Griechische Arbeiter: Wir sind nicht schuld an der Krise

Ein Reporter-Team der World Socialist Web Site sprach am Dienstag bei mehreren Protestaktionen in Athen mit Arbeitern.

Die erste Kundgebung von mehreren hundert Ärzten und Krankenschwestern fand vor dem Gesundheitsministerium in Athen statt. Die Hauptforderungen im Gesundheitswesen sind: mehr Einstellungen, Arbeitssicherheit, mehr Arbeitsplatzsicherheit und bessere Bezahlung. Der Streik, der an einem Athener Krankenhaus begann, hat sich auf andere Krankenhäuser ausgeweitet. Für die nächsten Tage wird ein landesweiter Streik erwartet.

Die Reporter sprachen auch mit behinderten Arbeitern, die vor einer Arbeitsvermittlungsstelle für Behinderte demonstrierten. Die Arbeiter fordern Arbeitsplätze, Arbeitsplatzsicherheit und eine starke Anhebung der Sozialausgaben für Behinderte.

In dem Maße, wie die griechische Regierung beginnt, ihr 4,8 Mrd. Kürzungspaket durchzusetzen, und die Mehrwertsteuererhöhung wirksam wird, demobilisieren die beiden großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und für den öffentlichen Dienst (ADEDY) systematisch die Streiks gegen PASOKs Angriffe auf Arbeitsplätze und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung.

Mariki Mariki

Mariki war früher Sekretärin in einer Schule und Journalistin. Jetzt ist die arbeitslos und macht eine Fortbildung um ihre Computerfähigkeiten zu verbessern. Sie berichtete der WSWS über die Probleme behinderter Menschen in Griechenland:

"Wir protestieren, weil wir von der Regierung Geld verlangen. Wir verlangen Arbeit für Blinde und Behinderte. Wir verlangen Zuschüsse für die Medizin und für Ausbildung für Blinde. Die Regierung interessiert sich nur für Leute mit Geld und kümmert sich nicht um unsere sozialen Belange. Unser Problem ist, dass wir kein Geld haben und arbeitslos sind. Wir haben besondere Bedürfnisse. Deswegen protestieren wir gegen die Regierung.

Ich bekomme nur wenig Geld von der Regierung, ungefähr500 Euro. Zum Glück muss ich keine Miete zahlen, weil ich noch bei meinen Eltern lebe. Aber von dem Geld müssen wir alle Hilfsmittel, die manchmal sehr teuer sind, und alle anderen notwendigen Dinge bezahlen. Ein Blindenstock zum Beispiel kann 50 Euro oder mehr kosten.

PASOK unterstützt Menschen mit besonderen Bedürfnissen nicht. In anderen Ländern gibt es viel mehr Unterstützung für Behinderte, als in Griechenland. Ich bin letztes Mal nicht zur Wahl gegangen, weil ich der Lösung der Regierung für die sozialen und die Umweltprobleme nicht zustimme. Die Politiker repräsentieren uns nicht. Viele dachten bei der Wahl, PASOK würde eine Veränderung bringen, aber das stimmt nicht. PASOK vertritt nur die reichen Leute."

Nick Nick

Nick Pourios, Musiker und Teilzeitstudent sagte: "Der Protest soll der Regierung klar machen, dass unser Hauptproblem der Mangel an Arbeitsplätzen ist. Sie haben viele Angriffe auf die Bevölkerung gemacht. Schon vor den Sparprogrammen haben sie den Banken 28 Mrd. Euro gegeben, um sie zu retten. Wir sagen, das Geld, das sie den Banken geben haben, hätten sie für die Menschen ohne Arbeit ausgeben sollen.

Ich glaube, die Probleme, die wir in Griechenland haben, gibt es in ganz Europa und weltweit. Wir können nur Erfolg haben, wenn die Arbeiter zusammen halten. Arbeiter aller Länder vereinigt euch, hat jemand vor langer Zeit mal gesagt."

Dimitris Dimitris

Dimitris Lissaris sagte: "Ich arbeite in einem Krankenhaus und habe Multiple Sklerose. Wir haben Probleme bei der Ausbildung und bei der Beschäftigung; wir müssen unsere Therapien und Medikamente selbst zahlen. Aber unser größtes Problem ist die Arbeitslosigkeit. Behinderte sind oft jahrelang arbeitslos und ihre Familien müssen für sie aufkommen. Sie bekommen nur geringe Unterstützung vom Staat, einige nur 200 Euro. Ich glaube, die PASOK-Regierung ist auch nicht anders, als die Karamanlis-Regierung vorher. Sie haben das gleiche Programm für Arbeitslosigkeit, Armut und Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Ich zahle jeden Monat 350 Euro Miete und verdiene nur etwa 900 Euro. Diese Preiserhöhungen jetzt werden das Leben für uns sehr verteuern, weil die Löhne nach unten gehen. Ich muss jeden Monat 100 Euro für meine Hilfsmittel und Medikamente bezahlen, die ich zum Überleben benötige. Manchmal sogar 150 Euro."

