Pakistan: US-Elite stellt sich hinter das Militär-Regime

In der letzten Zeit sind Zehntausende Pakistaner gegen die Verhängung des Kriegsrechts durch das von den USA gestützte Militärregime von General Pervez Musharraf auf die Straße gegangen und haben dabei riskiert, von den Sicherheitskräften des Landes verhaftet, tätlich angegriffen und sogar erschossen zu werden.

Die Regierung hat zugegeben, dass Sicherheitskräfte in den ersten 24 Stunden, nachdem Musharraf den Notstand ausgerufen hatte, Hunderte von oppositionellen Politikern, Journalisten und Rechtsanwälten in "Vorbeugehaft" genommen haben. Die Proteste gegen die Regierung wurden aufgelöst und die Demonstranten mit Stöcken angegriffen. Viele wurden verhaftet und ins Gefängnis geworfen.

Unter den Notstandsgesetzen wurden die Verfassung und mit ihr die Meinungsfreiheit, die Bewegungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit auf unbestimmte Zeit außer Kraft gesetzt. Die Polizei hat erweiterte Vollmachten erhalten, Menschen ohne Anklage zu verhaften und festzusetzen, und die Medien, speziell Radio- und Fernsehsender, werden einer rigorosen Zensur unterworfen. Seit Samstagabend darf nur das Staatsfernsehen seine Sendungen ausstrahlen. Musharrafs vorläufige Verfassung (Provisional Constitutional Order, PCO) nimmt der Justiz ihres verfassungsmäßiges Recht, die Rechtmäßigkeit von Regierungsmaßnahmen zu überprüfen. Außerdem verfügt sie, dass die Gerichte nicht das Recht haben, Präsident Musharraf, Premierminister Aziz oder irgendjemand, der in ihrem Namen handelt, Vorschriften zu machen.

Große Teile der höchsten Justizkreise, eine Körperschaft die bisher berüchtigt war für ihre Unterstützung der Militärherrschaft, einschließlich der Mehrheit der Richter beim Obersten Gerichtshof, wurden entlassen, weil sie sich entweder weigerten die PCO zu bestätigen oder weil man sie nicht einmal darum gebeten hatte, den neuen Amtseid des Militärs abzulegen, da sie als nicht fügsam genug angesehen wurden.

In dem verzweifelten Versuch, dem Regime von Musharraf - das 1999 mit einem Putsch an die Macht kam und jetzt darauf verzichtet, eine demokratische Fassade für die andauernde Militärherrschaft aufzubauen - einen Hauch von Legalität zu verschaffen, haben sich die verbleibenden Richter des Obersten Gerichtshofs und einige von Musharraf neu ernannte Amtsträger am Dienstag getroffen. Ihre erste Amtshandlung bestand darin, ein Urteil aufzuheben, das der Oberste Gerichtshof am letzten Samstag getroffen hatte, kurz bevor er durch Sicherheitskräfte aufgelöst wurde. In diesem Urteil wurde der Ausnahmezustand für verfassungswidrig erklärt.

Konfrontiert mit einer wachsenden und immer mutigeren Opposition der Bevölkerung drohten Musharraf und seine Gehilfen während der letzten sechs Monate wiederholt mit der Ausrufung des Notstands. Letztendlich war der Auslöser für die treffend als Musharrafs zweiten Staatsstreich bezeichnete Aktion die Angst des Generals und Präsidenten vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshof, seine kürzliche "Wahl" für eine weitere fünfjährige Amtszeit als Präsident für verfassungswidrig zu erklären. Die Präsidentschaftswahl vom 6. Oktober war ein vom Militär inszenierter Betrug, der die Worte und den Geist der Verfassung schamlos verletzte.

Während in Pakistan der Widerstand gegen Musharraf und das Militär überkocht, haben die Bush-Regierung und die herrschende US-Elite als ganze überaus deutlich gemacht, dass sie hinter dem Militärregime stehen und es im Namen des Kriegs gegen den Terror auch weiterhin massiv unterstützen werden.

