Die britische National Party und die BBC

Nick Griffin, der Führer der rechtsextremen British National Party, ist am 22. Oktober in der BBC-Diskussionsrunde "Question Time" vor einem nach Millionen zählenden Fernsehpublikum aufgetreten. Der Einladung Griffins waren heftige Kontroversen vorangegangen, mit denen sich der vorliegende Artikel auseinandersetzt.

Der Minister für Wales, Peter Hain, hatte gewarnt, gegen die British Broadcasting Corporation (BBC) könnten rechtliche Schritte eingeleitet werden, falls sie Nick Griffin, den Führer der British National Party, in ihrer Vorzeige-Sendung "Question Time" auftreten lasse. Doch Medienanwälte wiesen diese Warnung zurück.

Hain hatte argumentiert, die weit rechts stehende Partei sei "illegal", nachdem die Gleichheits- und Menschenrechts-Kommission ein Gerichtsverfahren gegen sie angestrengt habe, weil sie nur weiße Mitglieder aufnehme und damit das Gesetz über Rassenbeziehungen verletze. Das Verfahren wurde gestoppt, nachdem Griffin zugesagt hatte, im nächsten Monat eine neue Satzung vorzulegen und in der Zwischenzeit die Aufnahme neuer Mitglieder auszusetzen.

Hains Warnung war Bestandteil einer Kampagne von Teilen der Labour Party gegen Griffins Auftreten, an der sich auch der mögliche Kandidat um den Parteivorsitz, Alan Johnson, die Zeitung Guardian und pseudo-linke Gruppen wie die Socialist Workers Party beteiligten und die zeitweilig an Hysterie grenzte.

Weil das Bündnis Unite Against Fascism (UAF, Vereinigt Euch gegen den Faschismus) - in der sich Labour-Mitglieder, der Gewerkschaftsdachverband und die SWP zusammengeschlossen haben - eine Demonstration vor dem Hauptsitz der BBC plante, hieß es seit Wochen, das Programm werde an einem "geheimen Ort" gedreht und von einem großen Polizeiaufgebot geschützt.

Dass viele Arbeiter und Jugendliche Griffin und die Rassenhass-Politik seiner Organisation abstoßend finden, ist gesund. Aber diese politisch unbedarfte Opposition wird benutzt, um Sanktionen des Staats und der Medien gegen die BNP zu verlangen, weil sich diese nicht an "gesetzmäßige demokratische" Normen halte, und um die offiziellen Parteien des Establishments zu rechtmäßigen Vertretern der öffentlichen Meinung zu erklären.

Der Socialist Worker, der den Vorsitz der UAF innehat, behauptet, die Einladung der BBC "sei ein Schlag gegen ihre Verantwortung als öffentlich-rechtlicher Sender".

Das ist eine Schönfärberei der BBC, des offiziellen Sprachrohrs des britischen Imperialismus, in dessen Dienst sie täglich Propaganda betreibt. Und man verleiht damit dem Argument des Senders Glaubwürdigkeit, er sei als "öffentlich-rechtlicher Sender" verpflichtet, Griffin auftreten zu lassen. Nachdem die BNP bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni zwei Sitze errungen hat und in Großbritannien ca. 50 Gemeinderäte stellt, könne die BBC keine "unterschiedlichen Maßstäbe für verschiedene Parteien wegen ihrer speziellen Politik anlegen", hatte der Sender erklärt.

Tatsächlich ist der Auftritt in der Sendung "Question Time" nur der letzte von vielen Auftritten des BNP-Führers in der BBC, besonders im letzten Jahr. Er wird auch regelmäßig auf allen großen Nachrichtensendern interviewt.

Dass Griffin einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, hat wenig mit seiner "Einbeziehung" in die Demokratie zu tun, umso mehr dagegen mit einem ausgeprägten Rechtsruck des gesamten politischen Establishments, einschließlich seiner angeblich "liberalen" Vertreter.

