Griechenland, die Pseudo-Linke und die Gewerkschaften

Griechenland steht gegenwärtig im Zentrum der internationalen wirtschaflichen und politischen Krise. Hier testet die europäische Finanzaristokratie, mit welchen Mitteln sie ihre Angriffe auf die Bevölkerung, die auch für andere Länder geplant sind, am besten durchsetzen kann.

Gleichzeitig hat die Arbeiterklasse begonnen, sich gegen das brutale Sparprogramm zur Wehr zu setzen, das darauf abzielt, alle Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zu zerschlagen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung dramatisch zu verschlechtern.

Die Ereignisse in Griechenland werfen damit grelles Licht auf politische Entwickelungen, die über Athen und Thessaloniki hinaus von allgemeiner Bedeutung sind. Dabei ist vor allem das Verhalten der Ex-Linken wichtig, die bei der Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung im Interesse der herrschenden Klasse eine Schlüsselrolle spielen.

Was kennzeichnet die gegenwärtige politische Lage in Griechenland?

Die sozialdemokratische PASOK fungiert als Ausführungsorgan des internationalen Finanzkapitals und setzt massive Sozialkürzungen durch.

Dabei stützt sie sich auf ihre langjährige Verbindung zu den Gewerkschaften, die den wachsenden Widerstand der Arbeiter unter Kontrolle halten und auf fruchtlosen Protest beschränken. Während die Gewerkschaftsführer auf Kundgebungen die Kürzungen kritisieren, stärken sie gleichzeitig der Regierung den Rücken und stabilisieren die kapitalistischen Verhältnisse.

Unter Bedingungen, wo dieser Verrat der Gewerkschaften immer offensichtlicher wird und die Kritik der Arbeiter zunimmt, stützt sich die Gewerkschaftsbürokratie ihrerseits auf pseudolinke Gruppierungen. Deren Rolle besteht darin, eine Rebellion der Arbeiter gegen die organisatorische und politische Zwangsjacke der gewerkschaftlichen Apparate zu verhindern.

Politische Gruppierungen wie SYRIZA, die sich als "Koalition der Radikalen Linken" bezeichnet und Antarsya, die im Frühjahr vergangenen Jahres als "Kooperation der Antikapitalistischen Linken für den Umsturz" gegründet wurde, behaupten steif und fest, dass der Kampf gegen die Sparmaßnahmen gegenwärtig von den Gewerkschaften geführt werde und, dass dies auch so bleiben müsse.

Dass die Vorstände beider großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und den öffentlichen Dienst (ADEDY) mehrheitlich PASOK-Mitglieder sind und somit die größten Gewerkschaften von PASOK gesteuert werden, ignorieren sie.

Die zentrale Forderung von SYRIZA und Antarsya lautet: "Einheit der Linken" zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Aktionen von GSEE und ADEDY.

Dieses Programm der Einheit zur Unterstützung der Gewerkschaften ist ein Verrat an den elementaren Interessen der Arbeiterklasse. Es zielt darauf ab, jede unabhängige Bewegung der Arbeiter als Spaltung zu denunzieren und zu unterdrücken.

Diese Orientierung hat nichts Zufälliges und entspringt nicht der spontanen Eingebung einzelner Funktionäre dieser Gruppen. Sie vertreten diese Linie in jedem Land. Überall behaupten sie, dass die Gewerkschaften, die seit Jahrzehnten aufs engste mit den Unternehmern und den jeweiligen Regierungen zusammenarbeiten und aufgrund ihrer Verrätereien einen Großteil ihrer Mitglieder verloren haben, die wahren und rechtmäßigen Repräsentanten der Arbeiterklasse seien.

Dabei handelt es sich nicht um politisches Unverständnis. Die Identifikation der Ex-Linken mit der Gewerkschaftsbürokratie und ihr Aufstieg bis in die höchsten Ebenen der gewerkschaftlichen Apparate, ist ein wichtiger Mechanismus ihrer Integration in den Rahmen bürgerlicher Politik.

Ihre gesamte politische Vorstellungskraft beschränkt sich auf die gewerkschaftlichen Apparate. Wenn sie die Unterstützung sozialdemokratischer Parteien rechtfertigen, dann mit dem Argument, sie hätten enge Verbindungen zu den Gewerkschaften. Oder umgekehrt, wenn sie den Aufbau neuer Parteien propagieren, dann messen sie den Erfolg daran, ob sie die Unterstützung eines wichtigen Teils der Gewerkschaftsbürokratie gewonnen haben.

Viele dieser Ex-Linken sind tief in den Sozialstaat integriert, der in den vergangenen Jahrzehnten einer ganzen Schicht im Umkreis der Gewerkschaftsbürokratie ein durchaus angenehmes und weitgehend privilegiertes Auskommen ermöglichte. Sie betrachteten schon in der Vergangenheit den Sozialstaat als Ordnungsmacht und standen schon früher jeder selbstständigen Regung der Arbeiterklasse misstrauisch und ablehnend gegenüber.

Als die Gewerkschaften in den siebziger Jahren noch wesentlich enger mit dem Kampf der Arbeiter verbunden waren und teilweise wochenlange Streiks und heftige Auseinandersetzungen organisierten, übten die Gewerkschaften eine weit geringere Faszination auf sie aus, als heute. Viele dieser Ex-Linken fühlen sich durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und die damit verbundene Verschärfung des Klassenkampfs bedroht und klammern sich in der Hoffnung an die Gewerkschaften, eine Radikalisierung der Arbeiter zu verhindern.

Im Wesentlichen sind diese politischen Gruppierungen Bestandteil von kleinbürgerlichen Schichten, die angesichts der Krise nach rechts rücken und die Gewerkschaften aus genau demselben Grund unterstützen, wie die Bourgeoisie selbst. Sie betrachten sie als Bollwerk gegen eine soziale Revolution.

Das ist der Grund für die schnelle Rechtsentwicklung von Organisationen wie SYRIZA und Antarsya in Griechenland und ihren Verbündeten in vielen anderen Ländern, allen voran die Linkspartei in Deutschland, die NPA in Frankreich und Rifondazione in Italien.

Es ist kein Zufall, dass der amtierende Vorsitzende der Linkspartei und Fraktionschef der Europäischen Linken im EU-Parlament, Lothar Bisky, vor wenigen Tagen zum Generalstreik in Griechenland erklärte: "Eine Beteiligung der Bevölkerung am Schuldenabbau ist nötig, aber in Maßen." (Südwestrundfunk) Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Bisky, der Ende Februar auf der Konferenz von SYRIZA in Athen die enge Zusammenarbeit beider Parteien betonte, sprach damit auch für seine griechischen Partner. Ihr Ziel ist es die Kürzungen so zu gestalten, dass sie durchgesetzt werden können. Sie stimmen damit mit den Gewerkschaften, der Regierung und den Banken überein.

Bisky bestätigt damit, was das Internationale Komitee der Vierten Internationale in einer Erklärung am 17. März betonte: Ein konsequenter Kampf gegen das Spardiktat erfordert einen radikalen Bruch mit den Gewerkschaften und ihren Verteidigern unter den Ex-Linken.

Siehe auch:
Griechische Gewerkschaften stützen PASOKs Kürzungsprogramm
(17. März 2010)
Loading