Wahlveranstaltung in Frankfurt am Main

PSG stellt Hessenwahlprogramm vor

Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) hielt am Donnerstag im Frankfurter Stadtteil Bockenheim ihre erste Wahlveranstaltung zu den hessischen Landtagswahlen ab. Die Veranstaltung fand nur wenige hundert Meter von der Frankfurter Universität entfernt statt. Dort und in den belebten Straßen des Studentenviertels hatten Wahlhelfer der PSG in den Tagen zuvor Informationsstände organisiert, an denen es nicht selten zu langen und interessanten Diskussionen gekommen war.

Helmut Arens, PSG-Landtagskandidat in Hessen, begann am Donnerstag seine Rede mit einem Bericht über diese Diskussionen und Erfahrungen der vergangenen Wochen. "Das Auffälligste in unserer bisherigen Wahlkampagne war die überall anzutreffende große Empörung über die offizielle Politik", betonte er und fügte hinzu, angesichts der politischen Bilanz der Koch-Regierung sei diese Empörung sehr verständlich.

Arens schilderte detailliert die rechte und reaktionäre Politik des CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, der 1999 mit einer ausländerfeindlichen und demagogischen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft an die Macht gelangt war. "Seither wurden massive Kürzungen im sozialen Bereich durchgesetzt. Personalabbau, Kürzungen und die Schließung sozialer Einrichtungen sind an der Tagesordnung. Besonders hervor sticht dabei das so genannte ‚Wisconsin-Modell’, das Arbeitslose zwingt, jede noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen, um staatliche Unterstützung zu erhalten."

Angesichts der wachsenden Opposition und Unzufriedenheit in der Bevölkerung hätte die Koch-Regierung ihre unsoziale Politik allerdings nicht durchsetzen könne ohne die stillschweigende Unterstützung der SPD. "Die SPD wird nicht als Alternative zu Koch wahrgenommen, im Gegenteil, ihr schlägt tiefes Misstrauen entgegen. Und zwar zu recht!", rief Arens. Auch wenn die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti versuche, ein linkes Gesicht zu zeigen, wisse doch jeder in dieser Stadt und in diesem Land, "dass ihre Partei mit der CDU die Große Koalition in Berlin bildet".

Arens betonte, dass dies auch für die Grünen gelte, die in Frankfurt - und speziell in diesem Stadtteil nahe der Universität - früher großen Einfluss hatten. "In den Berliner Regierungsjahren setzte Rot-Grün den schärfsten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik durch." Aus den ehemaligen Pazifisten seien vehemente Befürworter von Kriegseinsätzen geworden, "die sich nun für eine Koalition mit der CDU in Stellung bringen", erklärte Arens und fügte hinzu, dass das gegenwärtige schwarz-grüne Bündnis in der Frankfurter Stadtregierung in dieser Hinsicht Symbolcharakter habe.

"Und was ist nun mit der Linkspartei?, fragte der PSG-Kandidat und berichtete, dass sich viele Diskussionen an den Wahlständen in den vergangenen Tagen um diese Frage gedreht hatten. Immer wieder sei das Argument zu hören, die Linkspartei könne dazu benutzt werden, Druck auf die SPD auszuüben und diese nach links drücken. "Wer das glaubt, wird eine bittere Enttäuschung erleben", erklärte Arens. Weder übe die Linkspartei linken Druck aus, noch lasse sich die SPD nach links drücken.

Man müsse nur nach Berlin schauen um festzustellen, dass es genau umgekehrt ist. Die Linkspartei unterstützt die SPD, um mit ihr gemeinsam einen vehementen Abbau von sozialen und demokratischen Rechten durchzuführen. "Wie glaubwürdig ist eine Partei, die in ihrem Hessenwahlprogramm viele schöne Dinge verspricht - von Abschaffung der 1-Euro-Jobs über staatlich finanzierte Sozialprogramme, bis Arbeitszeitverkürzung - aber dort, wo sie selbst an der Regierung beteiligt ist, genau das Gegenteil tut?" Arens betonte, dass die Linkspartei in Hessen der SPD bereits ihre Dienste angeboten habe und dass eine rot-rote, oder rot-rot-grüne Regierung in Wiesbaden genau so wenig ein Fortschritt sei, wie der rot-rote Senat in Berlin.

Arens schloss seine Rede mit den Worten: "Deshalb steht die wichtigste Nachricht in diesem Hessenwahlkampf im ersten Satz unseres Wahlprogramms, und der lautet: ‚Es gibt eine Partei, für die es sich lohnt zu kämpfen und sich zu engagieren: Die Partei für Soziale Gleichheit!’"

Der Vorsitzende der PSG, Ulrich Rippert knüpfte an diesen Punkt an und betonte, dass viele Menschen über den Zustand der Gesellschaft zutiefst besorgt seien. Die hemmungslose Bereicherung an der Spitze - Millionengehälter für Manager und Superprofite für Aktionäre - bei gleichzeitiger Lohnsenkung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung stoße auf wachsende Ablehnung und Empörung.