Für sie ist die BNP ein nützliches Werkzeug, um fremdenfeindliche Vorurteile zu verbreiten und die wachsende soziale Empörung, die durch die Wirtschaftskrise hervorgerufen wird, von ihrem wirklichen Ziel abzulenken - der parasitären Finanzoligarchie und ihren politischen Vertretern, die das Gesellschaftsvermögen und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung plündern und sich selbst bereichern.

Im März 2008 zum Beispiel gab die BBC die so genannte "Weiße Staffel" ihres Programms in Auftrag. Unter dem Titel "Verschwindet das weiße Großbritannien der Arbeiterklasse?" sollte sie den Eindruck erwecken, die politische Entfremdung und wirtschaftliche Unsicherheit "weißer" Arbeitern seien mit Rassenproblemen und dem Gefühl verbunden, durch das "liberale Allheilmittel" des Multikulturalismus und der "politischen Korrektheit" verraten worden zu sein.

Die BBC verbreitete dabei eine Propaganda, die den Grundideen der BNP entspricht. Griffin nahm an den BBC-Diskussionsforen der "Weißen Staffel" teil, ohne dass es Proteste gab. Die Serie wurde von den Medien enthusiastisch begrüßt. In einem Artikel der Financial Times mit der Überschrift "Die Entlastung des weißen Manns" bemerkte John Lloyd zustimmend, dass "eine kulturelle Bewegung innerhalb des liberalen Meinungsspektrums stattfindet. Zuwanderer werden nicht mehr mit offenen Armen empfangen." Vorstellungen wie "Assimilierung, kulturelle Vielfalt und gegenseitige Toleranz" seien "nun umstritten", schrieb er, und zwar auch "in Großbritanniens bedeutendster kultureller Institution, der BBC".

Die World Socialist Web Site erklärte damals: "Angefangen mit der Rolle der Labour Party als wichtigster Verbündeter der Bush-Regierung in den USA und ihrer Doktrin des Präventivkriegs bis zur Kampagne der Anhänger des New Statesman und der Euston Manifesto-Gruppe gegen eine ‚Beschwichtigungspolitik’ gegenüber dem islamischen Fundamentalismus, haben sich ehemalige Pazifisten und Linke in politische Apologeten der kapitalistischen freien Marktwirtschaft und des so genannten liberalen Imperialismus verwandelt."

Die wiederholten Behauptungen der BNP, der Islam sei nicht "mit der Demokratie vereinbar", haben ihr besonders viel Sendezeit eingebracht. Ihr Gerede vom "Zusammenstoß der Zivilisationen" wiederholt in unverfälschter Form die Behauptungen, mit denen die herrschenden Eliten in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und anderswo ihre kolonialen Eroberungskriege in Afghanistan und im Irak rechtfertigen und die öffentliche Meinung auf ein noch brutaleres Vorgehen gegen Länder wie den Iran vorbereiten.

Gleichzeitig war die BNP in der Lage, die politische Entfremdung auszunutzen, die durch die wirtschaftsfreundliche Politik von Labour und das dadurch verursachte enorme Anwachsen der Klassenunterschiede entstanden ist. Dadurch war sie in der Lage, sich als "Anti-Establishment"-Partei auszugeben. Im Gegenzug stellt das "Establishment" die BNP als Ausdruck des legitimen Grolls der "weißen Arbeiter" dar, um ihr eigenes reaktionäres Programm voranzubringen.

Nichts davon wird von der UAF und den übrigen an den BNP-Protesten Beteiligten erwähnt. Sie fordern eine Art "Sperrgürtel", der um Griffin herum errichtet werden soll. Und damit stärken sie die Glaubwürdigkeit von Leuten wie Labour-Justizminister Jack Straw, der erklärt hat, er werde seinen Auftritt in der "Question Time" dazu benutzen, um die BNP als "ganz rechte Extremisten" zu entlarven, die fest entschlossen seien, "enormen Schaden in einem Land anzurichten, das ansonsten das toleranteste auf der ganzen Welt ist".

Straw hat nicht das Recht, andere zu schulmeistern. Als Innenminister führte er Großbritanniens drakonische Anti-Terror-Gesetze ein, die massiv demokratische Rechte beschnitten. Als Außenminister war er direkt verantwortlich für den illegalen Einmarsch und die Besetzung des Irak, der Zehntausenden das Leben gekostet hat, und er verbreitet weiterhin die Lügen und Falschinformationen, die zur Rechtfertigung dieses Kriegs benutzt wurden.

