Sozialdemokraten und Volkspartei bilden erneut große Koalition in Österreich

Zwei Monate nach den österreichischen Nationalratswahlen haben sich die sozialdemokratische SPÖ und die konservative Volkspartei (ÖVP) am Sonntag auf die neuerliche Auflage einer Großen Koalition geeinigt. Neuer Bundeskanzler wird der Sozialdemokrat Werner Faymann. ÖVP-Chef Josef Pröll übernimmt das Amt des Vizekanzlers.

Im September war eben diese Regierungskoalition eindeutig abgewählt worden. Beide Parteien hatten die größten Verluste ihrer Geschichte eingefahren, nachdem das rot-schwarze Bündnis im Juli nach 18-monatiger Regierungszeit zerbrochen war. Davon profitierte die extreme Rechte. Die Freiheitliche Partei (FPÖ) und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) des inzwischen verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider erreichten bei den Nationalratswahlen zusammen fast ebenso viele Stimmen wie die SPÖ.

Die neu gebildete Regierung ist allerdings nicht nur eine Fortsetzung der kläglich gescheiterten Regierung von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Vielmehr haben sich die beiden "Volksparteien" darauf verständigt, unter Bedingungen einer sich stetig verschärfenden Wirtschaftskrise eine Politik zu verfolgen, die sich nur gegen massive Widerstände der Bevölkerung durchsetzen lässt. Sowohl die Zusammensetzung des Kabinetts als auch die Koalitionsvereinbarung machen die Stoßrichtung deutlich.

Wie schon in der Vorgängerregierung gingen die wichtigsten Ressorts an die ÖVP, obwohl diese bei der Wahl deutlich schlechter abschnitt. Die Volkspartei besetzt die Schlüsselministerien für Finanzen, Außenpolitik und Inneres. Auch das Justizministerium wandert von der SPÖ zur ÖVP. Bislang war in Koalitionsregierungen stets darauf geachtet worden, die Zuständigkeit für Polizei und Justiz strikt zu trennen.

Der designierte Kanzler Werner Faymann steht auf dem rechten Flügel der SPÖ. Er hat keinen Kontakt zur Basis der Sozialdemokraten, geschweige denn zu den Wählern. Neben seiner klassischen Laufbahn durch die Instanzen der Partei verfügt er über ausgezeichnete Kontakte zu österreichischen Unternehmern. Er ist eng befreundet mit dem Herausgeber der rechts-populistischen Kronenzeitung. Faymann lancierte in diesem Blatt Ende Juni den Vorschlag, Volksabstimmungen über EU-Fragen abzuhalten, was von der ÖVP als Grund für die Auflösung der Koalition angeführt wurde. Auch die FPÖ benutzte das Blatt als Forum für ihre ausländerfeindlichen Kampagnen.

Das Justizministerium wird künftig von der parteilosen Richterin Claudia Bandion-Ortner geführt, die durch die relativ harten Urteile gegen die der SPÖ nahe stehenden, korrupten Führungsfiguren der ehemals gewerkschaftseigenen Bank Bawag und der vormals staatlichen Einzelhandelskette Konsum bekannt wurde. Sie gilt als Hardlinerin, von der erwartet wird, dass sie Angriffe auf demokratische Rechte ohne Rücksicht auf etwaige Kritik aus den Parteien absegnet.

In diesem Zusammenhang stehen die tief greifende Änderungen in der Sicherheitspolitik. Mit der angekündigten "Sicherheitsoffensive" erhalten Polizei und Nachrichtendienst eine nie gekannte Machtfülle. In der Koalitionsvereinbarung wird die so genannte Onlinedurchsuchung, also das Ausspähen von privaten Computern, ausdrücklich erlaubt. Wer sie unter welchen Bedingungen durchführen kann und wer sie kontrolliert, wurde dagegen ausgelassen.

Renten sollen künftig nicht mehr automatisch erhöht werden. Stattdessen sollen sie der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst werden. In Zeiten der Rezession bedeutet dies mit Sicherheit Rentenkürzungen.

