Großbritannien:

Was stellt die Convention on Modern Liberty dar?

Am 1. März hielt die Convention on Modern Liberty (Konvent zur modernen Freiheit) ihre erste nationale Versammlung ab. Eine zentrale Konferenz fand in London im Institute of Education statt; gleichzeitig gab es in sieben anderen Städten weitere, wesentlich kleinere Treffen.

Unterstützt wird die "Convention" von Bürgerrechtsgruppen wie der Joseph Rowntree Foundation, openDemocracy, Liberty und NO2ID. Sie konnte führende Bürgerrechtler als Redner gewinnen, wie zum Beispiel die Kronanwältin Helena Kennedy.

Sie hat jedoch zur Verteidigung von Bürgerrechten nichts Vernünftiges beizutragen. Ihre politische Prämisse und Orientierung dient nur dazu, jeden zu entwaffnen, der sich ernsthaft über die Zerstörung demokratischer Grundrechte, sowohl durch die Labour-Regierung, als auch durch ihre konservativen Vorgänger, Sorgen macht.

Die "Convention" wurde im September 2008 gegründet. Ursprünglich geht die Initiative dazu auf den Rücktritt des konservativen Abgeordneten und Schatteninnenministers David Davis vom 12. Juni 2008 zurück, der damals eine Nachwahl in seinem Wahlkreis damit erzwang. In dieser Nachwahl spielten die Bürgerrechte die zentrale Rolle, denn Davis kündigte seinen Rücktritt genau einen Tag nach der Verabschiedung des Antiterrorismusgesetzes an, das die Untersuchungshaft bei Verdacht auf Terrorismus von 28 auf 42 Tage ausweitete.

Diese Geschichte ist nicht gerade die beste Empfehlung für eine Organisation, die von sich behauptet, die Bürgerrechte zu verteidigen. Zur näheren Erläuterung hier ein Rückblick auf die Äußerungen der britischen Socialist Equality Party in dieser Angelegenheit.

Als Davis sich in die Pose eines Verteidigers der bürgerlichen Freiheitsrechte warf, wurde er von mehreren führenden Labour-Leuten und Liberalen unterstützt, darunter Tony Benn und zwei heutigen Wortführern von Convention on Modern Liberty, Henry Porter von der Zeitung Guardian und Shami Chakrabarti von dem Liberty-Forum. Sie alle traten auf seinen Wahlversammlungen als Sprecher auf. Labour weigerte sich, gegen ihn anzutreten, weil die Partei eine Wahlschlappe befürchtete. Linke Parteien wie die Socialist Workers Party enthielten sich ebenfalls und überließen es der SEP und unserm Kandidaten Chris Talbot, gegen Davis zu kandidieren. Talbot war, wie wir damals schrieben, der einzige, der "wirklich gegen die repressiven Maßnahmen der Labour-Regierung kämpft. Er tritt für die unabhängige politische Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung und für ein sozialistisches Programm ein."

In unserm Manifest erklärten wir, dass die Verteidigung demokratischer Grundrechte den Kampf gegen alle kapitalistischen Parteien erfordere. Die Konservativen hatten ja mit der Offensive gegen die Bürgerrechte begonnen. Davis und seine Partei hatten damals schon die Ausweitung der Inhaftierung ohne Anklage auf 28 Tage unterstützt. Für den Krieg im Irak und in Afghanistan tragen sie genau so viel Verantwortung wie die Labour Party. "Ihre Politik", erklärten wir damals, "zielt gleichermaßen auf die Bereicherung großer Unternehmen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung ab."

Die SEP schlug vor, die demokratischen Rechte auf einer Klassengrundlage zu verteidigen, und erklärte: "Die Erosion der Demokratie hängt mit der Zunahme von Militarismus und Kolonialkriegen zusammen." Auch falle "die Erosion der Bürgerrechte mit der beispiellosen Umverteilung des Reichtums zugunsten der Superreichen und einer nie da gewesenen sozialen Ungleichheit zusammen. Die Regierung weiß, dass sie für diesen Kurs keine Unterstützung bei den Wählern bekommen kann. Stattdessen bringt die immer tiefere Kluft zwischen Reich und Arm in Großbritannien und weltweit Polizeiunterdrückung und diktatorische Herrschaftsformen hervor.