"Es genügt aber nicht, die Verantwortungslosigkeit der Manager und Politiker anzuklagen. Es ist notwendig, die eigene Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen", betonte Rippert und machte deutlich, dass das Wahlprogramm der PSG darauf abziele, die arbeitende Bevölkerung zu befähigen, in die politische Entwicklung einzugreifen und die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu verändern.

Er zitierte einen Absatz aus dem PSG-Hessen-Wahlprogramm: "Ohne das aktive Eingreifen breiter Teile der Bevölkerung in die politische Entwicklung wird sich nichts ändern. Die soziale Misere wird noch schlimmer werden. Aus der Fäulnis der Demokratie steigen bereits jetzt die Gespenster des Rassismus und des Nationalismus auf. Die Geschichte hat gezeigt, wohin das führt. Es darf nicht zugelassen werden, dass eine korrupte Elite die Gesellschaft weiterhin ausplündert, ruiniert und in den Abgrund stößt."

Rippert betonte, der Kampf gegen die soziale Misere müsse mit einer gewissenhaften politischen Bestandsaufnahme beginnen. "Es ist notwendig, der Realität ins Auge zu blicken", sagte er und zitierte einen Artikel, der am selben Tag bei Spiegel-online erschienen war. Unter der Überschrift "Börsen in Alarmstimmung" heißt es da: "So deutlich hat es noch keiner gesagt: ‚Die US-Wirtschaft steht kurz vor einer Rezession...’ Auch Europa könnte durch die weltweite Kreditkrise in den Abwärtsstrudel geraten. In Asien brechen die Aktienkurse auf breiter Front ein."

Rippert schilderte, wie sich die amerikanische Hypothekenkrise in kürzester Zeit zu einer internationalen Finanzkrise mit noch völlig unabsehbaren und katastrophalen Auswirkungen entwickelt hat. "Wer glaubt, er werde von dieser Entwicklung verschont, weil er keine Aktien besitzt und daher nichts verlieren könne, soll sich die Situation in Sachsen ansehen, um festzustellen, dass er einem gewaltigen Irrtum unterliegt", sagte Rippert.

Er berichtete, wie die Sächsische Landesbank in die Spekulationsgeschäfte mit amerikanischen Hypotheken involviert war und schon vor einigen Wochen vor dem Zusammenbruch stand. "In einer Eilaktion wurde sie damals von der baden-württembergischen Landesbank in Stuttgart übernommen. Am vergangenen Montag stellte eine Expertenkommission fest, dass sich die Verluste auf die unglaubliche Summe von 43 Milliarden Euro beliefen. Daraufhin verlangte die Stuttgarter Landesbank eine Bürgschaft der sächsischen Landesregierung die heute Nachmittag im Umfang von 2,75 Milliarden Euro bewilligt wurde."

Das bedeute nichts anderes, als dass die Spekulationsverluste von Teilen einer Finanzoligarchie direkt auf die Bevölkerung abgewälzt werden, die durch Sparprogramme und Sozialkürzungen die Zeche zahlen soll, sagte Rippert. Aus der internationalen Finanzkrise ergäben sich zwei Entwicklungen: Erstens nehme die soziale Krise weltweit extreme Formen an. Zweitens spitze sich der Konflikt zwischen den Großmächten über die jeweilige Energieversorgung, Macht und Einfluss deutlich zu. Als Reaktion auf die wachsende Krise in den USA reagieren Deutschland und Europa mit einem intensiven militärischen Aufrüstungsprogramm.

Rippert zeigte auf, wie sich dagegen in ganz Europa Widerstand entwickelt. Er ging auf den Zusammenhang zwischen dem deutschen Lokführerstreik und den Streiks in Frankreich ein und machte deutlich, dass die Arbeiter überall damit konfrontiert sind, dass die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften scharf nach rechts rücken.

"Die Linkspartei ist Teil dieser Rechtsentwicklung der sozialreformistischen Bürokratie", sagte er und fügte hinzu: "Der krasse Gegensatz zwischen dem, was die Linkspartei in diesem Wahlkampf fordert und dem, was sie in Berlin, als Teil der Landesregierung macht, ist direkt mit der Verschärfung der Finanzkrise verbunden. Die Globalisierung der Produktion und die Allmacht einer Finanzoligarchie hat der Politik des sozialen Ausgleichs den Boden entzogen und verwandelt all diese Parteien, die sich als Garant für den Erhalt der bürgerlichen Ordnung anbieten, in vehemente Gegner der Arbeiterklasse."