In der Gesundheitspolitik will die neue Regierung den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg ständiger Kürzungen weitergehen. Was es bedeutet, "Effizienzpotenziale" zu "analysieren", zeigte sich in steigenden Zuzahlungen für Medikamente und Krankenhausaufenthalte. Für die angestrebte Entschuldung der Krankenkassen ist der bisherige Chef der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, Alois Stöger, als neuer Gesundheitsminister zuständig. Mit radikalen Sparmaßnahmen hatte er diese in den letzten Jahren saniert.

Ähnliches deutet sich in der Bildungspolitik an. Sämtliche in Aussicht gestellten Finanzhilfen stehen unter Budgetvorbehalt. Unter dem Stichwort "Standortoptimierungen" sollen die Universitäten "inneruniversitäre Effizienzreserven heben", was weitere Kürzungen und Wettbewerb auch in diesem Bereich heißt.

Der bisherige Verteidigungsminister Norbert Darabos bleibt im Amt. Er hatte im Wahlkampf 2006 versprochen, den umstrittenen Ankauf von Eurofightern rückgängig zu machen, und sein Versprechen unmittelbar nach der Regierungsbildung gebrochen.

Mit Reinhold Mitterlehner (ÖVP) übernimmt der Vizegeneralsekretär der Wirtschaftskammer ein Ministeramt. Er vertritt seit langem die Interessen der Wirtschaft im Parlament und hat selbst ÖVP-Parlamentarier durch seine neo-liberalen Ansichten vor den Kopf gestoßen. Im Zuge der Finanzkrise fordert die Wirtschaftskammer weitere Milliardengeschenke für die Unternehmen.

Groß angekündigte Steuersenkungen fallen bei genauem Hinsehen nur für hohe Einkommen ins Gewicht. Die Steuerfreistellung gilt nun bei einem Jahreseinkommen von bis zu 11.000 Euro, statt bislang 10.000 Euro. Der Spitzensteuersatz bleib unverändert, wird aber erst bei 60.000 statt wie bisher bei 51.000 Euro Jahreseinkommen veranlagt.

Unter einem sozialdemokratischen Kanzler wird in der Ausländer- und Asylpolitik umgesetzt, was die ultra-rechte FPÖ seit Jahren fordert. Wer einwandern will, muss sich künftig um eine "Rot-Weiß-Rot-Card" bemühen. Einwanderungswillige werden dabei demütigenden Verfahren unterzogen. Eine Chance auf dauerhaften Aufenthalt hat nur noch, wer über gute Deutschkenntnisse und ein gutes Einkommen verfügt. Ein Strafverfahren soll auch künftig parallel zu einem Asylverfahren abgewickelt werden können mit dem Ziel, "kriminelle" Asylbewerber rigoros abzuschieben.

Designierter Sozialminister ist der ehemalige Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds ÖGB, Rudolf Hundstorfer. Er übernahm das Amt des Gewerkschaftschefs 2006 von Fritz Verzetnizsch, der im Zuge der Bawag-Krise seinen Hut nehmen musste.

Die Nominierung Hundstorfers und die Einbindung der Gewerkschaft wurden durchweg positiv aufgenommen. Die Kleine Zeitung zitiert den Politologen Peter Filzmaier, der die Regierung "gut beraten" sieht, angesichts der Wirtschaftsmisere den Schulterschluss zu suchen. Es könne der Regierung, die mit so erbärmlichem Vorschusslorbeer bedacht wird, nur gut tun, "vom guten Image der Sozialpartner zu profitieren."

Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die Gewerkschaften sind, wie die SPÖ selbst, völlig diskreditiert. Ihre rechte, unsoziale Politik hat ihnen nahezu jede Unterstützung in der Bevölkerung gekostet. Unter dem Einfluss der tiefen Wirtschaftskrise werden SPÖ und ÖGB diese Politik verstärkt fortsetzen. Die Konfrontation mit der Arbeiterklasse wird sich verschärfen.

Siehe auch:
Nationalratswahlen in Österreich: Niedergang der Sozialdemokratie gibt rechten Kräften Auftrieb
(30. September 2008)
Das Ende der Großen Koalition in Österreich
( 15. Juli 2008)
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