... Die Habeas-Corpus-Akte und andere demokratische Grundrechte wurden erst nach erbitterten politischen Kämpfen, die Jahrhunderte dauerten, auch auf Arbeiter angewandt. Erst als die Arbeiterklasse sich als selbständige gesellschaftliche und politische Kraft herausbildete, waren die britischen Herrscher gezwungen, ihr Zugeständnisse zu machen. ... In all diesen Kämpfen haben Sozialisten eine führende Rolle gespielt, weil sie verstanden, dass die wirkliche Ausdehnung der Demokratie den Aufbau einer Gesellschaft erfordert, die frei von Unterdrückung, Armut und Not ist."

Nachdem Davis am 10. Juli wieder gewählt worden war, erklärten wir: "Man hat Davis erlaubt, sich als Führer der angeblich unparteiischen Bewegung zur Verteidigung von Bürgerrechten aufzuspielen, und das Resultat besteht darin, dass die Arbeiterklasse vom politischen Leben ausgeschlossen bleibt. Genau an dem Punkt, wo Millionen Menschen klar wird, dass es notwendig ist, von Labour zu brechen, und wo ernsthafte Schichten nach einer politischen Alternative suchen, werden Arbeiter dazu gedrängt, entweder Labour die Nibelungentreue zu halten, oder die Tories zu unterstützen."

Diese Warnungen haben sich als weitsichtig erwiesen.

Davis’ Entscheidung zum Rücktritt wurde von der Konservativen Partei am Anfang nicht gern gesehen. Sie war mit einem so publikumswirksamen Auftreten gegen die Antiterrorgesetze sichtbar unzufrieden, weil sie Angst hatte, der Schuss könnte nach hinten losgehen. Auch die liberalen Intellektuellen hegten gemischte Gefühle über ein so enges Zusammengehen mit den Konservativen. Guardian und Observer, beides Leibblätter der britischen liberalen Mittelklasse, diskutierten in zahlreichen Kommentaren das Für und Wider eines solchen Kurses.

Ich schrieb am 1. Juli 2008:

"Für einige beinhaltet die Frage weit mehr als eine Entscheidung, ob sie gegen eine Vorbeugehaft von 42 Tagen und gegen andere, die demokratischen Grundrechte aushöhlenden Maßnahmen protestieren sollten oder nicht. Für sie geht es darum, ob sie Labour die Treue halten und zuweilen vorübergehend den Liberaldemokraten zuneigen, oder ob sie ihre politische Loyalität auf die Konservativen übertragen sollten."

Am ungeniertesten trat Henry Porter dafür ein, sich an die Tories anzuhängen. In der Frage, wer die Bürgerrechte verteidigen könne, schrieb er am 29. Juni 2008 im Observer : "Gewiss nicht Labour, obwohl sie manch guten Mann auf den Hinterbänken haben." Und wenn auch die Liberaldemokraten "leidenschaftlich für Freiheit" seien, "müssen es realistischer Weise doch die Tories sein, nicht wahr?"

Porter lobte Cameron und den "solide freiheitlich gesinnten" neuen Schatteninnenminister, Dominic Grieve, und appellierte an die Konservativen, "den großen Streit zu wagen, denn hier gibt es politische Möglichkeiten".

Ich erklärte: "Wenn die Tories als Partei der Bürgerrechte hingestellt werden, drückt das, gelinde gesagt, ein ungewöhnliches Maß an politischer Desorientierung unter kleinbürgerlichen Schichten aus. Früher wären sie vor einer solchen Beschreibung zurück geschreckt. Doch es bedeutet in gewisser Weise, dass sie realisieren, in welcher Richtung der Wind jetzt weht."

Cameron und eine neue Tory-Regierung hätten in jedem Fall großen Bedarf an Apologeten und Überläufern mit unbestimmt linkem Hintergrund, wollen sie überhaupt eine Chance haben, die Macht zu behalten. Das gleiche Phänomen - das Überlaufen ehemaliger Sozialdemokraten und Liberaler zur neuen politischen Ordnung - ist bereits zur Genüge in Frankreich demonstriert worden, als der gaullistische Präsident Nicolas Sarkozy an die Macht kam."

