Österreichischer Rechtspopulist Jörg Haider stirbt bei Autounfall

Der Kärntner Landeshauptmann und Vorsitzende des rechtsradikalen Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) Jörg Haider starb in der Nacht zum Samstag bei einem Autounfall in Klagenfurt.

Haider, der auf der nächtlichen Rückkehr von einer Veranstaltung seinen Dienstwagen - einen drei Monate alten VW Phaeton - selbst steuerte, wurde zum Opfer seiner rücksichtslosen Raserei. Der Wagen kam von der Straße ab, prallte gegen einen Pfahl und überschlug sich mehrmals, als er kurz vor einer Ortseinfahrt mit 142 Stundenkilometer überholte, obwohl eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometer vorgeschrieben war.

Über zwanzig Jahre lang war Haider die Hauptfigur der extremen Rechten in Österreich. Unter seiner Führung schaffte es die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - ein Sammelbecken ultra-rechter und offen faschistischer Elemente - zur Regierungspartei. Seit zehn Jahren regierte er als Landeshauptmann das Bundesland Kärnten.

Die Stellungnahmen österreichischer Politiker zum Tode Jörg Haiders sind bemerkenswert. Fast ausnahmslos haben gerade Politiker des "linken" Lagers kaum ein kritisches Wort geäußert und wohlwollende Worte gefunden.

Mit "Jörg Haider verliert Österreich eines der größten politischen Talente der letzten Jahrzehnte", sagte Salzburgs SPÖ-Chefin Gabi Burgstaller. Der Chef der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) und voraussichtliche nächste Kanzler Werner Faymann bezeichnete Haider ebenfalls als Ausnahmepolitiker, der die Politik in Kärnten und darüber hinaus in ganz Österreich über Jahre hinweg geprägt habe. Ähnlich äußerte sich der bisherige Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ).

Auch Alexander Van der Bellen, der Klubobmann der Grünen, lobte den Verstorbenen. "Jörg Haider war ein außergewöhnlicher Politiker, hoch befähigt, Menschen zu begeistern und für sich einzunehmen", sagte er.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich unter den österreichischen Politikern, egal welcher Couleur, keine einzige Stimme findet, die den Unfalltod Haiders zum Anlass nimmt, sich ernsthaft mit ihm und seiner Rolle auseinanderzusetzen. Der Aufstieg des Unternehmers und Multimillionärs zur politischen Größe ist untrennbar mit dem Niedergang der dominierenden politischen Kräfte der Zweiten Republik verbunden, der Volkspartei (ÖVP) und vor allem der Sozialdemokratie.

Haiders Werdegang

Haider wurde 1950 in einem kleinen oberösterreichischen Ort geborenen. Seine Eltern waren überzeugte Nationalsozialisten. Sein Vater war vor dem Annschluss Österreichs ans Dritte Reich bereits illegales Mitglied der NSDAP. Seine Mutter engagierte sich im Bund Deutscher Mädel.

Haider studierte Jura an der Universität Wien, wo er bis 1976 als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht tätig war. Bereits 1971 ging er in die Politik. Damals wurde er Vorsitzender des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ). 1979 zog er als jüngster Abgeordneter in den Nationalrat ein und machte in der damals noch liberalen Freiheitlichen Partei (FPÖ) schnell Karriere.

1986 putschte er mit Hilfe des nationalistischen Flügels gegen den damaligen Parteichef Norbert Steger, löste ihn als Vorsitzender ab und setzte innerhalb der Partei einen strammen Rechtskurs durch. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Franz Vranitzky kündigte daraufhin die Regierungskoalition mit der FPÖ.

Auch durch sein ansehnliches Vermögen baute Haider seinen Einfluss in der FPÖ aus. Ein Großonkel Haiders hatte seine Nazifunktion genutzt, um den Besitz einer jüdischen Witwe günstig zu erwerben. Das Erbe von knapp 15 Millionen Euro ging 1986 an der Steuer vorbei in Jörg Haiders Besitz über. Seitdem gehörte er zu den reichsten Personen Österreichs.

Nach einer aggressiven rassistischen Wahlkampagne wurde Haider 1989 mit Hilfe der ÖVP zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt. Schon nach knapp zwei Jahren musste Haider zurücktreten, nachdem er öffentlich seine Bewunderung für Adolf Hitler erklärt und das "Beschäftigungsprogramm der Nazis" als "vorbildlich" gelobt hatte.

Anschließend setzte er seine politische Karriere auf Bundesebene fort. 1993 initiierte er einen Volksentscheid "Österreich zuerst!". Er forderte die rigorose Ausweisung von Ausländern und Asylbewerbern und kündigte einen umfassenden Kampf "gegen die Überfremdung Österreichs" an.

Bei den Landtagswahlen 1998 in Kärnten gelang es Haider und FPÖ die SPÖ vom Spitzenplatz zu verdrängen und erneut die Regierung zu stellen. Bei den ein Jahr später stattfindenden Nationalratswahlen erreichten die Rechten hinter der SPÖ den zweiten Platz. Die Folge war eine Koalition mit der ÖVP samt Regierungsbeteiligung.

