangenen Jahr war es zu massiven Protesten der Studenten gegen die unsoziale Politik der ND und gegen die Einführung von Studiengebühren gekommen. Aber sie ließen die Regierung, ebenso wie Proteste gegen die eingeleiteten Rentenkürzungen, kalt.

Kommentare der griechischen und europäischen Presse werten, wie kaum anders zu erwarten, das Wahlergebnis als Bestätigung des marktradikalen Kurses. Die Neue Züricher Zeitung bemerkt beispielsweise: "Ganz offensichtlich wurden die unbestrittenen ökonomischen Erfolge der Regierung Karamanlis [...] an der Wahlurne honoriert." Und laut Spiegel-Online dürften letztlich "die wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolge der konservativen Regierung den Ausschlag für Karamanlis’ Wiederwahl gegeben haben".

Niedergang der PASOK

Tatsächlich ist der Wahlsieg der Konservativen vor allem auf den politischen Bankrott der Sozialdemokraten zurückzuführen. Die PASOK wird von großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr als kleineres Übel oder gar eine Alternative wahrgenommen.

Die PASOK hatte die griechische Politik seit dem Ende der Militärregierung im Jahr 1974 wie keine andere Partei dominiert. Von 1981 bis 1989 und von 1993 bis 2004 stellte sie die Regierung und übte zudem starken Einfluss auf die Gewerkschaften des Landes aus. Während die PASOK in den 80er Jahren noch nationalistische Konzeptionen vertrat, die sich vor allem in antiamerikanischer und antieuropäischer Rhetorik äußerten, und begrenzte Sozialreformen durchführte, hat sie sich, wie andere europäische sozialdemokratische Parteien auch, in den 90er Jahren zunehmend am neoliberalen Wirtschaftsmodell orientiert und unter dem Druck der Europäischen Union einen rigiden Sozialabbau durchgeführt.

Die PASOK verlor aufgrund ihrer wirtschaftsliberalen Politik und ihrer zunehmend aggressiven Außenpolitik, wie der Unterstützung des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien, zunehmend an Unterstützung. 2000 konnte sie sich in den Wahlen nur noch knapp gegenüber der ND behaupten.

Als Georgious Papandreou kurz vor den Wahlen 2004 den Vorsitz der Sozialisten übernahm, waren diese bereits derart diskreditiert, dass auch ein populistisch geführter Wahlkampf und Versprechen sozialer Wohltaten nichts mehr halfen und die ND mit Karamanlis die Regierungsgeschäfte übernehmen konnte.

Im jüngsten Wahlkampf versuchte sich Papandreou gezielt als linke Alternative zu Karamanlis zu präsentieren. In der Frage der Rentenreform kündigte er beispielsweise an, er strebe eine Reform an, bei der niemand belastet werde. Während der Waldbrände warf er Karamanlis Hilflosigkeit und Versagen vor. Er versprach, gegen Korruption und die Bodenspekulanten vorzugehen und mehr Mittel für Feuerwehren und die Forstwirtschaft bereit zu stellen.

Doch ohne Erfolg. Die griechische Bevölkerung hat ihre bitteren Erfahrungen mit der PASOK gemacht. Während ihrer fast 20-jährigen Regierungszeit hatte sich ein ganzes Netz von Filz und Korruption im Land verbreitet. Den Methoden der kriminellen Bodenspekulanten hatte sie immer ihren Segen erteilt, und die Kürzungspolitik im öffentlichen Bereich begann lange, bevor Karamanlis an die Macht kam.

Die Niederlage der PASOK hat den Stuhl von Parteichef Papandreou ins Wanken gebracht. Bereits Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses regten sich Stimmen in der Partei, die den Rücktritt Papandreous forderten, dessen Vater und Großvater bereits als Ministerpräsidenten fungiert und die Partei wie eine Art Familienbetrieb geführt hatten. Unter ihrer Führung waren die verschiedenen Flügel der Partei zusammengehalten worden.

Einige Kommentatoren erwarten in den kommenden Wochen und Monaten heftige innerparteiliche Kämpfe. Der frühere Kulturminister Evangelos Veniselos und die ehemalige EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou werden als mögliche Nachfolger Papandreous in den anstehenden parteiinternen Wahlen gehandelt.

Die Rolle von KKE und SYRIZA

Von der Niederlage der PASOK konnten auch die beiden Parteien links von den Sozialdemokraten profitieren.

Die stalinistische KKE legte gegenüber den Wahlen 2004 über zwei Prozentpunkte zu. Die KKE ist die älteste Partei Griechenlands und hatte in den Jahren nach der Militärdiktatur ein gewisses Ansehen in der Bevölkerung genossen. Bis Ende der 80er Jahre hatte sie sich stark an Moskau orientiert. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion brach auch die KKE ein. Nach der Abspaltung mehrerer Flügel ist heute nur noch ein harter Kern von Ex-Stalinisten übrig geblieben, und selbst dieser wird von internen Grabenkämpfen zerrissen. Politisch agiert die KKE heute mehr den je als Hilfstruppe für die PASOK.

Das Linksbündnis SYRIZA ist ein Sammelbecken verschiedenster radikaler Gruppierungen. Grüne, Pazifisten, Feministen, radikale Linke und so genannte Sozialisten haben sich in ihr vereint. So heterogen die Zusammensetzung der Partei, so schwammig und unklar ist auch ihr Programm. Im Wahlkampf setzte sie vor allem auf Ökologie als kleinsten gemeinsamen Nenner, nachdem es im Vorfeld immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war.

Explizit hatte sich die Parteiführung dagegen verwahrt, sozialistische Forderungen aufzustellen. Stattdessen hoffte die Partei auf einen knappen Sieg der PASOK, die dann ihrerseits möglicherweise ein Bündnis mit SYRIZA eingegangen wäre.

Eine ernst zu nehmende Warnung stellt der Wahlerfolg der LAOS da. Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur zieht in Griechenland eine rechtsradikale Partei ins Parlament ein. Die LAOS verbindet ultra-nationalistische und religiös-orthodoxe Positionen miteinander. Sie tritt für eine stärkere Rolle der griechisch-orthodoxen Kirche in der Politik ein und startet regelmäßige Hetzkampagnen gegen Ausländer, vor allem gegen Albaner. Im Wahlkampf machte sie gezielt Stimmung gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Die Partei, die 2000 aus einer Abspaltung der ND entstanden ist, hat aus der unsozialen Politik von ND und PASOK Kapital geschlagen und lenkt den Unmut darüber in nationalistische Bahnen.

Siehe auch:
Nach den Waldbränden in Griechenland gerät die Regierung unter Druck
(1. September 2007)
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