Vor dem Gesundheitsministerium sprach die WSWS mit Vassilis. Er ist Krankenpfleger am Agia Sofia Kinderkrankenhaus in Athen. Er sagte: "Diese Demonstration spricht für Krankenschwestern und -pfleger in ganz Griechenland. Die Wirtschaftkrise wurde nicht vom Pflegepersonal verursacht. Das war nicht unsere Krise, aber sie richtet sich jetzt gegen die Rechte der Krankenpfleger.

Wir fordern mehr Personal in den Krankenhäusern. Ich arbeite auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses und zwei Pfleger müssen neun Betten versorgen. Teilweise müssen wir auch die Arbeit der Ärzte mitmachen. Das ist sehr schwierig, es wird unerträglich. Unsere Gehälter sind sehr niedrig. Wir bekommen nur 1.200 Euro.

Wir verlangen eine neue Leitung hier im Gesundheitsministerium, damit wir mehr Personal und höhere Bezahlung bekommen. Wir arbeiten unter gefährlichen Bedingungen. Das Leben von Menschen steht auf dem Spiel. Zwei Pfleger können nicht 50 oder 60 Patienten versorgen.

Zur PASOK ist zu sagen, dass sie genauso nur die Reichen vertritt, wie die andere Regierung auch."

Eine Pflegerin, die in einem staatlichen Krankenhaus in Athen arbeitet, sagte: "Wir demonstrieren, weil sie uns ans Geld gehen. Wir sind nicht genügend Pfleger im Krankenhaus, sodass wir Überstunden machen müssen. Manchmal müssen wir Doppelschichten von sechzehn Stunden machen. Das Niveau des Gesundheitssystems ist sehr niedrig, weil wir kein Personal haben. Mindestens einmal die Woche müssen wir sechzehn Stunden hintereinander arbeiten. Wir arbeiten auch samstags und sonntags und an Weihnachten. Wir verdienen sehr wenig, und auch die Überstunden werden nicht bezahlt. Die Regierung will mit unserem Geld ihre Haushaltsprobleme lösen."

Vouloa Vouloa (links im Bild)

Bei der Kundgebung am Dienstagabend in Athen sprach die WSWS mit Vouloa Nika, einer arbeitslosen Angestellten, die im Moment auf einen versprochenen Arbeitsplatz im Wirtschaftsministerium wartet. Sie protestierte mit Kollegen, die auch darauf warten, dass das Ministerium seinen Beschäftigungsverpflichtungen nachkommt.

Sie sagte: "Wir haben die Prüfung für die Beschäftigung im Wirtschaftsministerium bestanden. Jetzt sagen sie, dass wir die Arbeitsplätze noch nicht haben können, obwohl wir bestanden haben. Wir hängen in der Luft. Das Problem ist, wir können auch keine andere Arbeit bekommen, weil sie uns sagen ‘Ihr geht ja doch nach ein, zwei Monaten wieder’. Uns will also niemand einstellen. Wir haben die Prüfung im April 2009 gemacht und jetzt ist März 2010. Ich habe seit Sommer 2007 dafür studiert. Uns wurde gesagt, wir würden ab dem nächsten Semester bis 2013 als Graduierte beschäftigt. Insgesamt sind 877 von uns in ganz Griechenland betroffen, nicht nur hier in Athen.

Die PASOK-Regierung nimmt das Geld von denen, die am wenigsten verdienen. Sie nehmen es nicht von denen, die 10.000 Euro im Monat verdienen, sondern von denen, die 1.500 Euro verdienen. Meine Eltern haben im öffentlichen Dienst gearbeitet und sind jetzt in Rente. Ich lebe jetzt von ihrem Geld. Ich habe keine Arbeit und auch meine Schwester hat keine Arbeit. Wie sollen wir überleben? Ich bin jetzt seit ungefähr vier Jahren arbeitslos, es gibt aber nur Arbeitslosengeld für ein Jahr. Also bin ich von meinen Eltern abhängig.

Uns bleibt nur übrig zu protestieren. Das ist unsere einzige Waffe. Ich stimme euch zu, dass die Wirtschaftskrise die Menschen auch anderswo trifft. In den USA haben viele Firmen zugemacht, dort gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit. Ich glaube, die Banken und die Reichen haben das alles verursacht, aber wir sollen jetzt dafür bezahlen."

Siehe auch:
Griechische Gewerkschaften stützen PASOKs Kürzungsprogramm
(17. März 2010)
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