Seit dieser Zeit haben Davis’ Erfolge scheinbar breite Schichten beiderseits der bisherigen Kluft zwischen "Liberalen" und "Tories" davon überzeugt, dass eine solche Allianz eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat. So haben David Cameron, Führer der Konservativen Partei, Nick Clegg, Liberaldemokraten-Führer, wie auch Caroline Lucas von den Grünen die Convention on Liberty offiziell unterstützt.

Unter den Anhängern der Convention aus dem Labour-Lager sind prominente Vertreter der liberalen Imperialisten, wie beispielsweise Nick Cohen und andere Mitglieder der inzwischen aufgelösten Euston-Gruppe. Sie befürworten eine politische Neuausrichtung auf der Grundlage des Kampfs gegen "Terrorismus" und "Anti-Amerikanismus" und stellen dies als Verteidigung von liberaler Demokratie hin. Dies hat sie auf die Seite der Neo-Konservativen gebracht. In diesem Zusammenhang ist als prominenteste Labour-Abgeordnete Kate Hoey zu nennen, ein ehemaliges Mitglied der International Marxist Group, die heute Vorsitzende der Countryside Alliance ist und mit rechten Tories auf Du und Du steht.

Eine weitere Facette im Bild der Ex-Linken, die nach rechts abdriften, liefern Ehemalige der Kommunistischen Partei von Großbritannien und ihres frühern Journals Marxism Today. Zu ihnen gehört die Kolumnistin Suzanne Moore, heute bei der Tory-freundlichen Zeitung Mail on Sunday.

Auf der Versammlung sprachen Vertreter beider Seiten dieser unheiligen Allianz. Die prominentesten Tory-Sprecher waren der Schatteninnenminister Dominic Grieve, David Davis, Phillip Blond, Cameron-Berater Tim Montgomerie von der Konservativ-Christlichen Kameradschaft und Ian Dale, David Davis’ Stabschef in den letzten Parteiwahlen der Konservativen.

Dale schrieb in seinen Blog: "Die 120-köpfige Zuhörerschaft in meiner Versammlung war stark von Mittelklasse geprägt und enthielt ein starkes Kontingent der Liberal-Demokraten." Sie sei aber alles andere als ein "love in" von lauter Linken gewesen. "Eine Blogger-Kollegin von mir hat anschließend erzählt, sie sei im großen Saal von lauter Horse&Hound-Lesern umringt gewesen."

Selbst wenn einige Sympathisanten im Umkreis der Convention on Modern Liberty aufrichtige Absichten verfolgen, es ist ein politischer Betrug. Während die zutiefst unpopuläre Labour Party sich in Auflösung befindet, werden die bürgerlichen Freiheitsrechte von der politischen Rechten zynisch ausgebeutet, und eine Schicht von Liberalen, die man höflich ausgedrückt nur als politisch desorientiert bezeichnen kann, unterstützt sie darin.

Schon in weniger als einem Jahr könnten die Konservativen an der Macht sein. Der Versuch, diese Partei als fortschrittlicher als Labour hinzustellen - wenigstens in der Frage der Freiheitsrechte - ist für sie von großer Bedeutung, wenn es gelingen soll, Unterstützung in der Bevölkerung für ihre geplanten Angriffe auf die Arbeiterklasse zu gewinnen. Nur wenige Tage nach der "Convention" warnte Schattenkanzler George Osborne, eine Regierung der Konservativen würde nicht vor "großen Reformen" im öffentlichen Dienst zurückschrecken. "Großbritannien hat keine Wahl. Wir müssen den Staatshaushalt unter Kontrolle bringen. Die Regierung mag den Appetit verloren haben und sich mit dieser Wahrheit nicht mehr konfrontieren wollen; aber die Opposition schon."

Die Tories planen, ein wahres Hauen und Stechen von Kürzungsprogrammen und Sparmaßnahmen durchzusetzen. Damit wollen sie die Last der Rezession der Arbeiterklasse aufbürden. Es ist keine Grundlage für ein neues Aufblühen von "Freiheit", sondern für Repression und Krieg.

Siehe auch:
Konservativer Abgeordneter tritt gegen Anti-Terror-Gesetze der Labour-Regierung auf
(24. Juni 2008)
Socialist Equality Party kandidiert bei Nachwahl zum britischen Parlament - Wählt Chris Talbot in Haltemprice and Howden!
( 26. Juni 2008)
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