Partei für Soziale Gleichheit zur Bundestagswahl zugelassen

Wahlausschuss lehnt fast zwei Drittel der Parteien ab

Auf seiner Sitzung am 17. Juli hat der Bundeswahlausschuss die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) erst nach längerem Disput zur Bundestagswahl im September zugelassen. Von den 52 Anträgen auf Wahlzulassung wurden 31 abgelehnt - deutlich mehr als zuvor. Unter den abgelehnten Parteien befinden sich mehrere, die bei vergangenen Bundestagswahlen zugelassen worden waren.

Die PSG hatte alle rechtlichen Voraussetzungen für die Wahlzulassung erfüllt. Sie hatte rechtzeitig die Landeslisten, samt Protokollen der Regionalkonferenzen auf denen die Kandidaten gewählt worden waren, Eidesstattlichen Erklärungen über den korrekten Ablauf der Konferenzen, amtliche Bescheinigungen der Wählbarkeit der Kandidaten und Zustimmungserklärungen der Kandidaten bei den zuständigen Landeswahlleitern eingereicht.

Darüber hinaus hatte die PSG mehr als die erforderlichen 2.000 Unterstützungsunterschriften für jede Landesliste gesammelt und abgegeben. Jede dieser Unterstützungsunterschriften war vom zuständigen Einwohnermeldeamt bestätigt.

Der Vorsitzende des neunköpfigen Bundeswahlausschusses Roderich Egeler, er ist Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, erklärte daher, die PSG haben die "formellen" Voraussetzungen für eine Wahlteilnahme durchaus erfüllt. Bei den "materiellen" Voraussetzungen habe er aber erhebliche Zweifel. Man könne der PSG zwar nicht absprechen, dass sie in den vergangenen Jahren mehrmals an Wahlen teilgenommen habe und sich um politischen Einfluss bemühe, doch sei die Resonanz, wie auch die Zahl der Mitglieder derart gering, dass man die Parteieigenschaft ernsthaft in Frage stellen müsse, sagte Egeler.

Der Vorsitzende der PSG Ulrich Rippert, der an der Ausschusssitzung teilnahm, widersprach dem energisch. Rippert betonte, dass die gesetzliche Anforderung an die Wahlteilnahme darin bestehe, mehrere Tausend beglaubigte Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Das habe die PSG bei ihrer Teilnahme an früheren Bundestagswahlen, Landtagswahlen oder jüngst bei der Europawahl im Juni in vollem Umfang gemacht. "Wir haben sogar meist erheblich mehr Unterstützungsunterschriften abgegeben als gefordert und damit den vom Gesetzgeber geforderten Nachweis unserer Unterstützung in der Bevölkerung zweifelsfrei erbracht", erklärte Rippert.

Auf die Bemerkung des Bundeswahlleiters, dass die PSG aber immer nur 0,0 Prozent der Wählerstimmen bekommen habe, erwiderte der PSG-Vorsitzende, die Prozentangabe werde in diesem Zusammenhang bewusst irreführend verwendet. "Bei der Europawahl erhielten wir knapp 10.000 Stimmen, das ist nicht Nichts", sagte Rippert und fügte hinzu: "Man kann uns natürlich vorwerfen, dass wir nicht so viele Stimmen gewinnen, wie die anderen Parteien verlieren. Das ist aber kein Grund uns nicht zur Wahl zuzulassen."

Dann erklärte Rippert, dass sich die Arbeit der PSG nicht in Wahlkämpfen erschöpfe: "Wir nehmen nicht nur an Wahlen teil. Wir veröffentlichen eine Tageszeitung im Internet, sie heißt World Socialist Web Site. Dort nehmen wir täglich zu wichtigen politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Ereignissen Stellung. Wir publizieren ein gedrucktes Magazin zu politischen und kulturellen Fragen namens Gleichheit, das regelmäßig, jeden zweiten Monat erscheint und in Buchläden und vielen Kiosken zum Verkauf ausliegt. Wir organisieren regelmäßig öffentliche politische Veranstaltungen zu allen wichtigen gesellschaftlichen Fragen. Auf unseren Wahlveranstaltungen hier in Berlin und anderenorts waren mitunter mehr Teilnehmern, als bei den sogenannten etablierten Parteien."

Auf die Frage, wie diese Arbeit mit nur 270 Mitgliedern zu machen sei, erklärte Rippert, dass die PSG einen sehr viel höheren Anspruch an ihre Mitglieder stelle als die anderen Parteien. "Bei uns gibt es keine Karteileichen. Die Mitglieder PSG setzen den größten Teil ihrer Freizeit für die politische Arbeit ein. Darüber hinaus haben wir einen beachtlichen Sympathisantenkreis, der die Arbeit der PSG tatkräftig unterstützt." Rippert betonte, dass es nicht den geringsten Zweifel gebe, dass sich die PSG an der politischen Willensbildung aktiv beteilige. Gegen eine Ablehnung der Wahlteilnahme durch den Wahlausschuss werde sich die PSG mit allen politischen und rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen.

Roderich Egeler schlug daraufhin vor die PSG zur Wahl zuzulassen und die Ausschussmitglieder folgten diesem Vorschlag einstimmig.