Am Montag äußerte sich US-Präsident Bush zum ersten Mal zu Musharrafs Ausrufung des Notstands. Bush forderte nicht etwa die sofortige Aufhebung des Kriegsrechts und schon gar nicht den Rücktritt des Generals und seiner Regierung. Stattdessen brachte er die "Hoffnung" zum Ausdruck, dass Musharraf "die Demokratie so schnell wie möglich wiederherstellen wird" - was der pakistanische Diktator angeblich schon seit acht Jahren Militärherrschaft tut.

Bush verband laue, rituelle Kritik an den letzten Maßnahmen des Generals mit Lob für seine Leistungen und erklärte den Reportern: "Präsident Musharraf war ein starker Kämpfer gegen Extremisten und Radikale."

Der Präsiden äußerte sich bewusst nicht zu Maßnahmen der US-Regierung jetzt oder in Zukunft, falls Islamabad Washingtons Forderung nach einer Aufhebung des Notstands nicht nachkommt und seine früheren Versprechen nicht einlöst; Musharraf hatte versprochen als Armeechef zurückzutreten, bevor er seine neue Amtsperiode als Präsident antritt, sowie Neuwahlen im Januar abzuhalten. "Wir können nicht mehr tun, als mit dem Präsidenten und anderen in der Pak-Regierung (sic) weiter zusammenzuarbeiten", erklärte Bush.

Verteidigungsminister Robert Gates schloss sich Bushs Worten an. Er erklärte, die verschiedenen Programme, über die US-Hilfe an Pakistan geleistet wird - die US-Regierung räumt ein, seit September 2001 zirka 10 Milliarden Dollar für Islamabad bereitgestellt zu haben, das meiste davon Militärhilfe - müssten überprüft werden, da bei einigen dieser Programme rechtliche Beschränkungen für die Finanzierung von Ländern vorliegen könnten, deren Verfassung außer Kraft gesetzt wurde. Ungeachtet dieser rechtlichen Erfordernisse, beharrte Gates: "Wir wollen aber auch berücksichtigen, dass Pakistan weiterhin ein extrem wichtiger Verbündeter im Krieg gegen den Terror ist; deshalb haben wir Interesse an einer dauerhaften Sicherheitspartnerschaft."

Ein ungenannter ranghoher Beamter der US-Regierung erklärte gegenüber Associated Press: "Die Frage ist, was macht man, wenn ein enger Verbündeter [einen] Fehler macht? Soll man sich von ihm trennen, ihn mit Sanktionen bestrafen, ihm den Rücken kehren? Oder versucht man, ihn zu beeinflussen, um ihn wieder auf Kurs zu bringen?"

Die Führung der Demokratischen Partei vertritt im Wesentlichen die gleiche Position.

Im letzten Jahr haben die Demokraten die Bush-Regierung wiederholt kritisiert, weil sie die US-Hilfe für Pakistan nicht effektiver eingesetzt hat, um Musharraf zu zwingen, aggressiver gegen die Taliban und andere islamistische Milizen in den Grenzgebieten Pakistans vorzugehen, und dadurch die US-Besatzung Afghanistans zu stärken.

(Tatsächlich hat die Musharraf-Regierung mehrere große Offensiven in pakistanischen Stammesgebieten unternommen; in deren Folge hat das pakistanische Militär große Verluste erlitten und mit wachsender Desertion zu kämpfen.)

Nach dem Staatsstreich Musharrafs haben mehrere führende Demokraten diese Kritik wiederholt und erklärt, die zukünftige Unterstützung Pakistans sollte daran geknüpft werden, ob Islamabad die amerikanischen Forderungen erfüllt, auch wenn das Land dadurch weiter destabilisiert werden sollte.

Aber alle betonten im Einklang mit der Bush-Regierung, dass Pakistan ein zentraler Verbündeter im Krieg gegen den Terror ist, und dass die USA ihr enges Bündnis mit Musharraf und vor allen Dingen mit dem pakistanischen Militär, auf das sich sein Regime stützt, fortsetzen müssen.