2006 inszenierte Straw seine eigene anti-muslimische Provokation: Er schrieb einen Zeitungsartikel, in dem er Frauen öffentlich anprangerte, die einen Schleier - oder Niqab - tragen, sie würden den gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben.

Was die Vertreter der Konservativen in "Question Time" angeht, so hat Lady Sayeeda Warsi schon früher geäußert, die Einwanderung in das Vereinigte Königreich sei "außer Kontrolle" geraten, und die BNP-Anhänger würden "einige sehr berechtigte Ansichten vertreten".

In ihrer Rede vor der diesjährigen Parteikonferenz der Konservativen beschuldigte sie die "multikulturelle" Politik, sie werde Großbritannien nicht gerecht, und beklagte die angebliche Aushöhlung der christlichen Religion mit den Worten: "Starke Gesellschaften werden auf der Wertschätzung ihres Erbes aufgebaut."

Die Konservative Partei selbst hat sich im Europäischen Parlament einer extrem rechten Koalition angeschlossen, zu der Sympathisanten der Nazi-SS und Antisemiten gehören.

Laut Nick Cohen vom Observer (der selbst ein Unterzeichner des Euston-Manifests ist - einer proimperialistischen Tirade gegen den Islam) hatte die BBC ursprünglich geplant, Douglas Murray vom Zentrum für Sozialen Zusammenhalt als Gesprächspartner Griffins einzuladen. Das zeigt, wie weit die offizielle Politik nach rechts gerückt ist. Der Sender habe zunächst argumentiert, schreibt Cohen, da "er ebenfalls ein Rechter sei", könne Murray "dem Publikum erklären, dass es möglich ist, sich wegen der Einwanderung Sorgen zu machen, ohne deshalb BNP zu wählen". Die BBC habe es sich dann aber doch anders überlegt. Sie habe befürchtet, wenn Murray "etwas zugunsten von Einwandererkontrollen sage, könne Griffin den Eindruck erwecken, er gebe die allgemeine Meinung wieder".

Hain, Johnson und andere machen sich auch deshalb über Griffins Auftritt in "Question Time" Sorgen, weil sie fürchten, er mache deutlich, wie klein der Unterschied zwischen einer quasi faschistischen Organisation und den "seriösen" offiziellen Parteien ist.

Dies rührt an den Nerv der politischen Lüge, auf der die gegenwärtigen Proteste gegen die BNP beruhen: Dass man durch Appelle an die Institutionen und Vertreter der bürgerlichen Herrschaft, sie mögen die Demokratie "erhalten", den Rassismus und Faschismus bekämpfen könne.

Der rhetorische Ruf No Pasarán verbirgt lediglich die Fäulnis der parlamentarischen Demokratie in Großbritannien. Er entwaffnet die Arbeiter und Jugendlichen gegenüber der wirklichen Ursache der faschistischen Bedrohung - der weit entwickelten Vorbereitungen der herrschenden Elite auf einen schonungslosen Angriff auf den Lebensstandard und die demokratischen Rechte der arbeitenden Menschen. Indem sie ein staatliches Verbot der BNP fordern, arbeiten die UAF und ihre Anhänger obendrein mit dem Staat zusammen und legitimieren anti-demokratische Maßnahmen, deren letztendliches Ziel die Arbeiterbewegung selbst ist.

Der Kampf gegen die Reaktion und die Verteidigung von Bürgerrechten kann nur von einer politisch bewussten und kämpferischen Arbeiterklasse vorangebracht werden, als Teil des Kampfs gegen das kapitalistische Profitsystem, seinen Staatsapparat und seine politischen Vertreter. Erforderlich sind keine ablenkenden und bankrotten Protestveranstaltungen, sondern der Aufbau einer neuen sozialistischen Partei, die diesen Kampf anführt.

Siehe auch:
Großbritannien: Das Euston-Manifest - Ex-Liberale werben für Imperialismus und Krieg
(24. Mai 2006)
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