Die Vorgehensweise des Bundeswahlausschusses auf seiner jüngsten Sitzung wirft viele Fragen auf. Die Behauptung, der Ausschuss habe die Aufgabe nicht nur die formellen, das heißt rechtlichen Voraussetzungen zur Wahlzulassung zu prüfen, sondern auch die sogenannten "materiellen Voraussetzungen" und dabei Wählerstimmen mit einzubeziehen, ist Ausdruck bürokratischer Willkür.

Der Ausschuss ist an die Vorgaben des Grundgesetzes, des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengesetzes gebunden. Im Artikel 21des Grundgesetzes heißt es nur: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben."

Nach Paragraph 2 des Parteiengesetzes sind Parteien "Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit (...) auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes (...) mitwirken wollen (...)." Sie müssen dazu eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten, sei es durch die Anzahl ihrer Mitglieder, der Erscheinung in der Öffentlichkeit und nach dem Umfang und der Festigkeit ihrer Organisation.

Im Paragraphen 18 des Bundeswahlgesetzes wird festgelegt, wer, unter welchen Bedingungen und in welcher Form berechtigt ist Wahlvorschläge einzureichen. Von einer notwendigen Stimmenzahl bei früheren Wahlen ist an keiner Stelle die Rede. Als Nachweis für die Fähigkeit in der Bevölkerung ein Minimum an Unterstützung zu mobilisieren, dient die Verpflichtung der Parteien Unterstützungsunterschriften zu sammeln.

Es ist nicht Aufgabe des Wahlausschusses Schlussfolgerungen aus geringer Stimmenzahl oder aus Stimmenverlusten zu ziehen. Wie sollte man sonst über die Wahlteilnahme der SPD entscheiden, die in den vergangenen Jahren bei Wahlen auf allen Ebenen dramatische Stimmenverluste erzielte.

Die selbstherrliche Art in der sich der Wahlausschuss über grundlegende demokratische Rechte hinweg setzte und nach Gutsherrenart, so zu sagen mit Daumenzeichen, Parteien zur Wahl zuließ und andere ablehnte, wirft ein Licht auf kommende Auseinandersetzungen.

Viele Menschen stehen dem offiziellen Politikbetrieb und der Gleichschaltung der Bundestags-Parteien in allen wichtigen Fragen mit offener Ablehnung und Feindschaft gegenüber. Sie suchen daher nach Möglichkeiten selbstständig politisch aktiv zu werden und mit eigenen politischen Formationen in die politische Situation einzugreifen. Diese demokratische Regung betrachtet der Staat als Anzeichen von Widerstand und Bedrohung und reagiert mit bürokratischer Härte.

So wurden mehrere Parteien, die soziale Fragen thematisieren, nicht zugelassen: Die Grauen, eine Partei, die die Anliegen der Rentner vertritt und seit vielen Jahren an Wahlen teilgenommen hat; die PASS (Partei der Arbeitswilligen und Sozial Schwachen - Antidiskriminierungsverband); die Soziale Alternative für Gerechtigkeit (SAG); die Anarchistische Pogo-Partei (APPD), die seit mehreren Jahren in Wahlkämpfen ihre Ablehnung der offiziellen Politik deutlich macht.

Die PSG wird den Wahlkampf nutzen, um ein sozialistisches Programm bekannt zu machen, das dem wachsenden Widerstand in der Bevölkerung eine klare und fortschrittliche politische Orientierung gibt. Der gegenwärtige Wahlkampf der offiziellen Parteien gleicht einer politischen Verschwörung, in der alle Parteien zusammenarbeiten, um das wahre Ausmaß der wirtschaftlichen und sozialen Krise zu vertuschen, während gleichzeitig massive Angriffe auf soziale und demokratische Rechte der Bevölkerung vorbereitet werden. Die kommende Regierung im Herbst - egal aus welchen Parteien sie sich zusammensetzen wird - wird drakonische Maßnahmen durchführen, um die Last der Wirtschaftskrise auf die Bevölkerung abzuwälzen.

Bereits jetzt geht die Industrieproduktion dramatisch zurück und die Arbeitslosigkeit steigt im Rekordtempo. Unter der Oberfläche braut sich ein gewaltiger gesellschaftlicher Sturm zusammen.

Vor wenigen Wochen schrieb die PSG in ihrem Wahlaufruf zur Europawahl: "Wir sehen unsere Aufgabe darin, einen solchen Sturm politisch vorzubereiten und in eine fortschrittliche Richtung zu lenken. Wir wollen die Grundlagen für eine sozialistische Massenbewegung legen, die die Macht des Kapitals bricht und Arbeiterregierungen errichtet.

Wir stützen uns dabei auf eine mächtige historische Tradition. Als deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale verkörpert die PSG die Kontinuität der trotzkistischen Bewegung, die den Marxismus unter den schwierigsten Umständen gegen den Stalinismus und die Sozialdemokratie verteidigt hat. Wir arbeiten eng mit der britischen Socialist Equality Party sowie Gesinnungsgenossen in ganz Europa, den USA, Asien und Australien zusammen."

Siehe auch:
Europawahl vom 7. Juni: Warum PSG wählen?
(3. Juni 2009)
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