Hilary Clinton äußerte sich folgendermaßen: "Wir müssen jetzt mit einer weiteren bedrohlichen Situation fertig werden, die durch die verfehlte Politik dieses Präsidenten noch verschlimmert wurde."

Der Senator von Connecticut, Chris Dodd, ein zweitrangiger Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, erklärte: "Ich bin entschieden dagegen, der Regierung und dem Volk von Pakistan jetzt die Hilfe zu streichen - vielmehr würde ich eher sagen, dass in den kommenden Tagen sogar zusätzliche Hilfe notwendig sein wird."

Die wichtigsten Sprachrohre der US-Elite haben ähnliche Positionen bezogen. "Das wichtigste amerikanische Interesse hier ist ein stabiles Pakistan, das bei der Niederschlagung der Gotteskrieger Unterstützung leisten kann", erklärte das Wall Street Journal am Montag. "Diesem Interesse ist nicht gedient, wenn man abrupt die Beziehungen zu Musharraf oder dem pakistanischen Militär abbricht, so wie es die USA in den 1990er Jahren gemacht haben."

In einem Leitartikel, der am Dienstag veröffentlicht wurde, kritisierte die New York Times, das führende Organ des liberalen Establishments der USA, die Bush-Regierung, weil sie ihre Pakistan-Politik "sklavisch auf einen einzigen despotischen Herrscher konzentriert hat". Die USA, beschwert sich die Zeitung, "haben für die mehr als 10 Milliarden Dollar, die Pakistans Truhen gefüllt haben, wenig Einfluss gewonnen".

Aber sie gelangt schnell zu einem politischen Rezept, das nicht so weit von dem des Weißen Hauses entfernt ist: "Den Vereinigten Staaten bleiben in zunehmendem Maße nur schlechte Alternativen. Die Hilfe zu streichen, würde es nur noch schwerer machen, Pakistans Militär zum Kampf gegen die Extremisten zu verpflichten, und die Zweifel an Amerikas Verlässlichkeit als Verbündeter wieder beleben."

Die Times ermahnt die Bush-Regierung, neue Anstrengungen zu unternehmen, ein Abkommen über eine Machtteilung zwischen dem Militär und Benazir Bhutto und ihrer Pakistan Peoples’ Party (PPP) herbeizuführen. "Das hinter den Kulissen ausgehandelte Abkommen von General Musharraf mit der früheren Premierministerin Benazir Bhutto zu erneuern - egal wie widerwärtig das ist - könnte ein Weg sein, der vom Abgrund wegführt."

Die Hoffnungen der Times könnten sich als trügerisch erweisen. Bhutto hat immer wieder ihre Bereitschaft signalisiert, den Interessen Washingtons zu dienen und mit dem pakistanischen Militär zusammenzuarbeiten, um den Ausbruch einer Massenbewegung gegen die Regierung Musharraf zu verhindern. Sie hat ihre Bereitschaft zu verstehen gegeben, an der Umgestaltung des Musharraf-Regimes mitzuarbeiten, um der PPP einen Anteil an der Macht zu verschaffen. Als Gegenleistung würde sie helfen, einer Regierung ein volkstümliches "demokratisches Gesicht" zu verleihen, das weiterhin vom Militär und seinem US-Schutzherren beherrscht wird.

Selbst nachdem Musharraf den Notstand ausgerufen hatte, erklärte Bhutto, sie schließe zukünftige Gespräche mit dem General nicht aus; ihre PPP hat sich anfänglich von den Protesten gegen das Kriegsrecht weitgehend ferngehalten.

Sie musste diese Haltung jedoch aufgeben und kündigte an, dass sie sich nicht mit dem Präsidenten-General treffen und am Freitag eine Protestkundgebung anführen werde.

Bhuttos Ziele bleiben dieselben. Aber da der Widerstand gegen die Regierung anschwillt und Musharraf mehr und mehr auf offene Unterdrückung setzt, droht die Unterstützung der Bevölkerung für die PPP deutlich abzunehmen, wenn sie sich nicht von der Diktatur distanziert. Schon jetzt gibt es Berichte über tiefe Risse in der Führung der PPP.