Deshalb sei der Aufbau einer internationalen, sozialistischen Partei, die an die revolutionären Traditionen der Arbeiterklasse anknüpfe, von derart entscheidender Bedeutung, betonte Rippert und machte deutlich, dass diese Frage im Mittelpunkt des Wahlprogramms der PSG stehe: "So wie der Kapitalismus zu extremer Ausbeutung, Militarismus und Krieg zurückkehrt, muss auch die Arbeiterklasse wieder an ihre revolutionären Traditionen anknüpfen. Die technologischen Neuerungen in der Computer-, Telekommunikations- und Transporttechnologie, die der globalen Integration der Produktion zugrunde liegen, ermöglichen eine enorme Steigerung der menschlichen Produktivkraft. Sie haben die Mittel geschaffen, um Armut und Rückständigkeit auf der ganzen Welt zu überwinden und das allgemeine Lebensniveau aller Menschen zu erhöhen.

Das erfordert allerdings eine revolutionäre Umwälzung, um die Produktivkräfte von den Fesseln des Privateigentums zu befreien und die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen."

Zentrales Thema der anschließenden Diskussion war die Einschätzung der Linkspartei. Von einer Teilnehmerin wurde den Rednern entgegen gehalten, dass man die Linke "nicht pauschal verurteilen" dürfe. Die Basis der Linkspartei denke häufig anders als die Führung. Viele Mitglieder hätten beispielsweise den Streik der Lokführer unterstützt und seien mit den Äußerungen von Gregor Gysi nicht einverstanden gewesen.

Dem wurde entgegnet, dass Gysi mit seiner Ablehnung der zentralen Forderung der Lokführer nach einem eigenen Tarifvertrag und seiner Verteidigung der Gewerkschaft Transnet, die offen Streikbruch betreibe, die politische Linie der Partei vorgab. Dass viele Mitglieder anderer Meinung seien, zeige nur, wie undemokratisch diese Partei sei. Die Mitglieder müssten sich dann die Frage stellen, warum sie in dieser Partei Mitglied sind.

"Wer sich einer politischen Partei anschließt, übernimmt auch Verantwortung für deren Politik und ihre Folgen", sagte Rippert. Er könne sich nicht damit herausreden, er habe persönlich eine andere Meinung.

Die linke Rhetorik der Linkspartei diene ausschließlich dazu, ihre Spuren zu verwischen. Sie versuche die wachsende Opposition in der Bevölkerung aufzufangen und wieder zurück auf die SPD zu orientieren.

Ein anderes Argument lautete, die Linkspartei sei notwendig, um "linke Bündnisse" zu schaffen, und ohne derartige Bündnisse könne das "politische Klima" nicht verändert werden.

Rippert antwortete darauf mit folgenden Worten: "Besonders in einer Stadt wie Frankfurt, in der sehr viele Gruppierungen existieren, die sich als links, revolutionär, oder sozialistisch bezeichnen und sich nun alle in oder um die Linkspartei gesammelt haben, ist es wichtig deutlich zu machen, dass wir einen Standpunkt vertreten, der diesen Gruppierungen genau entgegengesetzt ist. All diese Gruppen versuchen zu verhindern, dass der wahre Charakter der Linkspartei vor aller Augen sichtbar wird.

Sie versuchen, eine breite linke Sammelbewegung aufzubauen, in der sich alle enttäuschten und frustrierten Linken wieder finden - die politischen Reste und Abspaltungen von der SPD, den Pablisten, alle Radikalen, Ex-Radikalen und Linksradikalen, und so weiter. Um so genannte ‚linke Mehrheiten’ zu schaffen, suchen sie unermüdlich nach linken Strömungen in den Gewerkschaften, der SPD oder der Linkspartei. Das Ergebnis dieser Arbeit läuft immer darauf hinaus, die Arbeiterklasse den alten stalinistischen, sozialdemokratischen und reformistischen Bürokratien unterzuordnen.

Wir vertreten genau das Gegenteil. Uns kommt es darauf an, die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu erreichen. Das heißt, wir kämpfen für einen bewussten politischen Bruch mit der SPD, der Linkspartei und allen, die im Umkreis dieser Bürokratien noch existieren. Die Zukunft der Gesellschaft wird nicht durch ‚linke Mehrheiten’ in Parlamenten entschieden, sondern im lebendigen Kampf gesellschaftlicher Klassen. Deshalb ist die Auffassung der Marxisten immer die, dass die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse der entscheidende Faktor ist, der dann tatsächlich das politische Kräfteverhältnis verändern wird, und zwar in dem Maße, in dem die Arbeiterklasse als, selbständige und politisch bewusste Klasse in Erscheinung treten kann.

Genau darauf ist unsere Arbeit im Aufbau der PSG konzentriert."

Die Versammlung bildete den Auftakt zu einer intensiven Wahlkampagne mit Veranstaltungen in mehreren hessischen Städten. Zum Abschluss wurde eine beeindruckende Sammlung durchgeführt.

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