Wenige Monate nach der Regierungsbildung trat Haider zwar offiziell zurück, zog aber im Hintergrund noch immer die Fäden.

Während ihrer Regierungszeit wurde der Charakter der FPÖ nur allzu deutlich. Im Bündnis mit der Volkspartei setzte sie drastische Angriffe gegen die Bevölkerung durch. Rentenkürzungen, Einschnitte im Gesundheitssystem und die Einführung von Studiengebühren wurden in der Folge beschlossen. Begleitet wurde dies durch eine scharfe Law-and-Order-Politik, die Einschränkung demokratischer Rechte und eine restriktive Ausländer- und Asylpolitik.

Damit verspielte die Partei schnell ihre Unterstützung in der Bevölkerung. Wahl um Wahl wurde für die FPÖ zum Debakel. Interne Grabenkämpfe waren die Folge. Nach der niederösterreichischen Gemeinderatswahl, bei der die FPÖ nur noch etwa 3 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, spaltete Haider von der FPÖ und rief das BZÖ ins Leben.

2006 erreichte Haiders BZÖ nur haarscharf den Einzug in den Nationalrat. Doch die rechte Politik der Koalition von SPÖ und Volkspartei richtete es wieder auf. Bei den Wahlen vor drei Wochen verzeichnete die extreme Rechte ihr bestes Ergebnis seit 1945. FPÖ und BZÖ vereinigten etwa gleich viel Stimmen auf sich wie die SPÖ.

Ursachen für Haiders Aufstieg

Haiders Aufstieg in den 80er Jahren war auf die Politik der bis dahin dominierenden SPÖ und ÖVP zurückzuführen.

Noch weniger als in Deutschland gab es in Österreich nach der Kriegsniederlage und dem Zusammenbruch des Naziregimes eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Einvernehmliches Ziel aller Parteien war es, die kapitalistische Ordnung zu erhalten und möglichst schnell wieder zum politischen "Alltag" überzugehen. Aus diesem Grund wurde auch die Vorkriegsverfassung der ersten Republik übernommen.

Österreich wurde zwar bis 1966 von einer großen Koalition unter Führung der ÖVP regiert, doch für die Stabilisierung der bürgerlichen Herrschaft war die SPÖ wichtiger. Die bürgerlichen Kräfte hatten sich durch ihre Rolle im Dritten Reich derart diskreditiert, dass sie ihre Herrschaft nur aufrecht erhalten konnten, indem sie umfangreiche soziale und politische Zugeständnisse an die Arbeiterklasse machten.

Das erlaubte es der SPÖ - aber auch der ÖVP, deren Politik im Wesentlichen ebenfalls sozialdemokratisch war -, die politische Bühne unangefochten zu beherrschen. Von 1945 bis 1999 war die SPÖ bis auf vier Jahre (1966-1970) in sämtlichen Regierungen vertreten, oft in einer Koalition mit der konservativen Volkspartei (ÖVP).

Solang sich dies mit Zugeständnissen an die Arbeiterklasse verbinden ließ, waren die politischen Verhältnisse in Österreich relativ stabil. Aber spätestens mit den Gegenreformen der 1980er Jahren änderte sich das. Wie in allen anderen Ländern Europas wurden soziale Leistungen gekürzt. Das soziale Klima wurde spürbar rauer. Die Öffnung der osteuropäischen Grenze, der Beitritt Österreichs zur EU und die Auswirkungen der Globalisierung reduzierten die politischen und ökonomischen Spielräume der österreichischen Sozialpartnerschaft weiter.

Während jede Regierung neue soziale Angriffe auf die Bevölkerung verübte, verstärkte sich das enge Geflecht aus Partei- und Staatsbürokratie in der Leitung von Wirtschaft und Gesellschaft und bildete den Nährboden einer rasch um sich greifenden Korruption. Das Proporzsystem diente dabei im Wesentlichen der Aufrechterhaltung der Macht der großen Parteien und zur Verhinderung von Opposition gegen die Regierungspolitik.

Teile des Mittelstandes fühlten sich in ihrem sozialen Status und ihrer materiellen Absicherung bedroht. Unter diesen Schichten gewann die FPÖ neue Anhänger und Wähler. Haider und die FPÖ verbanden soziale Demagogie mit rassistischen und ausländerfeindlichen Parolen, denen sie die Schuld für die zunehmende Misere in die Schuhe schoben.

Die Sozialdemokraten reagierten auf den schnell wachsenden politischen Einfluss Haiders, indem sie seine reaktionären Parolen übernahmen, um, wie sie erklärten, "ihn überflüssig zu machen". So trug die SPÖ wesentlich dazu bei, das Gift des Rassismus in der Gesellschaft zu verbreiten und einen ständigen Rechtsruck der politischen Verhältnisse durchzusetzen.

Siehe auch:
Nationalratswahlen in Österreich: Niedergang der Sozialdemokratie gibt rechten Kräften Auftrieb
(30. September 2008)
Was steckt hinter der Spaltung der FPÖ?
( 13. April 2005)
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