Dass das US-Establishment sich hinter Musharraf und das pakistanische Militär stellt und dabei die elementarsten demokratischen Rechte des pakistanischen Volks mit Füßen tritt, hat einmal mehr das demokratische Gerede Lügen gestraft, mit dem sowohl die Bush-Regierung als auch die Demokraten versuchen, die US-amerikanischen diplomatischen und militärischen Aggressionen überall auf der Welt zu bemänteln.

Die US-Elite steht den demokratischen Rechten des pakistanischen Volks vollkommen gleichgültig und feindlich gegenüber. Das Musharraf-Regime war in den letzten sechs Jahren ein wichtiger und stark umworbener Verbündeter der USA im Krieg gegen den Terror. Die Bush-Regierung hat die zahllosen Verletzungen demokratischer Rechte und Menschenrechte geduldet und entschuldigt, angefangen bei den gefälschten Wahlen von 2002, über das gewaltsame Vorgehen gegen Anti-Musharraf-Demonstranten in Karachi im Mai, die Deportation des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, als er im September versuchte, nach Pakistan zurückzukehren bis zu dem gegenwärtigen Rückgriff auf das Kriegsrecht.

Washingtons Haltung gegenüber Pakistan ist durch und durch von den räuberischen strategischen Interessen der USA geprägt. Pakistan spielt eine zentrale Rolle in den Bemühungen der USA, die angrenzenden ölreichen Regionen des Nahen Ostens und Zentralasiens zu kontrollieren. Pakistan ist die wichtigste logistische Nachschubbasis für die US-Invasion und -Besetzung Afghanistans. Und da die benachbarten zentralasiatischen Republiken unter russischem Einfluss immer weniger kooperativ werden, wurde Pakistan noch wichtiger für die US-Position in Afghanistan. Das Militärregime Pakistans erlaubt dem US-Militär, das Land zur Vorbereitung eines Kriegs gegen den Iran zu nutzen, indem es Manöver abhält und Grenzverletzungen begeht. Wie allgemein ebenfalls verlautet, hat Pakistan den US-Sicherheitskräften Orte zur Verfügung gestellt, um illegale Folterungen von angeblichen Terrorverdächtigen durchzuführen.

Das bedeutet nicht, dass die US-Elite nicht ernstlich besorgt ist über Musharrafs Staatsstreich. Er wird weithin und mit Recht als Katastrophe für die Außenpolitik der Bush-Regierung angesehen, weil er die Hohlheit und Heuchelei der Behauptungen unübersehbar bloßgestellt hat, sie setze sich für Demokratie ein. Das Regime, das die Bush-Regierung als zentralen US-Verbündeten rühmt, hat erneut seine Krallen gezeigt.

Und was noch wichtiger ist, es gibt weit verbreitete Befürchtungen, dass Musharrafs Maßnahmen nach hinten losgehen werden und eine Mobilisierung des Volks auslösen, die sich nicht nur gegen die Interessen des Militärs, sondern auch der USA auswirkt, da sie sein wichtigster Schutzherr ist.

Angesichts des Einsatzes, der auf dem Spiel steht, ist es nicht ausgeschlossen, dass die USA versuchen werden, Musharraf los zu werden, indem sie einen anderen General ermutigen, eine Vereinbarung mit Bhutto zu treffen, wozu Musharraf nicht bereit war - d. h. zu versuchen, durch eine Veränderung des Militärregimes einem Volksaufstand zuvorzukommen.

Die gesamte US-Elite ist entschlossen zu verhindern, und sei es durch den Einsatz massiver Gewalt, dass die pakistanischen Massen wirklich in das politische Leben des Landes eingreifen.

Siehe auch:
Pakistan: Musharraf verhängt Kriegsrecht mit Billigung Washingtons
(8. November 2007)
Pakistan: Bhutto wirft Militär Mitverantwortung am Attentat vor
(24. Oktober 2007)
Bush-Regierung droht mit Militärintervention in Pakistan
(27. Juli 2007)
Pakistan: Musharraf balanciert auf einem schmalen Grat zwischen Krieg und inneren Aufständen
(19. Januar 2007)
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